TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 W226 2149768-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9

Spruch

W226 2149768-2/2E

W226 2149764-2/2E

W226 2149766-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX ,

2.) der XXXX , geb. XXXX und 3.) des XXXX , geb. XXXX , alle StA:

Ukraine gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 01.03.2018, 1.) Zl. 830052609-170703135, 2.) Zl. 1030379302-170703653, 3.) Zl. 1112214509-170703777 nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. Nr. 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A)

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) gelangte laut Aktenlage am 12.01.2013 gemeinsam mit seinen beiden Eltern illegal in das Bundesgebiet. Zu dem in der Folge gestellten Antrag auf internationalen Schutz erfolgte am 14.01.2013 die Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Der BF1 gab dabei an, staatenlos und von der Volksgruppe her ein Jezide zu sein. Er sei nicht verheiratet und stamme - ebenso wie seine Eltern - aus dem Gebiet XXXX , also aus der Russischen Föderation.

Der BF1 schilderte in weiterer Folge einen Fluchtweg vom Gebiet XXXX über die russische Hauptstadt XXXX und dann in weiterer Folge auf nicht näher beschreibbaren Wegen bis Österreich in einem Taxi, zwei kleine Grenzübergänge habe er wahrgenommen, habe aber nicht aussteigen müssen.

Auch den Fluchtgrund beschrieb der BF1 in weiterer Folge mit Vorfällen wegen Rassismus in der Russischen Föderation, er sei in der Russischen Föderation mehrmals von Skinheads zusammengeschlagen worden. Die Skinheads hätten seinem Vater gesagt, dass der Vater den Skinheads Geld geben müsse, sonst würde er den BF1 nur stückweise zurückbekommen, die Skinheads hätten versucht, ihn zu erpressen.

In weiterer Folge wurde der BF1 vor dem Bundesasylamt zu seiner Person und zu seinen Fluchtgründen einvernommen, in diesen Einvernahmen, etwa am 25.03.2013, beharrte der BF1 darauf, in der Russischen Föderation, in der Region XXXX , geboren zu sein und staatenlos zu sein, er habe keine Dokumente vorzulegen, die seine Identität bestätigen würden, er habe in der Russischen Föderation keine Bestätigungen gehabt, ein einziges Dokument im Zusammenhang mit seiner Geburt sei beim Umzug aus der Region XXXX in die Region XXXX verloren gegangen.

Erneut schilderte der Beschwerdeführer angebliche Probleme in der Russischen Föderation mit Skinheads, er sei dort verprügelt worden, er habe sie angezeigt, die Leute seien jedoch freigesprochen worden. Sein eigener Vater habe diese Personen geschlagen, weil es seitens der Justiz in Russland keine Gerechtigkeit gegeben habe und hätten sich die geschlagenen Skinheads dann bei "Banditen" beschwert, diese Banditen hätten dann begonnen, den Vater des BF1 zu verfolgen. Nach den Drohungen durch Banditen habe der Vater beschlossen, dass sie gemeinsam die Russische Föderation verlassen sollten. Sie hätten in Russland auch mit der Polizei gesprochen und hätten die Polizisten gesagt, dass sie selbst Familie und Kinder hätten und deshalb nichts gegen diese Leute tun könnten. Daraufhin hätte der BF1 mit seinen Eltern die Tiere der Landwirtschaft verkauft, um die Flucht zu finanzieren.

Weitere Nachforschungen des Bundesasylamtes ergaben, dass der BF1 bereits in Deutschland unter ganz anderer Identität ein Asylverfahren angestrengt hatte und dabei unter einer anderen Identität und als armenischer Staatsbürger dokumentiert worden ist. Dieses Asylverfahren in Deutschland wurde im Jahr 2003 negativ abgeschlossen und der BF1 in weiterer Folge offensichtlich im Jahr 2004 aus Deutschland abgeschoben. Dazu gab der BF1 im Zuge einer Befragung am 25.06.2013 an, dass er kein Staatsangehöriger der Republik Armenien sei und auch niemals in Deutschland gewesen sei.

In weiterer Folge ergab sich - offensichtlich im Zusammenhang mit einem diesbezüglichen Verfahren wegen Auslieferung des Vaters des BF1 in die Ukraine - dass alle Familienmitglieder Staatsbürger der Ukraine sind und gegen den Vater des BF1 in der Ukraine strafrechtliche Ermittlungen geführt werden. Nach diesbezüglicher Aussage des Vaters des BF1 wurde dem BF1 nunmehr in weiterer Folge durch das Bundesasylamt vorgehalten, dass laut Angaben des Vaters er in Wirklichkeit eine ganz andere Identität besitze und ukrainischer Staatsangehöriger sei. Der BF1 gab an, dass dies der Wahrheit entspreche, der Vater habe dort Probleme mit Behörden, nicht mit der Polizei, sondern mit einer Behörde, die mit der inneren Sicherheit der Ukraine zu tun habe. Von diesen Behörden sei die Familie des BF1 beschattet worden, es sei gesagt worden, dass sie Drogenabhängige seien. Der Vater sei auch mitgenommen worden, bei einem anderen Mal sei etwas im Zusammenhang mit dem Zoll gewesen. Immer wieder seien die Männer zu ihnen gekommen und hätten den Vater mitgenommen und diesen nach zwei bis drei Tagen wieder frei gelassen. Sie hätten auch Beschwerden an die Polizei und die Staatsanwaltschaft geschrieben, der Vater sei auf der Flucht gewesen und sei deshalb der BF1 selbst observiert worden. Er sei aufgefordert worden zu sagen, wo der Vater sei, ansonsten würde er eingesperrt werden. Er habe das nicht bereits früher gesagt, weil er ja nicht sicher gewesen wäre, ob nicht alles in die Ukraine weitergeleitet wird und der Vater verhaftet wird.

