TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/6 L510 2202333-1

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Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L510 2202333-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. am

XXXX, StA: Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung-Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen, Regionaldirektion XXXX vom 22.06.2018, Zl. XXXX, zu

Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird in Bezug auf Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG idgF stattgegeben und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei ("bP") brachte am 24.05.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ("BFA") einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz ein.

Im Wesentlichen brachte sie vor aus dem Irak zu stammen und von der Mahdi-Miliz verfolgt zu werden.

2. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der bP der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IVI.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gem. § 55 abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG wurde gegen die bP ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

In Bezug auf Spruchpunkt VI. legte das BFA dar, dass gem. § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen könne, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, das der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle.

Begründend wurde ausgeführt, dass die strafrechtliche Erscheinung der bP sich aus den Polizeimeldungen ergebe, welche die Behörde laufend seit dem Jahr 2016 erhalte. Diese seien jedoch nach § 204 StPO bzw. § 190 Z. 2 StPO eingestellt worden, jedoch werde aktuell wegen schwerer Körperverletzung ermittelt. Die Ermittlungen seien nicht abgeschlossen.

3. Gegen diesen Bescheid wurde seitens der Vertretung der bP in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Zu Spruchpunkt VI wurde ausgeführt, dass das BFA ihr Ermessen willkürlich ausgeübt habe, da die bP bisher strafrechtlich unbescholten sei. § 8 StPO besage, dass jeder bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu gelten habe.

4. Die Beschwerde langte beim Bundesverwaltungsgericht am 02.08.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

[...]

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist, falls eine solche Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG aberkannt wurde, das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003, Rz 23).

Den Gesetzesmaterialien zur Neufassung von § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I 2015/70, (ErläutRV 582 BlgNR, 25. GP, 6) lässt sich Folgendes entnehmen: "Die Gründe für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind weitgehender als etwa die Gründe für den Ausschluss der Zuerkennung von internationalem Schutz (§ 6 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005). Im Gegensatz zu den Qualifikationen der Verurteilung wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Verbrechens geht es bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Ziffer um die Aufrechterhaltung insbesondere der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, so dass auf die entsprechende Auslegung und Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei Rückkehrentscheidungen zurückgegriffen werden kann. Vom Begriff der schwerwiegenden Gründe betreffend die Gefährdung der öffentlichen Ordnung sind daher beispielsweise nicht nur schwere Verbrechen umfasst, sondern generell jedes Verhalten, das der österreichischen Rechtsordnung im besonderen Maße widerspricht, etwa mehrfache rechtswidrige Einreisen, Vergehen und Verbrechen, aber etwa auch schwere und gehäufte Verwaltungsübertretungen."

Gegenständlich ist schon der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht erfüllt, da gegen die bP unbestrittener Weise keine Verurteilungen aufscheinen und sich auch aus den sonstigen Umständen gegenständlich kein Verhalten der bP ableiten lässt, welches im Sinne der obigen Ausführungen der österreichischen Rechtsordnung im besonderen Maße widerspricht. Das BFA führte selbst aus, dass bisherige Verfahren gegen die bP stets eingestellt wurden. Wie in der Beschwerde dargelegt, gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung eine Person als unschuldig, weshalb gegenständlich auch die Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung zu keinem anderen Ergebnis führen können, ebenso wie die mittlerweile bekannt gewordene Anklageerhebung gegen die bP.

"Schwerwiegende Gründe", welche die Annahmen rechtfertigen würden, dass die bP eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt, liegen daher nicht vor.

Da aus Sicht des BVwG schon der Tatbestand von § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG nicht erfüllt ist, konnte von einer Prüfung der Rechtmäßigkeit der Interessenabwägung abgesehen werden.

Der angefochtene Bescheid hätte somit, soweit er durch seinen Spruchpunkt VI. die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung anordnet, nicht ergehen dürfen. Da dahingehend der maßgebliche Sachverhalt feststeht bzw. aus dem Akt nichts Gegenteiliges ersichtlich ist, war dieser Spruchpunkt mittels Teilerkenntnis ersatzlos zu beheben.

Über die sonstigen in Beschwerde gezogenen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert abgesprochen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2202333.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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