TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 W199 2170090-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
Richtlinie 2011/95/EU Status-RL Art.12 Abs1 lita
VwGVG §8 Abs1

Spruch

W 199 2170090-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , staatenlos, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 28.01.2016 gestellten Antrag auf internationalen Schutz sowie über diesen Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag wird stattgegeben und XXXX gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. 2011 Nr. L 337/9, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine staatenlose Palästinenserin aus Syrien, stellte am 28.1.2016 den Antrag, ihr internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Begründend gab sie dazu bei ihrer Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug) am 1.2.2016 an, Palästinenser würden von den syrischen Behörden diskriminiert und verdächtigt, mit dem Regime nicht kooperieren zu wollen. In Damaskus habe sie Angst vor einer Entführung durch Banden gehabt. Aus Angst um ihr Leben und um das ihrer Tochter habe sie ihre Heimat verlassen.

Am 8.6.2017 brachte die Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde ein. Eine Ladung zu einer Einvernahme am 1.9.2017 befolgte sie nicht. Mit Schreiben vom 7.9.2017 (beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 8.9.2017) legte das Bundesamt die Säumnisbeschwerde vor. Im Vorlageschriftsatz wies es auf die Ladung für den 1.9.2017 hin und führte aus, eine Entscheidung innerhalb der dreimonatigen Frist habe nicht getroffen werden können. Da die Entscheidungsfrist abgelaufen sei, werde der Akt vorgelegt.

2. Am 13.7.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der nur die Beschwerdeführerin als Partei teilnahm und der ein Dolmetscher für die arabische Sprache beigezogen wurde. Das Bundesamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. An der Verhandlung nahm auch ein rechtsfreundlicher Vertreter teil. Das Bundesverwaltungsgericht erhob Beweis, indem es die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vernahm und - außer den Akten des Verfahrens - folgende Unterlagen einsah, die auch in der Verhandlung erörtert wurden:

* Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Syrien 18.5.2018)

* United States Department of State. Country Report on Human Rights Practices 2017 - Syria (20.4.2018)

* UNHCR, UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen. 5., aktualisierte Fassung (November 2017)

* UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria. "Illegal Exit" from Syria and Related Issues for Determining the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Syria (Feber 2017)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Situation in Syrien wird festgestellt:

1.1.1. Politische Lage

Seit 2011 herrscht in Syrien Gewalt. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg mit unzähligen Milizen und Fronten geworden. Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen beherrschen verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten sie Regierungsstrukturen, auch irregulär aufgebaute Gerichte. Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht. Das Gebiet, das unter kurdischer Kontrolle steht, wird auf etwa ein Viertel des Staatsgebietes geschätzt. Russland, der Iran, die libanesische Hizbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickt Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und hat außerdem begonnen, von syrischen Militärbasen aus Luftangriffe durchzuführen, die hauptsächlich auf Gebiete abzielen, welche die Rebellen beherrschen. Die von den USA geführte internationale Koalition führte Luftangriffe gegen Daesh (di. der Islamische Staat, IS, ISIS, ...) durch.

Präsident Bashar al-Asad regiert die Arabische Republik Syrien seit 2000. 2014 wurde er wiedergewählt. Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere, jedoch relativ unbekannte Kandidaten. Die Wahl wurde nur in den von der Regierung beherrschten Gebieten abgehalten, sie wurde als undemokratisch bezeichnet.

Am 16.4.2016 fanden Parlamentswahlen statt. Die regierende Baath-Partei - die von der Verfassung als Regierungspartei vorgesehen ist - gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die Opposition bezeichnete auch diese Wahl, die auch nur in den von der Regierung beherrschten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" wurde gewählt. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen.

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, die unter kurdischer Kontrolle stehen ("Rojava"). Die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) hielt die kurdische Bevölkerung davon ab, sich an der Revolution zu beteiligen. Auf diese Weise konnte sich die syrische Armee auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. Die PYD bezeichnet das in den kurdischen Gebieten etablierte System als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischen Konföderalismus". Tatsächlich liegt die Macht bei der militärischen Führung. In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, damit legitimiert die Partei ihre Macht. In Gebieten, in denen sie neben Behörden der Regierung besteht, haben sich viele Institutionen entwickelt, dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten, in denen sie mehr Kontrolle hat, bleibt die Macht in ihrer Hand zentralisiert.

1.1.2. Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die alle Städte und Regionen Syriens betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in vielen Orten zerfallen, das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch.

Präsident Asad hat mit russischer Unterstützung die Oberhand im syrischen Bürgerkrieg gewonnen. Große Teile des Landes, insbesondere an den Landesgrenzen, sind jedoch weiter in der Hand Aufständischer.

Nachdem die syrischen Truppen im Dezember 2016 Aleppo eingenommen hatten, zogen große Teile der regulären Armee ab; dadurch verschlechterte sich die Sicherheitslage, weil damit den Milizen freie Hand gelassen wurde. Im Juni 2017 unternahm die Regierung den Versuch, großflächig gegen die Milizen in Aleppo vorzugehen. Die Milizen sind ua. auch für eine steigende Zahl an Entführungen, damit Lösegelderpressungen, sowie für Morde verantwortlich.

Anfang November 2016 begann eine Offensive zur Rückeroberung der syrischen Daesh-Hochburg Raqqa. An der Offensive, die unter dem Namen "Wut des Euphrats" lief, waren etwa 30.000 Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), einer von den USA unterstützten kurdisch-arabischen Rebellenallianz, beteiligt, von denen ein Großteil von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gestellt wird. Am 17.10.2017 erklärten die SDF den Sieg über Daesh in Raqqa. Nach den monatelangen Kämpfen und den vielen Luftschlägen sind große Teile der Stadt zerstört, und die große Mehrheit der Bewohner ist in andere Gebiete geflohen. Im Oktober 2017 wurde die Stadt komplett evakuiert und im November kehrten einige wenige Leute nach Raqqa zurück. Das große Ausmaß an Zerstörung von Infrastruktur und Wohnungen führt zu schweren Mängeln in der Gesundheits- und Grundversorgung.

