TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/4 W198 2175650-1

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Veröffentlicht am 04.09.2018
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Entscheidungsdatum

04.09.2018

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W198 2175650-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Stephan DUSCHEL, Mag. Klaus HANTEN, gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 03.07.2017, Zl. XXXX, Beitragskontonummer: XXXX, wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Burgenländische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: BGKK) hat mit Bescheid vom 03.07.2017, Zl. XXXX, Beitragskontonummer: XXXX, festgestellt, dassXXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) als ehemaliger Geschäftsführer der im Firmenbuch bereits gelöschten XXXX (im Folgenden: Beitragsschuldnerin) verpflichtet ist, der BGKK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin infolge schuldhafter Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten unberechtigt aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von € 79.512,88 zuzüglich der bis 30.06.2017 berechneten Verzugszinsen in der Höhe von €

21.242,72, somit einen Betrag von insgesamt € 100.755,60 zuzüglich der ab 01.07.2017 auflaufenden Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, das sind derzeit 3,38%, berechnet von €

79.512,88, binnen 15 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Beitragsschuldnerin in der Zeit von 06.08.2010 bis 17.07.2013 als handelsrechtlicher Geschäftsführer selbständig vertreten habe. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2013 sei das Konkursverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden. Damit sei die Uneinbringlichkeit der Forderungen bei der Gesellschaft bewiesen und der für die Vertreterhaftung erforderliche Schaden eingetreten. Die dem Beschwerdeführer vorwerfbare Rechtswidrigkeit bestehe darin, dass er die von September 2011, September 2012, Jänner und Februar 2013 ausbezahlten Löhnen einbehaltenen Dienstnehmer-Beitragsanteile nicht an die BGKK abgeführt habe, weiters die Meldevorschriften gemäß

§§ 33, 34 ASVG verletzt habe und darüber hinaus eine Schlechterbehandlung der für die Monate März, April und Mai 2013 bestehenden Forderungen der BGKK zu verantworten habe.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 25.07.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Es werde zunächst ausdrücklich bestritten, dass Arbeitnehmer der Beitragsschuldnerin nicht ordnungsgemäß bei der BGKK angemeldet gewesen seien. Die Beitragsschuldnerin sei im gegenständlichen Zeitpunkt ausschließlich für die XXXX GmbH tätig gewesen. Das Personal sei sogar von Seiten des Auftraggebers überprüft worden, ob eine ordnungsgemäße Anmeldung bei der BGKK vorliege. Der Bescheid basiere auf Angaben und Forderungsanmeldungen bei der XXXX GmbH von angeblichen Mitarbeitern der Beitragsschuldnerin, welche jedoch zum Großteil niemals für das Unternehmen der Beitragsschuldnerin tätig gewesen seien. Vielmehr handle es sich um Verwandte von tatsächlichen Arbeitnehmern oder um Arbeitnehmer für Subunternehmer, denen jedoch gerade keine Befugnis zur Forderungsanmeldung gegenüber der Beitragsschuldnerin zukomme. Diese Forderungsanmeldungen seien dem Verfahren ungeprüft zugrunde gelegt worden. Beweise für das Vorliegen angeblicher Ansprüche von vermeintlichen Arbeitnehmern wurden nicht aufgenommen. Eine diesbezügliche Beweisaufnahme wäre auch gar nicht möglich gewesen; es würden schlicht keine Arbeitsverträge mit den vermeintlichen Arbeitnehmern existieren. Der Beschwerdeführer argumentiert weiters, dass es rechtlich verfehlt wäre, ihm die Beweislast dafür aufzubürden, dass keine Arbeitsverhältnisse bestehen würden, weil ein Beweis für das Nichtvorliegen einer Tatsache oder eines rechtlichen Verhältnisses ungleich schwerer zu führen sei als der Beweis des Vorliegens einer Tatsache. Im Herbst 2012 habe es Qualitätsmängel bei einem größeren Auftrag der XXXX GmbH (Bauvorhaben XXXX) gegeben. Die Bauleiter der XXXX GmbH hätten die Bauleistung in der Folge trotz Versuchs einer Mängelbehebung nicht abgenommen. Die Zahlungsunfähigkeit sei somit Anfang 2013 sehr kurzfristig durch unglückliche Umstände eingetreten. Infolge der abrupten Zahlungseinstellung der einzigen Auftraggeberin habe auch die Beitragsschuldnerin ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen können; dies habe jedoch alle Gläubiger gleich getroffen. In weiterer Folge nimmt der Beschwerdeführer zu einzelnen Punkten des bekämpften Bescheides Stellung.

3. Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben an die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 13.08.2018 die Vorlage von Beweismitteln aufgetragen, welche eine Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit Forderungen anderer Gläubiger aufzeigen. Weiters wurde die Vorlage von Beweismitteln aufgetragen aus denen nachvollziehbar ist, dass die Meldepflichtverletzungen nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge waren. Es wurde dafür eine Frist bis 27.08.2018 gesetzt.

5. Am 28.08.2018 langte ein mit 24.08.2018 datierter Antrag auf Fristverlängerung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 06.08.2010 bis 17.07.2013 selbstständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin.

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2013 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Die rückständigen Beiträge sind bei der Beitragsschuldnerin sohin uneinbringlich.

Den meisten Dienstnehmern der Beitragsschuldnerin wurden die Löhne und Gehälter bis einschließlich Februar 2013 noch ausbezahlt und wurden die darauf entfallenden Dienstnehmer-Beitragsanteile nicht an die BGKK abgeführt.

In einem vor dem Landegericht XXXX gegen den Beschwerdeführer geführten Starverfahren wurde der Beschwerdeführer vom Vorwurf, er habe als zur Vertretung der Beitragsschuldnerin befugtes Organ Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung der BGKK vorenthalten, indem er Dienstnehmerbeiträge nicht an den berechtigten Versicherungsträger abführte, mangels Schuldbeweis freigesprochen.

Die im Rahmen der Prüfung nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge beruhen auf Meldepflichtverletzungen. Die Nachverrechnungen haben ihren Grund vor allem darin, dass der Beginn von Dienstverhältnissen nicht korrekt gemeldet worden ist.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass es zu einer Gläubigergleichbehandlung gekommen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden.

Der Beginn und das Ende der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ergibt sich aus dem Firmenbuch und ist unstrittig.

Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus dem Rückstandsausweis vom 26.03.2015.

Dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin gegeben ist, ergibt sich daraus, dass das Konkursverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens gar nicht eröffnet wurde, womit die Uneinbringlichkeit der noch offenen Beiträge bei der Beitragsschuldnerin unzweifelhaft feststeht.

Dem Beschwerdevorbringen, wonach eine Feststellung zum Vorsatz des Beschwerdeführers betreffend die von den im September 2011, September 2012, Jänner und Februar 2013 ausbezahlten Löhnen einbehaltenen Dienstnehmer-Beitragsanteile im angefochtenen Bescheid nicht getroffen worden sei, ist wie folgt entgegenzuhalten:

So wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der BGKK vom 07.05.2017 neben den der BGKK vorliegenden Forderungsanmeldungen der Dienstnehmer eine Aufstellung der im Haftungszeitraum bei der Beitragsschuldnerin beschäftigten Dienstnehmer übermittelt. In seiner Stellungnahme vom 22.06.2017 hat der Beschwerdeführer aber keinerlei detaillierte Einwendungen gegen einzelne Dienstverhältnisse erhoben. Es wurde nur ganz allgemein ausgeführt, dass im Zuge des Insolvenzverfahrens angebliche Mitarbeiter, welche niemals für die Beitragsschuldnerin tätig gewesen seien, Forderungen bei der XXXX GmbH erhoben hätten, denen der Beschwerdeführer entschieden entgegengetreten sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Beendigungsansprüche jener Mitarbeiter, die ordnungsgemäß für die Beitragsschuldnerin tätig gewesen wären, nicht bestritten. Er hat aber nicht ausgeführt, welche Mitarbeiter nach seiner Meinung niemals für die Beitragsschuldnerin tätig gewesen seien. Anhand der ihm übermittelten Aufstellung der von der Beitragsschuldnerin im Haftungszeitraum beschäftigten Dienstnehmer wäre es ihm aber möglich gewesen, jene Dienstnehmer namhaft zu machen, die seiner Meinung nach nicht bei der Beitragsschuldnerin beschäftigt gewesen sind. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Anmeldung von Dienstnehmern nur vom Dienstgeber (somit von der Beitragsschuldnerin, deren Vertreter der Beschwerdeführer war) vorgenommen werden kann. Der Beschwerdeführer hat auch keinerlei Beweismittel vorgelegt, dass mit gewissen Dienstnehmern keine Dienstverhältnisse bestanden hätten.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass unklar bleibe, weshalb im angefochtenen Bescheid - im Widerspruch zum strafgerichtlichen Verfahren - von einer vorsätzlichen Vorgangsweise des Beschwerdeführers betreffend die nicht abgeführten Dienstnehmer-Beitragsanteile ausgegangen werde, so ist dazu wie folgt auszuführen:

