TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W124 2182088-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W124 2182088-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3

und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nunmehr BF) reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der BF an, in XXXX , Afghanistan gelebt zu haben und keiner Beschäftigung nachgegangen zu sein. Die finanzielle Situation seiner Familie sehe schlecht aus, sie besitze auch keine Ländereien oder Grundstücke, sein Vater arbeite als Verkäufer. Als Fluchtgrund gab er an, er hätte für die Taliban arbeiten sollen. Mit dem Geld hätte er seine Familie versorgen können, er habe aber abgelehnt. Danach seien die Taliban gekommen und hätten das Haus durchwühlt. Er sei danach geflohen, von seiner Familie wisse er nichts, andere Fluchtgründe habe er nicht.

3. In der Einvernahme mit dem BFA am XXXX führte der BF aus, am XXXX im Distrikt XXXX geboren zu sein. Identitätsbezeugende Dokumente habe er noch nie besessen, er brauche solche Dokumente auch nicht. Er sei afghanischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er in seinem Herkunftsstaat keine Probleme gehabt. Er sei sunnitischer Moslem, ledig und habe keine Kinder. Seine zwei Brüder und seine Schwester würden bei seinen Eltern in XXXX wohnen. Sein Vater habe eine eigene, drei Jirib große Landwirtschaft, seine Mutter sei Hausfrau. Er habe auch noch Onkel und Tanten in seinem Herkunftsland.

Seine Eltern würden im Distrikt XXXX leben. Das Familienhaus befinde sich hinter dem Friedhof, dort sei er auch aufgewachsen. Sein Heimatdorf sei in einen Ober- und einen Unterteil eingeteilt. Im oberen seien ca. fünfzig bis sechzig Familien wohnhaft, im unteren Teil dreißig. Im Dorf würden alles Paschtunen wohnen. Er habe mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus, das seinem Vater gehöre, gelebt. Seine Familie, oder er selbst seien nie politisch oder religiös tätig gewesen und hätten nie einer Partei angehört. Er habe elf Jahre die Grundschule besucht, nie Probleme mit Behörden in seinem Heimatland gehabt und sei nicht vorbestraft gewesen. Er habe Afghanistan ca. im fünften Monat XXXX ( XXXX ) illegal verlassen, sei aus seinem Dorf bis zum Bahnhof, etwa eine halbe Stunde zu Fuß gegangen und sei dann mit dem Bus etwa sieben bis acht Stunden nach XXXX gefahren. Es habe auch während der Reise keine Vorfälle gegeben.

In XXXX habe er sich vier bis fünf Tage in einem Hotel aufgehalten. Es lebe zwar ein Onkel in XXXX , mit diesem sei der Kontakt aber abgerissen. Über Freunde habe er regelmäßig Kontakt mit seinen Eltern und Geschwistern, zuletzt vor etwa einem Monat. Seinen Eltern gehe es gut, sie hätten die Grundstücke und würden dort arbeiten. Vorfälle habe es keine gegeben. Seinen Lebensunterhalt habe er sich durch einen kleinen Kosmetikstand finanziert. Außerdem habe er auch in der Landwirtschaft gearbeitet. In Österreich oder der EU habe er keine Bekannten oder Verwandten und auch keine sozialen oder privaten Bindungen. Ein Cousin sei in Belgien, mit diesem habe er aber keinen Kontakt.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass sein Cousin väterlicherseits ein Taliban sei. Die Taliban hätten ihm mehrfach gesagt, dass er sich ihnen anschließen solle, sein Cousin habe ihm Geld dafür versprochen. Er habe dann einige Zeit für die Taliban spioniert. Die Taliban hätten dann immer wieder Soldaten und Polizisten festgenommen und die Personen getötet. Er sei damit nicht einverstanden gewesen. Die Taliban seien zu den Familien gegangen und diese hätten sie bekochen müssen. Außerdem hätten die Taliban den Familien immer ein Teil der Ernte abgenommen. Er habe seinem Cousin gesagt, dass er aufhören wolle, aber sein Cousin habe ihm gesagt, dass es nicht möglich sei aufzuhören.

Er sei dann zum Kommandanten XXXX gegangen, der auch Dorfältester sei, damit dieser ihm helfe. Sein Sohn sei sein Freund gewesen und er habe diesem gesagt, dass er seinen Vater treffen möchte. Er habe sich mit dem Kommandanten getroffen und habe ihm dieser gesagt, dass er das erledigen werde. Es sei dort ein anderer Polizist gewesen, ein ehemaliger Schulkamerad von ihm, der habe ihn gefragt, warum er beim Dorfältesten sei und er habe diesem gesagt, dass er Probleme mit den Taliban habe. Dieser habe ihm gesagt, dass der Kommandant selbst zu den Taliban gehöre und er auf sich aufpassen solle. Er sei dann nachhause gegangen und etwa zwei Tage später, als er am Dach geschlafen habe, habe er Schritte hinter seinem Haus gehört. Er habe dann öfter gefragt, wer da sei, es habe aber keiner geantwortet und auf einmal habe jemand geschossen. Er sei vom Dach gesprungen und sei von dort geflüchtet. Er sei zu seinem Onkel mütterlicherseits in XXXX gegangen und von dort nach XXXX geflüchtet.

