TE Bvwg Beschluss 2018/9/6 W169 2156509-2

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W169 2156506-2/3E

W169 2156506-1/8E

W169 2156519-2/3E

W169 2156519-1/8E

W169 2156509-2/3E

W169 2156509-1/9E

W169 2156522-2/3E

W169 2156522-1/9E

W169 2156513-2/3E

W169 2156513-1/8E

W169 2156517-2/3E

W169 2156517-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX, geb. XXXX, 2.) XXXX, geb. XXXX, 3.) XXXX, geb. XXXX, 4.) XXXX, geb.XXXX,

5.) XXXX, geb. XXXX und 6.) XXXX, geb. XXXX, alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017, Zlen. 1.) 1088926810-151438767, 2.) 1088926407-151438775, 3.) 1088926701-151738759, 4.) 1088926603-151438745, 5.) 1088927208-151438791 und 6.) 1088927502-151438805 beschlossen:

A)

I. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 27.09.2017 werden gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden werden gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG idgF als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer, alle Staatsangehörige von Afghanistan, reisten gemeinsam illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 28.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer ihre gemeinsamen Kinder.

3. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Erst- bis Sechstbeschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen unter Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.03.2018 erteilt.

Die Bescheide wurden laut den in der Akten befindlichen Rückscheinen am 04.04.2017 hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist wurde der 04.04.2017 vorgemerkt.

4. Mit den am 03.05.2017 eingelangten Schriftsätzen wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. der im Spruch genannten Bescheide Beschwerde erhoben. Gleichzeitig wurde die Vollmacht vom 18.4.2017, mit welcher die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe von den Beschwerdeführern zur Vertretung im Verfahren betraut wurde, beigelegt.

5. Nach Beschwerdevorlage samt Verwaltungsakten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht wurde den Beschwerdeführern mit Verspätungsvorhalt vom 11.09.2017 mitgeteilt, dass sich die gegenständlichen Beschwerden nach Aktenlage als verspätet darstellen würden. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

6. Am 27.09.2017 langten beim Bundesverwaltungsgericht eine diesbezügliche Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters der Beschwerdeführer und gleichzeitig Eventualanträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer zu Beginn des am 18.04.2017 in Beisein eines Dolmetschers stattgefundenen Beratungsgespräches das genaue Zustelldatum der angefochtenen Bescheide nicht hätten wiedergeben können. Die zuständige Rechtsberaterin habe daher die Beschwerdeführer nach dem Zustellungsdatum mehrmals gefragt und wurde schließlich der 07.04.2017 als Zustelldatum verzeichnet. So hätten die Beschwerdeführer befragt angegeben, am 07.04.2017 einen gelben Zettel im Postkasten erhalten und die Bescheide noch am selben Tag beim zuständigen Postamt behoben zu haben. Ein Kuvert mit dem genauen Hinterlegungsdatum hätten sie aber nicht gehabt. Die zuständige Rechtsberaterin habe keinen Grund gehabt, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal die Beschwerdeführer als sehr sorgsam und genau bekannt seien. Das könne die zuständige Sozialarbeiterin bestätigen, welche ebenfalls das Zustelldatum mit 07.04.2017 eingetragen habe. Dementsprechend überraschend sei der Verspätungsvorhalt sowohl für die Sozialarbeiterin, als auch für die Rechtsberaterin und schließlich auch für die Beschwerdeführer. Den Antragstellern könne kein Verschulden angelastet werden, da der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin mit dem gregorianischen Kalender nach wie vor nicht vertraut seien. Auch hätten sie in ihrer Aufregung über den Erhalt der Bescheide das Zustelldatum verwechselt, obwohl sie üblicherweise - wissend, dass sie mit dem Kalender Probleme hätten - alle Daten kontrollieren würden. Da es keinen Grund gegeben hätte, an den Angaben der Beschwerdeführer zu zweifeln, könne auch der zuständigen Rechtsberaterin kein Verschulden und kein Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten angelastet werden. So habe Frau XXXX ihre Pflichten wahrgenommen und - ausgehend von den durch die Beschwerdeführer gemachten Angaben über eine Zustellung am 07.04.2017 - den 05.05.2017 im internen Datensystem der Diakonie als letzten Tag der Beschwerdefrist den festgehalten. Auch habe sie die Beschwerden zwei Tage vor Ablauf der Frist eingebracht, weshalb ihr insgesamt betrachtet - wenn überhaupt - nur ein minderer Grad des Verschuldens, der einer sorgsamen Rechtsberaterin unterlaufen könne, angelastet werden könne. Die nach höchstgerichtlicher Judikatur aufgestellten Grundsätze zu den Sorgfaltspflichten von Parteienvertretern seien großteils auf Rechtsanwälte beschränkt. Die Beschwerdeführer seien aber von einer Rechtsberaterin der Diakonie und Volkshilfe, eine vom Bundesminister für Inneres gemäß § 48 BFA-VG bestellte Organisation, vertreten. Das Anforderungsprofil eines Rechtsberaters sei derart gestaltet, dass der Gesetzgeber unter anderem keine Kenntnisse der österreichischen Rechtslage verlange. Aus diesem Grund könne es nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein, denselben strengen Maßstab anzuwenden wie für Rechtsanwälte. Schließlich habe die zuständige Rechtsberaterin auch nicht auf die Frist vergessen, sondern sie sorgsam in ihrem persönlichen Papierkalender eingetragen, wobei zum Beweis dafür der entsprechende Eintrag im Papierkalender vorgelegt werde. Es werde auch darauf hingewiesen, dass innerhalb des Diakonie Flüchtlingsdienstes ein hohes Maß an Organisation bestehe, um grundsätzlich solche Fehler zu vermeiden, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten der Beschwerdeführer sowie den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 27.09.2017.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zum Spruchteil A)