Richtig ist, dass § 153c StGB nur durch vorsätzliches Handeln verwirklicht werden kann. Die Anknüpfung der Haftung für Dienstnehmer-Beitragsanteile an diese Strafbestimmung führt dazu, dass dem Haftenden in subjektiver Hinsicht ebenfalls Vorsatz zur Last fallen muss (VwGH 2004/08/0063). Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 04.08.2004 ausgesprochen, dass Vorsatz des Haftenden nur dann auszuschließen ist, wenn er bereits im Zeitpunkt der Lohnzahlung mit Sicherheit mit dem Eingang der zur Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Mittel innerhalb der Zahlungsfrist des § 59 ASVG hätte rechnen dürfen (in diesem Sinne auch das Urteil des OGH vom 15.06.1981, 8 Ob 3/81). Die Haftung des Vertreters setzt voraus, dass dieser tatsächlich eine Pflichtverletzung begangen hat. Die Beweislastregelung, dass es Sache des in Anspruch genommenen Vertreters ist, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, betrifft lediglich das Verschulden, nicht aber das Vorliegen der Pflichtverletzung selbst. Ob eine derartige Pflichtverletzung vorliegt, hat die Behörde im Sinn des § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen zu prüfen (VwGH 2010/08/0001). Nach den oben getroffenen Feststellungen steht fest, dass den meisten Dienstnehmern der Beitragsschuldnerin die Löhne und Gehälter für die Monate September 2011, September 2012 sowie Jänner und Februar 2013 noch ausbezahlt worden sind und die darauf entfallenden Dienstnehmer-Beitragsanteile einbehalten und nicht an die BGKK abgeführt worden sind. Darin liegt unzweifelhaft eine Verletzung der dem gesetzlichen Vertreter obliegenden gesetzlichen Pflichten.

Der Beschwerdeführer hat aber weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Vorbringen dahingehend erstattet, dass er bereits im Zeitpunkt der Lohnzahlung mit Sicherheit mit dem Eingang der zur Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Mittel innerhalb der Zahlungsfrist des S 59 ASVG hätte rechnen dürfen. Er hat damit keine Gründe dargetan, aus denen ihm die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, weshalb von seinem Verschulden auszugehen ist.

Hinsichtlich des festgestellten Meldeverstoßes führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde aus, dass im angefochtenen Bescheid Feststellungen unterlassen worden seien, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt gemeldet hätten werden müssen. Selbst für den Fall, dass von einer Meldepflichtverletzung ausgegangen werden, mangle es im gegenständlichen Fall jedoch an deren Kausalität für einen vermeintlich eingetretenen Beitragsausfall, zumal die finanzielle Lage des Unternehmens bereits derart angespannt gewesen sei, dass die Beiträge auch bei ordnungsgemäßer Meldung nicht hätten einbringlich gemacht werden können. Diesem Vorbringen ist wie folgt zu entgegnen:

Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde mit Schreiben der BGKK vom 07.05.2017 eine Aufstellung der vom Prüforgan festgestellten Meldepflichtverletzungen sowie eine Kopie des Prüfberichtes übermittelt und dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter eine Frist von 3 Wochen eingeräumt, um Beweismittel vorzulegen, aus denen nachvollziehbar ist, dass die festgestellten Meldepflichtverletzungen nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge sind. Diese Frist hat der Beschwerdeführer ungenutzt verstreichen lassen und ist er auch der diesbezüglichen Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nachgekommen.