Seit August 2016 ist die Türkei im Rahmen der "Operation Euphrates Shield" in Syrien aktiv. Die Operation wurde gestartet, um gegen Daesh und auch gegen die kurdischen Einheiten vorzugehen, die entlang der syrisch-türkischen Grenze aktiv sind. Im März 2017 wurde die Operation für erfolgreich beendet erklärt Im Oktober 2017 gab der türkische Präsident Erdogan eine neue Operation in der syrischen Provinz Idlib bekannt, deren Ziel es ist, die Ausbreitung von kurdischen und al-Qaida-Einheiten entlang der türkischen Grenze zu verhindern. Am 20.1.2018 begann eine Offensive der Türkei gegen die kurdisch kontrollierte Stadt Afrin. Erdogan kündigte außerdem an, auch Manbij angreifen zu wollen. Nach der zwei Monate andauernden "Operation Olivenzweig" eroberten im März 2018 von der Türkei unterstützte syrische Rebellengruppen die Stadt Afrin. Zuvor baten die Kurden die syrische Regierung um Unterstützung bei der Verteidigung Afrins, daraufhin zogen regierungstreue Einheiten, nicht jedoch die syrische Armee selbst, nach Afrin. Nach der Einnahme Afrins durch türkische Truppen kündigte die YPG den Beginn eines Guerilla-Kampfes gegen die Türkei und pro-türkische Kräfte an.

In den ersten Monaten 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges. Ende Feber 2018 begann nach wochenlangen Bombardements die Bodenoffensive der Regierung auf Ost-Ghouta. Mitte April 2018 erklärten die russischen Behörden und die syrischen Streitkräfte die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave für beendet. Im April 2018 fand in Douma, in Ost-Ghouta, ein mutmaßlicher Giftgasangriff mit Dutzenden Todesopfern statt, für den die syrische Regierung verantwortlich gemacht wurde.

Im April 2018 griff die syrische Armee Yarmouk und Hajar al-Aswad, etwa acht Kilometer südlich von Damaskus, an. Das Gebiet wurde vor allem von Kämpfern des Daesh und der Nusra-Front beherrscht. Die Rebellen stimmten schon bald einem Evakuierungsabkommen zu, jedoch hielten die Luftschläge weiterhin an, und die bewaffneten Gruppen gaben ihr Gebiet zunächst trotz der Vereinbarungen nicht auf. Mitte Mai 2018 wurde das Gebiet noch immer von Kämpfern des Daesh gehalten und von der syrischen Regierung belagert.

Die sog. Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppe stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen. Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, sie unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen.

Im Mai 2017 unterzeichneten Russland, der Iran und die Türkei ein Abkommen, das die Einrichtung sog. Deeskalationszonen vorsieht. Weder die Regierung noch die Opposition unterzeichneten das Abkommen. Die Gruppe Jabhat Fatah ash-Sham (ehemals Jabhat al-Nusra) und Daesh sind von den Vereinbarungen ausgenommen. Nachdem die Zonen beschlossen wurden, begannen in Ost-Damaskus Deeskalationsmaßnahmen, jedoch wurde in dieser Gegend gleichzeitig ein Versöhnungsabkommen geschlossen. Das Ausmaß der Kampfhandlungen in den Provinzen Hama, Homs und Idlib blieb vorerst gleich oder stieg sogar an. Im September und Oktober 2017 intensivierte Russland die Luftschläge auf die Provinz Idlib, um Gruppen, die gegen das Regime eingestellt sind, dazu zu bewegen, ein Waffenstillstandsabkommen oder die Deeskalationszone zu akzeptieren. Von Russland unterstützte syrische Einheiten begannen Ende 2017 eine Offensive gegen Militante und ihre Verbündeten in Idlib.

Im November 2017 brachte die syrische Armee Deir ez-Zour, das zuvor von Daesh besetzt war, wieder unter ihre Kontrolle. Daesh verlor 2017 beinahe sein ganzes Territorium in Syrien und im Irak. Der russische Präsident Putin ordnete Mitte Dezember den Abzug eines "Großteils der russischen Truppen" aus Syrien an. Russland wird jedoch weiterhin eine ständige militärische Präsenz in Syrien unterhalten. Die achte Runde der UN-geführten Friedensverhandlungen in Genf brachte keine Ergebnisse. Die oppositionelle Verhandlergruppe erklärte, dass Asad nicht Teil einer Übergangslösung in Syrien sein könne, worauf die regierungstreue Delegation der Ansicht war, dass es nichts mehr zu verhandeln gebe.

Nach einem Rückgang in den Sommermonaten 2017 kommt es seit September 2017 wieder zu einem Anstieg der Zahlen ziviler Todesopfer.

1.1.3. Rechtsschutz; Justizwesen

1.1.3.1. Gebiete unter der Kontrolle des Regimes

Das Justizsystem besteht aus mehreren Gerichtstypen, darunter sind Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiöse Gerichte sowie ein Kassationsgericht. Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht; Scharia-Gerichte sind für sunnitische und schiitische Muslime zuständig, Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen, in denen es auch eigene Berufungsgerichte gibt. Nach manchen Personenstandsgesetzen wird die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten angewandt. Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein.

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um das Anti-Terror-Gericht, das 2012 aufgebaut wurde, oder um ein Militärgericht handelt. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", die unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert. In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben.