2.1 Zu Spruchpunkt I.: Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Die Bestimmungen des VwGVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lauten wie folgt:

"§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25. 11.2015, Ra 2015/06/0113; 08.06.2015, Ra 2015/08/0005; 17.03.2015, Ra 2014/01/0134; 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 44, samt zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wenn er also der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihn obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. VwGH 29.05.2015, Ra 2015/08/0013, 0014, mwN).

Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. VwGH vom 09.11.2016, Ra 2016/10/0071, mwN).

Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in jenen Fällen zur Anwendung gebracht, in denen die Vertretung nicht durch einen einzelnen Rechtsanwalt, sondern eine juristische Person oder Personengesellschaft, die durch Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte gegründet wurde (vgl. § 21c ff RAO, insbesondere § 21e RAO, wonach Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwalts-Gesellschaften in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Vollmacht erteilt werden kann), erfolgte (vgl. VwGH vom 29.05.2015, Ra 2015/08/0013; 17.12.2015 Ra 2015/02/0222; 26.02.2016, Ro 2016/03/0001); ebenso auch auf die Fälle der Vertretung des Rechtsanwaltes durch einen Substituten (vgl. VwGH vom 15.02.2006, 2005/08/0215, und vom 14.01.2003, 2002/01/0429).

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 9. März 2016, G 447/2015 ua., festgehalten, dass in Ermangelung einer eigenen Definition des in § 52 Abs. 2 BFA-VG verwendeten Vertretungsbegriffs von dem allgemeinen Begriffsverständnis der prozessualen Vertretung auszugehen ist. Diese besteht darin, dass ein Vertreter für die Partei bzw. in ihrem Namen mit der Wirkung handelt, als würde die Partei selbst den Verfahrensakt setzen oder entgegennehmen; der Vertreter gibt anstelle des Vertretenen und für diesen Erklärungen ab und bildet selbst einen diesbezüglichen Willen. Die Grenzen der gewillkürten Vertretung richten sich im Einzelfall nach der erteilten Vollmacht, im Fall der gesetzlich vorgesehenen Vertretung nach den Bestimmungen des Gesetzes. § 52 Abs. 2 BFA-VG oder andere in diesem Zusammenhang maßgebliche Bestimmungen sehen keine Einschränkung des Umfangs der - an das entsprechende Ersuchen des Fremden gebundenen - Vertretung in Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht vor. Die Vertretungsbefugnis eines Rechtsberaters ist in diesen Fällen also nicht beschränkt, weshalb er zur Setzung sämtlicher Akte im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht berechtigt und auch verpflichtet ist.

Dieses umfassende Tätigwerden für einen Vertretenen ist von einer bloßen Beratung und Unterstützung, die nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 BFA-VG "objektiv" zu erfolgen hat, zu unterscheiden. Der Gesetzgeber selbst geht diesbezüglich offenkundig von einem maßgeblichen Unterschied des Aufgabenprofils eines Rechtsberaters aus, weil er ansonsten in § 52 Abs. 2 BFA-VG keine Differenzierung zwischen der Beratung und Unterstützung einerseits und "auch" der Vertretung andererseits vorgenommen hätte (vgl. zum Ganzen Pkt. IV.2.2.3.3. der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes G 447/2015 ua.).

