Entscheidungsdatum
30.08.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W163 2116856-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der BF ist ein afghanischer Staatsangehöriger. Am 06.12.2013 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.10.1991 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts 10.07.2017, GZ: W200 XXXX, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen, dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
3. Mit am 17.08.2017 beim BFA eingelangten Antragsformularen beantragte der BF für sich die Ausstellung eines Fremdenpasses. Im Antrag ist in der Rubrik des Formulars "Staatsangehörigkeit" "Afghanistan" eingetragen. Dem Antrag beigelegt war die Kopie einer Bestätigung der afghanischen Botschaft in Wien vom 16.08.2017, Nr. 1871, mit folgendem Inhalt: "Die Botschaft möchte darauf hinweisen, dass die Nichtausstellung eines Reisepasses keineswegs bedeutet, dass der antragstellenden Person die afghanische Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Die afghanische Botschaft in Wien stellt Reisepässe für alle afghanischen Staatsangehörigen aus, die einen entsprechenden Antrag gestellt haben und alle erforderlicher Unterlagen vorlegen konnten. Für Herrn XXXX, Inhaber von Ausweis Nr. XXXX, wurde bis jetzt noch kein afghanischer Reisepass von dieser Botschaft ausgestellt, da nicht alle Anforderungen erfüllt waren."
4. Mit im Spruch genannten Bescheid, zugestellt am 13.09.2017, wies das BFA den Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG ab. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der BF bei seiner Einvernahme am 27.02.2015 dem Leiter der Amtshandlung eine afghanischen Tazkira Nr. XXXX im Original vorgelegt hätte, dieser eine Kopie angefertigt und diese Kopie dem Akt beigelegt worden wäre. Da er im Besitz seiner Geburtsurkunde sei, gehe das Bundesamt davon aus, dass es dem BF bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar gewesen sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Laut der vom BF vorgelegten Bestätigung der afghanischen Botschaft, stelle diese dezidiert allen afghanischen Staatsangehörigen Reisepässe aus, die einen entsprechenden Antrag stellen und alle erforderlichen Unterlagen vorlegen würden.
5. Gegen den Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen vor, dass das BFA in keiner Weise die individuelle Situation des BF ermittelt habe, obwohl aus der Bestätigung der afghanischen Botschaft vom 12.01.2017 hervorgehe, dass dem BF kein afghanischer Reisepass ausgestellt werde, weil der BF nicht alle Anforderungen erfüllen würde. Das BFA ignoriere den Inhalt der Bestätigung der Botschaft, wonach der BF die Anforderungen für einen afghanischen Pass nicht erfülle. Die Behörde hätte weitere Ermittlungen tätigen müssen, welche Unterlagen der BF neben der Geburtsurkunde vorlegen hätte müssen, um einen afghanischen Pass zu erhalten. Ohne weitere Informationen sei es der Behörde nicht möglich abschließend zu beurteilen, ob es dem BF möglich sei, einen afghanischen Pass zu erhalten.
Dem BF sei jedenfalls gem. § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen, da ihm in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukomme und sich aus der Bestätigung der Botschaft ergeben würde, dass er nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Heimreisezertifikat zu beschaffen.
Neu wurde vorgebracht dass der BF, als er bei der afghanischen Botschaft in Wien vorgesprochen hätte, das Original seiner Tazkira nicht finden hätte können. Auf Nachfrage sei ihm erklärt worden, dass die Botschaft keine Tazkira ausstelle und er dafür beim Ministerium in Afghanistan persönlich vorsprechen müsse. Zwischenzeitlich hätte der BF den Verlust seiner Tazkira gemeldet. Eine Kopie der Verlustmeldung wurde angeschlossen.
6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.10.2017 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2017, GZ: W200 XXXX wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilt.
1.2. Der BF kann sich in den Besitz einer zweifelsfrei mit dem Original übereinstimmenden Farbkopie in sehr guter Qualität einer auf den BF ausgestellten Tazkira mit der Nr. XXXX bringen.
1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Status und zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers ergeben sich eindeutig aus den vorliegenden Verwaltungsakten, sind unzweifelhaft und wurden nicht bestritten.
2.2. Zu den Feststellungen zum Vorliegen einer zweifelsfrei mit dem Original übereinstimmenden Farbkopie der Tazkira: Eine Farbkopie in sehr guter Qualität der Tazkira Nr. XXXX liegt im Verwaltungsakt ein (AS 13). Dass es sich dabei um eine zweifelsfrei mit dem Original übereinstimmende Kopie handelt, ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Organwalter des Bundesamtes in Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben eine Kopie von dem ihm im Original vorgelegten Dokument angefertigt hat (siehe Verweis im angefochtenen Bescheid auf die Einvernahme am 27.02.2015, Seite 2).