1.1.3.2. Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes

In Gebieten, die oppositionelle Gruppen beherrschen, wurden unterschiedlich eingerichtete Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, die sich stark darin unterscheiden, wie sie organisiert sind und inwieweit sie sich an Rechtsnormen halten. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, während wieder andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und von den dominanten bewaffneten Gruppen dieser Gebiete beeinflusst. Manchmal münden Gerichtsverhandlungen vor Gerichten der Opposition in öffentliche Hinrichtungen, ohne dass der Angeklagte hätte Berufung einlegen oder Besuch von seiner Familie erhalten können.

Daesh hat in den von ihm kontrollierten Gebieten seine strikte Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern sind Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch, Schmuggel oder Diebstahl zur Last gelegt wird oder die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden.

1.1.3.3. Gebiete unter kurdischer Kontrolle

In "Rojava" wurde die "Verfassung von Rojava" erstellt, die als "sozialer Vertrag" zwischen den Bürgern der kurdischen Gebiete beschrieben wird und eine parlamentarische Demokratie mit Pluralismus und gleichen Rechten für Männer und Frauen vorsieht. Es wurden Komitees gegründet, welche die Erhaltung des "sozialen Friedens" zum Ziel haben und Straftaten unter diesem Gesichtspunkt regeln. Die von der PYD geführte Verwaltung umfasst neben einer eigenen Polizei auch Gerichte, Gefängnisse, Ministerien und Gesetze. Für die Militärgerichtsbarkeit sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verantwortlich. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung besteht, fordert die PYD die Bevölkerung dazu auf, sich bei den Institutionen der PYD zu registrieren, gleichzeitig müssen sich Bürger jedoch auch bei den örtlichen staatlichen Gerichten um offizielle Dokumente bemühen, da Dokumente der PYD vom syrischen Staat nicht anerkannt werden.

1.1.4.1. Sicherheitsbehörden und regimetreue Milizen

Die Regierung erhält die Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte aufrecht, kann jedoch jene über paramilitärische, nicht-uniformierte Pro-Regime-Milizen, die oft autonom und ohne Aufsicht oder Führung der Regierung arbeiten, nicht immer gewährleisten. Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden ist weit verbreitet. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann einen Haftbefehl im Fall von Verbrechen durch Militäroffiziere, Mitglieder der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffiziere (im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten) ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis ist keine rechtliche Verfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Missbrauchs und Korruption bekannt, die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und generell außerhalb des Gesetzes. Es gab 2016 keine Berichte von Aktionen der Regierung zur Reform der Sicherheitskräfte oder der Polizei. Die Shabbiha bzw. die NDF und andere paramilitärische Gruppen mit Verbindung zum Regime sind an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, darunter auch an Massakern, willkürlichen Tötungen, Entführungen von Zivilisten, willkürlichen Festnahmen und Vergewaltigungen als Kriegstaktik. Die Einheiten, die auf der Seite der Regierung kämpfen, sind sehr vielfältig. Manche gehören regulären Streitkräften an, andere verschiedenen Milizen. Manche bestehen aus nicht mehr als ein paar Dutzend Männern, andere halten Tausende Männer unter Waffen und besitzen ihre eigenen Trainingscamps und Netzwerke. Auch Russland, der Iran, die libanesische Hizbollah und der Irak unterstützen die syrische Regierung, auch mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte.

1.1.4.2. Streitkräfte

Die Streitkräfte bestehen aus der Armee, der Marine und der Luftwaffe. Sie sind für die Verteidigung des nationalen Territoriums und den Schutz des Staates vor internen Bedrohungen verantwortlich. Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von etwa 295.000 Personen gehabt haben. Sie kann das gesamte syrische Staatsgebiet nicht mehr unabhängig sichern. Sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten stark dezimiert, sie wird für 2014 und 2015 auf 100.000 bis 175.000 Mann geschätzt, großteils mangelhaft ausgerüstete und trainierte Wehrdiener.

Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sog. Quta'a-System. Dabei wird jeder Division ein bestimmtes Gebiet zugeteilt. Es verbindet jeden Sektor (quta'a) mit einer Division und somit Karriere und Leben eines Offiziers mit einer Armee-Division und dem dazugehörigen Gebiet. Im Zuge des Konfliktes hat das Regime jedoch loyale Einheiten in größere Einheiten eingebaut, um eine bessere Kontrolle auszuüben und ihre Effektivität im Kampf zu verbessern.

1.1.4.3. Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste

Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen. Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen. Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren.

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe von Techniken, um Syrer einzuschüchtern oder sie dazu zu bringen, dass sie den Vorstellungen der Sicherheitskräfte entsprechend handeln. Dazu gehören Angebote von lukrativen und prestigeträchtigen Positionen oder anderen Belohnungen, jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikane von Einzelpersonen und/oder ihren Familienmitgliedern, die Androhung von Inhaftierung (ohne Anklage), Verhör und Haftstrafen nach langen Gerichtsverhandlungen. Die bürgerliche Gesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte, aber auch andere Gruppen und Einzelpersonen müssen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen.

1.1.4.4. Polizei

Das Innenministerium kontrolliert vier verschiedene Abteilungen von Polizeikräften: Notrufpolizei, Verkehrspolizei, Nachbarschaftspolizei und Polizei gegen Unruhen.

1.1.4.5. Shabbiha-Milizen und Volkskomitees

Die Shabbiha sind bewaffnete Milizen, welche die regierende Baath-Partei unterstützen und der Asad-Familie treu sind. Sie kämpfen, um die Opposition zu unterdrücken und sich zu bereichern. Sie wurden in den 1970er Jahren in der Gegend von Latakia gegründet und bestanden aus einem Schmugglernetzwerk. 2000 wurden sie von Bashar al-Asad aufgelöst, 2011 nahmen sie ihre Tätigkeit wieder auf. Sie bestehen aus etwa 10.000 Mitgliedern und gehen skrupellos gegen die Opposition vor.

