TE Bvwg Beschluss 2018/8/31 W123 2190020-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2018
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Entscheidungsdatum

31.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
B-VG Art.133 Abs9
VwGG §46

Spruch

W123 2190020-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über den Antrag XXXX vom 02.08.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018 abgeschlossene Verfahren, W123 2190020-1/5E, den Beschluss:

A)

Der Antrag wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018, W123 2190020-1/5E, wurde die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 09.02.2018, 1095430603/151799565, erhobene Beschwerde des Antragstellers als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

2. Mit Eingabe vom 02.08.2018 stellte der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der sich gegen die Versäumung der Revisionsfrist wendet; gleichzeitig erhob der Antragsteller außerordentliche Revision und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Es wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

2.1. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018 sei der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Vertreterin des Antragstellers eingeschrittenen mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person, XXXX, am 08.05.2018 auf elektronischem Wege übermittelt worden und gelte daher am darauffolgenden Werktag, somit am 09.05.2018 als zugestellt.

2.2. Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision sei damit bereits verstrichen. Allerdings sei der Antragsteller durch ein unabwendbares bzw. vorhersehbares Ereignis an der Einbringung der Revision und damit an der Einhaltung der Revisionsfrist gehindert gewesen. XXXX habe das angefochtene Erkenntnis am 09.05.2018 mittels eingeschrieben versendeten Schreibens auf dem Postweg an die ihr bekannte Adresse des Antragstellers in XXXX, übermittelt und habe das Schreiben am 11.05.2018 mit dem vom Postzusteller angebrachten Vermerk "verzogen" als unzustellbar retour erhalten. Daraufhin sei seitens XXXX eine Abfrage im ihr zugänglichen Zentralen Melderegister vorgenommen worden. Da durch diese Abfrage keine andere Adresse hervorgekommen sei, habe die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person davon ausgehen gehen müssen, dass der Antragsteller an der angeführten Adresse nicht mehr wohnhaft sei.

Am 09.07.2018 habe der Antragsteller von der belangten Behörde ein Schreiben zugestellt erhalten, in dem ihm die Erlassung eines Einreiseverbotes wegen nicht erfolgter fristgerechter freiwilliger Ausreise angedroht worden sei. Daraufhin habe sich der Antragsteller zum nächstmöglichen Termin, am 19.07.2018, in eine Einrichtung der XXXX, die die sogenannte Regionalbetreuung im Rahmen der Grundversorgung von im Bundesland XXXX untergebrachten Asylwerbern innehabe, begeben.

Wegen Urlaubs des für ihn zuständigen Sachbearbeiters habe der Antragsteller keinen früheren Termin in Anspruch nehmen können. Am 19.07.2018 habe sich dann eine Mitarbeiterin dieser Beratungseinrichtung bei der "XXXX" telefonisch nach dem Verfahrensstand erkundigt und habe die Auskunft erhalten, dass das Erkenntnis vom 07.05.2018 bereits ergangen sei, dem Antragsteller am Postweg aber nicht habe zugestellt werden können. Der Antragsteller habe dann am 20.07.2018 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Zuge einer Vorsprache in den Räumlichkeiten XXXX in XXXX persönlich ausgefolgt erhalten und sei seither erst in Kenntnis seines Inhalts.

2.3. Dem Zustellmangel liege offenkundig ein Fehler des Postzustellers zugrunde, zumal der Antragsteller wie sich aus dem beiliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergebe, seit dem 01.08.2017 durchgehend an der genannten Adresse wohnhaft und gemeldet sei. Insofern treffe den Antragsteller kein Verschulden daran, dass ihm das Schreiben seiner Rechtsvertretung nicht zugegangen sei. Umgekehrt habe aber auch die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person alle ihr obliegenden Sorgfaltspflichten eingehalten und nach Erhalt der als unzustellbar retournierten Briefsendung mit dem Vermerk "verzogen" durch Abfrage im Zentralen Melderegister den Versuch unternommen, die aktuelle Anschrift des Antragstellers zu eruieren. Der Antragsteller sei dadurch daran gehindert gewesen, Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