Am 03.09.2013 wurde dem BF1 durch das Bundesasylamt Gelegenheit gegeben, seine eigenen Fluchtgründe zu schildern und führte er nunmehr aus, dass er in der Ukraine als LKW-Fahrer gearbeitet habe und von drei oder vier Leuten nach seinem Vater befragt worden sei. Einmal im August 2012 seien sie in das Haus gekommen und hätten nach dem Vater gefragt, dabei hätte die Familie gerade Tee getrunken und hätten die Männer den Tisch gestoßen. Der heiße Tee habe daraufhin die Haut eines Neffen verbrannt und habe er im Zorn gemeinsam mit seinem Schwager die Scheibe des Polizeiautos eingeschlagen. Die Männer seien dann wieder weggefahren. Die Männer hätten in weiterer Folge den Schwager am Markt zu Rede gestellt und nach dem Vater gefragt. Außerdem hätten die Männer dem Schwager gesagt, dass er ihnen 10000 USD wegen der kaputten Scheibe am Auto schulde.

Auf die Frage, um wen es sich konkret bei diesen Leuten gehandelt habe, führte der BF1 aus, dass er nicht wisse, ob es sich um Beamte aus der Großstadt oder aus seiner Kleinstadt, des Sicherheitsdienstes oder der Grenzpolizei handle, sie seien zivil gekleidet gewesen. Nach einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft seien die Männer dann nicht mehr in das Haus gekommen, sondern hätten das Haus nur mehr beobachtet.

In weiterer Folge schilderte der BF1 eine angebliche Ausreise mit Visum in die Tschechische Republik, von dort seien sie mit dem Auto nach Österreich gebracht worden. Er selbst sei mit dem Auslandspass von XXXX nach XXXX geflogen.

Dem Vater sei alles Mögliche vorgeworfen worden, Mord, Drogensucht, Ketchup-Diebstahl. Die Männer hätten inzwischen einen anderen gefunden, dem sie den Mord anhängen konnten, dieser "sitze" immer noch. Somit blieben für den Vater noch der Diebstahl und die Drogensucht über. Der Sohn des Chefs des BF1 habe bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet und habe den BF1 gefragt, warum der Vater überhaupt gesucht werde. Der Sohn des Arbeitgebers habe wiederrum den Vater nicht auf der Fahndungsliste gefunden. Der Schwager habe aber angeblich ein Fahndungsblatt in der Stadt gesehen, er glaube, dass die Vorwürfe nur ein Vorwand seien, um Forderungen an den Vater zu stellen. Dieser sollte 50000 USD zahlen. Auf die Frage, warum er schon einmal in Deutschland um Asyl angesucht habe, führte der BF1 aus, es nicht zu wissen, er sei mit den Eltern mitgewesen. Er selbst werde in der Heimat nicht gesucht, nur der Vater.

In weiterer Folge wurde bezüglich des Vaters des BF1 am Landesgericht XXXX ein Verfahren wegen Auslieferung zur Strafverfolgung an die Ukraine geführt. Mit Beschluss vom XXXX, Zahl XXXX, wurde in dieser Angelegenheit die Auslieferung des Vaters des BF1 für zulässig erklärt, einer Beschwerde des Vaters wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX keine Folge gegeben. Die eine Auslieferung für zulässig erklärende erstgerichtliche Entscheidung wurde demnach bestätigt.

Laut Mitteilung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde in weiterer Folge durch den Bundesminister für Justiz auf Grundlage der oben genannten Beschlüsse die Auslieferung des Vaters des BF1 bewilligt. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom XXXX wurde in Weiterleitung einer Mitteilung von IP- XXXX berichtet, dass sich die Region, in der das Strafverfahren gegen den Vater des BF1 anhängig ist, derzeit unter der Kontrolle der bewaffneten illegalen Truppen befinde. Die Frage bezüglich der Übergabe des Vaters des BF1 werde demnach erst nach der "Anti-Terror-Operation" gelöst werden. Aufgrund dieser Entwicklung wurde das Auslieferungsverfahren von der Staatsanwaltschaft XXXX am XXXX abgebrochen und kommt eine Auslieferung des Vaters aufgrund der politischen Verhältnisse derzeit nicht in Betracht.

In der Zwischenzeit war die BF2 am 01.09.2014 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Auch diese gab an, der Volksgruppe der Jeziden anzugehören, sie sei ukrainische Staatsbürgerin und wolle zu ihrem langjährigen Freund, dem BF1 kommen. Die eigene Familie sei nach Russland geflüchtet, dies ca. im August 2014. Sie habe sich aber von den Eltern getrennt, da sie zum BF1 nach Österreich gewollt habe. Sie wolle somit zum BF1, welcher "in Österreich mit Asylstatus lebt". Weitere eigene Fluchtgründe wurden von der BF2 nicht angegeben, außer dass das Haus in der Ostukraine zerstört worden sei und die Familie nach Russland geflüchtet sei.

