Entscheidungsdatum
09.08.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W105 2184827-1/42E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zahl: 1073835900-150687305, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 zu
Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013, iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr. 100/2005 idgF, stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der am XXXX geborene Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan beantragte am 16.06.2015 die Gewährung internationalen Schutzes.
2. Am 17.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, wobei er befragt zu seinen Fluchtgründen angab, erhabe genmeinsam mit anderen eine Baufirma gehabt und hätten sie einige Mädchenschulen gebaut. Den Taliban habe dies jedoch nicht gefallen, da diese allgemein gegen Bildung eingestellt seien. In der Folge seien sie mehrmals telefonisch und per Brief bedroht worden. Ein Mitarbeiter der Firma, der Betriebsleiter, sei mit einer Waffe attackiert, jedoch nicht verletzt worden. 21 Personen seien von den Taliban aus der Firma entführt worden, darunter habe sich auch ein namentlich genannter Bruder des Antragstellers befunden. Erst als die Dorfältesten interveniert hätten, seien sie alle freigelassen worden. Er könne sein Vorbringen durch Dokumente und Schriftstücke sowie E-Mails beweisen. Da er als stellvertretender Firmenchef tätig gewesen sei, sei es viel zu gefährlich geworden und habe er um sein Leben gefürchtet. Seinen Bruder habe er mitgenommen.
3. Am 18.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab der Antragsteller zu seinem Lebenslauf sowie allgemein zentral zu Protokoll:
"A: Ich bin in XXXX geboren und aufgewachsen. Ich habe 12 Jahre die Schule besucht und dann mit Matura abgeschlossen. Ich habe 4 Jahre studiert. Ingenieurswissenschaften. Während des Studiums habe ich auch nebenbei gearbeitet, mit meiner eigenen Firma. Von 2012 bis Mitte 2013 habe ich vielen Projekten für eine italienische Firma in Auftrag genommen. XXXX Team, von diesen habe ich die Aufträge bekommen. Heute habe ich meine Verträge mit, für Schulbauten oder Kanalisationsbauen bei den Militärbasen. Ich war selbstständig mit meiner eigenen Firma. Ich habe dann Aufträge von der XXXX bekommen. Ich habe gearbeitet und studiert. Ende 2013 oder Anfang 2014 sind wir mein Bruder XXXX und ich nach Indien. Ungefähr nach 5 Monaten sind wir wieder zurück nach Afghanistan. Wir waren dann bis Anfang 2015 in Kabul, mit meiner ganzen Familie. Wir haben dort uns nirgends angemeldet gehabt. 03.02.2015 habe ich mein Visum für die Türkei beantragt. Ich bin dann nach Herat geflogen und dann bin ich im ungefähr April 2015 in den Iran geflogen.
F: Sind Sie verheiratet?
A: Noch nicht.
F: Wie heißt Ihre österreichische Freundin.
A: XXXX .
F: Haben Sie Kinder?
A: Nein.
F: Welche Verwandte leben noch in Ihrem Herkunftsstaat.
A: Meine Eltern, und 4 Brüder.
F: Wovon lebt Ihre Familie in Afghanistan jetzt.
A: Mein Vater hat eine Tischlerei und er ist auch Makler, meine Mutter ist Hausfrau und zwei meiner Brüder studieren und meine zwei ganz kleinen Brüder sind Zwillinge und gehen in die Schule. Meine Familie wohnt in XXXX .
F:Wann hatten Sie zuletzt Kontakt (persönlich oder telefonisch) mit Angehörigen im Iran.
A: Ich habe nur Kontakt nur mit meinen Eltern. Vor zwei Wochen das letzte Mal.
F: Haben sie von Ihnen neue Informationen erhalten?
A: Es geht Ihnen nicht schlecht. Es geht Ihnen gut.
F: Welche Besitztümer haben Sie in Afghanistan?
A: Ich habe ein eigenes Haus, 3 stöckig. Das Haus habe ich selber gebaut auf dem Grundstück meines Vaters. Ich weiß nicht was mit meiner Firma passiert ist. Nachgefragt, ich habe ungefähr in 7 Monaten 300.000 Euro Umsatz gemacht. Nachgefragt, meine Familie hat ein schönes Leben, sie haben ein 6stöckiges Haus und für afghanische Verhältnisse geht es ihnen finanziell sehr gut."