Zu Beginn des Konfliktes 2011 wurden außerdem die sogenannten Volkskomitees spontan gegründet oder von Nachrichtendiensten oder Pro-Asad-Geschäftsmännern als Gegenstück zur Mobilisierung oppositioneller Demonstranten rekrutiert. Die Volkskomitees, die anfangs nur ihre Wohngegenden nach Zeichen des Widerstandes überwachen und Demonstrationen auflösen sollten, entwickelten sich mit der Zeit zu lokalen Autoritäten und später zu bewaffneten Milizen, nachdem der Staat an Macht verlor und die Opposition militarisiert wurde. Diese Milizen wurden von der Opposition häufig als "Shabbiha" bezeichnet.

1.1.4.6. Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF)

Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF) sind eine Schirmorganisation für verschiedene Pro-Regime-Milizen und paramilitärische Gruppen, die sich erstmals 2013 organisierte. Sie wurden aus kriminellen Gruppen, Shabbiha und Volkskomitees, die lokal organisiert sind, gegründet und dienen dem Regime und der Armee. Der Iran und die libanesische Hizbollah spielten eine wichtige Rolle bei der Gründung der NDF nach dem Vorbild der iranischen paramilitärischen Basij-Einheiten. Diese Gruppen nehmen am bewaffneten Konflikt teil. Sie nehmen Personen fest, die sie der Unterstützung der Opposition verdächtigen, inhaftieren und foltern sie. Die Kämpfer der NDF gelten als regimetreuer als die wehrdienstleistenden Soldaten der syrischen Armee. Ihre Arbeit variiert je nach Gebiet, und manche Gruppen sind disziplinierter als andere. Es gibt Gruppen, die zu den NDF gehören und auf Religionszugehörigkeit basieren, zB christliche oder alawitische Gruppen. Als dezidiert Freiwillige sind Angehörige der NDF bei Rebellen verhasster als reguläre Soldaten, die unter Umständen zwangsrekrutiert worden sind, deshalb laufen NDF-Mitglieder noch größere Gefahr, bei Gefangennahme getötet zu werden.

Ihre genaue Mannstärke ist nicht bekannt, Schätzungen aus 2016 schwanken zwischen 60.000 und 100.000 Personen. Die NDF sind auf Grund aktueller Entwicklungen, darunter der Gründung des Fünften Korps der syrischen Streitkräfte, in einem Zustand der Zersplitterung und Fragmentierung. Die Gründung des Fünften Korps sollte ua. auch dazu dienen, eine einsatzfähige Einheit unter Kontrolle der syrischen Armee zu bilden und dabei die NDF aufzulösen, die dafür bekannt sind, zu plündern, die Bevölkerung zu terrorisieren und Schutzgelder zu erpressen. Die organisatorischen Strukturen zwischen NDF und der syrischen Armee und anderen regulär bewaffneten Gruppen sind schwer zu definieren. Manchen Berichten zufolge operieren die NDF unter dem Kommando der syrischen Armee, dabei erhalten sie Informationen und die taktische Führung von der Armee, in anderen Fällen können die Hizbollah und iranische Einheiten spezielle NDF-Kader trainieren und befehligen.

1.1.4.7. Ausländische Kämpfer bzw. Angehörige ausländischer Streitkräfte auf der Seite des Regimes

Zusätzlich zu den lokalen Pro-Regime-Milizen gibt es va. seit 2013 einen stetigen Zustrom ausländischer schiitisch-islamistischer Kämpfer, die vom Iran und den mit ihm verbündeten regionalen paramilitärischen Gruppen unterstützt und trainiert werden. Der Iran führt eine Koalition von beinahe 30.000 Kämpfern. Sie bestehen aus mindestens 7000 iranischen und etwa 20.000 ausländischen Kämpfern, darunter sind 6000 bis 8000 Mann der libanesischen Hizbollah, 4000 bis 5000 irakische schiitische Milizionäre und 2000 bis 4000 afghanische schiitische Kämpfer. Diese Zahlen enthalten jedoch nicht die lokalen paramilitärischen Gruppen, die vom Iran in Syrien unterstützt werden. Diese Koalition stellt einen unverhältnismäßigen Anteil der einsatzfähigen Infanterie, die in größeren Operationen zu Gunsten der Regierung eingesetzt wird. Der Iran hat eine hoch entwickelte Infrastruktur aufgebaut, um diese Einheiten zu trainieren, auszurüsten, zu verwalten und in der Region seinen eigenen strategischen Prioritäten entsprechend einzusetzen. Iranische Einheiten übernahmen wichtige Operationen, was zu "Säuberungen, Exekutionen und Versetzungen" von niedrigrangigen syrischen Offizieren führte und auch ranghöhere Offiziere betraf, die sich gegen die Ausweitung des iranischen Einflusses wehrten.

Russland zählt ebenfalls zu den Verbündeten Asads und unterstützt die syrische Regierung militärisch, so auch mit fortschrittlicher Waffentechnologie, Unterstützung der syrischen Luftwaffe und russischen Spezialeinheiten.

1.1.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen nutzt das Regime schon seit Jahrzehnten, um Widerstand zu unterdrücken. Das Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt. Manche Folteropfer werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter. Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar um die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern.

Rebellengruppen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von tatsächlich oder vermeintlich Andersdenkenden und Rivalen. Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie seien Mitglieder regierungstreuer Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel. Auch Daesh misshandelt, foltert und bestraft Menschen brutal. Er bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen.

Berichten zufolge begehen die Konfliktparteien Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte, einschließlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit, allerdings ist Straflosigkeit weit verbreitet, sodass die Zivilbevölkerung die Hauptlast des Konflikts zu tragen hat. Die Situation in Syrien ist als "Abschlachtung, kompletter Verlust jeglicher Menschlichkeit, Gipfel des Horrors" bezeichnet worden.

