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36 WirtschaftstreuhänderNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags einer Wirtschaftstreuhand- undBuchhaltungsgesellschaft auf Aufhebung der (gesamten)Wirtschaftstreuhandberufsgesetz-Novelle 2006 wegen zu weit gefasstenAufhebungsantrags; Zurückweisung des Antrags auch hinsichtlich einerweiterhin wirksamen Vorschrift des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzesbetreffend den Berechtigungsumfang für Selbständige Buchhaltermangels Legitimation; kein Entfall der belastenden Rechtswirkungen imFall einer Aufhebung; Unzulässigkeit der begehrten Aufträge an denGesetzgeberSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit den auf Art140 B-VG gestützten, zu G19/07
protokollierten Anträgen vom 13. März 2007 begehrt die LGH Wirtschaftstreuhand und Buchhaltungs GmbH die Aufhebung
"a) [der] im BGBl. I Nr. 161/2006 am 1.12.2006 veröffentlichte[n] Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG), mit de[r] das WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 geändert wurde",
sowie
"b) de[s] §2 WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005".
Darüber hinaus wird der Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof wolle dem Gesetzgeber "auftragen", Selbständigen Buchhaltern näher bezeichnete "zusätzliche Berufsberechtigungen zu vergeben".
1.2. Zur Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus, sie sei "Selbständiger Buchhalter". Mit BGBl. I 161/2006 sei das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz in der Fassung BGBl. I 120/2005 geändert worden. Als Selbständiger Buchhalter sei die antragstellende Gesellschaft "von der Streichung des §1 Abs1 Z4 WTBG unmittelbar betroffen".
2. Die antragstellende Gesellschaft behauptet die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen und führt dazu aus, dass Selbständige Buchhalter durch die mit BGBl. I 161/2006 kundgemachte Änderung des WTBG "aus dem WTBG gestrichen" worden seien. Gleichzeitig sei die Erlassung des Bundesgesetzes über die Bilanzbuchhaltungsberufe (BibuG) erfolgt, in dem Übergangsbestimmungen zu den Rechten der Selbständigen Buchhalter und Vorschriften zu deren Anwartschaften und ihrer Bestellung zu Bilanzbuchhaltern enthalten seien. Die angefochtenen Bestimmungen seien gleichheitswidrig, weil es dem Geschäftsführer der antragstellenden Gesellschaft nicht zumutbar sei, die in den §§21 bis 23 BibuG normierten Prüfungen abzulegen (gemeint ist wohl, dass die Gesellschaft nicht in der Lage sein wird, über die bestehende Berechtigung als Selbständiger Buchhalter hinaus auch die Berechtigung zur Ausübung des Berufs des Bilanzbuchhalters zu erlangen). Weiters seien der Verlust der Zugehörigkeit zur Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Verlust der Qualifikation als freier Beruf gleichheitswidrig. Die "Ausgliederung" der Selbständigen Buchhalter aus dem Anwendungsbereich des WTBG und ihre "Zwangseingliederung" in das Regime des BibuG und die damit verbundene (Pflicht)Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer ziehe folgende Rechtswirkungen nach sich, die das Gesetz nach Auffassung der antragstellenden Gesellschaft mit Verfassungswidrigkeit belasten:
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Entfall der Besteuerung gem. §17 UStG 1994 nach vereinnahmten Entgelten und Versteuerung der Umsätze nach vereinbarten Entgelten, worin ein eklatanter Wettbewerbsnachteil gegenüber Steuerberatungsgesellschaften liege,
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Verpflichtung zur Leistung des Dienstgeberzuschlags zum Familienbeihilfenausgleichsfonds,
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Verlust des Zugangs zu Informationen durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder und zu dem von ihr kostenlos zur Verfügung gestellten Zugang für Firmen- und Grundbuchabfragen,
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Ausscheiden aus der Versorgungseinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder,
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Verlust der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Gruppenkrankenversicherung bei der Uniqa Personen Versicherung AG, die von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ermöglicht wurde.
Schließlich verstoße es gegen den Gleichheitssatz, dass das Gesetz Selbständigen Buchhaltern andere Befugnisse einräumt als Steuerberatern einerseits und Bilanzbuchhaltern nach dem BibuG andererseits. Die antragstellende Gesellschaft führt die Unterschiede im Berechtigungsumfang einzeln aus und behauptet, die Unterschiede seien u.a. im Hinblick auf die (nach Auffassung der antragstellenden Gesellschaft) geringen Ausbildungsunterschiede sachlich nicht gerechtfertigt.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurück- bzw. die Abweisung des Antrags beantragt. Sie führt zu den Prozessvoraussetzungen Folgendes aus:
"1. Die Antragstellerin beantragt zunächst, 'die im BGBl. I Nr. 161/2006 am 1.12.2006 veröffentlichte Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG), mit dem das WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 geändert wurde, [...] aufzuheben'. Dieser Antrag ist offensichtlich auf die Aufhebung des gesamten ArtII des Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungsgesetz - BibuG) geschaffen wird, BGBl. I Nr. 161/2006, gerichtet.