Zu seinen Ausreisemotiven führte der Antragsteller aus wie folgt:
"A.: Wie vorher ich erzählt habe, habe ich mich während meines Studium selbstständig gemacht und ich hatte eine Firma. Sie hieß XXXX . Von der XXXX habe ich Aufträge bekommen. Mein erstes Projekt welches ich bekommen habe war in XXXX es war eine XXXX . Das war ca. 07.07.2012. Nach ein paar Monaten, nach dem wir begonnen haben zu arbeiten, haben uns verschiedene Gruppen wie die Taliban angefangen zu bedrohen. Weil diese waren gegen die Mädchenschule. Die Taliban wollten nicht, dass Ausländer irgendwelche Projekte in Afghanistan unterstützen und bauen. Deswegen sind wir immer bedroht worden, aber wir haben trotzdem die Schulen weiter gebaut. Bis einmal die Taliban oder eine islamische Gruppe, das war ungefähr am 16.11.2012 sind gekommen und haben 21 Arbeiter entführt. Dabei war auch mein Bruder XXXX dabei. Durch die Dorfältesten und der Direktor der alten Schule, sind die 21 Leute und mein Bruder am 21.11.2012 freigelassen worden. Dann habe ich an diesem Tag an XXXX geschrieben wie die Sicherheitslage in dieser Gegend ist und auch den Behörden gemeldet. Nachgefragt, bei der Polizei gemeldet, bei 7 verschiedenen Stationen. Die Polizei hat uns nicht unterstützt auch nicht von der XXXX . Wir haben dann unser Projekt stoppen müssen. Die Dorfältesten haben uns geholfen die 21 Personen freizulassen. Die einzige Hilfe die wir bekommen haben, wir haben Waffen bekommen und Miliz die auf uns aufgepasst hat, diese Leute waren vom Dorf. Durch dies konnten wir dann die Schule fertig bauen. Ich habe die ganzen Bedrohungen von der Taliban und den Islamisten die ich bekommen habe, habe ich an XXXX gemeldet und auch der Polizei gemeldet. Ende 2013, wurde ein Chef der Taliban, XXXX , durch unsere Anzeige bei der Polizei und weitere Vorfälle die bekannt geworden sind, und auch andere Mitglieder der Taliban getötet worden. Nach der Tötung von XXXX , wurden wir vom Direktor der alten Schule angerufen und er hat uns gesagt, dass wir gesucht werden, weil wir Schuld hätten und als Spione arbeiten würden, weil XXXX durch unsere Anzeige getötet wurde. Es wurde nach mir und meinem Geschäftspartner, XXXX gesucht. Natürlich habe ich es nicht ganz ernst genommen. 2 oder 3 Tage später wollten meinen Geschäftspartner umbringen. Er wurde im Auto angeschossen, aber er wurde nicht verletzt. Daher wusste ich dass das auch mir passieren konnte. Deswegen sind mein Bruder XXXX und ich nach Indien geflogen. Das was Ende 2013, Anfang 2014. Meine Familie ist nach Kabul. Nach ca. 5 Monaten sind wir wieder nach Kabul zurückgekommen. Dort war auch meine Familie. Bis Ende 2014 Anfang 2015 haben wir in Kabul gelebt. Im Februar 2015 habe ich versucht ein Visum von der Türkei bekomme. Und im April 2015 sind meine Brüder, XXXX und XXXX und ich haben dann Afghanistan legal mit Reisepass verlassen."
Zu seinem Leben bisher in Österreich führte der Antragsteller an, er habe bis auf seinen Bruder keine Verwandten hier in Österreich, studiere an der Fachhochschule XXXX Bauingenieurwesen für Hochbau, habe Deutschkursprüfungen abgelegt und unterrichte im Asylwerberheim Deutsch. Im Weiteren verwies der Antragsteller auf ein absolviertes Praktikum sowie ein Volontariat. Hinsichtlich seiner Pläne gab der Antragsteller an, er wolle seinen Master machen, arbeiten und ein aktives Mitglied der Gesellschaft sein. Er habe viele Freunde und Bekannte und seine Freundin hier in Österreich. Auch sei er in einem Verein als ehrenamtlicher Dolmetscher tätig sowie beim XXXX und der XXXX .
Zum Beweis seines Vorbringens legte der Antragsteller folgende Beweismittel vor:
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Tazkira
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Kontoauszüge aus Afghanistan
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Kopie des afghanischen Führerscheines
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Zeugnisse aus Afghanistan
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Email mit der XXXX
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Fotos aus Afghanistan
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Deutschkursbestätigungen
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ÖSD Zertifikat B1 und B2
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Teilnahmebestätigung Werte und Orientierungskurs
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Bestätigung der Volkshilfe der ehrenamtlichen Arbeit als Deutschlehrer
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bfi Deutschkursbestätigung: Fachsprache Technik
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Inskriptionsbestätigung der XXXX .
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Bewertung des akad. Grades aus Afghanistan
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Bestätigung des Volontariats bei XXXX
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Arztbefunde
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Zeitungsartikel
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Empfehlungsschreiben
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass nicht habe festgestellt werden können, dass zum Fluchtzeitpunkt der Antragsteller einer Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Der unterliege sohin keiner Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen. In Hinblick auf seine Rückkehr könne nicht festgestellt werden, dass er einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre und sei ihm eine Rückkehr nach Kabul zumutbar.
Im Rahmen der Beweiswürdigung wurden die Ausführungen des Antragstellers zu seiner beruflichen Tätigkeit und der damit einhergehenden Ereignisse als glaubhaft erkannt, eine ernsthafte Bedrohung schon allein der Mitarbeiter und seines Bruders durch Entführung seitens der Taliban im Jahr 2012 liege nicht vor, da diese mit Hilfe des Dorfältesten hätten befreit werden können. So habe er sich weiterhin auf ein Projekt im Jahre 2012 bezogen und habe er angeführt, dass es noch weitere Projekte gegeben habe, weshalb nicht plausibel sei, dass er weiteren Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei. Im Weiteren lägen keine Bescheinigungen dafür vor, dass der Antragsteller vom Islam abgefallen sei. Der Bedrohungssituation wurde sohin insgesamt jede Aktualität abgesprochen.