2.3. Zur Feststellung betreffend die Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes:
Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Behauptung des BF, er befinde sich nicht mehr im Besitz seiner Tazkira als zweifelhaft erweist. Der BF hat der belangten Behörde dies im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht mitgeteilt. Der BF hat dies erstmals in der Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung der belangten Behörde vorgebracht, mit der ihm vorgehalten wurde, dass er im Besitz einer Tazkira sei und mit dieser ein Reisedokument erwirken könne. Zudem sind die Ausführungen in der Beschwerde zum behauptete Verlust nicht stimmig zumal behauptet wird, der BF hätte bereits, als er bei der afghanischen Botschaft am 16.08.2017 vorsprach, das Original seiner Tazkira nicht finden können. Aus der mit der Beschwerde übermittelten Kopie der Verlustmeldung ergibt sich, dass der BF das Verlustdatum mit 25.04.2017 angegeben hat und somit bereits vier Monate vor dem Vorsprechen bei der Botschaft gewusst hätte, dass er die Tazkira nicht mehr hätte. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der BF mit Verlustmeldung bis nach der Erlassung der abweisenden Entscheidung zuwartet, obwohl er weiß, dass er die Tazkira fünf Monate zuvor verloren hätte.
Unter der Annahme, dass der BF nicht mehr im Besitz seiner Tazkira ist, steht wie oben dargestellt fest, dass sich der BF in den Besitz einer zweifelsfreien Farbkopie in sehr guter Qualität bringen kann, um diese der afghanischen Botschaft in Wien vorzulegen. Es ist davon auszugehen, dass der BF von der Existenz der Kopie der Tazkira weiß, zumal diese im Zuge der Einvernahme des BF am 27.02.2015 angefertigt wurde und dies auch im angefochtenen Bescheid beschrieben wird. Aus der vom BF vorgelegten Bestätigung der afghanischen Botschaft in Wien, ergibt sich, dass für alle afghanischen Staatsangehörigen Reisepässe bei entsprechendem Antrag und Erfüllung der Anforderungen ausgestellt werden. Aus der mit der Beschwerde eingebrachten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.06.2017 ergibt sich, dass die afghanische Botschaft in Wien Reisepässe basierend auf Personalausweisen (Tazkiras) ausstellt.
Der BF hat auch in seiner Beschwerde nicht behauptet eine Kopie der Tazkira bei seiner Vertretungsbehörde vorgewiesen zu haben. Auch aus der Bestätigung der Botschaft ergibt sich dies nicht, zumal angegeben wird, der BF wäre Inhaber eines Ausweises Nr. XXXX, was vermuten lässt, dass der BF bei seiner Vorsprache lediglich die von der belangten Behörde ausgestellte Karte für subsidiär Schutzberechtigte mit der Nr. XXXX vorgewiesen hat.
Es ist evident, dass Vertretungsbehörden von Staaten bei Vorliegen von zweifelsfrei mit dem Original übereinstimmenden Kopien von Identitätsdokumenten ihres Entsendestaates, über Möglichkeiten verfügen, Dokumentenüberprüfungen durchzuführen, allenfalls unter Befassung der Ausstellungsbehörden im Herkunftsstaat. Es sind keine Hinweise hervorgekommen, die die Annahme rechtfertigen, die afghanische Botschaft würde dies im Fall des BF nicht tun. Es ist dem BF möglich, sich in den Besitz der Kopie zu bringen und sich an die afghanische Botschaft in Wien zu wenden, weshalb derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, der BF sei nicht in der Lage, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die
Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
§ 88 Fremdenpolizeigesetz FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:
"Ausstellung von Fremdenpässen
§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik
gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.
(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend."
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:
"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."
Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Szymanski in Schrefler- König/Szymanski (Hrsg.), Fremdenpolizei und Asylrecht, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 88 FPG Anm. 2).
Das in § 88 Abs. 2a normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechtes des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, K 8 zu § 88 FPG 2005).
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Wie oben in den Feststellungen dargelegt und in der Beweiswürdigung begründet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
Es liegen die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2a FPG somit nicht vor und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389, (2010/C 83/02) entgegenstehen.
Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.
Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt der belangten Behörde die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.
Der VwGH hat zur Frage der Verhandlungspflicht mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 ausgesprochen, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten weitgehend übertragen lässt. Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren ist primär § 21 Abs. 1 und subsidiär § 24 Abs. 4 VwGVG als maßgeblich heranzuziehen. Für die Auslegung der Wendung in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", sind nunmehr folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalte behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des BVwG keine Anhaltspunkte. Der für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage sowie aus den Angaben in der Beschwerde. Der in der Beschwerde vorgebrachte neue Sachverhalt, nämlich der Umstand, dass sich der BF nicht mehr im Besitz seiner Original Tazkira befinde, wurde der Entscheidung zugrundegelegt. Es haben sich aufgrund der Angaben in der in Beschwerde, in der auf Sachverhaltsebene lediglich darauf verwiesen wurde, dass der BF kein Original der Tazkira vorlegen könnte, in Zusammenschau mit dem vorliegenden Akteninhalt auf Sachverhaltsebene keine Fragen ergeben, die mit dem BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern wären. Die mit der Beschwerde eingebrachten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation wurden berücksichtigt.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fremdenpass, Reisedokument, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W163.2116856.2.00Zuletzt aktualisiert am
30.10.2018