Von dieser Unterscheidung in Beratung und Unterstützung einerseits und Vertretung andererseits ist der Sache nach auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 2017, Ra 2016/19/0229, ausgegangen. In dem dort zugrunde liegenden Fall war bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes auch eine Rechtsberaterin des Vereins M Ö anwesend. Es war jedoch den Verfahrensakten nicht zu entnehmen, dass der Fremde im Sinn des § 52 Abs. 2 BFA-VG um eine Vertretung durch einen Rechtsberater ersucht bzw. seiner Rechtsberaterin eine Vollmacht zur Vertretung im Verfahren erteilt hätte. Das von der Rechtsberaterin erklärte Einverständnis mit dem Unterbleiben der Befragung eines Zeugen, dessen Vernehmung zuvor vom Fremden beantragt wurde, konnte ihm daher nicht ohne Weiteres zugerechnet werden.

Erkennbar ging der Verwaltungsgerichtshof bei dieser Beurteilung davon aus, dass es - wie allgemein in Fällen der Vertretung durch einen gewillkürten Vertreter - für die Zurechenbarkeit des Handelns an die Prozesspartei einer die Vertretung deckenden Erklärung bedürfe.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesamt den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG und §§ 76 bis 78 AVG, oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen. Nach Abs. 2 des § 52 BFA-VG unterstützen und beraten Rechtsberater Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.

Mit den angeführten Bestimmungen wird weder geregelt, wie ein Vertretungsverhältnis zwischen einem Fremden (bzw. Asylwerber) und einem Rechtsberater konkret zustande kommt, noch dass es einem Fremden (bzw. Asylwerber) verwehrt wäre, jemand anderen als einen Rechtsberater mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung zu bevollmächtigten. § 52 Abs. 2 dritter Satz BFA-VG enthält - ungeachtet dessen, dass ein im Sinn des § 52 Abs. 2 BFA-VG gestelltes Ersuchen um Vertretung als Vollmachtserteilung anzusehen ist - (lediglich) die Anordnung, dass dem Rechtsberater die Verpflichtung auferlegt wird, über Ersuchen des Fremden (bzw. des Asylwerbers) die Vertretung in den von dieser Bestimmung erfassten Verfahren zu übernehmen. Insoweit steht es einem Rechtsberater (schon) von Gesetzes wegen - anders als einer sonstigen Person, der eine Verfahrenspartei (bloß) Vollmacht erteilt (vgl. zur Unterscheidung der Erteilung einer Vollmacht ohne Auftrag und der Bevollmächtigung mit Auftrag den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 22. März 2002, 1 Ob 28/02b, mwN, vgl. dazu auch Welser/Zöchling-Jud, Grundriss des bürgerlichen Rechts II14 Rz 953) - nicht frei, von der ihm erteilten Vollmacht keinen Gebrauch zu machen.

Es ist somit davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Fremder das - wie erwähnt auch als Vollmachtserteilung zu verstehende - Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder (wie hier) der juristischen Person (zudem) schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen ist. Dabei kommt es darauf, dass sich der Fremde die konkrete Person, die letztlich in seinem Namen tätig wird, nicht aussuchen kann, vor dem Hintergrund der die erforderliche fachliche Qualität jedes einzelnen Rechtsberaters sicherstellenden gesetzlichen Regelungen nicht an. Diese können vor dem Hintergrund des § 48 Abs. 2 BFA-VG auch nicht als bloße (der Kontrolle zu unterziehende) "Hilfskräfte", der sich eine (gegebenenfalls) mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person bedient, angesehen werden. Der Fremde ist aber auch gesetzlich nicht verpflichtet, der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person Vollmacht für seine Vertretung zu erteilen. Es steht im frei, (auch) andere Personen mit seiner Vertretung zu betrauen. (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Für den konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Beschwerdeführern mit den Verfahrensanordnungen vom 03.04.2017 zur Kenntnis gebracht, dass ihnen "für das Beschwerdeverfahren (§ 3 neg. § 8 pos.) vor dem Bundesverwaltungsgericht die juristische Person" ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe "als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt" werde. Diese nach dem Gesetz vorgesehene Verfahrensanordnungen vermochten aber ein Vertretungsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der ARGE Rechtsberatung nicht zu bewirken. Die Bestimmung des § 52 Abs. 1 BFA-VG - und damit auch die von der Behörde darauf gestützten Verfahrensanordnungen - lässt sich nämlich nur so verstehen, dass es sich dabei um eine - nach dem Gesetz in Form einer Verfahrensanordnung zu ergehende - Information und Entscheidung der Behörde handelt, dass dem Fremden ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde, was nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit in den Akten der Behörde entsprechend dokumentiert sein muss. Eine darüber hinausgehende Rechtswirkung ist der Verfahrensordnung nicht beizumessen.