5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde in welcher ausgeführt wird, dass der nunmehrige Beschwerdeführer bereits bei seiner Erstbefragung am 17.06.2015 angegeben habe, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören und dass ihm im Falle seiner Rückkehr die Todesstrafe etc. drohe. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, stellvertretender Chef eines Bauunternehmens gewesen zu sein, welches auch Mädchenschulen errichtet habe. Dies habe den Taliban missfallen, welche 21 Mitarbeiter des Unternehmens, darunter den Bruder des Beschwerdeführers, entführt hätten. Erst über die Intervention der Dorfältesten seien die entführten Personen wieder freigelassen worden. Nach einem - nach Abschluss des Bauprojektes erfolgten - Regierungsangriff auf die Taliban, bei welchem ein wichtiger Anführer getötet worden sei, sei der Betriebsleiter des Unternehmens mit einer Waffe attackiert, aber nicht verletzt worden. Weiterhin wurde auf eine beim Antragsteller vorliegende posttraumatische Belastungsstörung und auf einen stationären Spitalsaufenthalt hingewiesen. Im Zeitraum vom XXXX bis
XXXX habe der Beschwerdeführer überdies insgesamt 28 psychotherapeutische Sitzungen absolviert. Zum Werdegang des Antragstellers wurde hingewiesen, dass dieser unbescholten sei und mittlerweile perfekt Deutsch spreche (Niveau C1). Er besuche mittlerweile ein Masterstudium der Fachrichtung Bauingenieurwesen und führe eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin, einer Ärztin, von welcher er auch finanziell unterstützt werde. Weiters sei der Beschwerdeführer Mitglied in einem Verein am Wohnort und ehrenamtlich beim Roten Kreuz als Volontär sowie bei der Volkshilfe aktiv tätig.
Entgegen der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl habe der Antragsteller bei der Erstbefragung eine Kopie der ersten Seite seines Originalreisepasses sowie im Weiteren auch eine sogenannte Tazkira und die Kopie eines afghanischen Führerscheins sowie diverse Zeugnisse aus Afghanistan vorgelegt, aus welchen seine Identität hervorgehe.
Hinsichtlich der behördlichen Feststellung, dass der Antragsteller keinerlei Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen sei aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, ist entgegenzuhalten, dass er bereits bei der Erstbefragung angegeben habe, keine Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu besitzen und hat er sich auch mit diesbezüglichem Vermerk, ohne Bekenntnis zu sein, bei der örtlichen Meldebehörde angemeldet. Auch im Rahmen der Einvernahme vom 18.10.2017 habe er angegeben, ohne Bekenntnis zu sein und sei dies auch in Afghanistan bekannt und werde er deshalb dort sicher getötet. Unter Hinweis auf die getroffenen Länderfeststellungen sei die Abkehr vom Islam nach dem Scharia-Recht strafbewährt und drohe der Tod. Obwohl der Beschwerdeführer eine Bestätigung vorgelegt habe, dass er keine Religion hat und ein Zeitungsartikel vorgelegt wurde, aus welchem dies ebenfalls hervorgehe und der Beschwerdeführer auf ein Facebook-Posting verwiesen habe, sei seitens der belangten Behörden keine weiteren Ermittlungen angestellt worden. Unter Einem lege der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft vom 05.01.2018 vor, wonach die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich von seinem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft verständigt worden sei. Auch in dem angesprochenen Facebook-Posting habe der Antragsteller einen erfolgten Bombenanschlag dergestalt kommentiert, dass er den islamischen Glauben in Frage stelle. Der Antragsteller sei in der Folge von anderen Facebook-Usern beschimpft und bedroht worden. Sein Profil sei dann aufgrund erfolgter Meldung offensichtlich auch gesperrt gewesen. Im Weiteren wurde auf den psychischen Status des Antragstellers verwiesen sowie auf die vorgelegten medizinischen Unterlagen und hat sich der Antragsteller einverstanden erklärt, dass das BFA Einsichtnahme in die Befunde nehmen könne, trotz der bewiesenen medizinischen Probleme stelle die Erstbehörde keine Feststellungen auf zur Behandlungsmöglichkeit derartiger psychischer Erkrankungen in Afghanistan.
Festgehalten sei, dass seitens des BFA für glaubhaft erachtet worden sei, dass der Beschwerdeführer eine leitende Funktion in einem Bauunternehmen gehabt habe, welches einen Auftrag des XXXX gehabt habe sowie dass einige Mitarbeiter des Unternehmens von den Taliban entführt worden seien. Der Antragsteller habe auch belegen können, dass sein Bruder (namentlich genannt) von den Taliban entführt worden wäre. Im Weiteren wurde auf die bisherigen Aussagen des Antragstellers verwiesen.
Zusammengefasst sei das Bedrohungsszenario nicht die Entführung der Mitarbeiter des Bauunternehmens selbst gewesen, sondern sei dieses erst im Nachhinein entstanden, als Ende 2013 Mitglieder der Taliban getötet worden seien und die anderen Mitglieder daraufhin sich am Beschwerdeführer, seinem Geschäftsführer und anderen Mitarbeitern des Unternehmens hätten rächen wollen. Dieses Bedrohungsszenario sei nach wie vor aktuell, wie sich auch aus den getroffenen Länderfeststellungen ergebe, so sei im Bescheid ausdrücklich festgestellt worden, dass die Taliban insbesondere auch Mitarbeiter lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen angreifen würden, was eben auch auf ein Unternehmen zutreffe, welches für das XXXX tätig sei. Das BFA habe das Vorbringen des Beschwerdeführers für glaubwürdig erachtet und sei es notorisch, dass die Taliban jeden bestrafen würden, der mit ausländischen oder afghanischen Organisationen kooperiere, bzw. im Zusammenhang mit Mädchenschulen tätig sei. Eine Schutzfähigkeit des afghanischen Staates bestehe nicht, es bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative; dies insbesondere auch in Hinblick auf den erwähnten Abfall vom islamischen Glauben. Im Anhang zur Beschwerde übermittelte der Antragsteller die in der Beschwerdeschrift angesprochenen Beweismittel.