In weiterer Folge nahm die belangte Behörde Einsicht in Länderberichte zur Lage der Jeziden in der Ukraine und erfolgte am 16.02.2016 eine erneute Einvernahme der BF2. Auch dabei schilderte die BF2, dass sie nach österreichischem Recht nicht verheiratet sei, sie habe auch einen Mutter-Kind-Pass vorzulegen, sie sei vom BF1 schwanger. Außer dem BF1 habe sie niemanden in Österreich, auch nicht sonst wo in der EU, die Eltern seien nach Russland gezogen, zu diesen haben sie keinen Kontakt. Zum Leben in der Ukraine befragt schilderte die BF2, dass sie dort in der Region XXXX geboren sei, habe dort die Schule und den Kindergarten besucht, mit dem BF1 sei sie seit der Kindheit bekannt gewesen und hätten sie sich geliebt. Ihre eigene Familie habe gut gelebt, der Vater sei Kraftfahrer gewesen. Sie und die Mutter hätten den Haushalt geführt. Der Vater sei Busfahrer gewesen, sie selbst habe niemals gearbeitet.

In weiterer Folge schilderte die BF2, dass eigentlich die Eltern einen anderen Mann für sie vorgesehen gehabt hätten, diesen habe sie aber gar nicht gekannt. Die Eltern seien eigentlich dagegen gewesen, dass sie den BF1 heirate, sie hätte besser einen reichen Mann heiraten sollen, da hätte sie ein besseres Leben. Sie habe aber dann den Eltern gesagt, dass sie flüchten würde von Zuhause, wenn sie diesen anderen Mann heiraten müsse, und dann hätten die Eltern die Meinung geändert. Die Eltern hätten aber nicht gewollt, dass sie nach Österreich komme. Sie selbst sei persönlich nie angegriffen worden, aber im Dorf sei gekämpft worden. Sie persönlich habe überhaupt keine Probleme gehabt, aber es habe in der Ostukraine und im Dorf Probleme gegeben, das sei auch für sie gefährlich gewesen. Mit Polizei oder Behörden oder Militär habe sie niemals Probleme gehabt, sie habe nur Angst, weil dort in der Ostukraine Krieg sei. Ihr Geliebter, der BF1, sei in Österreich und in der Ukraine sei es unmöglich eine Familie zu gründen.

Im Verfahren des BF1 erstattete in der Zwischenzeit ein ausgewiesener Rechtsanwalt eine Äußerung vom 08.11.2016. Dabei wurde auf die Lage in der Ostukraine Bezug genommen und auf die problematische Verfassung der ukrainischen Justiz und der ukrainischen Haftpraxis. Auch wenn es primär der Vater des BF1 sei, der von den Sicherheitskräften gesucht werde, so befürchte der BF1 aber trotzdem, dass durch ihn die Rückkehr des Vaters erzwungen (Erpressung, Androhung von Folter) und durchgesetzt werden könnte. Binnenflüchtlinge seien auf sich selbst angewiesen, der BF1 sei ein sogenannter Binnenflüchtling, da dieser in die russisch besetzte Ostukraine nicht zurückkehren könne. Da der BF1 keine familiären Bezugspunkte mehr in der gesamten Ukraine habe, würde ihm auch eine Unterstützung der Familie fehlen. Es gäbe keine Unterstützung für Personen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können. Die Lage in der Westukraine sei nicht bedeutend besser, auch eine weitere Verfolgung durch die SBU, die in der gesamten Ukraine Geheimgefängnisse habe, wäre aufgrund der Aussage des BF1 nicht auszuschließen. Gegen eine Rückkehr spreche auch, dass sich die Kernfamilie des BF1 in Österreich aufhalte und sich nahe Angehörige in Russland und Deutschland befinden. Es wäre daher mehr als unmenschlich, wenn eine Jungfamilie zurück in die Westukraine geschickt würde.

Am 04.10.2016 erfolgte durch die belangte Behörde eine abschließende Einvernahme des BF1. Dabei führte er aus, mit der BF2 nach wie vor nicht verheiratet zu sein, aber sie hätten ein gemeinsames Kind (BF3 wurde inzwischen am XXXX im Bundesgebiet geboren). Er habe einen Onkel, der in Deutschland lebe, in der Ukraine gebe es hingegen niemanden. Zu seinem persönlichen Leben in der Ukraine befragt, schilderte der BF1, dass seine Familie eine Firma aufgemacht und Möbel renoviert hätte. Der Vater habe auch eine Art Linienbus zwischen zwei Städten betrieben, die Leute hätten den Bus bestellt und seien dann zu einem Markt gebracht worden. Die Firma des Vater war wie ein Hobby, es sei ihnen gesagt worden, dass sie keine offizielle Firma gründen müssten, wenn sie auch keine größeren Aufträge bekommen. In die ukrainische Armee sei er nicht einberufen worden, er habe irgendwann eine medizinische Untersuchung gehabt. Eine Wohnung in der Ukraine hätten sie verkauft, ein weiteres Haus in XXXX sei zerstört worden und gäbe es noch ein Haus in einer anderen Stadt, auf dieses würden die Nachbarn aufpassen.

