TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W202 2204984-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2204984-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.08.2018, Zl. 1197945305/180638506, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. sowie § 18 BFA als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, stellte am 06.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 06.07.2018 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen vor, dass sie im Dezember 2017 in ihrem Dorf einen Streit mit einem Mitbewohner aus ihrem Dorf wegen ihrer Felder gehabt hätten. Diese Leute seien Hindus gewesen und dessen Verwandte seien eine politische Hindu-Familie. Aufgrund des Streites hätte die Familie des Beschwerdeführers eine Anzeige erstattet. Doch aufgrund des politischen Aspektes der gegnerischen Familie seien keine weiteren Schritte eingeleitet worden. Er wolle nicht zurück, er komme ins Gefängnis, wenn er zurückmüsse.

Am 17.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei er im Wesentlichen folgendes Vorbringen erstattete:

" . . .

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Meine Muttersprache ist Punjabi, außerdem spreche ich ein bisschen Hindi und ein bisschen Englisch.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja.

V: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit Rückfragen können. Ich möchte sicher sein können, das alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde.

A: Ok.

F: Sind Sie anwaltlich vertreten?

A: Nein.

V: Auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Rechtsberater, dessen Räumlichkeit sich im dritten Stock der Regionaldirektion befindet, werden Sie hingewiesen. Die Parteienverkehrszeiten der Rechtsberatung sind an der Tür der Rechtsberatung ersichtlich.

F: Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage die Befragung durchzuführen?

A: Ja.

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit?

A: Mir geht es gut. Ich bin gesund. Ich nehme auch keine Medikamente.

V: Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden. Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

Sie werden zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) und Mitwirkung an der Klärung Ihrer Identität und Alter in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA und dafür ausreichend vorhandener Zeit eingehend und das den nunmehrigen Angaben eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt belehrt und ebenso zur Strafbarkeit der Vorlage falscher Beweismittel einschließlich der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage bei sonstigen straf- und verfahrensrechtlichen Folgen.

Ebenso wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie jegliche Ladungstermine im gesamten Verfahren vor dem BFA befolgen müssen, da Sie sonst riskieren, dass ein Festnahmeauftrag gegen Sie erlassen werden kann.

Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot), werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.

Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Sie der Behörde, auch nachdem Sie Österreich verlassen haben, ihren Aufenthaltsort und Ihre Anschrift bekanntzugeben haben. Wenn Sie sich in Österreich aufhalten, genügt es, wen Sie Ihrer Meldepflicht nach dem MeldeG nachkommen. Bei einer Übersiedelung haben Sie sich binnen 3 Tagen beim Meldeamt umzumelden. Sollten Sie über keinen Wohnsitz verfügen, so werden Sie auf § 19a MeldeG hingewiesen und darauf, dass daran eine 14-tägige Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion nach § 15 Abs. 1 Z. 4 AsylG geknüpft ist.

F: Haben Sie die obigen Ausführungen verstanden?

A: Ja.

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihre Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden. Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Angaben im Rahmen einer landesinternen Recherche durch einen Sachverständigen überprüft werden?

A: Ja.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato (Polizei) der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja.

F: Können Sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind Sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben Sie absolviert, welchen Beruf haben Sie ausgeübt etc.?

A: Ich wurde am XXXX in XXXX , Punjab, Indien geboren. Dort lebte ich mit meiner Familie bis etwa 1997 ehe wir nach XXXX übersiedelten. Ich besuchte dann 12 Jahre die Schule in XXXX , das war von 1998 bis 2011. Nach der Schule habe ich meinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Im Jahr 2012 habe ich dann in der XXXX in XXXX begonnen zu arbeiten. Dort habe ich dann ein Jahr lang, bis ins Jahr 2013, gearbeitet. Dann habe ich wieder meinem Vater bei der Landwirtschaft geholfen. Das blieb dann auch bis zu meiner Ausreise im Jahr 2018 so. In der Landwirtschaft bauten wir weißen Reis und je nach Saison auch Obst und Gemüse an. Die Landwirtschaft ist 5 Qila groß und befindet in XXXX . Dort befindet sich auch das Familienhaus. Wir haben auch sechs oder sieben Kühe und eine Ziege. Dort wohnte ich zusammen mit meinen Eltern, meinem Großvater, meinem Bruder, einem Onkel und einer Tante sowie einem Cousin. Mein Onkel ist beim indischen Militär beschäftigt. Die restliche Familie lebt von der Landwirtschaft. Nachgefragt sind alle Angehörigen der Volksgruppe der Punjabi und der Religion der Sikh zugehörig. In meinem Heimatdorf XXXX gibt es ca. 75% Sikh und 25% Hindu. XXXX hat ca. 3.500 Einwohner.