Mit Schriftsatz vom 06.06.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Mehrzahl an Urkunden sowie erstattete er eine Stellungnahme zur Situation in Afghanistan.
Hiebei übermittelte der Antragsteller unter anderem eine psychologische Stellungnahme zum psychischen Status des Antragstellers sowie eine Vielzahl von Unterstützungsschreiben, zu einem Gutteil von akademisch vorgebildeten Unterstützern.
Während des anhängigen Verfahrens wurde einerseits eine Eingabe zur Integration des Beschwerdeführers durch seine Lebensgefährtin eingebracht, in welcher zentral bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer alle Glaubensgemeinschaften kritisch intellektuell hinterfrage und insbesondere im Islam viele Dogmen finde, die nicht zu seinem Weltbild passen würden. Er habe sich von diesem Glauben vollständig abgewandt.
Im weiteren Verfahren wurde eine Vielzahl an Referenz- bzw. Bestätigungsschreiben betreffend den guten Charakter, das hohe Bildungsniveau, die Integrationsmotivation sowie bereits höchst erfolgreiche Integrationsschritte eingebracht.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 19.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm. Im Rahmen des Beschwerderechtsgespräches wurde einerseits dem Antragssteller Raum geboten, die seiner Einschätzung nach relevanten Vorfälle im Herkunftsstaat genau zu erläutern sowie wurde andererseits durch gezielte Fragestellung sowie vorbereitete Unterlagen und Informationen versucht den Wahrheitsgehalt der Angaben näher zu erforschen.
Das Rechtsgespräch stellte sich - auszugsweise - wie nachstehend dar:
"Eröffnung der Verhandlung
BF1 (in fließendem Deutsch): Zum Protokoll vor dem BFA vom 18.10.2017 möchte ich hinzufügen, dass während eines großen Teil der Einvernahme, die Dolmetscherin nicht anwesend war. Ich habe der Einvernahme in deutscher Sprache folgen können und habe ich auch in Deutsch geantwortet, manche Teile habe ich auf Farsi geantwortet und die D hat übersetzt. Dem Grunde nach ist das Protokoll richtig und spiegelt meine Aussage wieder, ich habe vorab die Unterschrift auf das Protokoll verweigert, dahin hinsichtlich der Frage, was mich erwarte, wenn ich zurückkehre, nicht dargelegt wurde, dass zusätzlich die Religion bzw. die Abkehr von derselben ein Problem darstellt, es wurde nur Satz dann in das Protokoll aufgenommen und eine Seite neu ausgedruckt, dann habe ich den Text unterschrieben.
BFV legt weitere Unterlagen vor:
1. Mailverkehr der Baufirma XXXX (BF1)
2. Zum Nachweis der Integration Unterlagen zum Deutschkurs (BF2)
3. Unterlagen bzw. Screenshots von "Facebook-Postings" betreffend BF1
4. Diplom der Universität auf Farsi und auch Englisch betreffend BF1
Die D wird ersucht die 5 Seiten des "Facebookauszuges" in der Zwischenzeit zu übersetzen und ist der BF1 bereit, auf Deutsch zu antworten.
R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
BF1 (in fließendem Deutsch): In XXXX geboren und auch dort aufgewachsen.
R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich habe zwölf Jahre Schulbildung und habe mit Matura abgeschlossen, dann habe ich zu studieren begonnen, Bauingenieurwesen in XXXX .
R: In welchem Jahr haben Sie zu studieren begonnen?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich bin 2013 mit dem Studium fertiggeworden ist war ein vierjähriges Studium.
Ich lege dazu vor, mein Abschlusszeugnis bzw. Diplom.
R: Den Unterlagen entnehme ich, dass Sie nach Abschluss des Studiums im Rahmen einer Baufirma beruflich tätig waren.
BF1 (in fließendem Deutsch): Diese Tätigkeit war schon während meines Studiums. Ich habe zusammen mit einen Studienkollegen schon während des Studiums diese Firma gegründet. Wir haben beispielsweise von XXXX (Wiederaufbauprogramm für Afghanistan) Aufträge und auch schon Pläne bekommen, wir haben das organisiert und umgesetzt. Beim ersten Projekt hatten wir nur wenige Mitarbeiter, bei dem darauffolgenden Projekt, mussten wir schon mehr Mitarbeiter aufnehmen. Beispielsweise haben wir für den Bau einer Schule etwa 20 Mitarbeiter beschäftigt gehabt und als wir mit dem Bau einer weiteren begonnen haben, ebenso viele Mitarbeiter, also waren insgesamt in der besten Zeit etwa 40 Mitarbeiter. Ich möchte dazu erzählen, es steckt viel dahinter. Man bekommt die Pläne, die muss man richtig lesen können, es stecken viele Arbeitsschritte dahinter, beispielsweise muss man wissen, wie man ein Fundament plant und legt. XXXX und auch andere Organisationen, die am Wiederaufbau beteiligt sind, suchen sie gezielt Leute aus, die das Wissen haben und das Know-How.