1.1.6. Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International lag Syrien 2015 auf Platz 173 von 176 untersuchten Ländern. Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption vor, die Regierung hat die Regelungen jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Beamte üben regelmäßig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Regierung und anderen Behörden. Milizen verlangen zB Bestechungsgelder für das Passieren von Straßensperren, die sie kontrollieren. In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung, und es ist möglich, durch Bestechung eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten. Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Bürger müssen häufig Bestechungsgelder zahlen, um bürokratische Angelegenheiten abschließen zu können. Seit der Krieg ausgebrochen ist, vermeiden Syrer, die Verfolgung durch den Staat befürchten, den Kontakt zu offiziellen Institutionen. Stattdessen müssen sie - zB im Falle wichtiger Dokumente - auf den Schwarzmarkt zurückgreifen. Rebellen, Daesh und kurdische Einheiten erpressen ebenfalls Unternehmen und konfiszieren privates Eigentum in unterschiedlichem Ausmaß.

1.1.7. Allgemeine Menschenrechtslage

1.1.7.1. Es wird geschätzt, dass seit dem Beginn der Revolution 2011 bis Mitte 2017 etwa 475.000 Personen getötet worden sind. Regimeeinheiten führten weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in Haft starben. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie und Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte. Die staatlichen Sicherheitskräfte halten Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. - Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen.

Auch aufständische Gruppen begehen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Festnahmen, Folter und Exekutionen von Leuten, die als politisch Andersdenkende wahrgenommen werden, und an Rivalen. Daesh begeht systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, die auch auf Zivilisten abzielen. Mädchen und Frauen werden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen, Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, werden sexuell versklavt. Frauen erleben willkürliche und schwere Bestrafungen, auch Hinrichtungen durch Steinigung. Frauen und Männer werden bestraft, wenn sie sich nicht den Vorstellungen des Daesh entsprechend kleiden.

Daesh-Kämpfer richten gefangengenommene Zivilpersonen, Regierungssoldaten, Angehörige rivalisierender bewaffneter Gruppen sowie Medienschaffende hin.

Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet.

1.1.7.2. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist für verschiedene Verbrechen in Kraft. Zahlreiche Todesurteile wurden durch das Anti-Terrorgericht und Militärgerichte oftmals in mangelhaften Gerichtsverfahren verhängt.

1.1.7.3. Religionsfreiheit

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, die Verfassung sieht jedoch vor, dass der Präsident Muslim sein muss.

Die Religionszugehörigkeit einer Person wird nicht auf der Identitätskarte vermerkt, muss jedoch beim Zivilregister registriert werden. Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu haben. Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet auch "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften". Ein zum Islam konvertierter Erwachsener kann nicht zu seinem ursprünglichen Glauben zurück konvertieren.

Nach Schätzungen der US-Regierung stellen die Sunniten 74 % der Bevölkerung. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Schiiten, machen zusammen 13 % aus, die Drusen 3 %. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10 %. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden. Diese Zahl könnte auf Grund des Zuzugs von Jeziden, die aus dem Irak nach Syrien geflüchtet sind, mittlerweile höher sein.

Am Beginn des Konfliktes waren Angriffe auf Minderheiten kein zentraler Bestandteil des Krieges. Die Handlungen des Regimes haben jedoch dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskaliert ist.

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder bestimmter Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen, den bewaffneten Aufstand oppositioneller Gruppen niederzuschlagen. Das Regime wandte Taktiken an, die darauf abzielten, die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass er als ein solcher gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte auf Städte und Wohngegenden mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Stellungnahmen und Veröffentlichungen ausdrücklich als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizieren und eine Unterstützerbasis haben, die fast nur aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass es zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt gab. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei. Auch Daesh ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich. Dies führte dazu, dass manche Mitglieder religiöser Minderheiten die Regierung Präsident Asads als ihren einzigen Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen. Gleichzeitig sehen sunnitische Araber viele der syrischen Christen, Alawiten und Schiiten auf Grund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als Verbündete der syrischen Regierung an. Die Minderheiten sind zwischen den konfessionellen Spannungen gefangen und in ihrer Loyalität gespalten. Viele entschieden sich dafür, das Regime zu unterstützen, da sie sich Schutz durch die syrische Regierung erhoffen, während andere Mitglieder von Minderheiten auf der Seite der Opposition stehen. Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Asad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär. Nichtsdestoweniger werden auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer willkürlicher Verhaftungen, von Folter, Haft und Mord durch die Regierung. Alawitische Gemeinden und schiitische Minderheiten werden außerdem zu Opfern von Angriffen aufständischer extremistischer Gruppen.

Infolge des Aufstiegs und der Verbreitung extremistischer bewaffneter Gruppen seit 2014 werden Minderheiten vermehrt Menschenrechtsverletzungen durch deren Kämpfer ausgesetzt. Gruppen wie Daesh oder Jabhat Fatah al-Sham setzen Minderheiten Angriffen und Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit aus und bestrafen jene hart, die gegen ihre Kontrolle sind. In Gebieten, die Daesh kontrolliert, wurden Christen gezwungen, eine Schutzsteuer zu zahlen oder zu konvertieren, oder sie liefen Gefahr, getötet zu werden. In Raqqa hielt Daesh Tausende jezidische Frauen und Mädchen gefangen, die im Irak entführt und nach Syrien verschleppt worden waren, um sie zu verkaufen oder an seine Kämpfer als Kriegsbeute zu verteilen.