F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?

A: Ich hatte einen indischen Reisepass und eine ID-Karte und einen Führerschein. Beide ausgestellt von der Passbehörde in XXXX . Meinen Reisepass hat mir der Schlepper in Serbien abgenommen. Meine ID-Karte und mein Führerschein befinden sich zu Hause in Indien. Nachgefragt kann ich meine Eltern anrufen und fragen ob sie mir ein Foto von den Dokumenten schicken können.

F: Welche Angehörigen der Kernfamilie (Eltern, Geschwister) leben noch in Ihrer Heimat?

A: Mein Vater XXXX , ca. 48 Jahre alt. Meine Mutter XXXX , ca. 42 Jahre alt. Mein Bruder XXXX , ca. 23 Jahre alt. Mein Großvater. Ein Onkel und eine Tante sowie deren Sohn. Alle wohnen in XXXX , Bezirk XXXX , Punjab, Indien.

F: Gibt es noch weitere Verwandte im Heimatland?

A: Wir sind eine große Familie, es gibt noch viele Verwandte. Ich schätze es gibt etwa noch 30 weitere Verwandte, darunter Onkel und Tante, Cousins und Cousinen. Diese Verwandten wohnen in XXXX , in XXXX (Bundesland Punjab) und XXXX (Bundesland Punjab).

F: Wo von lebt die Familie im Herkunftsland?

A: Von der Landwirtschaft.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer im Heimatland?

A: Die Landwirtschaft. Ein Haus. Wir besitzen einen Traktor und ein Moped. Ein Auto nicht.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bis Österreich bezahlt?

A: Ca. 1,2 Mio. Indische Rupien, ca. 15.000,- Euro.

F: Wie konnten Sie die Reise finanzieren?

A: Meine Mutter verkaufte Gold und Schmuck und ein Teil des Geldes stammt auch von der Verwandtschaft.

F: Wann haben Sie die Ausreise angetreten?

A: Am 03.06.2018.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Im Juli hatte ich zuletzt Kontakt zu meiner Mutter über Messenger eines Freundes. Ich benutze auch Facebook und WhatsApp. Nachgefragt nenne ich mich bei Facebook XXXX . Über Facebook bin ich auch mit meinem Bruder, meinem Cousin und vielen Freunden aus Indien in Kontakt.

F: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg.

A: Vom Heimatdorf XXXX fuhr ich mit dem Zug nach New Delhi. Von dort flog ich mit einem Flugzeug von Fly Dubai nach Armenien. Dort war ich dann vier Tage. Dann flog ich weiter nach Serbien. Von Serbien bin ich dann mit verschiedenen Verkehrsmitteln und auch zu Fuß bis nach Ungarn. Ebenso ging es dann weiter über Slowenien bis nach Österreich. Nachgefragt reiste ich mit meinem eigenen authentischen Reisepass aus Indien aus. Ich zeigte am Flughafen in New Delhi ganz normal meinen Pass bei der Passkontrolle vor und reiste dann aus.

Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben.

F: Sind Sie vorbestraft oder waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein. Nein. Ich hatte nur Probleme mit der Polizei.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme?

A: Nein wegen der Volksgruppenzugehörigkeit nicht aber wegen der Religion gab es Probleme.

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A: Nein.

F: Nahmen Sie in Ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Es gab im August 2017 einen Streit mit anderen Dorfbewohnern. Es waren die Hindu¿s. Sie wollen unsere Felder haben. Im Dezember 2017 haben diese Leute dann meinen Onkel, meinen Vater, meinen Großvater und auch mich angegriffen. Dabei wurden wir alle leicht verletzt. Wir gingen dann auch ins Krankenhaus. Drei meiner Onkel, mein Bruder und auch mein Vater waren dann stationär im Krankenhaus. Zwei Tage später war ich dann in der Apotheke um Medikamente zu kaufen. Die Hindu¿s sahen mich im Bazar und wollten mich erneut attackieren. Ich bin von dort aber weggelaufen. Ich habe mich dann bei einem Freund in XXXX versteckt gehalten. Als ich dann meine Mutter angerufen habe sagte sie zu mir, dass es besser ist das Land zu verlassen, da ich von diesen Leuten überall gesucht werde. Wir gingen deswegen auch zur Polizei aber die Polizei hat uns nicht geholfen. Wir gingen auch zu Politiker aber unsere Gegner haben starke politische Beziehungen darum konnten uns auch die Politiker nicht helfen.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Indien verlassen haben?