R: Können Sie angeben, wo Sie die letzten Monate vor der Ausreise gelebt haben?
BF1 (in fließendem Deutsch): Wir waren in Kabul, die letzten drei Tage sind wir nach Herat gekommen. Wir sind 2014 von Indien zurückgekommen, bis April 2015 in Kabul, dann drei Tage in Herat. Dann haben wir die Visa für Iran organsiert um ausreisen zu können.
R: Waren Sie in den Monaten Ihres Aufenthaltes in Kabul irgendwelchen Bedrohungen ausgesetzt?
BF1 (in fließendem Deutsch): Dezember 2013 war ich bedroht. Es war die Zeit als auf meinen Freund geschossen wurde, er war damals im Auto, war nicht verletzt und konnte fliehen. Wir sind dann mit der ganzen Familie nach Kabul geflogen. Mein Bruder XXXX und ich habe ein Visum für Indien beantragt und waren in Indien.
R: Wie viele Brüder haben Sie?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich habe sechs Brüder.
R: Warum sind Sie gerade mit dem Bruder XXXX nach Indien gefahren?
BF1 (in fließendem Deutsch): Er war auch in dieser Baufirma als Ingenieur tätig, deshalb bin ich mit ihm nach Indien geflogen.
R: Wo in Indien
BF1 (in fließendem Deutsch): Wir sind nach New Delhi geflogen und haben uns dort einer Örtlichkeit niedergelassen, wo eine große Zahl Afghanen bereits war XXXX (phonetisch).
R: Hatten Sie damals, als Sie nach Indien geflogen sind, tatsächlich Angst, ermordet zu werden?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich möchte zuerst etwas Anderes sagen. Können Sie sich vorstellen, wenn man in so einer Situation gerät, dass plötzlich eine Gefahrenlage ist, wie man sich fühlt und dass plötzlich eine Situation entsteht, in der man sich ernsthaft die Gedanken macht, eine Lösung findet und das Land zu verlassen.
R: Der heute anwesende Bruder XXXX war doch auch in der Baufirma tätig, war er nicht ebenso gefährdet und ist aber in Afghanistan geblieben.
BF1 (in fließendem Deutsch): Ja, er war auch in der Baufirma. Es war schlicht und einfach so, dass mein Bruder XXXX keinen Reisepass besessen hat und konnte deshalb das Land nicht verlassen. Wir wurden zu diesem Punkt nicht ausführlich befragt, deshalb findet sich auch keine diesbezügliche Passage im Text des Protokolls.
R: Können Sie erklären warum Sie selbst und der Bruder XXXX einen Pass und ein Visum hatten und Ihr Bruder XXXX nicht.
BF1 (in fließendem Deutsch): Das betrifft nicht nur meinen Bruder, sondern auch andere Leute. So hatten auch andere Familienmitglieder meiner Familie keinen Reisepass, dass man als Afghanen nicht unbedingt keinen Reisepass braucht und dass man ohnehin nicht erwarten kann, einen Reisepass erhalten kann. Mein Bruder und ich waren schon einmal in Indien und hatten deshalb schon einen Reisepass. Das war schon nach meinem Schulabschluss, also längere Zeit zurück.
R: Als Sie sich in Indien aufgehalten haben, war Ihr Bruder XXXX in der Zeit gefährdet?
BF1 (in fließendem Deutsch): Meine Familie hatte Angst bekommen und sind sie alle nach Kabul gegangen, auch mein Bruder XXXX , der sich damals bedroht gefühlt hat, nur hatte er keinen Reisepass und konnte er nicht nach Indien kommen.
R: Warum hat sich XXXX nicht einen Reisepass "gekauft"?
BF1 (in fließendem Deutsch): Afghanistan ist schon korrupt, aber man nicht so einfach einen Reisepass "kaufen".
R: Warum hat er nicht auf normalen Weg einen Reisepass bekommen?
BF1 (in fließendem Deutsch): Man braucht einen Verbindungsmann. Richtigerweise kann man in Kabul jedes Dokument kaufen, auf die Ausstellung eines Reisepasses, den er bekommen hätte, hätte er möglicher Weise ein Jahr warten müssen und einen direkten Bestechungsversuch zu machen, birgt ein Risiko an sich, dass man an einen Beamten gerät, der nicht korrupt ist und man wird dafür belangt.
R: Ist Ihre Familie oder insbesondere auch Ihr Bruder XXXX , während der Zeit in Kabul in irgendeiner Weise bedroht oder verfolgt worden? Wurde die Familie dort bedroht?
BF1 (in fließendem Deutsch): Die Familie war auch in Herat nicht bedroht, nur mein Bruder XXXX und der andere Bruder XXXX , der jetzt in Deutschland ist. In Kabul waren sie nicht bedroht. Ich möchte das erklären. Es hängt nicht nur mit dem Bauprojekt und dem Unternehmen zusammen. Wir haben diese Schule fertiggebaut und eigentlich sind die Sachen, die später passiert sind, nach Meinung der Taliban, erst durch unser Zutun hervorgerufen worden, nämlich. Wir sind nach den Bedrohungen zur Polizei gegangen, haben das mehrfach angezeigt, die Polizei hat uns damals nicht unterstützt und erst als dieser Mullah getötet wurde, wurde uns unterstellt, dass wir mit Schuld seien und Informationen an die Polizei gegeben hätten, die dann zu seiner Ermordung geführt haben. Die Taliban haben sich Gedanken gemacht, wer dahinterstecken könnten und haben uns - ich meine damit meine Brüder und mich - identifiziert, dass wir dahinterstecken würden. Man hat gemeint, das Bauunternehmen steckt dahinter.