Nochmals schilderte der BF1 die angeblichen Probleme in der Ukraine, wonach der Vater Probleme mit der SBU, somit einer Art Inlandsgeheimdienst, gehabt habe. Der Vater hätte Geld zahlen sollen, würde er das nicht machen, solle er in das Gefängnis. Es seien fingierte Verfahren begonnen worden, wegen Drogenhandels, Mordes und Diebstahls. Er selbst sei auch einmal bedroht worden und hätten sie ihn nach dem Vater gefragt. Sie hätten ihn auch geschlagen und er habe Glück gehabt, dass der Chef gerade vorbeigefahren ist. Auf den Vorhalt, warum der Inlandsgeheimdienst in Angelegenheiten wie Drogenhandel und Mord recherchieren sollte, führte der BF1 aus, dass er das nicht wisse, die Männer hätten das so gesagt. Jetzt in Österreich habe er erfahren, dass der Vater als Schlepper genannt werde. Auf die Frage, was sich zwischen den Forderungen der SBU im März 2012 und der Ausreise im Dezember 2012 noch ereignet habe, führte der BF1 aus, dass der Vater das Haus verlassen habe, die Männer seien jedoch in das Haus gekommen und hätten gedroht. Die Männer hätten nach dem Vater gefragt, dass dieser außerdem Geld zahlen soll. Sie hätten gesagt, dass der Vater ein Drogenverkäufer sei. Die Frage, wie oft er selbst persönlich angehalten worden sei führte der BF1 aus wie folgt: "Ein paar Mal, einmal, zweimal oder zehnmal".

Auf Nachfrage führte der BF1 aus, dass der Vorfall der erste Vorfall gewesen sei, als der Chef vorbeigefahren sei. Beim zweiten Mal sei nach dem Vater gefragt worden, als er nach Hause gekommen sei. Beim dritten Mal hätten die Männer gesagt, dass sie alle Drogenhändler seien und beim vierten Mal sei der Vorfall gewesen, wo die Familie Tee getrunken habe und er das hintere Fenster beim Auto eingeschlagen habe. Wenn man das alles zusammenrechne, dann seien die Männer viermal gekommen. Ins Gefängnis habe er nie müssen, Anzeigen in der Ostukraine seien nicht entgegengenommen worden. Diese Männer hätten sich zwar als Angehörige der SBU ausgewiesen, sie hätten auch Ausweise gezeigt und wisse er nur nach den Worten des Mannes, dass er von der SBU sei. Es könne sein, dass es falsche Ausweise gewesen sein. In der Ukraine liege keine Anklage gegen ihn selbst vor, auch kein Gerichtsverfahren, er werde auch nicht gesucht, nur der Vater. Außer den genannten Problemen habe er keine weiteren Probleme in der Ukraine. Auf die Frage, warum er zuletzt keine Arbeit mehr ausgeübt habe, führte der BF1 aus, dass seine Mutter immer alleine war, er habe wegen der Mutter nicht mehr gearbeitet und sei bei dieser Zuhause geblieben. Sie seien in der Ukraine auch keine armen Leute gewesen, hier in Österreich lebe er von der Sozialhilfe. Auf die Frage, was ihn im Fall der Rückkehr in die Ukraine erwarte gab der BF1 an, es nicht sagen zu können, niemand wisse es. In Österreich helfe er freiwillig Asylanten, er verteile Spenden. Vom BF1 wurde in weiterer Folge ein Bescheid in Vorlage gebracht, wonach der BF1 fallweise Beschäftigungsbewilligungen (Branchenkontingent) als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter hatte, weiters ein Dienstzettel für Saisondienstverhältnisse, ein Diplom über die Absolvierung eines Deutschkurses A2.

Mit Bescheiden des BFA jeweils vom 17.02.2017, wurde jeweils unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AslyG abgewiesen. Unter Spruchteil II. wurde gemäß § 8 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde unter Spruchpunkt III. gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist. Zudem wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung bezüglich des BF1 gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG und bezüglich der BF2 und 3 gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, das Bundesverwaltungsgericht wies diese Beschwerde mit Erkenntnis vom 24.03.2017, Zl. W226 2149768-1/3E u.a. als unbegründet ab.

Zum besseren Verständnis wird der Inhalt dieser Entscheidung wiedergegeben:

"1. Feststellungen:

Feststellungen zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Ukraine. Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Jeziden.

Die Identität der Beschwerdeführer steht infolge der Vorlage unbedenklicher Dokumente zumindest des BF1 fest.

Nicht festgestellt werden kann, dass den Beschwerdeführern in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Beeinträchtigungen - an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Derartiges wurde auch nicht behauptet.

"Die Beschwerdeführer halten sich nach illegaler Einreise seit Jänner 2013 (BF1), September 2014 (BF2) bzw. April 2016 (BF3) durchgehend im Bundesgebiet auf, beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführer sind unbescholten.

