TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/25 Ra 2018/01/0325

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §45 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs2 Z7;
StbG 1985 §10;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Tiroler Landesregierung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. Juni 2018, Zl. LVwG-2017/30/2534-2, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: Y S in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung (Amtsrevisionswerberin; im Folgenden: Behörde) vom 26. September 2017 wurde der Zusicherungsbescheid vom 29. August 2016 betreffend den Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) widerrufen, da der Mitbeteiligte jedenfalls seit der Erlassung des Zusicherungsbescheides ein Naheverhältnis zu einer extremistisch-terroristischen Gruppe besitze (1.).

2 Aus demselben Grund wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 StbG abgewiesen (3.).

3 Weiters wurden die Zusicherungsbescheide betreffend die minderjährigen Kinder des Mitbeteiligten jeweils vom 29. August 2016 widerrufen und die Erstreckungsanträge der minderjährigen Kinder des Mitbeteiligten gemäß § 17 iVm § 18 StbG abgewiesen (2. und 4.).

4 Mit Spruchpunkt 5. wurde der Mitbeteiligte zur Zahlung näher bezeichneter Kosten verpflichtet.

5 Begründend führte die Behörde aus, der Verein "Said'i Nursi Kulturverein", als dessen Sprecher der Mitbeteiligte auftrete, gelte als Anlaufstelle für Aktivisten und Sympathisanten der "Türkischen Hisbollah" aus Tirol und ganz Österreich. Auch auf Grund der Aktivitäten des Vereins selbst lasse sich eine klare Zuordnung zur "Türkischen Hisbollah" in Österreich vornehmen. So seien einige Veranstaltungen des Vereines dem Gedenken des im Jahr 2000 getöteten Anführers der "Türkischen Hisbollah" gewidmet gewesen. Bei einigen Veranstaltungen des Vereines seien auch Opponenten der politischen Vertretung der "Türkischen Hisbollah", der "Hür Dava Partisi" eingeladen bzw. anwesend gewesen.

6 An einer Erinnerungsfeier anlässlich des Geburtstages des Propheten Mohammed in I hätten ca. 400 Personen aus Österreich und Deutschland teilgenommen. Zwischen weiblichen und männlichen Besuchern sei im Saal eine räumliche Trennung (Sichtschutz) angebracht worden. Von einigen weiblichen Besuchern sei eine schwarze Flagge mit der "Schahada" (islamisches Glaubensbekenntnis) gezeigt worden, welche bei Bekanntwerden der Anwesenheit von zur veranstaltungsrechtlichen Überwachung eingesetzten Polizeibeamten sofort versteckt worden sei. Bei dieser Flagge handle es sich um die sogenannte "Jihad-Fahne", die von näher genannten jihadistischen Organisationen als Kampfsymbol übernommen worden sei. Auf bei Facebook veröffentlichten Lichtbildern dieser Veranstaltung seien außerdem mehrere junge Mädchen mit schwarzen Stirnbändern und weißer "Schahada" sichtbar gewesen.

7 Bei der "Türkischen Hisbollah" handle es sich um eine kurdisch-sunnitische, islamistische Terrororganisation, deren Ziel die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates in der Türkei sei. Viele Mitglieder der "Türkischen Hisbollah" hätten sich im Jahr 2000 ihrer Verhaftung durch die Flucht nach Europa bzw. in die Nachbarstaaten der Türkei entziehen können. Bei der "Türkischen Hisbollah" sei eine klare ideologische Orientierung an der islamistischen "Muslimbrüder"-Organisation erkennbar.

8 Der Mitbeteiligte sei Mitglied des genannten Vereins. Er sei einer der führenden Funktionäre dieses Vereines und habe zumindest von 2007 bis 2013 die offizielle Funktion des stellvertretenden Vereinsobmannes innegehabt. Seit Erlassung des (staatsbürgerschaftsrechtlichen) Zusicherungsbescheides trete er wieder "sehr aktiv" als Sprecher und Funktionär dieses Vereins und öffentlich bei Veranstaltungen mit offensichtlichem Bezug zur "Türkischen Hisbollah" auf. Der Mitbeteiligte sei mit dem früheren Anführer der "Türkischen Hisbollah" verschwägert.

9 Von den angeführten Umständen habe die Behörde durch die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Februar 2017 erstmals Kenntnis erlangt.