Am 18.04.2017 erteilten die Beschwerdeführer den juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantenInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe eine schriftliche Vollmacht, sie im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten. Am 18.04.2017 wurde - wie in den gegenständlichen Wiedereinsetzungsanträgen angeführt - von der zuständigen Rechtsberaterin des Diakonie Flüchtlingsdienstes XXXX mit den Antragstellern ein Beschwerdegespräch geführt, im Zuge dessen die Beschwerdeführer angegeben haben, dass sie das Zustelldatum der Bescheide nicht mehr exakt wiedergeben könnten. Nach mehrmaligem Nachfragen der Rechtsberaterin hätten die Beschwerdeführer angegeben, am 07.04.2017 einen gelben Zettel im Postkasten erhalten und die Bescheide noch am selben Tag beim zuständigen Postamt behoben zu haben. Ein Kuvert, auf welchem das Hinterlegungsdatum vermerkt gewesen sei, hätten die Antragsteller nicht mehr besessen. Somit habe es keinen Grund gegeben, an den diesbezüglichen Angaben der Antragsteller zu zweifeln, weshalb die zuständige Rechtsberaterin - nach Angaben der Beschwerdeführer - irrtümlich vom 07.04.2017 als Zustelldatum der Bescheide der Antragsteller angegeben sei und im internen Datensystem der Diakonie als letzten Tag der Beschwerdefrist den 05.05.2017 eingetragen habe.

Diesbezüglich ist auszuführen, dass sich die von den Beschwerdeführern bevollmächtigte Rechtsberaterin bei Einhaltung der obzitierten Sorgfaltspflichten nicht auf die bloße Auskunft der Antragsteller über das Zustelldatum der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.3.2017 hätte verlassen dürfen, zumal es sich bei den Beschwerdeführern um fremde rechtsunkundige Laien handelt, welchen Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen nicht geläufig sind. Es wäre der zuständigen Rechtsberaterin jedenfalls oblegen, sich Gewissheit über den exakten Zustellzeitpunkt zu verschaffen, um einen Irrtum über den Beginn des Fristenlaufs ausschließen zu können. So hätte sich die Rechtsberaterin mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Verbindung setzen und erfragen müssen, wann und unter welchen Umständen die Zustellung der Bescheide an die Antragsteller erfolgt ist. Zudem hätte sie sich auch mit dem Postamt, bei dem die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinterlegt wurden, in Verbindung setzen können, um den genauen Tag der Hinterlegung der Bescheide in Erfahrung zu bringen.

Es ist in den Wiedereinsetzungsanträgen auch in keiner Weise argumentiert worden, dass dieser Fehler der Rechtsberaterin aufgrund eines besonderen Umstandes, der unvorhersehbar oder unabwendbar wäre oder einen minderen Grad des Versehens darstellen würde, passiert wäre. Als Grund für den Fehler wurde nur ganz allgemein Arbeitsüberlastung und kurze Beschwerdefristen genannt, ohne in irgendeiner Weise auf die diesbezügliche strenge Judikatur des VwGH zur Frage der Wiedereinsetzung im Falle der Versäumung von Fristen durch Rechtsanwälte (wonach für eine Stattgabe derartiger Anträge die Darlegung geordneter und strukturierter Arbeitsabläufe und nachvollziehbare Kontrollmechanismen und anderes mehr erforderlich sind) einzugehen.

Mit der ausdrücklichen, schriftlichen Erteilung der Vollmacht an die Rechtsberatung ist gemäß der obigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Fremden das Handeln der sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaterin, wie bei jedem anderen Vertreter, zuzurechnen.

Da somit die bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführer nicht durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert gewesen war und den Antragstellern das - nicht bloß geringfügige - Versehen ihrer Vertreterin zuzurechnen ist, waren die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.

2.2. Zu Spruchpunkt II.: Zurückweisung der Beschwerden

Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG idF beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 7 zwei Wochen, sofern nichts anderes bestimmt ist. § 7 Abs. 4 erster Satz des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBL.I Nr. 33/2013 ist, sofern es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, diesfalls nicht verwendbar.

Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.

Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017 wurden den Beschwerdeführern am 04.04.2017 durch Hinterlegung zugestellt. Der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Beschwerden wäre der 02.05.2017 gewesen, sodass sich die am 03.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangten Beschwerden als verspätet erweisen und deshalb zurückzuweisen sind, zumal auch die von den Beschwerdeführern eingebrachten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen wurden.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere der Entscheidung vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht, Verschulden,
Verschulden des Vertreters, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W169.2156509.2.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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