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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des B Z, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grießkai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Juni 2018, G301 2178409-1/19E, betreffend Anordnung der Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Algerien und reiste spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 nach Österreich. Hier wurde er zunächst im Dezember 2015 wegen Vergehen nach dem SMG zu einer bedingt nachgesehenen fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 1. Juni 2016 erging eine weitere strafgerichtliche Verurteilung, insbesondere wegen (versuchten) Einbruchsdiebstahls, zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe. Aus dieser wurde er am 21. Oktober 2016 bedingt entlassen.
2 Mittlerweile hatte der Revisionswerber am 28. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Hiezu wurde er - nachdem er am 22. Februar 2017 von Tschechien gemäß der Dublin III-VO nach Österreich rücküberstellt worden war - am 28. Februar 2017 einvernommen. Dabei gab er an, "ein bisschen" Deutsch zu sprechen und bereits im Oktober 2016 (nach seiner Haftentlassung) Österreich Richtung Deutschland und Holland verlassen zu haben, wo er sich dann ca. drei bis vier Monate aufgehalten habe. Außerdem erklärte er, in Österreich bei seiner slowakischen Freundin zu wohnen, mit der er "ca. ein Jahr" zusammen sei.
3 Mit Bescheid vom 1. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab. Außerdem erließ es eine Rückkehrentscheidung (samt Nebenaussprüchen) sowie ein fünfjähriges Einreiseverbot. Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber, dessen aktuelle Anschrift nicht ermittelt werden konnte, durch Hinterlegung zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
4 Am 14. März 2017 wurde der Revisionswerber dann wegen Diebstahlsverdachts festgenommen; mit Urteil vom 14. Juli 2017 wurde er schließlich zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, außerdem wurde die bedingte Entlassung vom 21. Oktober 2016 (siehe oben Rn. 1) widerrufen.
5 Mit Schreiben des BFA vom 28. August 2017 wurde dem Revisionswerber zur Kenntnis gebracht, es sei beabsichtigt, ihn nach Entlassung aus der Strafhaft - erkennbar zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung nach Algerien - in Schubhaft zu nehmen; hiezu könne er binnen zwei Wochen Stellung nehmen.
6 Der Revisionswerber machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und verwies darauf, in seinem Heimatland politisch verfolgt zu werden; außerdem gab er an, dass sich sein "ganzes Leben" in Österreich abspiele, er mit einer EU-Bürgerin verlobt sei und in Zukunft auch keine Straftaten mehr begehen möchte.
7 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 verhängte das BFA sodann gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Revisionswerber Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung. Spruchgemäß ordnete es weiter an, dass "die Rechtsfolgen dieses Bescheides" nach Beendigung der Gerichtshaft des Revisionswerbers eintreten würden. In diesem Bescheid ging das BFA erkennbar davon aus, dass die Fluchtgefahrstatbestände nach § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG verwirklicht seien.
8 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er vor allem geltend machte, dass er vom BFA nicht einvernommen worden sei; insbesondere hätte er zu seiner Lebensgemeinschaft näher befragt werden müssen. In diesem Zusammenhang wurde dann auch noch geltend gemacht, dass er mit der Lebensgefährtin "nach islamischem Ritus traditionell verheiratet" sei, dass die - namentlich genannte - Lebensgefährtin als Kellnerin in einem Kaffeehaus in Wien arbeite und dass der Revisionswerber nach seiner Enthaftung bei ihr wohnen könne.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juni 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde als unbegründet ab und traf diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidungen. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
12 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es entgegen den "Leitlinien" dieser Rechtsprechung von der Durchführung der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen habe.
13 Richtig ist, dass das BVwG gestützt auf § 21 Abs. 7 BFA-VG - weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine - von der Durchführung der ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung absah. Das war jedoch im Ergebnis jedenfalls vertretbar.
14 Dazu ist zunächst klarzustellen, dass es im vorliegenden Fall nur um den - noch nicht vollzogenen - Schubhaftbescheid vom 17. Oktober 2017 ging. In Bezug auf die Überprüfung dieses Schubhaftbescheides war das BVwG aber auf eine reine Kontrolltätigkeit beschränkt (vgl. VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 11), was bedeutet, dass neues Vorbringen in der Schubhaftbeschwerde - auch unter dem Aspekt Verhandlungspflicht - nur insoweit von Bedeutung sein konnte, als es eine mögliche Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides aufzuzeigen vermocht hätte.
15 In diesem Sinn wurde zwar in der Schubhaftbeschwerde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren gerügt. Angesichts der im Asylverfahren eingeräumten "Basisdeutschkenntnisse" einerseits und der auf Vorhalt des BFA vom 28. August 2017 dann auch tatsächlich erstatteten schriftlichen Stellungnahme andererseits musste jedoch seitens des BFA weder eine persönliche Einvernahme des Revisionswerbers noch überhaupt die Vornahme weiterer Ermittlungen für geboten erachtet werden; die in der Stellungnahme des Revisionswerbers erwähnte Lebensgefährtin hatte er nämlich bereits bei seiner Einvernahme im asylrechtlichen Verfahren am 28. Februar 2017 zur Sprache gebracht, wobei er ausgeführt hatte, mit dieser "ca. ein Jahr" zusammen zu sein (siehe oben Rn. 2). Dennoch hatte sich der Revisionswerber - unbestritten - nach seiner bedingten Entlassung aus der Strafhaft im Oktober 2016 ins EU-Ausland begeben (sodass er am 22. Februar 2017 nach der Dublin III-VO aus Tschechien rücküberstellt werden musste) und war dann auch bis zu seiner neuerlichen Festnahme am 14. März 2017 in Österreich unbekannten Aufenthalts. Von daher war das BFA nicht gehalten, der - ein Untertauchen des Revisionswerbers auch bisher nicht verhindert habenden - Lebensgemeinschaft näher nachzugehen. Sein Verfahren erwies sich somit als mängelfrei, was dann vom BVwG - zumindest vertretbar - ohne weiteres zu Grunde gelegt werden durfte. Insoweit begegnet seine Annahme, der für seine - wie erwähnt auf eine reine Kontrolltätigkeit beschränkten - Entscheidung maßgebliche Sachverhalt erscheine bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, vor dem Hintergrund des bei Prüfung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision im vorliegenden Zusammenhang anzulegenden Maßstabes keinen Bedenken.
16 Davon ausgehend wirft die Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. September 2018
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210126.L00Im RIS seit
31.10.2018Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018