Im Herkunftsstaat hat der BF1 bis zur Ausreise gearbeitet, er verfügt ebenso wie BF2 über eine Ausbildung.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer (laut aktuellem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

1. Politische Lage

Die Ukraine befindet sich in einer schwierigen Umbruchsituation, die einerseits durch die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und den Konflikt in der Ost-Ukraine, andererseits durch Reformbemühungen geprägt ist. Die Präsidentschaftswahlen am 25.05.2014 konnten mit Ausnahmen von Teilen der Ostukraine und der Krim in der ganzen Ukraine ohne nennenswerte Auffälligkeiten durchgeführt werden. Petro Poroschenko ging mit 54,7% im ersten Wahlgang als klarer Sieger hervor. Julia Tymoschenko erreichte mit 12% den zweiten Platz. Am 07.06.2014 wurde Petro Poroschenko als Präsident vereidigt, am 26.10.2014 das Parlament neu gewählt. Ministerpräsident Jazenjuk führt seitdem eine Regierungskoalition aus fünf Parteien (AA 05.2015).

Am 27.11.2014 trat das neugewählte Parlament erstmals in Kiew zusammen. Der neuen Regierungs-Koalition gehören unter anderem der Block von Präsident Petro Poroschenko und die Volksfront von Jazenjuk an. Neuer Parlamentspräsident ist der bisherige VizePremier Wolodimir Groisman. In der Obersten Rada säßen vorerst nur 418 von ursprünglich 450 Abgeordneten. Die übrigen Plätze blieben frei, weil Teile der umkämpften Ostukraine sowie die im März von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim an der Wahl nicht teilnehmen konnten (Presse 27.11.2014).

Die Ukraine-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Heidi Tagliavini, legt ihr Amt nieder. Zu den konkreten Beweggründen der Schweizer Spitzendiplomatin, die zwischen den Konfliktparteien vermittelte, machten die OSZE und das Außenministerium in Bern keine Angaben. In diplomatischen Kreisen wurde auf den bisher schwersten Bruch der im März 2015 vereinbarten Waffenruhe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Rebellen in der zurückliegenden Woche verwiesen. Zudem sei eine weitere Gesprächsrunde zwischen den Konfliktgegnern ergebnislos beendet worden (Standard 7.6.2015).

In Kiew kommt es immer wieder zu Protesten vor allem mit sozialen Forderungen. Die prowestliche Führung, die nach gewaltsamen Massenprotesten auf dem Maidan im vergangenen Jahr an die Macht gekommen war, wirft den Demonstranten vor, von russischen Geheimdiensten gesteuert und bezahlt zu sein. Auf Flugblättern war von einem "Maidan 3.0" die Rede - nach den beiden prowestlichen Massenprotesten 2004/2005 und 2013/2014 (Standard 8.6.2015).

Präsident Poroschenko ficht in Kiew allerdings bei weitem nicht nur mit Kremlchef Putin, sondern auch gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder der eigenen Führungsspitze. Dabei spitzt sich hinter den Kulissen derzeit besonders der Konflikt mit dem Oligarchen und ExGouverneur von Dnepropetrowsk Ihor Kolomoisky zu. Nachdem Poroschenko zuletzt dessen Vertrauten Igor Paliza als Gouverneur von Odessa entlassen und den Posten mit Michail Saakaschwili besetzt hatte, revanchierte sich Kolomoisky mit einem Überfall rechter Schläger auf die Gay-Parade in Kiew, um Poroschenko im Westen zu diskreditieren (Standard 10.6.2015).

-

AA - Auswärtiges Amt (05.2015): Ukraine, http://www.auswaertiges-

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

10.6.2015

-

Uni Bremen - Forschungsstelle Osteuropa (27.5.2015):

ukraine-analysen,

http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen152.pdf

-

Die Presse.com (27.11.2014): Ukrainisches Parlament wählt erneut Jazenjuk zum

Premier,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4606103/Ukrainisches-

Parlament-waehlt-erneut-Jazeniuk-zum-Premier?from=suche.intern.portal.

Zugriff

10.6.2015

-

derStandard.at (7.6.2015): Ukraine-Beauftragte der OSZE gibt auf,

http://derstandard.at/2000017079596/Ukraine-Beauftragte-der-0SZE-gibt-auf?ref=rec, Zugriff 10.6.2015

-

derStandard.at (8.6.2015): Neues Protestcamp auf dem Maidan gewaltsam geräumt,

http://derstandard.at/2000017161310/Neues-Protestcamp-auf-dem-Maidan-gewaltsamgeraeumt?ref=rec, Zugriff 10.6.2015

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.6.2015): Die Ukraine sperrt russischen Transit,

http://www.nzz.ch/international/die-ukraine-sperrt-russischen-transit-1.18559057, Zugriff

11.6.2015

-

derStandard.at (10.6.2015): Neue Kämpfe in der Ukraine: Feuer an allen Fronten,

http://derstandard.at/2000017215782/Feuer-an-allen-Fronten-in-der-Ukraine, Zugriff

11.6.2015

2. Sicherheitslage

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen unterstützt von russischen Staatsangehörigen die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Luhansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, seitdem erlitten sie jedoch zum Teil schwerwiegende Verluste bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland (AA 05.2015a).

Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU- Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützte die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine. Diese Unterstützung wird bis in die Gegenwart fortgesetzt (AA 05.2015b).

Mit seiner Unterschrift kündigte Präsident Poroschenko die letzten bilateralen Sicherheitsabkommen mit Russland auf. Beendet werden damit per sofort ein Verteidigungsbündnis, zwei Verträge über die Zusammenarbeit der Militärgeheimdienste sowie zwei Transitverträge für russische Truppen. Besonders die Auflösung des Vertrags über den Landtransport russischer Soldaten und von deren Familien in die Republik Moldau wiegt für Moskau schwer. Der Vertrag regelte die Versorgung der 14. Russischen Armee, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Tiraspol, der "Hauptstadt" der selbsternannten Republik Transnistrien, stationiert ist (NZZ 9.6.2015).