Von XXXX aus habe er den Freund, welcher als Polizist arbeite, angerufen, dieser habe ihm mitgeteilt, dass der Kommandant den Taliban gesagt habe, dass er bei der Regierung gewesen sei und sich beschwert habe. Der Regierung habe er gesagt, dass er ein Taliban sei. Der Freund habe ihm des weiteres gesagt, dass er nicht zurückkönne, weil er nun Probleme mit den Taliban und der Regierung habe. Mit Hilfe eines Freundes in der Türkei, sei er schlepperunterstützt in die Türkei und schließlich nach Europa gereist. Für die Taliban habe er etwa zwei Monate als Spion, von XXXX , gearbeitet. Befragt, warum die Taliban gerade ihn, ohne Ausbildung, als Spion eingesetzt hätten, gab der BF an, dass er die Taliban nur informiert habe, wo sich die Polizisten aufhalten würden. Sein namentlich genannter Cousin sei dreiundzwanzig Jahre alt, ledig und lebe ebenso in XXXX . Die Schule habe dieser nicht besucht. Sein namentlich genannter Freund, der Sohn des Kommandanten, wohne im Dorf XXXX , sei zwanzig Jahre alt und habe die Schule abgeschlossen.

Zu dem Vorfall bei dem auf ihn geschossen worden sei, könne er sagen, dass es etwa Mitternacht gewesen sei. Es sei zwei bis drei Mal auf ihn geschossen worden. Nachdem er geflüchtet sei, hätten sie nicht mehr geschossen. Wie viele Personen das gewesen seien, könne er nicht sagen, da es Abend gewesen sei und er nicht viel sehen habe können. Ob er verfolgt worden sei habe er nicht gesehen, er sei einfach geflüchtet.

Von der Begegnung mit dem Kommandanten könne er sagen, dass dieser im oberen Teil wohne. Er sei zu ihm nachhause gegangen und habe ihn begrüßt. Zuvor habe er ihn noch nie gesehen. Dieser habe ihn nach seinem Vater gefragt und nach dem Grund seines Besuches. Er habe ihm gesagt, dass sein Cousin ihn reingelegt habe und er bei den Taliban sei.

In Österreich bekomme er vom Staat finanzielle Unterstützung, wolle hier lernen und sich für Kurse anmelden. Er spreche Deutsch, Niveau A1, gehe ins Fitnesscenter, treffe Freunde. Österreichische Freunde habe er sehr wenige, er treffe sich mit Afghanen. Mitglied in einem Verein oder einer Organisation sie er nicht. Nachgefragt, wie es sein könne, dass seine Brüder und seine Familie ohne Probleme in Afghanistan leben könnten, erklärte der BF, dass seine Familie nichts damit zu tun habe. Wenn er in XXXX leben könne, würde er dies machen, aber die Taliban würden alles über ihn wissen. Er habe nicht nur Angst vor den Taliban, sondern auch vor der Regierung.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF folgende Dokumente vor:

-

Konvolut an Integrationsbestätigungen

-

Deutschkurszertifikat A1 vom XXXX

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Das BFA stellte fest, dass der BF keine begründete Frucht vor Verfolgung iSd GFK in Afghanistan zu gewärtigen habe oder eine derartige Verfolgung zukünftig zu befürchten habe. Der BF habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Der BF verfüge über eine Schulausbildung und Arbeitserfahrung, sei in einem arbeitsfähigen Alter, daher sei es ihm zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung von Angehörigen den Lebensunterhalt in Afghanistan zu sichern. In Österreich habe er keine Familienangehörigen, auch sonstige Abhängigkeiten würden nicht bestehen. Er sei nicht selbsterhaltungsfähig und illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen dazu aus, dass sein Fluchtgrund zwischen Erstbefragung und Einvernahme nicht identisch gewesen sei. Der behauptete Anschlag sei als Steigerung zu werten. Der Fluchtgrund sei nicht glaubhaft, trotz mehrmaliger Aufforderung Details und konkrete Angaben über den Cousin zu machen, sei der BF dazu nicht in der Lage gewesen. Im selben Licht erscheine die Aussage über den Sohn des Kommandanten und die Schüsse auf ihn. Die Behörde finde es auch bedenklich, dass die Familie des BF weiter ohne Probleme in Afghanistan, einem Land, in dem Blutrache praktiziert werde, leben könne. Der BF selbst habe angegeben, dass die Familie damit nichts zu tun habe.

Eine Rückkehr in sein Heimatdorf sei ihm nicht zumutbar, da dieses in der Provinz XXXX liege. Es sei aber eine Rückkehr in die afghanische Hauptstadt XXXX zumutbar. Durch die Umstände seiner mehrjährigen Schulausbildung und Arbeitserfahrung, sowie den Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan und der Landwirtschaft seiner Eltern, sei dem BF zuzumuten, sich in Afghanistan den Lebensunterhalt zu sichern. Der BF, der der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, könne sich auf deren Ehrenkodex "Pashtunwali" berufen und so Unterstützung erhalten.

Bei einer Gesamtschau könne nicht davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung in Afghanistan ausgesetzt sei. In Österreich habe der BF keine Verwandten. Er verfüge über schlechte Deutschkenntnisse, gehe keiner Arbeit nach und sei erst seit einem sehr kurzen Zeitraum im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Im Verfahren seien auch keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des BF in Österreich rechtfertigen würden, daher sei eine Rückkehrentscheidung zulässig.