2.4. Das Hindernis falle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab dem Zeitpunkt weg, zu dem der Antragsteller Kenntnis vom Inhalt des nunmehr anzufechtenden Erkenntnisses erlangt habe, sodass er in die Lage versetzt werde, ein Rechtsmittel ausreichenden Inhalts zu erheben (vgl. dazu etwa VwGH 15.09.1994, 94/19/0393 und darauf Bezug nehmend jüngst etwa VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0008, Rz 13). Dies sei - wie vorgebracht - zum Zeitpunkt der nunmehrigen persönlichen Ausfolgung am 20.07.2018 eingetreten. Der gegenständliche, am 02.08.2018 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachte, Wiedereinsetzungsantrag erweise sich damit als rechtzeitig. Es wird daher beantragt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2018 zu W123 2190020-1/5E, zu bewilligen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Antragsteller stellte am 17.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.02.2018, 1095430603-151799565/BMI-BFA_SBG_AST_01, wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt 1.) und gemäß § 8 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat XXXX (Spruchpunkt 2.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt 3.). Es wurde gegen den Antragsteller gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach XXXXzulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte 4.-6.).

Mit Vollmacht vom 26.02.2018 beauftragte und bevollmächtigte (inklusive Zustellvollmacht) der Antragsteller die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person, die XXXX, diesen im "Rechtsmittelverfahren" gegen den obgenannten Bescheid zu vertreten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018, W123 2190020-1/5E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person, nämlich an XXXX mit der Zustelladresse in XXXX, am 08.05.2018 auf elektronischem Weg übermittelt.

Eine vom Antragsteller nicht namentlich angeführte Person der "XXXX" veranlasste am 09.05.2018 die Zustellung des Erkenntnisses als eingeschriebene Sendung auf dem Postweg an die ihr bekannte Adresse des Antragstellers in XXXX. Am 11.05.2018 erhielt die "XXXX" das Schreiben mit dem vom Postzusteller angebrachten Vermerk "verzogen" als unzustellbar zurück. Daraufhin wurde seitens der "XXXX" eine Abfrage im Zentralen Melderegister vorgenommen. Da durch diese Abfrage keine andere Adresse des Antragstellers hervorkam, ging die "XXXX" davon aus, dass der Antragsteller an der angeführten Adresse nicht mehr wohnhaft sei. Eine weitere Verständigung durch die "XXXX" erfolgte nicht. Der Antragsteller erlangte keine Kenntnis von diesem Brief.

Gegen dieses Erkenntnis wurde innerhalb der Revisionsfrist keine Revision eingebracht.

Am 20.07.2018, dh nach Ablauf der Revisionsfrist, wurde dem Antragsteller das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018 durch die mit der Besorgung der Rechtsberatung des Antragstellers betraute juristische Person in XXXXpersönlich ausgefolgt.

Am 02.08.2018 brachte der Antragsteller einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, beantragte in einem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erhob gleichzeitig außerordentliche Revision.

Mit Schreiben vom selben Tag gab der Rechtsanwalt XXXX die nunmehrige Vertretung des Antragstellers (inklusive Zustellvollmacht) dem Bundesverwaltungsgericht bekannt.

2. Beweiswürdigung:

Diese Ausführungen gründen sich auf die jeweils erwähnten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchpunkt A)

3.1. § 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

3.2. Die vorliegende Entscheidung ist in Beschlussform zu treffen (vgl. VwGH 23.10.2014, Ro 2014/11/0067).

3.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann jegliches Geschehen, dh nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes, sondern auch so genannte psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich Irren usw., als "Ereignis" gewertet werden (vgl. ua VwGH 27.09.2013, 2010/05/0202). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis "unabwendbar" ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 39 mwN). Die Beurteilung, ob ein Ereignis "unvorhergesehen" ist, hängt demgegenüber nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, "wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte, wobei das im Begriff der ‚Unvorhergesehenheit' gelegene Zumutbarkeitsmoment dahin zu verstehen ist, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit auch dann noch gewahrt ist, wenn der Partei ein nur ‚minderer Grad des Versehens' unterläuft" (vgl. VwGH 29.02.2008, 2008/04/0006).

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt somit voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist oder der mündlichen Verhandlung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, dh er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/01/0125). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (ua VwGH 20.06.2013, 2013/06/0098 mwN; VwGH 02.09.2009, 2009/15/0096;

Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 44 mwN). War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (ua VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044 mwN). Vor allem ist der Vertreter verpflichtet, um sein Verschulden auszuschließen, sich auch selbst unverzüglich die erforderlichen Informationen zu verschaffen, um die Einspruchsfrist wahren zu können (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 45 mwN).

Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Im Falle einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung diesfalls (ua) davon ab, dass weder die Partei noch den bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht (ua VwGH 17.07.2008, 2007/21/0227). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (ua VwGH 23.06.2008, 2008/05/0122).

3.4. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde abgewiesen worden sei, am 08.05.2018 bei der zuständigen mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person des Antragstellers eingegangen sei. In weiterer Folge habe diese den Antragsteller mittels eingeschriebenen Briefes über den Erhalt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht informiert, jedoch sei dieser Brief mit dem Vermerk "verzogen" zurückgekommen. Die "XXXX" sei daher davon ausgegangen, dass der Antragsteller an dieser Adresse nicht mehr wohnhaft sei. Dem Antragsteller sei das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes daher von der mit der Besorgung der Rechtsberatung des Antragstellers betrauten juristischen Person inXXXX erst dann persönlich ausgehändigt worden, als der Antragsteller von der belangten Behörde über die Einleitung eines Verfahrens zur Verhängung eines Einreiseverbotes informiert worden sei.

3.5. Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses vom 07.05.2018 durch die gegenständliche mit der Besorgung der Rechtsberatung des Antragstellers betraute juristische Person vertreten war, ergibt sich zum einen aus dessen Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zum anderen aus der vorgelegten Vollmacht des Antragstellers vom 26.02.2018.

Im vorliegenden Fall wurde der Vertretung des Antragstellers das Erkenntnis vom 07.05.2018 am 08.05.2018 rechtswirksam im Wege der elektronischen Zustellung übermittelt (auch dieser Umstand wurde vom Antragsteller nicht bestritten). Diese informierte den Antragsteller über den Erhalt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2018 lediglich am 09.05.2018 per eingeschriebenem Brief, der mit dem Vermerk "verzogen" an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person retourniert wurde; ein weiterer Verständigungsversuch durch diese, beispielsweise durch den weiteren Versand eines nicht eingeschrieben übermittelten Briefes, durch den Versand eines E-Mails und/oder durch einen Anruf, erfolgte nicht. Am 20.07.2018, dh weit nach Ablauf der Revisionsfrist, wurde dem Antragsteller aufgrund dessen Urgenz das Erkenntnis vom 07.05.2018 von der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person in XXXX persönlich ausgefolgt.

Der Antragsteller vermochte im gegenständlichen Fall kein Ereignis im Sinne des § 46 VwGG anzuführen, welches eine Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung zu begründen vermag: Der Antragsteller irrte zwar im vorliegenden Fall über den Umstand der Zustellung des Erkenntnisses vom 07.05.2018; der zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses vertretene Antragsteller erlangte erst weit nach Ablauf der Revisionsfrist Kenntnis von der Zustellung. Da der Antragsteller jedoch zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses vertreten war, ist der mit der Besorgung seiner Rechtsvertretung betrauten juristischen Person daher die Zustellung des Erkenntnisses und ihr weiteres in diesem Zusammenhang stehendes Verhalten zuzurechnen.

Folglich betrifft nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes der Umstand, dass der Antragsteller durch seine Vertreterin/seinen Vertreter nicht über die Zustellung des Erkenntnisses vom 07.05.2018 für den Antragsteller in wahrnehmbarer Weise informiert wurde und dieser deshalb gehindert war, rechtzeitig Revision dagegen zu erheben bzw. vertretungsweise erheben zu lassen, das interne Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer, dh zwischen der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person und dem Antragsteller, und mag daher die Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung bereits deshalb nicht zu begründen.

Vor diesem Hintergrund kann die Prüfung bezüglich des Nicht-Vorliegens von Verschulden bzw. des Vorliegens eines minderen Grad des Versehens hinsichtlich des Antragstellers unterbleiben.

3.6. Es bleibt daher zu überprüfen, ob das Verhalten der mit der Besorgung der Rechtsberatung des Antragstellers betrauten juristischen Person die Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages zu begründen vermag, da dem Antragsteller das Handeln der sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaterin wie bei jedem anderen Vertreter zuzurechnen ist (vgl. jüngst VwGH 28.05.2018, Ra 2018/01/0237).

Einleitend ist festzuhalten, dass eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen hat (vgl. VwGH 27.04.2004, 2003/05/0065).

Glaubhaft machen im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bedeutet, das Ereignis als wahrscheinlich darzutun, wodurch zum Ausdruck gelangen soll, dass es Sache des Beschwerdeführers ist, das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nicht nur zu behaupten, sondern die Behörde auch davon zu überzeugen, dass seine Behauptungen wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen (vgl. VwGH 30.01.2001, 98/18/0225).