R: Wie heißt der Mullah?
BF1 (in fließendem Deutsch): XXXX .
R: Haben Sie selbst zum Zeitpunkt des Anschlags auf Ihren Geschäftspartner unmittelbar mit Maßnahmen gegen Ihre Person gerechnet?
BF1 (in fließendem Deutsch): Das ganze Bauunternehmen wurde bedroht und wir haben gesehen, welche Maßnahme tatsächlich ergriffen wurde, ich meine damit das Schussattentat.
R: War das die Gefährdungssituation klar?
BF1 (in fließendem Deutsch): Die Gefährdungssituation war für mich ganz klar, dass ich der Nächste sein könnte.
R: Stand die Ermordung dieses Mullahs tatsächlich in Verbindung mit dem Bauprojekt?
BF1 (in fließendem Deutsch): Wir haben bis Mitte 2013 an diesem Projekt gearbeitet, aber erst fünf oder sechs Monaten später, im Dezember 2013, wurde dieser Mullah ermordet, über die genauen Hintergründe weiß ich nichts. Es könnte natürlich sein, dass die Polizei auf Grund unserer Informationen und Anzeigen auf seine Person und auf die Gruppierung der Taliban gekommen ist. Ich weiß es nicht.
R: Welche Information haben Sie damals der Polizei gegeben?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich bin auf verschiedenen Polizeistationen gewesen. Ich meine damit bei verschiedenen Institutionen. Bei der Sicherheitspolizei und auch bei der "Militärpolizei". Wir haben auch ein E-Mail an XXXX geschrieben und den Vorfall gemeldet.
R: Haben Sie ein Rückmeldung bekommen?
BF1 (in fließendem Deutsch): Herr XXXX (BFV) hat diese schon vorgelegt. Die XXXX hat uns zurückgeschrieben, dass das Projekt unterbrochen wird. Ich verweise ganz besonders auf das von uns verfasste Mail an XXXX vom 23.11.2012, in welchen wir auf die Probleme hingewiesen haben und auf den weiteren Schriftverkehr, hinsichtlich der Einstellung der Arbeiten und der weiteren Fortsetzung der Arbeiten.
R: Es kann sein, dass XXXX mit der Polizei oder mit dem Militär gesprochen hat?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ja. Es ist möglich oder wahrscheinlich, dass XXXX den Einfluss gemacht hat bei der Polizei oder beim Militär und dass tatsächlich die spätere Aktion auf unsere Imitative zurückzuführen ist.
R: Haben Sie während des Aufenthaltes in Kabul tatsächlich unmittelbar damit gerechnet, dass Sie von den Taliban dort ins Visier genommen werden?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ganz genau. Ich hatte in Kabul in dieser Zeit einfach Glück, ich habe mich auch nicht viel draußen aufgehalten. Ich habe auch während dieser Zeit in Kabul versucht aus Afghanistan rauszukommen. Ich habe u. a. an die Deutsche Botschaft geschrieben. Um überhaupt ein Visum zu bekommen, muss man entweder erstklassige Beziehungen oder ein Visum für Studenten beantragen, das habe ich auch betreffend Deutschland gemacht.
R: Es gibt auch ein Dokument im Akt.
BF1 (in fließendem Deutsch): Wir sind 2014, Mitte des Jahres, von Indien zurückgekehrt und habe in Deutschland ein Studentenvisum beantragt, war aber nie in Deutschland, da ich kein Visum bekommen habe; das findet sich auch in der Entscheidung des BFA.
R: Das BFA hat also die Tatsache, dass Sie ein Studentenvisum beantragt haben, einfach falsch ausgelegt, in Wirklichkeit haben Sie dieses Visum nur beantragt, um überhaupt aus Afghanistan rauszukommen?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ja, das ist richtig.
Ich möchte dazu als Hintergrund sagen. Es handelte sich bei dem Anschlag um eine örtliche Talibangruppierung, nur ist das nicht so zu sehen, dass jede örtliche Gruppierung isoliert ist, natürlich ist es tatsächlich so, dass die Einzelgruppierung stark vernetzt sind. Nur so ist es überhaupt möglich, dass die Taliban über Jahre hinweg, den Amerikanern und auch der internationalen Sicherheitstruppe Stand halten konnten und ist diese Vernetzung auch von zentraler Bedeutung für örtliche Gruppierungen, für die Finanzierung, um auch gegen die Regierungstruppen kämpfen zu können.
R: Gegen wir zum zweiten Themenkreis um Abkehr vom islamischen Glauben?
BF1 (in fließendem Deutsch): Mein Vater ist auch und auch Makler. Er hat Grundstücke gekauft und verkauft. Er ist immer noch Moslem, er ist als Moslem geboren, mein Papa und meine Mama ist nicht so religiös. Einer meiner Brüder ist sehr religiös. Was soll ich Ihnen sagen? In einem Land, in dem 99,9 % Muslime sind, muss man grundsätzlich mitmachen und es ist auch OK. Ich meine damit beispielsweise, dass man am Ende des Ramadan, am ersten Tag beim Zuckerfest, betet. Ich könnte Ihnen noch viel über Religion und der Entstehung und meine Meinung dazu sagen.