5. Mit der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

Inhaltlich wurde auf das bereits erstattete Vorbringen verwiesen und ausgeführt, dass die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht gewillt bzw. imstande seien, dem BF den notwendigen Schutz zu bieten. Dieser habe eine gewisse Zeit für die Taliban spioniert und im Jahr XXXX sein Heimatland verlassen, nachdem er abgelehnt habe, weiter für die Taliban zu arbeiten. In Folge sei seine Familie durch die Taliban bedroht und attackiert worden. Der BF führe in Österreich ein selbstbestimmtes Leben und möchte sich hier weiter ausbilden. Es sei zu befürchten, dass er sich nach mehrjähriger Abwesenheit im teils westlich geprägten Ausland nicht mehr in der konservativ geprägten Gesellschaft in Afghanistan zurechtfinden würde. Dass es sich bei seinen vorgebrachten Fluchtgründen um keine Bedrohung handle, wie vom BFA behauptet, sei nicht richtig. Es könne nicht sein, dass der BF riskieren hätte müssen, dass ihm etwas zustoße, bevor er Afghanistan verlassen habe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen sachgerecht auseinanderzusetzen und diesbezüglich ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Befragung zu seinem Fluchtgrund vor der belangten Behörde erweise sich als für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes hinsichtlich des Fluchtgrundes völlig unzureichend, sodass eine neuerliche Befragung zur Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes im vorliegenden Fall unerlässlich sei. Daher leide der angefochtene Bescheid an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel.

Das UN-Flüchtlingskommissariat gehe aktuell weiterhin von einem hohen Schutzbedarf für Asylsuchende aus Afghanistan aus. Bezugnehmend auf den Artikel "Überleben in Afghanistan" von Friederike Stahlmann, kann zusammengefasst gesagt werden, dass die Städte mit immenser Zuwanderung konfrontiert seien. Die hohe Zahl von Rückkehrenden verschärfe weiter die schon bestehende humanitäre Notsituation. Weiters sei für Rückkehrende aus Europa das Entführungsrisiko besonders hoch. Die Chancen, eine Arbeit zu finden seien sehr gering und die Wohnungssuche auf Grund der hohen Preise extrem erschwert. Es sei also nötig sowohl ein soziales Netzwerk, als auch außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine Arbeit und winterfeste Unterkunft vor allem in den Städten zu haben. Unter Verweis auf ein Erkenntnis vom BVwG werde festgehalten, dass dem BF mangels sozialen Netzwerkes eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative nicht zustehe. Bezüglich der Zwangsrekrutierung der Taliban werde auf die UNHCR Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 verwiesen, wo berichtet werde, dass Personen, die sich der Rekrutierung regierungsfeindlicher Kräfte wiedersetzen würden, ebenso wie ihre Familienmitglieder, gefährdet seien, getötet oder bestraft zu werden. Im Falle der Abschiebung drohe dem BF eine reale Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK. Im Falle einer Rückkehr wäre er einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

6. Am XXXX fand vor dem BVwG unter Beisein des ausgewiesenen Vertreters des BF, eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, welche folgenden Verlauf nahm:

........

R: Schreiben Sie mir bitte Ihren Namen und Geburtsdatum auf.

BF: Mein Name ist XXXX , ich bin am XXXX geboren.

R: Geben Sie mir bitte das Geburtsdatum nach Ihrer Zeitrechnung an.

BF: Weder wusste ich laut unserem Kalender mein Geburtsdatum, noch nach dem gregorianischen Kalender. Ich habe bei der Behörde angegeben, dass ich 20 Jahre alt bin, am Tag meiner Ankunft in Österreich. Dieses Geburtsdatum wurde von der Behörde festgestellt.

R: Schreiben Sie mir bitte Ihren Geburtsort auf.

(Dorf/Distrikt/Provinz)

BF: Ich bin im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX geboren.

R: Wie heißen die unmittelbar angrenzenden Dörfer Ihres Heimatortes?

BF: Es gibt ein Dorf, das heißt XXXX .

R: Welches Dorf liegt im Norden?

BF: XXXX . Dieses Dorf wurde irgendwann umbenannt auf XXXX , manche Menschen nennen dieses Dorf auch XXXX .

R: Nennen Sie mir noch das Dorf, das südlich liegt.

BF: Das Dorf heißt XXXX .

R: Halten Sie die Aussagen, die Sie bei der Polizei und beim BFA gemacht haben vollinhaltlich aufrecht und entsprechen diese der Wahrheit?

BF: Ja, ich bleibe dabei.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF auf Deutsch: Ja.

R: Verstehen Sie Deutsch?

BF auf Deutsch: Ja, bis A2.

R: Sind Sie verheiratet?

BF auf Deutsch: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF auf Deutsch: Nein.

R: Haben Sie eine Lebensgefährtin oder einen Lebensgefährten?

BF: Nein.

R: Haben Sie in Österreich Freunde?

BF: Ja.

R: Gehören Ihrem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF auf Paschtu: Ich habe Ihre Frage nicht verstanden.

D wiederholt die Frage auf Paschtu.

BF: Ja, es gibt manche österreichische Freunde von mir, mit denen ich Fußball spiele.

R: Wie heißt Ihr bester Freund mit Familienname und Vorname, mit dem Sie Fußball spielen?

BF auf Deutsch: Sie kommen dort hin Fußball spielen. Wir spielen miteinander, ich weiß deren Namen nicht.

R: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Gehen Sie einer Arbeit nach?

BF auf Deutsch: Erst gehe ich in den Deutschkurs, dann arbeiten.

D wiederholt die Frage auf Paschtu.

BF: Die Leistungen bekomme ich im Heim.

R: Haben Sie schon um eine arbeitsrechtliche Bewilligung angesucht?

BF: Nein. Wir haben in Wien nachgefragt. Man sagte, dass wir nicht arbeiten gehen dürfen, weil wir keine Arbeitserlaubnis haben.

R: Bei wem haben Sie nachgefragt?

BF: Ich habe im Büro des Heimes gefragt.

R: Haben Sie beim AMS gefragt?

BF: Nein.

R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF auf Deutsch: Fußball spielen.

R: Wie schaut ein Tagesablauf bei Ihnen aus?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden.

Fragewiederholung auf Paschtu.