1.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen 'auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist'. Der Antrag muss die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darlegen (§62 Abs1 zweiter Satz VfGG); dabei muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die bekämpfte Norm in Widerspruch stehen soll (vgl. VfSlg. 14.802/1997).
In einem Individualantrag ist außerdem darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden ist (§62 Abs1 letzter Satz VfGG). Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs muss ausgeführt werden, inwieweit das Gesetz unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift (vgl. zB VfSlg. 13.259/1992, 13.814/1994 und 15.116/1998). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich auf ein Gesetz seinem ganzen Inhalt nach richtet, muss Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit sämtlicher Bestimmungen des Gesetzes darlegen; nichts anderes gilt für die Frage, ob das Gesetz unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift (vgl. VfSlg. 13.916/1994 und 16.001/2000 sowie in Bezug auf Verordnungsprüfungsanträge VfSlg. 14.320/1995, 14.321/1995 und 14.526/1996). Entsprechend verhält es sich, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Artikel einer Sammelnovelle zur Gänze angefochten wird. Vom Vorliegen der genannten Voraussetzungen kann in Bezug auf einzelne Bestimmungen des Gesetzes dann abgesehen werden, wenn diese Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit anderen Bestimmungen stehen, bei denen die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. zur Frage, wie die Grenzen der Aufhebung zu ziehen sind, zB VfSlg. 13.327/1993, 14.044/1995, 14.308/1995 und 16.121/2001).
1.2. Es ist offenkundig, dass keineswegs alle Bestimmungen des ArtII des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 im Sinn des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG und §62 Abs1 letzter Satz VfGG unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreifen können. So ordnet etwa ArtII Z4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 eine Änderung des Berechtigungsumfangs der Steuerberater an, und mit ArtII Z17 leg.cit. wird eine legistische (nicht jedoch inhaltliche) Anpassung des - ausschließlich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater betreffenden - §84 Abs2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG), BGBl. I Nr. 58/1991, vorgenommen. Selbst die Antragstellerin behauptet lediglich, 'von der Streichung des §1 Abs1 Z4 aus dem WTBG unmittelbar betroffen' zu sein (vgl. Punkt II des Schriftsatzes).
Auf welche Bestimmungen - den §2 WTBG oder aber bestimmte Anordnungen des ArtII des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 - sich die pauschal zu sämtlichen Anträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Punkt IV bis VI des Schriftsatzes) jeweils beziehen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass irgendwelche dieser Bedenken etwa auf die oben beispielsweise angeführten Anordnungen in ArtII Z4 und 17 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 zutreffen könnten.
Ebensowenig ist ersichtlich, dass die Anordnungen des ArtII des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 - wie die Antragstellerin behauptet, ohne dies allerdings zu begründen (vgl. Punkt I des Schriftsatzes) - in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang miteinander stünden. Auch dazu wird beispielhaft auf ArtII Z4 und 17 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 hingewiesen.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist daher der Antrag, 'die im BGBl. I Nr. 161/2006 am 1.12.2006 veröffentlichte Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG), mit dem das WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 geändert wurde, [...] aufzuheben', als unzulässig zurückzuweisen.
2. Der Antrag richtet sich weiters darauf, 'den §2 WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 [...] auf[zu]heben'.
Zunächst wird darauf hingewiesen, dass mit ArtII Z3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 die Aufhebung des §2 WTBG angeordnet wurde; in Verbindung mit der Inkrafttretensbestimmung in ArtII Z26 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 ergibt sich, dass §2 WTBG bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2006 außer Kraft getreten ist. Ein Antrag nach Art140 B-VG könnte sich daher nur auf den Ausspruch, dass die Bestimmung verfassungswidrig war, richten (Art140 Abs1 letzter Satz in Verbindung mit Art89 Abs3 B-VG).
Weiters wird angemerkt, dass sich der Antrag auf Aufhebung des ArtII des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 (vgl. unter Punkt 1) zwangsläufig auch gegen dessen Z3 richtet; es wird somit sowohl die Aufhebung des (nicht mehr in Geltung stehenden) §2 WTBG als auch die Aufhebung jener Bestimmung, mit der §2 WTBG aufgehoben wurde, beantragt.