Die D wird ersucht die 5 Seiten des "Facebookauszuges" in der Zwischenzeit zu übersetzen und ist der BF1 bereit, auf Deutsch zu antworten.
R verliest die nunmehr erstellen Übersetzung der vorgelegten "Facebook-Posts" inklusive Kommentare. (Übersetzung der D wird als Beilage der Verhandlungsschrift beigefügt).
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich habe als Erbe meine Volkszugehörigkeit bekommen und eigentlich meine Religion.
R: In diesen Text stellen Sie aus Ihrer Sicht die Situation in Afghanistan dar. Ist es eher eine Kritik an das Verhalten der Menschen dort oder Ablehnung der Religion an sich?
BF1 (in fließendem Deutsch): Wenn jemand nur irgendetwas im Kopf hat, wird er nie posten, dass er die Religion ablehnt. Sie sehen die Fotos, es war damals ein Bombenanschlag in Kabul und wurde das von vielen Leuten gutgeheißen, das war meine Reaktion gegen den Anschlag. Vom Jihadismus wurde dieser Anschlag gutgeheißen.
Nach diesen Posts wurde ich telefonisch bedroht. Beispielsweise hat ein Cousin meines Vaters angerufen und hat gesagt: "Du löscht das sofort. Ich will dich nie wieder in meinem Leben sehen, ich töte dich sofort."
Ich möchte ins Treffen führen, dass ich mehrmals den Koran gelesen und studiert habe und auch philosophische Sachen dazu und auch viel nachgedacht habe und komme zu dem Ergebnis, dass etwa 400 Verse von Jihad sprechen und u. a. davon, dass man selbst unbedingt Moslem sein muss oder nicht und dass man verpflichtet sei gegen andere Religion und Nicht-Muslime zu kämpfen.
Der BF fühlt sich gehalten eine Mehrzahl von Beispielen über den Koran ins Treffen zu führen, wie die Einteilung von "gute", "mittlere" und "schwache Moslem".
R: Kann ich davon ausgehen, dass Sie sich von Ihrer ursprünglich sozialisierten Religion, Islam, völlig losgelöst haben?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ja.
R: Befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr, über die Offenlegung Ihrer Meinung über den Islam getötet zu werden?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ja, ganz sicher.
R: Wie denkt Ihre Kernfamilie in Herat darüber?
BF1 (in fließendem Deutsch): Sie haben das akzeptiert. Am Anfang war das für sie sehr, sehr schwierig. Der Druck ist sehr groß, am Anfang war es sehr schwer für sie. Die Problematik im Islam liegt auf der Hand hinsichtlich der Diskriminierung der Frauen, ein Mann darf vier Frauen haben, eine Frau darf das nicht.
R: Wie sind Sie intellektuell überhaupt auf die Idee gekommen, das Regelsystem, in dem Sie sozialisiert wurden, in Frage zu stellen?
BF1 (in fließendem Deutsch): Ich habe auf der Universität in jedem Semester auch Religion gehabt und habe mir auch Gedanken gemacht und habe KANT und SCHOPENHAUER gelesen. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was SCHOPENHAUER über die Stellung der Frau gesagt habe, aber ich habe mir Gedanken gemacht.
Die Einvernahme des BF1 ist um 11:29 Uhr beendet.
BF2 betritt zwecks Einvernahme um 11:29 Uhr den Verhandlungssaal.
R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
BF2: Ich bin im Iran geboren und dort aufgewachsen.
R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?
BF2: Bis zur zehnten Klasse habe ich die Schule gemacht, fünf, sechs Jahre habe ich bei meinem Vater, der Tischler ist, gearbeitet.
R: Ab wann haben Sie in der Baufirma Ihres hier anwesenden Bruders mitgearbeitet?
BF2: 07.07.2012.
R: Welche Tätigkeit haben Sie dort ausgeführt?
BF2: Als Fotograf habe ich dort gearbeitet. Ich musste alles, was sie brauchen notieren und ich habe es nicht selbst besorgt, sondern aufgeschrieben, damit es besorgt wird
R: Was haben Sie fotografiert?
BF2: Das Projekt.
R: Sachen, die bereits gebaut worden sind?
BF2: Eigentlich nicht ein fertiges Projekt. Ich musste jede Woche oder alle zwei Wochen hingehen zur Baustelle und den Baufortschritt dokumentieren.
R: Was können Sie mir über die bereits von Ihrem Bruder geschilderte Bedrohungssituation berichten?
BF2: Das war ca. Ende 2013. Der XXXX wurde ermordet. Danach sind die Taliban zum Direktor der Schule gegangen, er heißt XXXX . Die Taliban sind zu mir gekommen und wollten etwas über den Ingenieur wissen, sie haben XXXX gemeint, meinen Bruder (BF1). Die Taliban meinten, dass die Ingenieure Spione sind und haben Informationen über XXXX an die Regierung weitergegeben.
R: Ihr Bruder XXXX ist zum vormaligen Zeitpunkt gemeinsam mit dem weiteren Bruder XXXX nach Indien gereist, warum sind Sie in Kabul geblieben?
BF2: Während dieser Zeit habe ich einen Pass gehabt, deshalb konnte ich nicht mitfliegen.
R: Wie haben Sie sich verhalten, waren Sie die ganze Zeit in Kabul?