A: Nein.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Was würde Sie jetzt konkret erwarten, wenn Sie in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren würden?

A: Entweder bringen mich meine Gegner um oder Sie gehen zur Polizei.

F: Welche Gründe hätten Ihre Gegner um zur Polizei zu gehen?

A: Die Polizei im Punjab ist korrupt. Sie könnten der Polizei Geld geben und dann könnten sie mich ins Gefängnis stecken.

F: Sie bejahten zuvor die Frage ob Sie mit den Behörden in der Heimat Probleme gehabt hätten und sagten, Sie hätten mit der Polizei Probleme gehabt. Was hat es damit auf sich?

A: Mein Problem bestand darin, dass uns die Polizei nicht zugehört hat.

F: Waren Sie selbst bei der Polizei?

A: Nein. Ich war nicht.

F: Wer ging zur Polizei?

A: Meine ganze Familie war der Polizei.

F: Wann ging Ihre Familie zur Polizei?

A: Im August 2017 als die Probleme begannen.

F: War Ihre Familie nur einmal bei der Polizei?

A: Sie waren mehrmals bei der Polizei.

F: Warum waren Sie selbst nie bei der Polizei?

A: Eigentlich war ich schon auch bei der Polizei.

F: Wann waren Sie denn nun bei der Polizei?

A: Im August 2017 war ich zusammen mit meiner gesamten Familie bei der Polizei.

F: Waren Sie selbst noch ein weiteres Mal bei der Polizei?

A: Im Dezember 2017 war ich nochmal bei der Polizei.

F: Waren Sie sonst noch einmal bei der Polizei?

A: Nein. Ich war nur zweimal bei der Polizei.

F: Bei welcher Polizeistation waren Sie?

A: Bei der Polizeiinspektion in Varpala.

F: Von welcher Volksgruppe bzw. Religion waren dort die Beamten?

A: Es sind alle Punjabi. Manche gehören der Religion der Sikh und manche der Religion der Hindu an.

V: Bei der Erstbefragung sprachen Sie von Beweismitteln welche Sie auf Ihrem Mobiltelefon hätten. Was hat es damit auf sich?

A: Ich meinte damit die polizeiliche Anzeige. Ich habe die Anzeige heute ausgedruckt mit.

V: Dann hat Ihnen die Polizei aber offensichtlich sehr wohl zugehört wenn sogar eine Anzeige aufgenommen wurde.

A: Ja, aber sie haben dann keine weiteren Schritte mehr unternommen.

V: Bei der polizeilichen Anzeige sind Kopien von 4 ID-Karten (Ihrer Angehörigen) dabei. Warum ist keine Kopie Ihrer ID-Karte dabei?

A: In der Anzeige wurde über mich nichts geschrieben weil ich nur leicht verletzt war. Die anderen waren schwerer als ich verletzt und darum wurde nur über meine vier Angehörigen geschrieben.

F: Wann genau war nun der Angriff?

A: Am 12. oder 13. Dezember 2017. Einen weiteren Übergriff zuvor gab es nicht. Nachgefragt gab es auch danach, bis heute, keinerlei Übergriffe mehr.

V: Die von Ihnen vorgelegten Unterlagen stammen aber vom August 2017.

A: Wir gingen im August bereits zur Polizei und sagten wir werden in Zukunft verletzt werden.

F: Wie konnten Sie im August schon wissen, dass Sie im Dezember verletzt werden würden?

A: Ich glaube es zu einem Missverständnis gekommen.

F. Wie kam es nun zu dieser Anzeige am 26.08.2017 von der Sie mir Unterlagen vorlegten?

A: Bei der Anzeige am 26.08.2017 sagten wir gegenüber der Polizei, dass wir bedroht werden, weil unsere Gegner unsere Felder haben wollen würden. Und falls wir in Zukunft attackiert und verletzt werden würden, dann sind unsere Gegner dafür verantwortlich.

V: Bei diesen Anzeigen wurde aber nicht geschrieben "falls" jemand verletzt wird sondern vielmehr wurde aufgeschrieben an welchen Körperstellen die einzelnen Personen verletzt wurden. Wie erklären Sie das?