Ob die Antragstellerin davon ausgeht, dass der bereits außer Kraft getretene §2 leg.cit. unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreift, oder ob sie meint, durch Aufhebung des ArtII Z3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 die Legitimation zur Bekämpfung des §2 WTBG zu erlangen, muss mangels jeglicher diesbezüglicher Ausführungen im Antrag dahingestellt bleiben. Unabhängig davon ergibt sich in Hinblick auf die Antragslegitimation der Antragstellerin Folgendes:
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes besteht das Ziel eines Individualantrags in der Behebung der geltend gemachten Rechtsverletzung; eine Antragslegitimation besteht daher nur dann, wenn die Aufhebung der angefochtenen Norm (bzw. die Erklärung der Norm als verfassungs- bzw. gesetzwidrig) die Rechtsposition des Antragstellers so verändert, dass die behaupteten belastenden Rechtswirkungen wegfallen (vgl. zB VfSlg. 14.308/1995, 14.342/1995, 14.498/1996, 14.526/1996 und 17.217/2004).
Das WTBG umschreibt den Berechtigungsumfang der einzelnen Berufsgruppen folgendermaßen: Zunächst wird angeordnet, dass es den zur Ausübung des betreffenden Berufs Berechtigten 'vorbehalten' ist, bestimmte taxativ aufgezählte Tätigkeiten auszuüben; danach werden jene Tätigkeiten angeführt, die die Berechtigten auszuüben berechtigt sind (vgl. §§3 und 5 WTBG in der geltenden Fassung sowie §2 WTBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 161/2006).
Würde der Verfassungsgerichtshof aussprechen, dass §2 WTBG - in dem der Berechtigungsumfang der 'zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Selbständiger Buchhalter Berechtigten' umschrieben war - in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 161/2006 verfassungswidrig war, oder würde er den §2 WTBG als verfassungswidrig aufheben, würde dies daher nicht bewirken, dass der Antragstellerin jene Befugnisse zukämen, deren Mangel im Antrag als verfassungswidrig bezeichnet [wird].
Schon aus diesem Grund ist der Antrag auf Aufhebung des §2 WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 nach Ansicht der Bundesregierung mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Zur Zurückweisung führen müsste im Übrigen - gegebenenfalls - auch der Mangel jeglicher Ausführungen zu der Frage, inwieweit die bereits außer Kraft getretene Bestimmung des §2 WTBG in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar nachteilig eingreift.
3. Soweit schließlich der Antrag gestellt wird, der Verfassungsgerichtshof 'möge [...] dem Gesetzgeber auftragen', Selbständigen Buchhaltern bestimmte zusätzliche Berufsberechtigungen [zu] vergeben, so entbehrt ein solches Begehren jeglicher (verfassungs-)rechtlichen Grundlage. Auch dieser Antrag ist daher nach Auffassung der Bundesregierung als unzulässig zurückzuweisen.
..."
II. Die Anträge sind unzulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes unter anderem auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Anträge nach Art140 B-VG haben nicht nur im einzelnen zu begehren, das Gesetz "seinem ganzen Inhalte nach" oder in "bestimmte[n] Stellen" aufzuheben (§62 Abs1 erster Satz VfGG; VfSlg. 8552/1979, 9880/1983, 11.802/1988, 11.888/1988, 12.263/1990, 14.040/1995 uva.), sondern haben die gesetzlichen Bestimmungen auch genau und richtig zu bezeichnen. Weiters ist ein Antrag in der Weise zu formulieren, dass der zu prüfende und allenfalls aufzuhebende Teil eines Gesetzes derart abgegrenzt ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für die Beseitigung der Rechtsverletzung ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; jedenfalls muss ein Antrag geeignet sein, die behauptete Verfassungswidrigkeit auch tatsächlich und vollständig zu beseitigen.
2. Mit BGBl. I 161/2006 erfolgte die Kundmachung des Bundesgesetzes, "mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungsgesetz - BibuG) geschaffen wird". In Artikel I dieses Bundesgesetzes sind Änderungen der Gewerbeordnung 1994 enthalten, Artikel III betrifft die Erlassung eines Bilanzbuchhaltungsgesetzes (BibuG) und Artikel II enthält Änderungen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes.