Jabhat Fatah al-Sham und einige verbündete Rebellengruppen zielen im Norden des Landes mit Bomben und Selbstmordattentaten auf Drusen und Schiiten ab, laut Jabhat Fatah al-Sham eine Reaktion auf das "Massaker an Sunniten" durch die Regierung. Oppositionelle Gruppen entführen Mitglieder religiöser Minderheiten. Da sich die Motive politischer, ethnischer, konfessioneller und religiöser Gewalt überschneiden, ist es schwierig, Übergriffe als lediglich religiös motiviert zu kategorisieren.

1.1.8. Bewegungsfreiheit

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generell unsichere Lage im Land schränken die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport lebensnotwendiger Güter stark ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, die von den Rebellen beherrscht werden, die Rebellen und Daesh wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung beherrschte Gebiete an. In Gebieten unter ihrer Herrschaft beschränken Daesh und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung.

Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern.

Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten auf Grund der politischen Einstellung einer Person, ihrer Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt.

In Gebieten, die von der Opposition kontrolliert werden, funktionieren Institutionen, die Identitätsdokumente ausstellten, nicht mehr. In Gebieten, die von der Regierung beherrscht werden, gibt es diese Institutionen noch, für manche Syrer ist es jedoch unmöglich geworden, sie zu erreichen. So können manche Personen Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle nicht mehr eintragen lassen und sich keine neuen Identitätsdokumente ausstellen lassen. Infolge des Bürgerkrieges sind auch die Kontrollmaßnahmen schwächer geworden. So werden "echte" Dokumente mit falschen Namen oder geänderten Informationen ausgestellt. Außerdem werden vermehrt gefälschte Dokumente benutzt.

1.1.9. Grundversorgung und Wirtschaft

Die syrische Wirtschaft verschlechtert sich weiterhin im Zuge des Konfliktes und schrumpfte zwischen 2010 und 2016 um mehr als 70 %.

Aktuelle Wirtschaftsdaten sind praktisch nicht verfügbar oder sehr mit Vorsicht zu beurteilen. Der fehlende Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterkunft und Nahrung verschärfte die Auswirkungen des Konfliktes weiter und drängte Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit und Armut. Die Hauptursachen der Armut sind der Verlust von Eigentum und Arbeitsplatz, der Verlust des Zugangs zu grundlegenden Leistungen, einschließlich solchen des Gesundheitswesens, und zu sauberem Wasser sowie steigende Lebensmittelpreise. 2015 lebten 83,4 % der Syrer unter der Armutsgrenze, 50 % in extremer Armut. 13,5 Mio. Menschen sind in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Das Bildungssystem wurde durch die Beschädigung von Einrichtungen und die Nutzung von Schulen als militärische Einrichtungen stark beeinträchtigt. Fast 1,75 Mio. Kinder erhalten keine Schulbildung, 7400 Schulen, also etwa ein Drittel der Schulen landesweit, wurden beschädigt, zerstört oder anderweitig unzugänglich.

1.1.10. Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung hat sich in Syrien durch den andauernden Konflikt dramatisch verschlechtert. Eine ausreichende Versorgung kann nur in einigen vom Regime gehaltenen Gebieten sichergestellt werden, doch auch hier kann es zu gravierenden Einschränkungen kommen.

1.1.11. Intern Vertriebene und Flüchtlinge

Schon vor dem Ausbruch des Konflikts in Syrien 2011 waren die Palästinenser in Syrien eine "vulnerable" Bevölkerungsgruppe.

Die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) ist entsprechend der Resolution 302 IV (1949) der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einem Mandat zur Förderung der menschlichen Entwicklung palästinensischer Flüchtlinge ausgestattet. Das Mandat wurde jüngst bis zum 30. Juni 2020 verlängert. Per definitionem sind palästinensische Flüchtlinge Personen, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort zwischen 1.6.1946 und 15.5.1948 Palästina war und die sowohl ihr Zuhause als auch die Mittel zur Lebenshaltung auf Grund des Konflikts von 1948 verloren haben. Die Dienste von UNRWA stehen all jenen Personen offen, die im Einsatzgebiet der Organisation leben, von der Definition umfasst und bei UNRWA registriert sind sowie Bedarf an Unterstützung haben. Nachkommen männlicher palästinensischer Flüchtlinge können sich ebenfalls bei UNRWA registrieren. Darüber hinaus bietet UNRWA ihre Dienste auch palästinensischen Flüchtlingen und Vertriebenen des arabisch-israelischen Konflikts von 1967 und nachfolgender Feindseligkeiten an.

In Syrien lebende Palästinenser werden in verschiedene Kategorien unterteilt, davon hängt auch ihre rechtliche Stellung ab. Zu unterscheiden ist zwischen jenen, die als palästinensische Flüchtlinge in Syrien anerkannt sind, und jenen, die in Syrien keinen Flüchtlingsstatus genießen. Der Flüchtlingsstatus richtet sich nach syrischem Recht.

Das Gesetz Nr. 260 von 1956 stellt Palästinenser, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens einen Wohnsitz in Syrien hatten, im Hinblick auf Arbeit, Handel, Militärdienst und Zugang zum öffentlichen Dienst syrischen Staatsbürgern gleich. Ausgeschlossen sind sie vom Wahlrecht, vom Zugang zu öffentlichen Ämtern und vom Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen. Sie erhalten auch nicht die syrische Staatsbürgerschaft. Diese Personen sind bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert; sie und ihre Nachkommen bilden die größte Gruppe unter den Palästinensern in Syrien. - Für Palästinenser, die sich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch 1956 in Syrien niedergelassen haben, gelten bestimmte Modifikationen und Einschränkungen (va. Anstellung im öffentlichen Dienst nur auf Grundlage zeitlich befristeter Verträge; keine Ableistung des Militärdienstes). Sie sind aber ebenfalls bei GAPAR registriert. Diese Gruppen von Palästinensern und ihre Nachkommen sind somit als Flüchtlinge in Syrien anerkannt.