A: Ich gebe nun zu, dass es sich bei den vorgelegten Unterlagen um eine Fälschung handelt. Wir haben Geld bezahlt um diese Unterlagen zu bekommen. Es gab aber schon einen Übergriff und es wurden auch Personen verletzt. Es stimmt sonst alles was ich gesagt habe.

F: Wann gab es nun einen Übergriff?

A: Am 12. oder 13. Dezember 2017. Nachgefragt gab es sonst keine weiteren Übergriffe.

F: Erzählen Sie mir detailliert von dem Angriff im Dezember 2017.

A: Mein Onkel welcher beim Militär ist hatte Urlaub und war deshalb zu Hause. Er hat zusammen mit meinem Bruder den Traktor gewaschen. Es kamen dann 20-25 unserer Gegner und attackierten unsere gesamte Familie.

F: Waren Sie bei dieser Attacke anwesend?

A: Nein. Ich war zu dieser Zeit nicht zu Hause. Ich war in der Stadt XXXX einkaufen.

F: Gab es je gegen Sie persönlich irgendwelche Übergriffe oder Bedrohungen?

A: Nein. Gegen mich persönlich nicht. Aber gegenüber meinen Angehörigen.

F: Wohnen Ihre Angehörigen bis heute im Dorf?

A: Ja.

F: Warum ließen Sie sich nicht an einem anderen Ort in Indien nieder?

A: Die Polizei und der politische Druck lässt einen nicht an einem anderen Ort in Indien leben.

F: Was meinen Sie mit "politischem Druck"?

A: Die Hindu¿s sind an der Macht und haben überall Beziehungen.

F: Warum gab es nun diesen Übergriff am 12. oder 13.12.2017?

A: Sie wollten einfach unsere Landwirtschaft haben.

F: Waren Sie persönlich nun jemals bei der Polizei?

A: Ja ich war im August und im Dezember 2017.

V: Sie sagten vorhin es hätte lediglich im Dezember einen Übergriff gegeben und die Unterlagen betreffend August wären eine Fälschung, da zu diesem Zeitpunkt nichts passiert wäre.

A: Ja im August gab es keinen Übergriff, es wurde nur wegen der Landwirtschaft heiß diskutiert.

F: Warum gehen Sie wegen einer Diskussion zur Polizei?

A: Damals fuhren unsere Gegner auch mit dem Traktor auf unsere Landwirtschaft und darum gingen wir zur Polizei.

F: Ist Ihr Vater Arzt?

A: Er ist nicht direkt Arzt aber so eine Art Sanitäter. Er hat auch Medikamente zu Hause und hilft anderen Leuten wenn jemand kommt. Nachgefragt hat er das von einem befreundeten Arzt gelernt.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Können Sie Nachweise oder Bestätigungen zu absolvierten Deutschkursen oder sonstigen Integrationsmaßnahmen (Mitgliedschaft in einem Verein, ehrenamtliche Tätigkeit, soziale Kontakte, u.ä.) vorlegen?

A: Nein.

F: Sind Sie in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer oder einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Wenn seitens des .BFA eine Rückkehrentscheidung (ev. mit Einreiseverbot) erlassen wird, besteht ein Interesse an freiwilliger Ausreise?

A: Nein.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Ich schwöre ich habe die Wahrheit gesagt. Bitte schicken sie mich nicht zurück nach Indien. Mein Leben wäre in Gefahr. Ich habe meine richtigen Daten bekannt gegeben, sie können über mich auch in Indien Erkundigungen über mich einholen.

Es wird nochmals rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

Es werden nunmehr die Länderfeststellungen zu Indien (69 Seiten) zur Stellungnahme, Frist 1 Woche ab heute, ausgehändigt.

A: Ich verzichte darauf.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja.

(...)"