Zur Erfüllung dieser Obliegenheit ist es erforderlich, ladungsfähige Adressen der vom Wiedereinsetzungswerber zur Bescheinigung seines Vorbringens geführten Personen anzugeben. Hat die Partei in ihrem Wiedereinsetzungsantrag zB nicht einmal jene Person, der sie den Auftrag zur Postaufgabe ihres Rechtsmittels erteilt haben will und die dieses weisungswidrig einen Tag zu spät zur Post gegeben haben soll, namentlich genannt, war es der belangten Behörde objektiv gar nicht möglich, das Vorliegen des zwar behaupteten, nicht aber glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen (vgl. VwGH 27.04.2004, 2003/05/0065).

Im vorliegenden Fall wurde vom Antragsteller weder der Name der für ihn zuständigen Rechtsberaterin angeführt (es wird im gegenständlichen Antrag immer von der "XXXX" gesprochen) noch wurde deren Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Auch wurde vom Antragsteller dem Bundesverwaltungsgericht keine ladungsfähige

Adresse der jeweiligen Rechtsberaterin bekanntgegeben, weshalb der Antragsteller mit diesem Vorbringen das Vorliegen eines unabwendbaren oder unvorhergesehenen Ereignisses nicht glaubhaft machte.

3.7. Zudem stellt ein allfälliger Mangel in der Kommunikation zwischen den Revisionswerbern und deren Vertretern kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG dar (vgl. ua VwGH 16.03.2012, 2009/05/0078).

Abgesehen davon wäre die jeweilige Rechtsberaterin der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person verpflichtet gewesen, den Antragsteller aufgrund des ihrerseits reaktionslos gebliebenen und retournierten Briefes über den Erhalt des Erkenntnisses vom 07.05.2018 mittels eines weiteren nicht eingeschriebenen Briefes zu kontaktieren oder zu versuchen, den Antragsteller auf telefonischem Weg (bzw. auf jedem anderen möglichen Kommunikationsweg) zu erreichen. Dies deshalb, um sicherzustellen, dass der Antragsteller tatsächlich vom Erhalt der Erkenntnisses vom 07.05.2018 Kenntnis erlangt, zumal laut eingeholtem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 23.07.2018 der "XXXX" seit dem 01.08.2017 eine ununterbrochene Hauptwohnsitzmeldung in Bezug auf den Antragsteller an derselben Adresse besteht. Aufgrund der aufrechten Hauptwohnsitzmeldung des Antragstellers hätte die jeweilige Rechtsberaterin der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person nicht davon ausgehen dürfen, dass der Antragsteller "an der angeführten Adresse nicht mehr wohnhaft sei". Für das Bundesverwaltungsgericht kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass der jeweiligen Rechtsberaterin des Antragstellers kein bzw. nur ein minderer Grad des Versehens unterlaufen ist, da diese - insbesondere aufgrund ihrer Rechtskundigkeit - die Wichtigkeit der Angelegenheit hätte erkennen und dementsprechend reagieren müssen. Folglich war in Bezug auf die Vertretung des Antragstellers das Vorliegen eines minderen Grad des Versehens bzw. das Nicht-Vorliegen von Verschulden nicht anzunehmen.

3.8. Vor diesem Hintergrund konnte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision vom Bundesverwaltungsgericht nicht stattgegeben werden.

3.9. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich dazu Folgendes (vgl. zB VwGH 29.01.2014, 2013/03/0004; 28.08.2013, 2011/06/0006, zu § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG): In seinem Urteil vom 18.07.2013, Nr 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), legte der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dar, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne. Die staatlichen Behörden können auch auf Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie Rücksicht nehmen und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen (vgl. VwGH 23.10.2013, 2012/03/0002; 27.09.2013, 2012/05/0212).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG iVm § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt im gegenständlichen Fall geklärt ist und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich Rechtsfragen (das Vorliegen eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses und das Nicht-Vorliegen von Verschulden bzw. das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens) von Bedeutung waren, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine öffentlich mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK wie auch Art. 47 GRC in Hinblick auf unionsrechtlich garantierte Rechte stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. jüngst VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die Rechtslage ist eindeutig und die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.

Schlagworte

Fristversäumung, Revisionsfrist, Verschulden, Verschulden des
Vertreters, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2190020.1.01

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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