BF2: Ich war die ganze Zeit in Kabul, aber nur zu Hause.
R: Hat es während der Zeit in Kabul konkrete Hinweise auf die Gefährdung Ihrer Person gegeben?
BF2: Wie gesagt. Ich war die ganze Zeit zu Hause, ich war in einer schlechten psychischen Situation.
R: Wie stehen Sie selbst zum Islam?
BF2: Der jetzige Islam, der in Afghanistan existiert, ich meine damit, was die Taliban sagen, das akzeptiere ich nicht. Die Taliban meinen, man sollte jemanden ermorden, das akzeptiere ich nicht. Es gab so einen Vorfall, vielleicht haben sie auch im Internet gelesen, wegen Farakondha, sie hat schlecht über den Islam geredet und wurde gesteinigt. Man darf nichts darüber sprechen.
R: Kennen Sie die Einstellung Ihres Bruders zum Islam?
BF2: Ich weiß über seine Meinung, hier in Österreich hat jeder seine freie Meinung.
R: Glauben Sie, dass Sie auf Grund der Meinungsäußerung Ihres Bruders über den Islam, in Afghanistan Verfolgung befürchten müssen?
BF2: Der Cousin meines Vaters hat mich aus Afghanistan Angerufen und hat zu mir gesagt: "Warum redest du mit XXXX nicht wegen dem Post(ing), er muss das löschen." Ich habe kein Problem damit, was mein Bruder gepostet, mit meinem Bruder habe ich kein Problem, ich habe mit ihm gewohnt. XXXX (anwesende Vertrauensperson Fr. XXXX ) hat kurze Zeit bei uns gewohnt.
R: Haben Sie auf Grund Ihrer kritischen Einstellung Ihres Bruders zu Hause etwas zu befürchten?
BF2: Wie erzählt habe, ich habe mit meinem Bruder gewohnt, ich akzeptiere ihn, ich akzeptiere seine Meinungen. Zu Haus denke diese, dass die selbe Meinung habe wie mein Bruder, weil ich in akzeptiere.
R: Wenn Sie nach Kabul zur Familie fahren?
BF2: Von Vater und Mutter her hätte ich kein Problem und von anderen sehr wohl.
R: Hätten Sie Angst, dass man Sie körperlich attackiert?
BF2: Zu 100 %: Wenn jemand etwas über den Islam so sagt oder Kritik übt, auf jeden Fall."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antragsteller ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger des Volkes der Pashtunen. Der Antragsteller wurde am XXXX in Herat geboren, wo er eine zwölfjährige Schuldbildung absolvierte. In weiterer Folge studierte der nunmehrige Beschwerdeführer mit Erfolg Ingenieurswissenschaften.
Der Antragsteller verfügt vor dem Hintergrund der Dauer seines Aufenthalts in Österreich über herausragende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie zeigte er sich im Beschwerderechtsgespräch bemüht auch nur jedes relevante Sachverhaltsdetail erklären zu wollen.
Der Antragssteller war auf Befragen in der Lage, eine Vielzahl von Einzelinformationen zu zusinnbaren Sachverhaltskreisen von Relevanz zu bieten. Der Antragsteller ist als in höchstem Maße integriert zu betrachten. Der Antragsteller besucht einen Masterlehrgang an einer österreichischen Fachhochschule; dies mit mittlerweiligem Erfolg sowie war der Antragsteller in der Zwischenzeit während seines Aufenthaltes in Österreich bereits aktiv in Vereinen und auch auf beruflichem Felde überaus tätig.
Das Vorbringen des Antragstellers zu seinen Ausreisegründen bzw. Ereignissen im Herkunftsstaat in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit wird als glaubhaft und nachvollziehbar der Entscheidung zugrunde gelegt.
2. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut unter zentraler Berücksichtigung der erstniederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie zentral der Angaben des Antragsstellers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Weitere zentrale Erkenntnisquelle bildete die Aussage des Antragstellers im Rahmen des abgeführten Beschwerderechtgesprächs vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 19.06.2018.
Würdigend wird angeführt, dass es dem Antragsteller einerseits leicht möglich war, sein bisheriges Vorbringen zu erneuern und war er darüber hinaus aus eigenem in der Lage, seine Angaben wesentlich zu vertiefen und auf gezielte Fragestellung eine Fülle von Informationen zu bieten. Der Antragsteller war überdies im Rahmen des Beschwerderechtsgespräches intellektuell in der Lage aus Eigenem zu erkennen, welche allenfalls weiteren Sachverhaltsdetails er aufzeigen sollte und so verstand er es durch ein hohes Maß an Eloquenz sowie sozialem Einfühlungsvermögen einen engagierten und glaubhaften, an der Sachverhaltsermittlung interessierten Eindruck zu hinterlassen. Das gesamte Vorbringen des Antragstellers zu seinen Ereignissen im Herkunftsstaat war sohin der Entscheidung positiv zugrunde zu legen.
Das Vorbringen des Antragstellers zu Ereignissen im Herkunftsstaat sowie auch zu seiner Integration wurde durch eine Vielzahl unbedenklicher Dokumente, Urkunden und Referenzschreiben bestätigt.
Zum genauen Hergang der Ereignisse bzw. Vorfälle war der Antragsteller überdies in der Lage ein genaues Bild sowie eine gewisse Innensicht zu bieten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 82/2015, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 25/2016).
Gemäß § 3 BFA-G,