3.1. Soweit sich der Antrag (im Sinne seines Punktes 1.a) insgesamt auf Aufhebung der
"im BGBl. I Nr. 161/2006 am 1.12.2006 veröffentlichte[n] Änderung des Wirtschafstreuhandberufsgesetzes (WTBG), mit de[r] das WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005 geändert wurde,"
richtet, ist offenbar die Aufhebung des (gesamten) Artikels II des Bundesgesetzes BGBl. I 161/2006 gemeint; eine präzisere Abgrenzung des Begehrens ist aus dem Antrag nicht ableitbar. Gänzlich undeutlich wäre der Anfechtungsumfang nämlich, wenn dem beiläufigen (nicht als gesonderten Antrag oder etwa als Eventualbegehren formulierten) Hinweis im weiteren Antragsvorbringen Bedeutung beizulegen wäre, dass sich der Antrag "gegen die Streichung des §1 Abs1 Z 4 WTBG und der sonstigen damit entfallenden Paragraphen betreffend Selbständige Buchhalter sowie gegen die uE verfassungswidrigen Bestimmungen des §2 WTBG idF BGBl. I Nr. 120/2005" richte. Im genannten Hinweis kann daher jedenfalls keine Präzisierung des Antrags auf "bestimmt bezeichnete" Gesetzesstellen erkannt werden. Da diese Formulierung zur Präzisierung des Aufhebungsbegehrens ungeeignet wäre (und als solche wohl auch nicht gemeint war), kann als abgrenzbares Begehren nur der gegen die gesamte Novellierung des WTBG gerichtete Antrag angesehen werden, der sich allerdings aus folgenden Gründen als überschießend erweist:
Die antragstellende Gesellschaft ist ihrem Vorbringen zufolge zur Ausübung des Berufs "Selbständiger Buchhalter" befugt. Nach der Übergangsbestimmung des §98 Abs1 des - ebenfalls mit BGBl. I 161/2006 kundgemachten - Bilanzbuchhaltungsgesetzes bleiben "erlangte Berechtigungen der Selbständigen Buchhalter unberührt". Vor diesem Hintergrund ist offenkundig, dass keineswegs die Gesamtheit der mit BGBl. I 161/2006 vorgenommenen Änderungen des WTBG in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingreifen kann (vgl. VfSlg. 9620/1983, 12.442/1990, 14.716/1996). Teile dieser Novelle normieren beispielsweise die Neuerlassung des Inhaltsverzeichnisses des WTBG (ArtII Z1), andere Teile regeln etwa den Entfall der Regelungen des §13 und der §§24 bis 27 WTBG über die Prüfung zur (Neu-)Erlangung der Berufsausübungsberechtigung des Selbständigen Buchhalters (ArtII Z6 und 9) oder den Entfall des §37 WTBG betreffend die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses Selbständiger Buchhalter (ArtII Z11), andere Bestimmungen regeln wiederum die Neudefinition des Berechtigungsumfangs der Berufe des Steuerberaters und des Wirtschaftstreuhänders im Verhältnis zu jenem der - neu geschaffenen - Bilanzbuchhaltungsberufe (ArtII Z5) oder betreffen lediglich legistische Anpassungen ohne Relevanz für die Rechtssphäre eines Selbständigen Buchhalters, wie etwa bei dem die Führung der Berufsbezeichnung "Wirtschaftstreuhänder" regelnden §84 Abs2 WTBG hinsichtlich der darin enthaltenen Verweisung auf §1 WTBG.
Damit erweist sich der die (gesamte) "im BGBl. I Nr. 161/2006 am 1.12.2006 veröffentlichte Änderung des Wirtschafstreuhandberufsgesetzes (WTBG)" betreffende Antrag als überschießend und - allein schon aus diesem Grund - zur Gänze unzulässig (vgl. VfSlg. 11.345/1988, 11.610/1988, 14.342/1995).
3.2. In Punkt 1.b ihres Antrags begehrt die antragstellende Gesellschaft weiters die Aufhebung des "§2 WTBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2005".
3.2.1. Diese Bestimmung lautet(e) in ihrer vor der Novelle BGBl. I 161/2006 geltenden Fassung:
"Berechtigungsumfang - Selbständiger Buchhalter
§2. (1) Den zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Selbständiger Buchhalter Berechtigten ist es vorbehalten, folgende Tätigkeiten auszuüben:
1. die pagatorische Buchhaltung (Geschäftsbuchhaltung) einschließlich der Lohnverrechnung und der Erstellung der Saldenlisten für Betriebe und der Einnahmen- und Ausgabenrechnung im Sinne des §4 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988,
2. den Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen) nach Handelsrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der durch §125 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 9/1998 festgesetzten Wertgrenzen,
3. die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben, ausgenommen die Vertretung vor den Finanzbehörden, den Unabhängigen Verwaltungssenaten und dem Verwaltungsgerichtshof, jedoch einschließlich der Akteneinsicht auf elektronischem Wege gegenüber den Finanzbehörden,
4. die Vertretung und die Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen einschließlich der zusammenfassenden Meldungen und
5. die kalkulatorische Buchhaltung (Kalkulation).