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG i. V. m. § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalem Schutz wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer konkreten Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspreche. So wies das BFA darauf hin, dass der Beschwerdeführer polizeiliche Anzeigen betreffend des von ihm geschilderten Vorfalls vorgelegt habe, wobei es die Passage in der Einvernahme darstellte, in der der Beschwerdeführer grob widersprüchliche Angaben zu den polizeilichen Anzeigen tätigte, und der Beschwerdeführer letztlich zugab, dass die von ihm vorgelegten Unterlagen eine Fälschung seien. Weiters führte das BFA aus, dass auch das weitere Vorbringen widersprüchlich und letztlich unglaubwürdig blieb. So behauptete der Beschwerdeführer zunächst, selbst nie bei der Polizei gewesen zu sein, um dann konkret danach befragt anzugeben, eigentlich selbst schon auch bei der Polizei vorgesprochen zu haben. Schließlich beschränkte er sein Vorbringen darauf, dass es am 12. oder 13.12.2017 zu einer Auseinandersetzung zwischen einigen seiner Angehörigen und einigen Personen der Hindugemeinde aus seinem Heimatdorf gekommen wäre. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Beschwerdeführer jedoch nicht anwesend gewesen, da er in XXXX einkaufen gewesen sei. Auf Nachfrage habe er angegeben, dass es davon abgesehen, gegen ihn persönlich nie irgendwelche Bedrohungen oder Angriffe gegeben hätte. Darüber hinaus sei anzumerken, dass es betreffend seiner Angehörigen, laut seinen persönlichen Aussagen, auch bei der einen Auseinandersetzung im Dezember geblieben sei, es seitdem keine Auseinandersetzung mehr gegeben hätte und seine Familie auch bis heute im Heimatdorf leben würde. Seine Behauptung, die Polizei hätte ihn bzw. seinen Angehörigen nicht zugehört bzw. nichts aufgrund des Übergriffes anderer Dorfbewohner unternommen, da der Beschwerdeführer der Religion der Sikhs angehöre, werde im Hinblick auf die Berichte im aktuellen Länderinformationsblatt kein Glauben geschenkt. Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion stelle kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte dar. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellten im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stünden ihnen offen. Eine aktuelle, maßgebliche und konkrete Verfolgungsgefahr durch Personen der Hindugemeinde könne daher nicht angenommen werden.

Zudem handle es sich bei seinem Vorbringen um eine Bedrohung durch Privatpersonen, es sei keine Verfolgung von staatlicher Seite aus den in der GFK aufgezählten Gründen. In seinem Fall könne nicht davon ausgegangen werden, dass sein Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, eine Verfolgung, welche von Personen der Hindu-Gemeinde seines Heimatdorfes ausgehe, zu unterbinden.

Zudem sei es im Regelfall möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil, im konkreten Fall in Gebieten seiner religiösen Gesinnung, niederzulassen und sich auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr zu entziehen. In Indien sei die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert. Sikhs aus dem Punjab hätten die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gebe es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben.

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung im Sinne der GFK in keinster Weise habe glaubhaft machen können, wie dies in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt worden sei. Es könnte daher in seinem Fall schon aus diesem Grund nicht zur Gewährung von internationalem Schutz kommen.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden sei. Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer in der Lage sein, durch eine Tätigkeit eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Zudem verfüge er über Familienangehörige in Indien. Seine Existenz sei durch eigene Arbeitsfähigkeit und die familiäre Unterstützung gesichert.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 nicht vorlägen. Weiters führte das BFA eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durch und kam zu dem Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei. Eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG liege nicht vor, weswegen bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer der Behörde Anzeigen, die er bzw. seine Angehörigen bei der Polizei in seinem Heimatland getätigt hätten, vorlegte, um damit ein fluchtauslösendes Ereignis zu beweisen. Im Zuge der Einvernahme habe er dann aber selbst eingestanden, dass es sich bei diesen Unterlagen um eine Fälschung handle. Für die Behörde stehe fest, dass für ihn bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er soweit wesentlich folgendes Vorbringen erstattete:

Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme beim BFA ausführlich, ob in freier Erzählung oder auf Nachfrage, zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre der Beschwerdeführer ferner bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde somit zum Ergebnis gelangen müssen, dass dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Punjab und bekennt sich zum Sikhismus. Er besuchte in Indien 12 Jahre die Schule, danach half er seinem Vater in der Landwirtschaft. Im Jahr 2012 begann er in einer Bank in XXXX zu arbeiten, wo er ein Jahr lang tätig war. Danach half er wieder seinem Vater in der Landwirtschaft. In seiner Heimat leben seine Eltern, sein Bruder, sein Großvater, ein Onkel und eine Tante sowie deren Sohn. Im Besitz seiner Familie ist ein Haus, eine Landwirtschaft, ein Traktor und ein Moped. Im Juni 2018 verließ der Beschwerdeführer über den Flughafen Neu-Delhi legal sein Heimatland und stellte am 06.07.2018 im Bundesgebiet gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers in Indien.

Anhaltspunkte für eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers bestehen nicht. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Verwandte. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Zur Lage in Indien:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

3.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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