10 Die Behörde halte es für ausgeschlossen, dass der Mitbeteiligte als ehemals führender Funktionär und aktuell zumindest aktives Mitglied des genannten Vereines keine Kenntnis davon gehabt habe, dass der Verein enge Beziehungen zur "Türkischen Hisbollah" und damit zu einer Terrorgruppe unterhalte, zumal aus den Feststellungen ersichtlich sei, dass dies für jedermann offenkundig sein musste, der an Veranstaltungen des Vereines teilgenommen habe.

11 Unter dem Blickwinkel des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG biete der Mitbeteiligte nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle und noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde. Tatsache sei, dass der Mitbeteiligte sich aktiv in einem Verein engagiere, der mit der "Türkischen Hisbollah" eine Terrorgruppe unterstütze. Dieses Verhalten habe er nach dem Erhalt des Zusicherungsbescheides - anschließend an eine gewisse Pause - wieder intensiviert.

12 Die aktive Rolle des Mitbeteiligten im genannten Verein verwirkliche das Naheverhältnis zu einer Terrorgruppe und somit das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG. Dabei reiche es aus, dass der Betreffende Sympathisant oder anderer Unterstützer der terroristischen Vereinigung sei. Dies sei für den Mitbeteiligten in Bezug auf die "Türkische Hisbollah" durch seine aktive Rolle im genannten Verein erwiesen.

13 Damit erfülle der Mitbeteiligte für die Verleihung wesentliche Voraussetzungen nicht mehr. Der Zusicherungsbescheid sei daher gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen. Aus denselben Gründen sei der Verleihungsantrag nach § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 StbG abzuweisen.

14 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol. In der Beschwerde ist der Mitbeteiligte alleine, vertreten durch seinen auch vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitenden Rechtsvertreter, als Beschwerdeführer bezeichnet. Als solcher beantragte er die Abänderung des angefochtenen Bescheides in der Weise, dass der Zusicherungsbescheid nicht widerrufen werde, sondern die Staatsbürgerschaft dem Mitbeteiligten verliehen und auf die minderjährigen Kinder des Mitbeteiligten erstreckt werde. Angefochtener Beschluss

15 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde über die Beschwerde des Mitbeteiligten und dessen minderjähriger Kinder der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen (1.). Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt (2.).

16 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Ausführungen im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Februar 2017 seien vollinhaltlich zur Begründung des abweisenden Bescheides durch die Behörde herangezogen worden. Die durchgeführte Erhebung und der Inhalt der Kurzerhebung vom 19. Jänner 2017 und des für die Abweisung herangezogenen Berichtes des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Februar 2017 seien dem Mitbeteiligten vor der Bescheiderlassung nicht zur Kenntnis gebracht worden. Es ergebe sich aus dem Verwaltungsakt nicht, dass das Parteiengehör gegenüber dem Mitbeteiligten gewahrt worden sei.

17 Weiters seien zu den allgemein gehaltenen Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Februar 2017 keine weiteren konkreten Erhebungen durchgeführt worden. Es seien keine weiteren Beweismittel insbesondere Erhebungen "zu ganz konkreten Veranstaltungen, Einvernahmen von Auskunftspersonen oder Zeugen" eingeholt worden.

18 Dem Mitbeteiligten würden kein konkretes und vorhaltbares Verhalten, das nach der Zusicherung der Staatsbürgerschaft mit Bescheid vom 29. August 2016 erfolgt sei, und auch keine konkreten Veranstaltungen mit Angaben des genauen Zweckes und des Veranstaltungsdatums und der genauen Tätigkeit bzw. Verantwortung des Mitbeteiligten angelastet.

19 Es sei auch nicht ausgeführt, wann und in welcher Funktion bzw. konkret wie der Mitbeteiligte seit August 2016 wiederum aktiv als Sprecher und Funktionär des angeführten Vereines öffentlich bei Veranstaltungen mit welchem offensichtlichen Bezug zur "Türkischen Hisbollah" aufgetreten sei.

20 Diesbezügliche Erhebungen und Konkretisierungen seien jedenfalls notwendig, um als ausreichende und erwiesene Tatsachen für eine rechtskonforme Begründung der Abweisung des Staatsbürgerschaftsantrages gemäß dem zitierten § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 StbG herangezogen werden zu können.

21 Jedenfalls bedürfe es "noch notwendiger Erhebungen, Abklärungen, Einvernahmen und dergleichen".

22 Die Behörde verfüge über die erforderlichen personellen Möglichkeiten. Die Ergänzung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst sei weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit erheblicher Kostenersparnis verbunden. Deshalb sei die Angelegenheit an die Behörde zurückzuweisen gewesen.