BF: Nachdem ich aufgestanden bin, gehe ich ca. eine Stunde joggen. Ich stehe um 7 Uhr auf. Danach komme ich nach Hause und frühstücke. Danach lerne ich Deutsch, danach ruhe ich mich ein bisschen aus. Ich beginne mit dem Deutschlernen um 9 oder halb 10. Es ist verschieden, manchmal lerne ich eine halbe Stunde oder eine Stunde. Danach bin ich noch immer im Zimmer. Nach dem Mittagessen gehe ich in den Deutschkurs. Mein Deutschkurs A2 begann um 14 Uhr. Derzeit besuche ich B1 und dieser beginnt um 15 Uhr.

R: Seit wann besuchen Sie den Deutschkurs?

BF auf Deutsch: Seit XXXX .

R: Welchen Deutschkurs besuchen Sie seit XXXX .

BF auf Deutsch: Der A2 Deutschkurs ist fertig. "Dann Sie geben mir B1".

R: Bei welchem Verein besuchen Sie den Deutschkurs?

BF auf Deutsch: Bei der VHS Ottakring, A2. Der zweite Kurs ist in Liesing.

R: Wie oft gehen Sie in der Woche in den Deutschkurs?

BF auf Deutsch: "5 Tag".

R: Wann finden die Kurse zeitlich statt?

BF gibt nicht nachvollziehbare Antwort.

Fragewiederholung auf Paschtu.

BF: Von 15 bis 18 Uhr.

R: Ist das jeden Tag so?

BF auf Deutsch: Ja, jeden Tag.

R: Von Montag bis Freitag?

BF auf Deutsch: Ja.

R: Was machen Sie dann nach 18 Uhr?

BF auf Deutsch: "Dann kommen ich nach Haus. Dann ich gehen Fußball spielen".

R: Spielen Sie in einem Verein Fußball?

BF auf Deutsch: Nein. Mit unseren Heimkollegen.

R: Wie lange spielen Sie dann Fußball?

BF auf Deutsch: "Spiele eine bis eineinhalb Stunden Fußball".

R: Was machen Sie dann?

BF auf Deutsch: Dann komme ich zurück nach Hause und koche.

R: Was machen Sie dann noch bis zum Schlafengehen?

BF auf Deutsch: Einen Film schauen und um 10 Uhr gehe ich schlafen.

R: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten?

BF: Nein.

R: Nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine schwere Verwaltungsstrafe begangen oder eine gerichtliche Strafe bzw. läuft gegen Sie ein gerichtliches Strafverfahren? (BF wurde auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen)

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in der Europäischen Union?

BF: In Belgien.

R: Sind Sie mit diesen im engeren Kontakt?

BF: Ja.

R: Wie oft sind Sie bei Ihnen?

BF: Unser Kontakt besteht lediglich telefonisch.

R: In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen die Verwandten zu Ihnen, die in Belgien leben?

BF: Der Verwandte ist mein Cousin. Der Sohn vom Bruder meines Vaters.

R: Wie heißt Ihr Cousin in Belgien?

BF: Er heißt XXXX .

R: Wissen Sie, welchen Aufenthaltsstatus Ihr Cousin in Belgien hat?

BF: Ja, er hat ein Visum.

R: Sind Sie mit diesem Cousin gemeinsam aus Afghanistan ausgereist?

BF: Nein.

R: Wann ist Ihr Cousin aus Afghanistan ausgereist und wann sind Sie ausgereist?

BF: Er ist ca. drei Jahre vor mir ausgereist.

R: Wo hat Ihr Cousin in Afghanistan gelebt?

BF: In XXXX .

R: Hat dieser Cousin in Ihrem Heimatdorf gelebt?

BF: Ja.

R: Wie weit hat Ihr Cousin von Ihrem Elternhaus entfernt gelebt?

BF: Dieser Cousin hat im Nebenhaus gelebt. Alle Verwandten von mir väterlicherseits lebten nebeneinander.

R: Wenn Sie sagen, alle Verwandten, wen bezeichnen Sie damit als Verwandten?

BF: Vier Brüder bzw. drei Brüder meines Vaters haben nebeneinander in den Häusern gelebt. Mein Vater heißt XXXX , der erste Onkel heißt

XXXX .

R: Ist das der älteste Bruder Ihres Vaters?

BF: Das ist der zweitälteste Bruder. Der älteste Bruder ist mein Vater. XXXX ist der drittälteste Bruder und der jüngste Bruder heißt

XXXX .

R: Sind die Brüder Ihres Vaters alle verheiratet?

BF: Ja.

R: Haben die Brüder Ihres Vaters Kinder?

BF: Ja.

R: Wie geht es Ihren Onkeln bzw. Ihrer Familie?

BF: Ich habe Ihre Frage nicht so richtig verstanden. Was meinen Sie, wie es ihnen geht?

R: Die Frage ist, wie ich sie gestellt habe. Ich möchte wissen, wie es Ihrer Familie geht.

BF: Es geht ihnen gut. Sie sind in ihren Berufen beschäftigt. Einer meiner Onkel ist Lehrer, der andere ist Bauer, der jüngste ist auch Bauer. Mein Vater und seine zwei jüngsten Brüder sind in der Landwirtschaft tätig. Mein Onkel namens XXXX ist Lehrer.

R: Wo unterrichtet Ihr Onkel XXXX ?

BF: In XXXX .

R: Welche Fächer unterrichtet er dort?

BF: Arabisch.

R: Wie würden Sie die wirtschaftlichen Verhältnisse Ihrer Familie zu den anderen in Ihrem Dorf lebenden Familien beschreiben?

BF: Das kann man nicht so vergleichen, weil es manche Familien wirtschaftlich besser geht und manchen schlechter. Es kommt darauf an, wieviel Grundstücke bzw. Felder die Familien haben. Meine Familie hat drei Jirib.