Auf der russisch besetzten Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Ostukraine waren Entführungen und Misshandlungen von Gefangenen an der Tagesordnung und betrafen Hunderte von Menschen. Besonders gefährdet waren Vertreter lokaler Behörden, pro-ukrainische politische Aktivisten, Journalisten und internationale Beobachter. Bis Ende 2014 waren im Zuge des Konflikts in der Ostukraine mehr als 4.000 Menschen getötet worden. Zahlreiche Zivilpersonen starben durch wahllosen Beschuss von Wohngebieten, insbesondere durch den Einsatz von ungelenkten Raketen und Mörsergranaten (AI 25.2.2015, vgl. HRW 29.1.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (05.2015a): Ukraine, http://www.auswaertiges-

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

-

Der Standard (17.4.2014): Ukraine-Gipfel in Genf: Einigung auf Entwaffnung illegaler Gruppen,

http://derstandard.at/1397520853199/Ukraine-Angespannte-Lage-vor-Treffenin-Genf, Zugriff 24.4.2014

-

AA - Auswärtiges Amt (05.2015b): Ukraine, http://www.auswaertiges-

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

-

AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty Report 2015 Ukraine,

https://www.amnesty.de/iahresbericht/2015/ukraine, Zugriff 15.6.2015

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Ukraine, http://www.ecoi.net/local link/295530/430562 de.html, Zugriff 15.6.2015

3.1. Krimhalbinsel

Die EU und die USA hatte die Annexion der Krim vor einem Jahr als Völkerrechtsbruch verurteilt und Strafmaßnahmen verhängt. Auf der Krim hatten die Menschen in einem international nicht anerkannten Referendum am 16. März (2014) für den Beitritt zu Russland gestimmt. Am 18. März wurde in Moskau die Aufnahme der Halbinsel in die Russische Föderation vertraglich besiegelt (Presse 18.3.2015).

Nach der Annexion der Krim im März 2014 fanden dort russische Gesetze Anwendung, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unterdrückten. Zivilgesellschaftliche Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, weil sie die rechtlichen Anforderungen Russlands nicht erfüllten. Die einheimische Bevölkerung wurde zu russischen Staatsbürgern erklärt. Wer die ukrainische Staatsbürgerschaft behalten wollte, musste die Behörden darüber informieren (AI 25.2.2015).

Quellen:

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Die Presse.com (18.3.2015): Putin nennt Sanktionen "sinnlose Beschäftigung",

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4688595/Putin-nennt-Sanktionensinnlose-Beschaeftigung, Zugriff 11.6.2015

-

AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty Report 2015 Ukraine,

https://www.amnestv.de/iahresbericht/2015/ukraine, Zugriff 15.6.2015

3.2. Lagebild Ostukraine:

(Quelle: IAC 10.6.2015)

Schwer bewaffnete pro-russische Separatisten kämpfen in der Ost-Ukraine gegen offizielle ukrainische Kräfte und haben sich in den nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk konstituiert. Die Opferzahlen betrugen laut VN-Zählungen im Mai 2015 über 6.100; daneben führte der Konflikt bisher zu rund 1,25 Mio. Binnenflüchtlingen. Unter dem Eindruck einer erneuten Verschärfung des Konflikts und nach langwierigen Verhandlungen auf oberster Ebene im sogenannten Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) verständigte sich die Kontaktgruppe am 12. Februar 2015 auf das sogenannte Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Absprachen. Der Rückzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie kam daraufhin in Gang, wurde jedoch nach OSZE-Beobachtung bisher von keiner Seite vollständig umgesetzt (AA 05.2015).

In der Ostukraine ist trotz des Waffenstillstandsabkommens keine Ruhe eingekehrt, seit Anfang Juni wird wieder mit schweren Waffen gekämpft. Am Dienstag berichteten die Konfliktparteien über Gefechte entlang fast der gesamten Frontlinie. Die aktivsten Kampfhandlungen wurden aus Awdejewka, Horliwka, Krymskoje, Marjinka und Schirokino. gemeldet. Diplomatisch gibt es immerhin eine vorsichtige Annäherung:

Die Rebellen haben neue Vorschläge zur Verfassungsänderung der Ukraine an die Kontaktgruppe geschickt. Einzelne Gebiete mit Sonderstatus oder ihre Vereinigungen sollen unveräußerlicher Bestandteil der Ukraine bleiben. Die Macht in der Region sollen laut diesem Vorschlag aber weiterhin Sachartschenko und das Oberhaupt der "Luhansker Volksrepublik" Igor Plotnizki ausüben (Standard 10.6.2015, vgl. BBC 3.6.2015).

Nach den jüngsten Kämpfen im Donbass hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine massive Aufrüstung im Osten des Landes angekündigt. Mehr als 50.000 Soldaten seien derzeit im Kampfgebiet im Einsatz. Bis zum Jahresende soll die Kampfstärke auf insgesamt 250.000 erhöht werden. Nach einem Angriff prorussischer Separatisten wurde in den vergangenen Tagen auch wieder schweres Kriegsgerät in die Region gebracht. Während sich Kiew und Moskau gegenseitig für die neuerliche Eskalation verantwortlich machen, warnt die EU vor einer Gewaltspirale. Brüssel forderte die Konfliktparteien zum wiederholten Male auf, das Minsker Waffenruheabkommen umzusetzen (Presse 4.6.2015).

