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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §123 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des K K in F, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 27. Februar 1997, Zl. 3 Ds 2/97-4, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist seit 1983 im Justizwachdienst in der Justizanstalt Feldkirch tätig.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 1997 hat die belangte Behörde einen Beschluss mit folgendem Spruch gefasst:
"Auf Grund der Disziplinaranzeige des Leiters der Justizanstalt Feldkirch vom 16.9.1996 wird gegen Gruppeninspektor K K gemäß § 123 Absatz 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Gruppeninspektor K K wird beschuldigt, als Dienstvorgesetzter in der Justizanstalt Feldkirch tätige Justizwachebeamtinnen, und zwar Inspektorin G G im Zeitraum von etwa Februar bis Juni 1995 sowie Aspirantin C H und Inspektorin P S im Jahr 1996, sexuell belästigt zu haben.
Gruppeninspektor K K steht im Verdacht, hiedurch gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Absatz 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und damit eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
Im Sinne des § 114 Absatz 1 BDG 1979 wird das Disziplinarverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des anhängigen strafgerichtlichen Verfahrens 26 Vr 1178/96 des Landesgerichtes Feldkirch unterbrochen."
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung den folgenden Sachverhalt der Disziplinaranzeige (bzw. Strafanzeige an die Staatsanwaltsschaft Feldkirch) zu Grunde gelegt:
"Die seit Anfang 1996 in der Justizanstalt Feldkirch tätige und dort unter anderem auch Gruppeninspektor K zugeteilt gewesene Aspirantin C H brachte vor, sie habe sich etwa Mitte Juni 1996 anlässlich ihrer Übersiedlung in eine andere Wohnung an Gruppeninspektor K um Hilfe gewendet. Nach deren Inanspruchnahme habe sie Gruppeninspektor K zu einem Gasthausbesuch eingeladen, bei dem er sich ihr zu nähern versucht habe. In der Folge habe Gruppeninspektor K sie mehrmals angerufen. Am 17.7.1996 habe sie auf Grund privater und - infolge ihres Eindruckes, sie sei den an sie gestellten beruflichen Anforderungen nicht gewachsenen, entstandener - dienstlicher Probleme schon etwa zwei Liter Wein getrunken gehabt, als Gruppeninspektor K sie um etwa 19.00 Uhr zu Hause aufgesucht und weiteren Wein mitgebracht habe. Davon habe sie noch etwa einen Liter zu sich genommen. Sodann habe sie sich hingelegt und erwartet, dass Gruppeninspektor K weggehen werde. Während der Nacht habe sie jedoch bemerkt, dass Gruppeninspektor K sie berühre und versuche, an ihr einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Daraufhin sei sie aus dem Bett gesprungen, wobei ihr übel geworden sei. Gruppeninspektor K habe sie gefragt, ob sie Hilfe benötige, sie habe ihn aber beschimpft und weggeschickt, worauf er schließlich ihre Wohnung verlassen habe. Nach diesem Vorfall habe Gruppeninspektor K weiterhin Kontakt zu ihr und auch körperliche Berührungen gesucht.
Inspektorin P S führte aus, dass sie seit etwa Beginn des Jahres 1996 immer wieder von Gruppeninspektor K betastet worden sei. Zunächst sei sie ihm nur ausgewichen. Erst seit sie ihn im August 1996 einmal böse angeschaut habe, sei sie von ihm nicht mehr angegriffen worden.
Inspektorin G G gab an, dass Gruppeninspektor K etwa ab Februar 1995 ihr gegenüber "von Liebe zu reden" begonnen und Briefe an sie geschrieben habe. Etwa Mitte April 1995 habe Gruppeninspektor K seine Ehefrau darüber informiert, die daraufhin eine Beziehung zwischen ihrem Mann und Inspektorin G angenommen habe. Am 23.4.1995 sei dem Lebensgefährte der Inspektorin G ein Schreiben mit einem auf sie bezogenen obszönen Inhalt zugekommen, das sie ebenfalls Gruppeninspektor K zurechne. Darüber hinaus sei sie von diesem durch Telefonanrufe auch an ihre Mutter belästigt worden. Als er bei ihr nichts erreicht habe, habe er sie zu schikanieren begonnen. Er habe sich ihr aber nie körperlich unsittlich genähert.
Inspektorin M M, Inspektorin I S und Aspirantin K T, die ebenfalls mit Gruppeninspektor K dienstlich zusammengearbeitet haben, erklärten, dass sich dieser ihnen gegenüber immer korrekt verhalten habe."