R: Wenn Sie sagen, Ihre Familie, aus welchen Mitgliedern besteht Ihre Familie?

BF: Unsere Familie besteht aus 6 Mitgliedern.

R: Wer sind diese 6 Mitglieder?

BF: Mein Vater, meine Mutter, zwei Brüder, ich und eine Schwester.

R: Wie heißen Ihre Brüder und wie alt sind diese?

BF: Einer meiner Brüder heißt XXXX und der andere heißt XXXX .

R: Wie alt sind Ihre Brüder?

BF: XXXX ist 19 oder 20 Jahre alt und XXXX ist 15 Jahre alt.

R: Hat Ihre engere Familie mit dem, was in der Landwirtschaft erwirtschaftet wurde, ein ausreichendes Einkommen in Afghanistan?

BF: Wir ernten von den Feldern Reis und Weizen. Weizen sind ausreichend für unsere Familie und ein Teil vom Reis wird verkauft.

R: Also mit dem, was erwirtschaftet wurde, kann Ihre Familie leben, wenn ich das richtig verstanden habe?

BF: Mit den Einnahmen kann meine Familie sich über Wasser halten.

R: Haben Sie außerhalb von Ihrem Heimatort noch Verwandte in Afghanistan?

BF: Ja.

R: Wo und wen?

BF: Meinen Sie in einer anderen Stadt oder in einem anderen Dorf?

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe einen Onkel mütterlicherseits, der lebt in Kabul.

R: Wo in XXXX ?

BF: Das weiß ich nicht. Wir haben keinen Kontakt zu diesem Onkel. Er zog vor vielen Jahren nach Kabul.

R: Was arbeitet er dort?

BF: Das weiß ich auch nicht.

R: Wo leben noch andere Verwandte?

BF: Es gibt andere Onkel von mir mütterlicherseits und auch Tanten mütterlicherseits. Eine meiner Tanten lebt im Dorf XXXX .

R: Wie weit ist dieses Dorf von Ihrem Elternhaus entfernt?

BF: Dieses Dorf liegt ca. 45 Minuten Fußweg entfernt von unserem Elternhaus.

R: Wo leben dann noch andere Verwandte?

BF: Einer meiner Onkel mütterlicherseits wohnt in XXXX .

R: Haben Sie oder Ihre Familie mit diesen Verwandten Kontakt?

BF: Ja, wir haben Kontakt zu diesen Verwandten.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal mit Ihrer engsten Familie Kontakt?

BF: Das letzte Mal habe ich ca. vor zweieinhalb Monaten mit meiner Familie gesprochen.

R: Was war der Inhalt dieses Gesprächs?

BF: Wir haben uns gefragt, wie es uns geht. Sie sagten, dass es ihnen gut geht. Ich sagte, dass es mich freut, dass es ihnen gut geht und dass es mir auch gut geht, weil ich hier in Sicherheit lebe.

R: Woher stammt Ihr Nachname?

BF: Dieser Name stammt von unserem Stamm.

R: Wie heißt dieser Stamm?

BF: Unser Stamm heißt XXXX .

R: Wie viele Geschwister hat Ihre Mutter?

BF: Meine Mutter hat drei Schwestern. Sie sind insgesamt drei Schwestern.

R: Gehört Ihr Onkel in Kabul auch demselben Stamm an, dem Sie angehören?

BF: Nein.

R: Welchem Stamm gehört er an?

BF: XXXX .

R: Warum gehört dieser einem anderen Stamm an?

BF: Es gilt die Seite des Vaters. Wir gehören zu unserem Vater und mein Onkel mütterlicherseits... Meine Mutter stammt aus dem Stamm XXXX und der Bruder meiner Mutter stammt klarerweise auch aus dem Stamm XXXX .

R: Wie groß ist Ihr Heimatdorf? Wie viele Leute leben dort bzw. wie viele Häuser sind dort?

BF: Die Häuser meines Vaters und seiner Brüder befinden sich außerhalb des Dorfes. Der Vater und seine Brüder hatten ihre Grundstücke außerhalb des Dorfes und dort haben sie auch ihre Häuser gebaut.

Fragewiederholung.

BF: In unserem Heimatdorf befinden sich ca. 60 bis 70 Häuser.

R: Kennt man dann die Leute dort, die untereinander Leben?

BF: Ja.

R: Wie heißt der Dorfvorsteher Ihres Dorfes?

BF: XXXX .

R: Aus wie vielen Mitgliedern besteht dieser Dorfältestenrat?

BF: Unser Dorf hat keinen Rat. Wenn eine Jirga abgehalten wird, kommt dieser Dorfälteste und er nimmt ein paar andere mit.

R: Wen nimmt er mit?

BF: Die Dorfältesten (Weißbärtigen).

R: Wie viele sind das?

BF: 10 bis 15. Es kommt darauf an, wie viele da sind und wie viele teilnehmen.

R: Kennen Sie diese Weißbärtigen?

BF: Ja.

R: Woher kennen sie die Weißbärtigen?

BF: Von unserem Heimatdorf. Vom Sehen, weil sie in dieselbe Moschee zum Beten kommen.

R: Wo haben Sie in Afghanistan von Ihrer Geburt an, bis zur Ausreise aus Afghanistan gelebt? Bitte chronologisch angeben.

BF: Ich bin in XXXX geboren. Ich habe die ganze Zeit von Geburt an in meinem Heimatdorf gelebt.

R: Durchgehend?

BF: Ich habe dort gelebt, dort war unser Haus. Ich habe ununterbrochen dort gelebt.

R: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht.

R: Wo haben Sie gearbeitet?