Angesichts des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine hat die Regierung in Kiew die Europäische Menschenrechtskonvention in den betroffenen Regionen teilweise ausgesetzt. Eine entsprechende Benachrichtigung traf beim Europarat in Straßburg ein. Demnach garantiert die Regierung in den Regionen Donezk und Luhansk, wo sich die Rebellen Kämpfe mit Regierungstruppen liefern, mehrere Grundrechte nicht mehr. Dazu gehören das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Gerichtsverfahren und auf Schutz des Familienlebens. Kiew begründet die Aussetzung mit einer "bewaffneten Aggression" Russlands gegen die Ukraine. Eine Aussetzung der Menschenrechtskonvention ist vorgesehen, wenn die Sicherheit eines Landes etwa durch einen Krieg oder andere Notsituationen gefährdet ist. Der betroffene Staat muss diese Maßnahme begründen und auch angeben, welche Paragrafen des Abkommens und welche Gebiete davon betroffen sind (Standard 10.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (05.2015): Ukraine, http://www.auswaertiges-

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

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IAC - Information Analysis Center of NDSC (10.6.2015): MAP: THE SITUATION IN THE EASTERN REGIONS OF UKRAINE - 10.06.15 Map developed by Ukrainian Crisis Media Center, http://mediarnbo.org/2015/06/10/map-the-situation-in-the-eastern-regionsof-ukraine-10-06-15-map-developed-by-ukrainian-crisis-media-center/?lang=en, Zugriff

10.6.2015

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derStandard.at (10.6.2015): Neue Kämpfe in der Ukraine: Feuer an allen Fronten,

http://derstandard.at/2000017215782/Feuer-an-allen-Fronten-in-der-Ukraine, Zugriff

11.6.2015

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Die Presse.com (4.6.2015): Ostukraine: Kiew plant massive Aufrüstung,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4746993/Ostukraine Kiew-plant-massive- Aufrustung?from=suche.intern.portal, Zugriff 11.6.2015

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derStandard.at (10.6.2015): Kiew will in Kriegsgebiet Menschenrechte nicht mehr

garantieren,

http://derstandard.at/2000017283292/Kiew-will-in-Kriegsgebiet-

Menschenrechte-nicht-mehr-garantieren, Zugriff 11.6.2015

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BBC (3.6.2015): Ukraine crisis: Heavy fighting rages near Donetsk, despite truce, http://www.bbc.com/news/world-europe-32988499#, Zugriff 15.6.2015

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, in der Praxis war diese jedoch Gegenstand von politischem Druck, Korruption, Ineffizienz und Mangel an Vertrauen der Öffentlichkeit. In manchen Fällen wirkte der Ausgang von Prozessen vorbestimmt. Korruption ist in Exekutive, Legislative und Judikative und in der Gesellschaft allgegenwärtig. Richter beschwerten sich weiterhin über Verschlechterungen bei der Gewaltenteilung, einige beklagten Druck durch hochrangige Politiker. Lange Verfahrensdauern, speziell vor Verwaltungsgerichten, unzureichende Finanzierung, Mängel bei der Rechtsberatung und die Unfähigkeit der Gerichte Urteile durchzusetzten, waren ebenfalls ein Problem. Die neue Strafprozessordnung vom November 2012 schränkte die Verwendung der Untersuchungshaft ein, reduzierte die Anreize zum Erzwingen von Geständnissen und gab der Verteidigung mehr Verfahrensrechte.

Verfassung und Gesetze garantieren das Recht auf Regress für Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Organe. Allerdings behindert eine ineffiziente und korrupte Justiz die Ausübung dieses Rechts. Einzelpersonen können sich an den parlamentarischen Ombudsmann für Menschenrechte wenden. Nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe steht auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. In den ersten 11 Monaten 2013, erließ der EGMR 60 Urteile gegen die Ukraine. Die meisten betrafen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, unangemessen lange Verfahren, Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit, sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 27.2.2014).

Der während der Präsidentschaft Janukowitsch zu beobachtende Missbrauch der Justiz als Hilfsmittel gegen politische Mitbewerber und kritische Mitglieder der Zivilgesellschaft hat sich unter den neuen politischen Voraussetzungen nach den revolutionären Entwicklungen des EuroMaidan vom Winter 2013/14 nicht prolongiert. An den strukturellen Unzulänglichkeiten im ukrainischen Justizwesen vermochte aber auch das neue politische Umfeld bislang nichts zu ändern. Richter haben in der Ukraine eine fünfjährige Probezeit zu durchlaufen, bevor sie auf Lebenszeit ernannt werden. Die erstmalige Ernennung zum Richter erfolgt durch den Staatspräsidenten auf Vorschlag des Obersten Justizrats, die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit durch das Parlament. Angesichts der Abhängigkeit des Obersten Justizrats von der Präsidialadministration ist die politische Abhängigkeit von Richtern zumindest während ihrer Probezeit evident. Besondere Besorgnis ruft die gängige ukrainische Haftpraxis sowie die umfassende Abhängigkeit der Richter von der Staatsanwaltschaft hervor. Ukrainische Richter kommen beinahe ausnahmslos den Haftanträgen und den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft nach.