Festzuhalten ist weiters, dass der Beschwerdeführer keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht hat und ist darin eine mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers erkennbar. Dem Beschwerdeführer wurde bereits im Verfahren vor der belangten Behörde die Vorlage von Beweismitteln zur Gläubigergleichbehandlung aufgetragen und wurden entsprechende Beweismittel nicht vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.08.2018 erneut die Vorlage von Beweismitteln aufgetragen, welche eine Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit Forderungen anderer Gläubiger aufzeigen. Weiters wurde die Vorlage von Beweismitteln aufgetragen aus denen nachvollziehbar ist, dass die Meldepflichtverletzungen nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge waren. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der gesetzten Frist bis zum 27.08.2018 weder eine Stellungnahme abgegeben noch Beweismittel vorgelegt. Da der Beschwerdeführer sohin weder im verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren seiner Pflicht zur Vorlage entsprechender Beweismittel nachgekommen ist, kann davon ausgegangen werden, dass Nachweise hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung tatsächlich nicht vorhanden sind. Am 28.08.2018, sohin nach Ende der gesetzten Frist, langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Fristverlängerung ein, welcher jedoch aufgrund des Fristablaufs nicht beachtlich ist. Der Antrag auf Fristverlängerung nach der gesetzten Frist wird als Prozessverschleppung gewürdigt.

Es ist sohin im gesamten Verfahren überhaupt keine Mitwirkung des Beschwerdeführers erkennbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die BGKK.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst, sodass - obwohl in der Beschwerde die Entscheidung durch einen Senat beantragt wurde - die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter obliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im vorliegenden Fall stellte der Beschwerdeführer zwar einen Antrag auf eine mündliche Verhandlung, allerdings ergab sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat seine Mitwirkungspflicht dadurch verletzt, dass er weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht - trotz mehrmaliger Aufforderung von der Verwaltungsbehörde als auch vom Bundesverwaltungsgericht - entsprechende Beweise vorgelegt hat. Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMR, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind.

Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2013 das Konkursverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Zl. Ra 2014/08/0028, zur ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags wie folgt aus: "... so legte die Revisionswerberin ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 2. Oktober 2012 zugrunde; in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde schränkte sie nach teilweiser Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds den Haftungsbetrag ein und legte einen modifizierten Rückstandsausweis vom 6. Juni 2013 vor. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert; die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. OGH RIS-Justiz RS0040429 mwN). Indem die Revisionswerberin ihrem Bescheid den Rückstandsausweis zugrunde legte, brachte sie damit zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sich die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt. Auf Grund der Heranziehung des Rückstandsausweises, einer öffentlichen Urkunde mit erhöhtem Beweiswert, sind freilich keine (krassen bzw. besonders gravierenden) Ermittlungslücken im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 5.) zu erkennen. ..." Und weiters: "... Was die Frage nach dem Vorliegen einer kausalen schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, so ist eine solche schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.). ..." Das Bundesverwaltungsgericht ist seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, indem es dem Beschwerdeführer die Vorlage von Beweismitteln aufgetragen hat.

Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die BGKK ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 26.03.2015 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens des Rückstandsausweises ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

Der Beschwerdeführer war des Weiteren unstrittig ab 06.08.2010 bis 17.07.2013 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung wegen Ungleichbehandlung für die gesamte Beitragsschuld herangezogen werden. Somit ist zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der BGKK haftet.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 - 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im

§ 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) § 67 Rz 77a).

Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).

Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht. Er hat nicht einmal im Ansatz versucht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig entrichtet wurden und hat er auch keinerlei entsprechende Beweisangebote dafür erstattet, obwohl im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände der Beschwerdeführer für die ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich gewesen ist. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass er seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Beitragsschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH, 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung des Beschwerdeführers für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2175650.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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