Die nach 1956 (va. ab 1967) nach Syrien gekommenen Palästinenser und ihre Nachkommen umfassen wieder einige Untergruppen: Ua. fallen darunter Personen, die nach 1970 aus Jordanien, nach 1982 aus dem Libanon und während der letzten beiden Jahrzehnte aus dem Irak gekommen sind. Sie sind nicht bei GAPAR registriert und nicht als palästinensische Flüchtlinge anerkannt. In Syrien gelten sie als "Arabs in Syria" und werden wie Staatsbürger arabischer Staaten behandelt. Sie können ihren Aufenthaltstitel in Syrien alle zehn Jahre beim Innenministerium erneuern lassen und müssen um Arbeitsgenehmigungen ansuchen. Einige aus dieser Gruppe fallen unter das Mandat des Flüchtlingshochkommissärs der Vereinten Nationen. Palästinenser dieser Gruppe können in Syrien jedoch öffentliche Leistungen des Gesundheits- oder Bildungsbereiches kostenfrei nutzen, abgesehen vom Studium an einer Universität, für das sie eine Gebühr zahlen müssen.

Vor Ausbruch des Konfliktes lebten etwa 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien, davon mehr als 80 % in und um Damaskus. Sie waren von schweren Kämpfen in und um manche palästinensische Flüchtlingslager und Stadtteile erheblich betroffen. Nach Schätzungen von UNRWA sind 60 % der Palästinenser in Syrien intern vertrieben und weitere 110.000 in Nachbarländer geflohen.

Zu Beginn des Konfliktes versuchten die Bewohner der meisten palästinensischen Flüchtlingslager, neutral zu blieben. Als der Konflikt aber gewalttätiger wurde und sich regionale Allianzen änderten, führten die Diskrepanzen unter den palästinensischen Fraktionen, besonders zwischen Hamas und Fatah, zu einer Spaltung der Palästinenser in ihrer Position gegenüber dem Regime. Manche sind für, andere gegen das Regime, sie sind somit zwischen den Konfliktparteien gespalten. Palästinenser sind hauptsächlich Sunniten und werden vom Regime und seinen Verbündeten daher allgemein mit Misstrauen behandelt. Ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.

Palästinenser, die bereits vor dem Konflikt deutlich ärmer als Syrer waren, sind nun eine der am meisten vom Konflikt betroffenen Bevölkerungsgruppen. Der Konflikt breitete sich bereits früh auch entlang der Siedlungsgebiete von Palästinensern in Syrien aus. Dadurch wurden sie vertrieben und suchten, zumal da auch Jordanien und der Libanon ihre Grenzen geschlossen haben, Schutz in anderen UNRWA-Lagern und Siedlungen. Wenn dann diese Regionen vom Krieg eingeholt wurden, wurden sie erneut vertrieben. Allgemein gesprochen sind die Palästinenser verletzlicher als der durchschnittliche Syrer, das steht auch in Verbindung damit, dass oft die Identitätsdokumente fehlen.

Die offiziellen UNRWA-Flüchtlingslager sind Gebiete, die UNRWA von der Regierung des jeweiligen Gastlandes zur Errichtung eines Lagers und der notwendigen Infrastruktur überlassen werden. Die Aktivitäten von UNRWA erstrecken sich jedoch auch auf nicht offiziell diesem Zweck zugewiesene Gebiete (sog. "inoffizielle Lager"). Dies trifft auch auf Yarmouk zu, einen Stadtteil von Damaskus, der lange Zeit die größte Dichte an palästinensischen Flüchtlingen in Syrien hatte. UNRWA ist in Yarmouk, wie auch in anderen ehemals belagerten Lagern, von der Intensität der dortigen Kampfhandlungen abhängig. Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppen belagern oder beschießen manche palästinensische Flüchtlingslager und Wohngegenden oder machen sie anderweitig praktisch unzugänglich.

UNRWA bietet ihre Unterstützungsleistungen in 12 Flüchtlingslagern in Syrien an. Diese Lager werden jedoch nicht von UNRWA verwaltet, und UNRWA ist nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig. Dies liegt in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates. Die palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien sind nicht durch physische Begrenzungen, wie zB Mauern, eingefriedet, sondern Teil der Städte und gleichen eher Wohnvierteln. In Syrien leben Teile der palästinensischen Bevölkerung innerhalb und andere außerhalb der Lager.

Das Land, auf dem sich die UNRWA-Lager befinden, steht im Eigentum des Gaststaates. Den palästinensischen Familien wurden in der Vergangenheit Grundstücke zugeteilt, auf denen Häuser gebaut wurden. Rechtlich gehört den palästinensischen Bewohnern nicht das Land, auf dem die Häuser stehen, dennoch werden die dort errichteten Wohnungen und Häuser mittlerweile auch vermietet und verkauft.

Der Zugang zu den UNRWA-Lagern ist rechtlich nicht eingeschränkt, es gibt jedoch faktische Probleme wie zB in Yarmouk, das belagert und von drei verschiedenen Gruppen kontrolliert wurde. Ende Mai 2017 wurde ein Evakuierungsabkommen zwischen Kämpfern des Daesh und Hay'at Tahrir ash-Sham auf der einen und der syrischen Regierung auf der anderen Seite geschlossen, nach dem die beiden Gruppen Yarmouk und Hajar al-Aswad verlassen sollten. Diese Evakuierung verzögerte sich jedoch.

Etwa 65 % der Palästinenser wurden zumindest einmal innerhalb Syriens vertrieben, und etwa 95 % der palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung hängen von humanitärer Hilfe von UNRWA ab, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Für sie ist es zudem schwierig, sich durch Checkpoints zu bewegen, zB wenn sie keine gültigen syrischen Dokumente vorweisen können.