Diesen Sachverhalt würdigte die belangte Behörde (nach Wiedergabe der Verantwortung des Beschwerdeführers und der im gegen ihn anhängigen Strafverfahren noch unerledigten Beweisanträge) dahingehend, dass das angezeigte Verhalten des Beschwerdeführers dem Ansehen der Justizwache in der Öffentlichkeit abträglich sei und daher auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben der Beamten im Rahmen des Strafvollzuges beeinträchtige. Es sei gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer durchzuführen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass er "ohne einen Verdacht, gegen Dienstpflichten verstoßen zu haben", einem Disziplinarverfahren ausgesetzt sei bzw. dass gegen ihn ohne Verdacht kein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, aus dem gesamten Akt ergebe sich kein Verdacht, dass er eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen habe. Bei dieser Bestimmung handle es sich "grundsätzlich um ein auf das dienstliche Verhalten eines Beamten gerichtetes Gebot". Er habe sich im Dienst korrekt verhalten. Die Vorwürfe von C H und G G würden sich auf private Kontakte beziehen. Dass er P S sexuell belästigt habe, sei weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Akt zu entnehmen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht ableitbar, dass er G G, C H oder P S sexuell belästigt habe. Ein Verdacht, er habe die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt, sei nicht vorhanden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Juli 1999, Zl. 97/09/0337, vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0190, sowie vom 15. April 1998, Zl. 97/09/0264, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren (hier: nach § 123 Abs. 1 BDG 1979) zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwieweit er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, nur in groben Umrissen zu umschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten umschrieben werden. Der Spruch eines solchen Bescheides ist nicht für sich allein, sondern in Verbindung mit der Begründung zu beurteilen, insoweit sich aus dieser der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung zu dienen hat, ergibt. Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens reicht es aus, wenn genügend Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. "Verdacht" ist mehr als eine bloße Vermutung. Es kommt auf die Kenntnis von Tatsachen an, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen für die Einleitung eines Verfahrens nicht aus.
Diesen Voraussetzungen genügt der angefochtene Bescheid in allen Anschuldigungspunkten. Der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Disziplinaranzeige sind genügend Anhaltspunkte gegen den Beschwerdeführer entnehmbar, die für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der im Einleitungsbeschluss konkretisierten Anschuldigungen bzw. Dienstpflichtverletzungen bestehen. Der Beschwerdeführer vermag mit seinem über eine Gegendarstellung nicht hinausgehenden Vorbringen, er habe im Dienst kein Fehlverhalten gesetzt bzw. keine sexuellen Belästigungen begangen, den gegen ihn bestehenden begründeten Verdacht der Verletzung seiner Dienstpflichten im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 nicht zu entkräften.
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte "in seinem gesamten Verhalten" den Schluss zu, dass hiedurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. insoweit die hg. Erkenntnisse vom 4. September 1990, Zl. 88/09/0013, vom 17. Juni 1993, Zl. 93/09/0224, und vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418). Es war daher - entgegen der Behauptung in der Beschwerde - nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich vorgeworfene sexuelle Belästigung weiblicher Kollegen bzw. die den Gegenstand eines gegen ihn anhängigen Strafverfahrens bildende Anschuldigung in rechtlicher Hinsicht als eine mögliche Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 43 Abs. 2 BDG 1979 qualifizierte.
Hinsichtlich des im BDG 1979 nicht umschriebenen Begriffes der "sexuellen Belästigung" ist auf § 7 Abs. 2 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GBG; BGBl. Nr. 100/1993) - welches zufolge § 1 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. vorliegend anzuwenden ist - zu verweisen. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung liegt sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird,
1.
das die Würde einer Person beeinträchtigt,
2.
das für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und
3. a) das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder
b) bei dem der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens einer Vertreterin oder eines Vertreters des Dienstgebers oder einer Kollegin oder eines Kollegen zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit nachteiligen Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen nachteiligen Entscheidung über das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemacht wird.
Dass das dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides vorgeworfene Verhalten die Würde der davon Betroffenen beeinträchtigen konnte, von diesen als unangenehm empfunden und abgelehnt bzw. zurückgewiesen, vom Beschwerdeführer aber fortgesetzt wurde, ist der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltsdarstellung hinreichend zu entnehmen (vgl. im Übrigen zur rechtlichen Beurteilung sexueller Belästigung auch Kucsko-Stadelmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seite 130 f, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, Zl. 92/09/0316).
Offenkundige Einstellungsgründe werden in der Beschwerde weder behauptet, noch waren solche im derzeitigen Stadium des Verfahren erkennbar.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997090105.X00Im RIS seit
11.07.2001