(2) Die zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Selbständiger Buchhalter Berechtigten sind weiters berechtigt, folgende Tätigkeiten auszuüben:
1. sämtliche Beratungsleistungen im Zusammenhang ihres Berechtigungsumfanges gemäß Abs1,
2. die Beratung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen,
3. die Beratung und Vertretung vor gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften in Beitragsangelegenheiten und
4. die Vertretung bei den Einrichtungen des Arbeitsmarktservice, der Berufsorganisationen, der Landesfremdenverkehrsverbände und bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern, soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden Tätigkeiten gemäß Abs1 unmittelbar zusammenhängen."
Die antragstellende Gesellschaft bekämpft damit eine Bestimmung, die mit ArtII Z3 des zuvor (Pkt. 2.) bereits genannten Bundesgesetzes BGBl. I 161/2006 aufgehoben wurde und damit formell nicht mehr in Kraft ist (der Einleitungssatz des ArtII und die Z3 des ArtII leg.cit. ordnen an: "Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2005, wird wie folgt geändert: [...] 3. §2 entfällt"). §2 WTBG begründet(e) den Berechtigungsumfang der zum Beruf des Selbständigen Buchhalters berechtigten Personen. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des Individualantrages auf Gesetzesprüfung, dass das Gesetz - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist und in der angefochtenen Fassung für sie weiterhin Wirksamkeit entfaltet (vgl. zB VfSlg. 12.413/1990, 13.794/1994, 15.021/1997, 16.000/2000). Dass die angefochtene Bestimmung formell aufgehoben wurde, führt im vorliegenden Fall nicht zur Unzulässigkeit des Antrags: Die Bestimmung entfaltet aufgrund der Übergangsbestimmung des §98 Abs1 BibuG, wonach Selbständigen Buchhaltern die Befugnisse zur Berufsausübung erhalten bleiben, weiterhin Wirkungen für die antragstellende Gesellschaft, weil der Berechtigungsumfang dieser Berufsgruppe durch die genannte Bestimmung erst begründet wird. Die Übergangsbestimmung führt dazu, dass die angefochtene Bestimmung weiterhin maßgeblich ist und daher für die antragstellende Gesellschaft unmittelbar wirksam wird.
3.2.2. Der auf die (kraft §98 Abs1 BibuG weiterhin wirksame) Vorschrift des §2 WTBG bezogene Antrag ist jedoch aus folgendem Grund unzulässig:
Da das Ziel eines Individualantrages in der Behebung der geltend gemachten Rechtsverletzung zu erblicken ist, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes die Antragslegitimation nur dann bejaht werden, wenn die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung bewirkt, dass die behaupteten belastenden Rechtswirkungen entfallen (VfSlg. 11.765/1988, 12.057/1989, 12.178/1989). Ist dies nicht der Fall, so ist nach ständiger Rechtsprechung die Antragslegitimation nicht gegeben.
Würde der Gerichtshof in Stattgebung des vorliegenden Antrages den ganzen §2 WTBG aufheben, dann würde er jene Vorschrift beseitigen, aus der sich erst ergibt, welche Tätigkeiten Selbständige Buchhalter auszuüben berechtigt sind. Die antragstellende Gesellschaft ist daher nicht legitimiert, jene Vorschrift, die ihre Berufsberechtigung erst konstituiert (wenn auch ihrer Meinung nach in unzureichender Weise), als solche im Wege eines Individualantrags anzufechten (vgl. zB VfSlg. 11.765/1988).
3.3. Der weiters gestellte Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge dem Gesetzgeber auftragen, näher genannte "zusätzliche Berufsberechtigungen zu vergeben", ist unzulässig. Es existiert keine Vorschrift, die dem Verfassungsgerichtshof eine solche Kompetenz einräumt.
4. Die Anträge waren daher schon mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft als unzulässig zurückzuweisen.
5. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).
Schlagworte
Wirtschaftstreuhänder, VfGH / Individualantrag, VfGH /Prüfungsumfang, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Zuständigkeit,Auslegung eines Antrages, Novellierung, Übergangsbestimmung,Geltungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G19.2007Zuletzt aktualisiert am
21.10.2011