Viele palästinensische Flüchtlingslager in Syrien wurden vollständig verlassen. In manchen Lagern und Gegenden sind Palästinenser eingeschlossen. Ob die Lager für UNRWA erreichbar sind, hängt davon ab, wer das Gebiet kontrolliert und ob diese Konfliktpartei den Zugang zum Lager erlaubt. Auch viele UNRWA-Einrichtungen wurden durch den Konflikt in Syrien zerstört oder sind für UNRWA nicht zugänglich, wie zB 50 % der UNRWA-Schulen, die zerstört wurden, zu denen UNRWA keinen Zugang hat oder in denen intern Vertriebene untergebracht sind. UNRWA versucht, Alternativen zu den Bildungseinrichtungen zu finden, und bietet, sofern möglich, für palästinensische Kinder auch Bildung in staatlichen Schulen an.

Wie und wo Palästinenser in Syrien Dokumente erhalten, hängt von ihrem rechtlichen Status ab. Nur jene, die als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind (also zwischen 1948 und 1956 nach Syrien gekommen sind), können von GAPAR ein Reisedokument erhalten. Den Reisedokumenten wie auch den Personalausweisen ist zu entnehmen, dass die Besitzer syrische Palästinenser sind. Palästinenser, die in Syrien den Status von "Arabs in Syria" haben, da sie nach 1956 nach Syrien gekommen sind, erhalten keine Reisedokumente. Solche Palästinenser beantragen über die Vertretung der Palästinensischen Behörde (Botschaft Palästinas in Syrien) in Damaskus die Ausstellung eines Reisedokuments durch die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah. Eine persönliche Vorsprache in Ramallah ist für die Ausstellung dieses Reisedokuments nicht erforderlich.

Einige Palästinenser, die sich in Syrien aufhalten, brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt wieder von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab. Auch in der Türkei gibt es Einreisebeschränkungen für Palästinenser.

Ein Palästinenser, der in Syrien bei UNRWA registriert ist und in ein anderes Land geht, das auch im Mandatsgebiet der UNRWA liegt (wie zB der Libanon), bleibt in Syrien registriert ("registered"), wird aber im Libanon erfasst ("recorded") und hat dort Zugang zu UNRWA-Leistungen. UNRWA schränkt den Zugang zu UNRWA-Leistungen für Palästinenser aus anderen Staaten nicht ein, jedoch können die Staaten die Einreise von Palästinensern und somit ihren Zugang zu UNRWA-Leistungen in Nachbarstaaten einschränken.

Für Palästinenser ist es nicht nur schwieriger als für syrische Flüchtlinge, in Nachbarländer einzureisen, sondern auch, dort zu bleiben und einen legalen Aufenthaltsstatus beizubehalten und folglich Leistungen zu erhalten. Ohne legalen Aufenthaltsstatus ist es nicht möglich, Dokumente zu erhalten oder eine Ehe zu registrieren; daher kann in weiterer Folge auch die Geburt eines Kindes aus dieser Ehe nicht registriert werden.

Die jordanische Regierung stellt generell keinerlei Dokumente für Palästinenser aus Syrien in Jordanien aus. Dies macht es für sie unmöglich, legal zu heiraten oder eine Geburtsurkunde ausstellen zu lassen. Palästinenser aus Syrien können in Jordanien Dokumente wie Heirats- oder Geburtsurkunden also nur besitzen, wenn sie sie schon in Syrien hatten.

Im Libanon bedarf es eines kostspieligen Gerichtsverfahrens, um ein Kind nach dem ersten Lebensjahr zu registrieren. Diese Registrierung ist aber Voraussetzung für den Zugang zu Schulen, zum Gesundheitswesen und für die Bewegungsfreiheit. Diese Faktoren tragen zum Problem der Staatenlosigkeit der zweiten Generation bei. Ohne einen legalen Aufenthaltsstatus sind Palästinenser außerdem einem erhöhten Ausbeutungsrisiko ausgesetzt.

1.2. Die Beschwerdeführerin ist staatenlose Palästinenserin aus Syrien. Sie lebte zuletzt mit ihrem Mann in den Vereinigten Arabischen Emiraten, von wo aus sie sich nach Österreich begab. Grund dafür war, dass ihr Mann sich von ihr hatte scheiden lassen und ihr Aufenthaltsrecht in den Vereinigten Arabischen Emiraten von seinem Aufenthaltsrecht abgeleitet worden war. Sie stand gemeinsam mit ihrem Mann unter dem Schutz von UNRWA.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Lage in Syrien beruhen auf dem Bericht des Bundesamtes (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) und auf den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (November 2017). Auf den "Erwägungen" beruhen ua. die Feststellungen über Verbrechen der syrischen Konfliktparteien (letzter Absatz des Abschnitts über "Folter und unmenschliche Behandlung"; S 16 f. der "Erwägungen"). Der Bericht des United States Department of State 2017 stützt auch im Übrigen die Feststellungen.

Die Feststellungen zur "Rückkehr" beruhen - neben dem Bericht des Bundesamtes - auf den "Erwägungen" des Flüchtlingshochkommissärs (S 28; zweiter Absatz des Abschnitts) und auf seiner Information (UNHCR, Relevant Country of Origin Information ..., S 3 f.; vorletzter Absatz des Abschnitts).

Alle zitierten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen, stammen von angesehenen Einrichtungen, sodass keine Bedenken dagegen bestehen, sich darauf zu stützen; sie stützen sich ihrerseits auf die Berichte zahlreicher anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin unter dem Schutz von UNWRA gestanden ist, stützt sich auf die Registrierungskarte, die sie in der Verhandlung vorgelegt hat. Die übrigen Feststellungen beruhen auf ihren glaubwürdigen Angaben in der Verhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge: BFA-VG; Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes.

3.1.2. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

3.2. Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG), idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, unberührt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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