BF: Manchmal habe ich meinem Vater in der Landwirtschaft geholfen und manchmal war ich im Geschäft.

R: In welchem Geschäft haben Sie gearbeitet?

BF: Ich habe in einem Geschäft gearbeitet, das Waren allerlei verkauft hat.

R: Welche Tätigkeit haben Sie in diesem Geschäft verrichtet?

BF: Ich habe Lippenstifte, Nagellack und Frauenschminksachen verkauft. Manche Makeups, und manche Cremen, Öl für Haare. Dazu habe ich auch Lebensmittel verkauft.

R: Wem hat das Geschäft gehört?

BF: Das Geschäft hat unserer Familie gehört.

R: Wen meinen Sie mit unserer Familie?

BF: Ich meine damit meine Mutter und meinen Vater.

R: Von wem wird das Geschäft jetzt betrieben?

BF: Das Geschäft ist geschlossen.

R: Warum?

BF: Nachdem ich Afghanistan verlassen habe, konnte niemand das Geschäft weiter betreiben.

R: Warum kann das Geschäft jetzt nicht weitergeführt werden? Z.B. von einem Ihrer Brüder?

BF: Meine Brüder kannten sich nicht aus, wie man die Ware einkauft und wieder im Geschäft verkauft. Ich habe selber damals die Waren eingekauft und ins Geschäft transportiert. Mein Vater hat das Geschäft zugesperrt, aus der Angst, vor den Taliban, weil die Taliban wussten, dass dieses Geschäft mir gehört.

R: Das ist ein Widerspruch. Sie sagten, das Geschäft gehört Ihrem Vater und Sie hätten nur mitgeholfen.

BF: Nein, im Geschäft nicht. In der Landwirtschaft habe ich meinem Vater geholfen.

R: Wie lange hat dieses Geschäft bestanden?

BF: Ein Jahr.

R: Wieso sind Sie in Ihrem Dorf nicht verblieben?

BF: Ich konnte nicht in meinem Dorf bleiben, weil ich Probleme mit den Taliban hatte. Aufgrund dieser Probleme bin ich aus Afghanistan ausgereist und ich hatte auch Probleme mit der afghanischen Regierung.

R: Wieso sind Sie nicht in eine andere Stadt gezogen und haben sich dort aufgehalten? z.B. XXXX , XXXX , XXXX .

BF: Meinen Sie vor dem Vorfall oder nach dem Vorfall?

R: Nach dem Vorfall.

BF: Ich habe Ihre Frage etwas anders verstanden, dass Sie meinten, dass ich nicht in anderen Städten jemals gelebt habe. Warum nur in XXXX , so habe ich es verstanden.

R: Warum haben Sie nach diesem Vorfall nicht in einer der anderen, von mir genannten, Städten gelebt?

BF: Ich konnte nicht in anderen Städten leben. Einerseits durch die Verfolgung von den Taliban und andererseits seitens der Regierung.

Die Taliban hätten mich überall ausfindig machen können.

R: Was hätte denn die Taliban veranlassen sollen, dass man Sie überall in Afghanistan ausfindig machen hätte können?

BF: Wenn die Attentate und Bombenanschläge mitten in der Stadt XXXX und vor dem Parlamentsgebäuden verübt werden können, dann hätten die Taliban mich leicht finden können.

R: Wieso hätten die Taliban Sie in ganz Afghanistan suchen sollen? Was war der Grund dafür?

BF: Ich habe mit XXXX , der Name ist auch im bisherigen Verfahren falsch angeführt und die Schreibweise des heutigen Dolmetschers ist richtig, gesprochen.

SV: Hat er jetzt nicht von XXXX gesprochen?

BF: Nein, ich habe XXXX gesagt.

R wiederholt die Frage.

BF: Als ich mich mit XXXX unterhalten habe, dass ich meine Tätigkeit für die Taliban niederlegen möchte, weil ich das nicht mehr tun mochte, hat mich XXXX an die Taliban verraten. XXXX sagte auch zu den Taliban, wenn ich mich darüber mit ihm unterhalten habe, kann es auch sein, dass ich mich auch mit der Regierung über die Taliban unterhalten habe. XXXX hat mich auch an die Regierung verraten, dass ich auch für die Taliban arbeite.

R: Welche Tätigkeit hat dieser XXXX ausgeübt?

BF: Am Anfang bzw. unter russischer Besatzung, war er ein Dschihad-Kommandant.

R: Was heißt, er war ein Dschihad-Kommandant?

BF: Danach wurde er unter der Karzai-Regierung Chef eines Distrikts. Derzeit ist er ein Kommandant der XXXX .

R: Wem gehört diese XXXX an?

BF: Sie sind lokale Polizisten. Sie gehören der Regierung an.

R: Kämpft die Regierung gegen die Taliban?

BF: Ja.

SV: Von welchem Distrikt war dieser XXXX der Chef?

BF: Vom XXXX .

R: Seit wann hat XXXX diese Tätigkeit als Chef des Distrikts ausgeübt?

BF: Ich glaube, er hat ungefähr mit seiner Tätigkeit im XXXX (afghanischen Kalenders) begonnen.

SV: Das entspricht ca. XXXX .

R: Wieso sollte dann XXXX , der gegen die Taliban als Distriktchef kämpft, Sie an die Taliban verraten?

BF: Sie haben alle miteinander Bindungen. Bei den Gefechten bzw. Kämpfen kommen nur die Söhne der armen Familien ums Leben. Aber die Chefs sind miteinander vernetzt.

R: Sie haben beim BFA am XXXX gesagt, dass XXXX den Taliban angehört.

BF: Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, haben die Chefs miteinander Bindungen bzw. sind vernetzt.

R: Gehört der Dorfvorsteher auch den Taliban an?