Die Justiz ist selektiv und unfair und verletzt Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention". Richter und Staatsanwälte in der Ukraine hätten kein Verständnis für die Prinzipien der Unschuldsvermutung und der Gleichheit der Parteien vor Gericht. "Nur 0,2% aller Personen, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden, werden von Gerichten freigesprochen. Das bedeutet, dass die Unschuldsvermutung im wirklichen Leben nicht besteht und das die Rechtsprechung nicht als unparteiische und unabhängige Kontrollinstanz der Exekutive funktioniert." Das Rechtsverständnis ukrainischer Richter und Staatsanwälte sei von sowjetischer Tradition geprägt (ÖB 09.2014).

Im April 2014 wurde seitens des Parlaments ein Gesetz zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Justiz verabschiedet, demzufolge die bisherige Praxis der weitgehenden Unterstellung der Richter unter die Gerichtspräsidenten abgeschafft wurde und diese in weiterer Folge unabhängig von politischen Einflüssen machte. Ein Entwurf einer Justizreformstrategie wurde gemeinsam mithilfe der EU entwickelt (EC 25.3.2015).

Mit der Reform der ukrainischen Strafprozessordnung eng einhergehend ist die Umsetzung des am 2. Juni 2011 verabschiedeten und mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen Gesetzes über den unentgeltlichen Rechtsbeistand, welches die Liste der potenziellen Nutznießer bedeutend ausweitete und einen umgehenden Rechtsbeistand nach Inhaftierung nach besten europäischen Standards gewährleistet. Seit Inkrafttreten des Gesetzes stehen dafür über 3.000 auf Basis eines Auswahlverfahrens rekrutierte Rechtsanwälte zur Verfügung. Die Strafverfolgungsbehörden haben von sich aus für einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu sorgen, sollte der Inhaftierte außerstande sein, die Kosten seines Rechtsbeistands selbst zu tragen. Sie selbst belastende Aussagen von Inhaftierten, die in Abwesenheit eines Rechtsbeistands getroffen wurden, können im folgenden Gerichtsverfahren nicht gegen sie verwendet werden (ÖB 09.2014)

Quellen:

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EC - European Commission (25.3.2015): Implementation of the European

Neighbourhood Policy in Ukraine Progress in 2014 and recommendations for actions http://www.ecoi.net/file upload/1226 1427898393 ukraine-enp-report-2015-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

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ÖB - Österreichische Botschaften (09.2014): Asylländerbericht - Ukraine

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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local link/270738/399509 de.html, Zugriff 11.6.2015

4. Sicherheitsbehörden

Nach dem Sturz von Wiktor Janukowytsch versprach die neue Regierung öffentlich, man werde diejenigen strafrechtlich verfolgen, die für Tötungen und Misshandlungen von Protestierenden auf dem Maidan verantwortlich seien. Doch abgesehen von Anklagen gegen die ehemalige politische Führungsriege wurden so gut wie keine konkreten Schritte unternommen. Nur zwei Angehörige der Sicherheitskräfte mussten sich vor Gericht für Folter und andere Misshandlungen im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten verantworten. Es handelte sich dabei um Rekruten niedrigen Ranges aus einer dem Innenministerium unterstellten Einheit. Sie wurden am 28. Mai 2014 wegen "Überschreitung von Befugnissen oder Vollmachten" (Artikel 365 des Strafgesetzbuchs) zu Bewährungsstrafen von drei bzw. zwei Jahren verurteilt (AI 25.2.2015).

Die EU errichtete eine "EU Advisory Mission for Civilian Security Reform Ukraine (EUAM Ukraine)", um die Ukraine bei der Reform ihres zivilen Sicherheitssektors zu unterstützen, insbesondere bei der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und im Bereich der Polizei. Eine diesbezügliche notwendige Polizeireformstrategie, insbesondere im Zusammenhang mit den gewaltsamen Übergriffen bei den Euromaidan-Protesten Mitte Februar 2014 und der Rolle illoyaler Polizisten am Anfang der Destabilisierungsphase in der Ostukraine, wurde seitens der Regierung angenommen. Auch mit einer Reform der Militärischen Kräfte wurde noch vor der Annexion der Krim begonnen, sie befindet sich aber noch in einem frühen Stadium (EC 25.3.2015).

Mit Präsidentendekret Nr. 252 vom 6. April 2012 wurde ein Komitee zur Reform der Strafverfolgungsbehörden eingerichtet. Sollte dieses Komitee bereits einschlägige Vorschläge ausgearbeitet haben, sind sie bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Von einem Pilotprojekt zur Einrichtung kommunaler Polizeitruppen in Lemberg im Sommer 2014 erwartet man sich Erfahrungen für eine dezentralere Organisation des Polizeiwesens (ÖB 09.2014).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local link/270738/399509 de.html, Zugriff

12.6.2015

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EC - European Commission (25.3.2015): Implementation of the European Neighbourhood Policy in Ukraine Progress in 2014 and recommendations for actions http://www.ecoi.net/file upload/1226 1427898393 ukraine-enp-report-2015-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

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AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty Report 2015 Ukraine,

https://www.amnest

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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