BF: Nein.

R: Warum gehört der Dorfälteste dann nicht den Taliban an?

BF: XXXX ist für die Regierung tätig bzw. ist er ein Regierungsmensch und die Dorfältesten und Dorfvorsteher sind normale, bürgerliche Menschen. Sie sind nur dafür da, Streitigkeiten zu schlichten z.B. bei den Grundstückstreitigkeiten oder Konflikten zu schlichten, weil meistens die Menschen aus diesen Regionen sich nicht an die Regierung wenden.

R: Sie haben heute gesagt, dass Sie aufgehört hätten irgendwelche Tätigkeiten für die Taliban zu verrichten. Was haben Sie damit gemeint?

BF: Ich lieferte Informationen an die Taliban.

R: Waren Sie selbst ein Talib?

BF: Nein, ich war selber kein Talib.

R: Warum haben Sie dann Informationen an die Taliban geliefert?

BF: Ich bin von den Taliban dazu gezwungen worden. Am Anfang wurde ich von den Taliban bedroht. Mein Cousin hat mich informiert, ich solle zu den Taliban gehen. Ansonsten würden sie mich umbringen.

R: Wann war das, als Sie von den Taliban gezwungen worden sind?

BF: Am Anfang haben mich die Taliban aufgefordert für sie zu arbeiten. Ich habe nein gesagt, ich habe gesagt, dass ich meinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Danach haben die Taliban mich wieder aufgefordert für sie zu arbeiten. Die Botschaft haben sie über den Cousin ausgerichtet und mich bedroht. Sie sagten, dass ich in einem guten Standort mein Geschäft habe bzw. auf der Straße entlang und ich solle die Taliban mit Informationen beliefern.

R: Wann sind Sie von den Taliban aufgefordert worden für sie zu arbeiten? In welchem Jahr war das?

BF: Das war im Jahr XXXX .

R: Was ist passiert, nachdem Sie sich das erste Mal geweigert haben, der Aufforderung der Taliban nachzukommen?

BF: Ich habe mich nicht geweigert, mit ihnen zu arbeiten. Ich habe gesagt, ich brauche Zeit um nachzudenken. Die Taliban haben mich ein paar Mal aufgefordert. Jedes Mal antwortete ich, dass ich darüber nachdenken würde.

R: Wie oft wurden Sie von den Taliban aufgefordert, für sie zu arbeiten?

BF: Zwei Mal.

R: In welchen Abständen? Wann war das erste Mal und wann war das zweite Mal?

BF: Zwischen dem ersten und dem zweiten Mal lagen 15 Tage.

R: Wie haben die Taliban reagiert, als Sie sich beim zweiten Mal geweigert haben, für sie zu arbeiten?

BF: Beim zweiten Mal, als die Taliban bei mir erschienen sind, waren sie sehr sauer und sie sagten, du bist noch nicht bei uns erschienen, obwohl du sagtest, dass du darüber nachdenken würdest, bist du trotzdem nicht zu uns gekommen. Ich bat die Taliban, dass sie mir noch ein paar Tage geben. Ich habe ihnen gesagt, dass ich manche familiäre Probleme habe. Ich würde die Probleme lösen und danach zu ihnen kommen.

R: Wenn Sie sagen, die Taliban sind bei Ihnen erschienen, wo sind sie erschienen?

BF: Die Taliban haben mich auf dem Weg im Dorf XXXX gesehen und mich angesprochen.

R: Bei beiden Malen?

BF: Nein. Das zweite Mal, als ich von den Taliban angesprochen wurde, war das im Dorf Dawoodazai. Das erste Mal war vor unserem Haus.

R: Können Sie sich vorstellen, warum die Taliban Sie als Person für diese Arbeit gewinnen oder anwerben wollten?

BF: Aufgrund der Lage meines Geschäftes. Der Standort meines Geschäftes hatte eine gute Lage. Mein Geschäft war auf der Straße entlang, wo diese Straße in Richtung XXXX verlief. Das war die Hauptverkehrsroute Richtung XXXX .

R: Wie viele Taliban sind beim ersten Mal und wie viele sind beim zweiten Treffen mit Ihnen erschienen?

BF: Die Begegnung mit den Taliban vor unserem Haus hat mit zwei Taliban auf einem Motorrad stattgefunden. Bei der Begegnung im Dorf XXXX waren 10 bis 12 Taliban. Sie waren mit Motorrädern unterwegs. Als sie mich gesehen haben, haben sie angehalten und mich angesprochen.

R: Wieso haben die Taliban dann beim nächsten Mal Ihren Cousin ins Spiel gebracht?

BF: Die Taliban dachten, vielleicht habe ich Angst vor ihnen. Vielleicht möchte ich aus diesem Grund nicht für sie arbeiten. Deshalb haben sie meinen Cousin ins Spiel gebracht. Sie dachten sich, aufgrund meines Cousins werde ich keine Angst vor den Taliban haben und doch mit ihnen arbeiten würde.

R: Warum sollten Sie dann mit der Einschaltung Ihres Cousins vor den Taliban keine Angst haben?

BF: Die Taliban dachten, dass mich auch mein Cousin überreden könnte. In unserem Gebiet sind tagsüber die Regierungsstreitkräfte unterwegs. Nachtsüber sind die Taliban unterwegs. Man wird vor die Wahl gestellt sowie in Bedrängnis, entweder muss man sich der Regierung anschließen oder den Taliban.

R: Was haben Sie konkret für die Taliban gemacht oder machen sollen?

BF: Ich musste die Taliban informieren, wenn die Polizeifahrzeuge, Nationalarmee, Streitkräfte oder Amerikaner vorbeigefahren sind. Die Taliban haben sie dann in einen Hinterhalt gelockt.

R: Wie hat dann die Information zwischen den Taliban und Ihnen stattgefunden?

BF: Telefonisch habe ich die Taliban angerufen.

R: Warum haben die Taliban genau Sie gebraucht? Die Information hätte ihnen auch jemand anderer geben können.

BF: Ich war ständig in meinem Geschäft und ich konnte sehen, wer bei dieser Straße vorbeifährt.

R: Wie lange haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?

BF: Ca. zwei Monate.

R: Warum haben die Taliban diese Information gebraucht?

BF: Weil die Taliban gegen die Regierung und auch gegen Amerikaner gekämpft haben und sie wollten im Zuge der Auseinandersetzungen die Streitkräfte in einen Hinterhalt locken.

R: Sind diese Streitkräfte dadurch in einen Hinterhalt gelockt worden?

BF: Zwei Mal sind die Streitkräfte bzw. die Nationalarmeestreitkräfte und Amerikaner dadurch in einen Hinterhalt gekommen.

R: Wieso haben Sie diese Tätigkeit nur zwei Monate ausgeübt?

BF: Als ich am ersten Tag bei den Taliban war, habe ich gesehen, dass manche Polizisten dort bei den Taliban in Gewahrsam waren. Ich habe meinen Cousin dort gefragt, wer diese Personen sind. Mein

Cousin antwortete: Das sind die übergelaufenen Polizisten. Dann fragte ich ihn wieder, was die Taliban mit ihnen machen würden. Der Cousin fragte dann, was ich glaube, was die Taliban mit ihnen machen würden? Könne ich mir das nicht denken?

R: War das am ersten Tag, als Sie die Arbeit für die Taliban aufgenommen haben?

BF: Ja. Am ersten Tag bzw. beim ersten Mal, als ich bei den Taliban war.

R: Wo haben sich diese Taliban da genau aufgehalten? Geben Sie den genauen Ort an.

BF: In Mangal. Das ist ein Dorf. Es befindet sich auf der anderen Seite des Flusses.

R: Wie haben Sie denn reagiert, nachdem Ihnen Ihr Cousin so etwas gleich am ersten Tag Ihrer Tätigkeit gesagt hat?

BF: Wann meinen Sie genau, wann meine Reaktion war?

R: Sie haben erklärt, Sie waren am ersten Tag, als sie die Tätigkeit mit den Taliban aufgenommen haben bei ihnen dort, und Ihr Cousin erklärte Ihnen, ob Sie sich nicht denken könnten, was mit den Polizisten passiert.

BF: Ich hatte keine Reaktion, ich habe nur mit den Taliban dort gesprochen. An einem anderen Tag, fragte ich meinen Cousin, was die Taliban mit diesen Polizisten gemacht haben. Mein Cousin sagte, die Taliban hätten die Polizisten umgebracht.

R: Wieso haben Sie dann noch einmal gefragt, was mit den Polizisten passieren würde, wenn Sie schon gewusst haben, was mit ihnen passiert?

BF: Ich habe ihn an einem anderen Tag gefragt, ob die Taliban diese Polizisten freigelassen oder getötet haben. Ich wollte es wissen.

Fragewiederholung.

BF: Ich habe meinen Cousin deshalb zum zweiten Mal gefragt, weil diese Polizisten sich den Taliban ergeben haben.

SV: Wo und wann haben die Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und den Polizisten stattgefunden, dass die Polizisten in Gefangenschaft geraten sind?

BF: Die Taliban haben diese Polizisten gefangen genommen in den Dörfern XXXX . Diese Polizisten wurden dadurch angehalten, dass sie in einen Hinterhalt gelockt worden sind.

R: Warum war Ihr Cousin über die Tätigkeiten der Taliban so gut informiert?

BF: Mein Cousin hat sich 24 Stunden bei den Taliban aufgehalten. Er zog auch in den Krieg mit den Taliban.

R: Heißt das, dass Ihr Cousin Talib ist?

BF: Ja.

R: Seit wann ist Ihr Cousin Talib?

BF: Seit ca. 4 bis 5 Jahren.

R: Seit welchem Jahr?

BF: Das wissen wir nicht, seit welchem Jahr genau er mit den Taliban unterwegs ist. Er hat sich immer versteckt gehalten und es war auch nicht wichtig für uns zu wissen, wann genau er für die Taliban begonnen hat zu arbeiten.

R: Seit wann wissen Sie, dass er für die Taliban gearbeitet hat?

BF: Ich weiß es seit XXXX .

SV: Das entspricht dem Jahr XXXX .

R: Haben Sie Ihren Cousin gefragt, seit wann er als Talib unterwegs ist?

BF: Ja, ich habe ihn gefragt. Er sagte mir, dass er seit 4 bis 5 Jahren für die Taliban arbeiten würde.

R: In welchem Jahr hat er Ihnen das gesagt?

BF: Meinen Sie, in welchem Jahr er mir das gesagt hat?

R: Ja, das habe ich gefragt.

BF: Er hat mir nicht gesagt, seit welchem Jahr er für die Taliban arbeitet.

R: Vor wem hat sich dann Ihr Cousin versteckt gehalten, wenn er dort mit den Taliban unterwegs war und bei ihnen aufgetaucht ist?

BF: Tagsüber herrscht die Regierung über das Gebiet, nachtsüber die Taliban. Er hat sich vor der Regierung versteckt gehalten.

R: Hat ihn dann der Dorfälteste, der für die Regierung gearbeitet hat, XXXX , ihn an die Regierung verraten?

BF: Nein, weil XXXX in Verbindung mit den Taliban stand.

R: Wieso haben Sie dann die Arbeit nicht länger als zwei Monate gemacht?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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