23 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Behörde. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

24 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der angefochtene Beschluss widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Zurückverweisungsbeschlüssen nach § 28 Abs. 3 VwGVG (Verweis unter anderem auf VwGH 25.4.2018, Ra 2018/03/0005). Die in dieser Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfülle der angefochtene Beschluss nicht, sodass er von der genannten Rechtsprechung abweiche.

25 So sei nicht nachvollziehbar, warum das Verwaltungsgericht nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung den Mitbeteiligten und die zuständigen Organwalter des Landesamtes für Verfassungsschutz vernommen habe, um die seiner Auffassung nach nicht ausreichend konkreten Erhebungsergebnisse zu ergänzen. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern die Ergänzung des Sachverhaltes durch die Verleihungsbehörde einfacher oder kostensparender erfolgen sollte.

26 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG

27 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach dieser Rechtsprechung unter anderem dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat (vgl. aus der mit VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, beginnenden ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083, mwN, und VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0287, mwN; vgl. auch die in Thienel, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2018, 181 ff, aufgezählten Nachweise).

28 Diese Voraussetzungen erfüllt der angefochtene Beschluss aus folgenden Erwägungen nicht:

Zum Verleihungshindernis einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung

29 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers Bedacht zu nehmen und eine Prognose anzustellen, ob der Verleihungswerber Gewähr dafür bietet, keine Gefahr für die öffentlichen Interessen darzustellen. Vor allem vom Verleihungswerber begangene Straftaten haben in diese Beurteilung einzufließen. Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die strafrechtliche Unbescholtenheit eines Einbürgerungswerbers in jedem Fall zu einer für ihn positiven Prognose zukünftigen Wohlverhaltens führen muss. Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich nämlich auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben.

30 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Ein Naheverhältnis liegt bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. zu all dem VwGH 19.9.2017, Ra 2017/01/0258, mwN).

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Rechtssachen, in denen das Verwaltungsgericht - beweiswürdigend gestützt auf die Ausführungen im Bericht der Sicherheitsbehörde (Landesamt für Verfassungsschutz) - zu dem Schluss gelangt ist, dass die Prognose erstellt werden müsse, er sei eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgeführt, dass es sich dabei um eine Beurteilung des Einzelfalles handelt, die sich im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof hiezu aufgestellten Leitlinien zu bewegen hat. Ein krasser Fehler bei der Beweiswürdigung war im dortigen Revisionsfall nicht ersichtlich, zumal die Gefährlichkeitsprognose auf den (eindeutigen) Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz gestützt wurde (vgl. wiederum VwGH 19.9.2017, Ra 2017/01/0258).

32 Eine von den Sicherheitsbehörden geleistete "Amtshilfe" bzw. im Verleihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme entfaltet für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber dann erfüllt, wenn die Behörde die Feststellungen der Sicherheitsbehörde wiedergegeben hat, sich diesen anschloss und aus diesen rechtlich das Vorliegen der angeführten Verleihungshindernisse ableitete (vgl. VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035, mwN).

Fallbezogene Anwendung

33 Die Begründung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Beschluss lässt nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen in der vorliegenden Rechtssache nicht erfüllt wären.

34 Insbesondere erweist sich die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es sei in der vorliegenden Rechtssache durch die Behörde das Parteiengehör verletzt worden, als nicht tragfähig (vgl. zur Wahrung des Parteiengehörs als fundamentaler Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung VwGH 28.3.2018, Ra 2016/11/0085-0086, Rn. 11, mwN).

35 So ergibt sich aus der Beschwerde des Mitbeteiligten an das Verwaltungsgericht, dass diesem "zwei Schreiben" der Landespolizeidirektion (LPD) "übergeben" worden seien, aus denen die Einschätzung der LPD ersichtlich sei. Dieses Vorbringen wird vom Verwaltungsgericht selbst im angefochtenen Beschluss wiedergeben. Die Revisionsbeantwortung geht auf diesen Punkt auch nicht ein.

36 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Behörde ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs dadurch entspricht, dass sie der Partei das schriftlich festgehaltene Ergebnis der Beweisaufnahme zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme binnen einer bestimmten Frist vorhält oder sie zur Akteneinsicht auffordert. Sie ist nicht verpflichtet, der Partei eine einen Bestandteil des Verwaltungsaktes bildende Stellungnahme in Fotokopie zu übersenden, sondern darf - wie erwähnt - das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammenfassend darstellen (vgl. VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035, mwN).

37 Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen ist nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken zulässig.

38 Solche Ermittlungslücken liegen nach dem Obgesagten nicht vor:

39 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit iSd § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich - entgegen der vorliegenden Entscheidung - nicht lediglich auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist (vgl. die von der Amtsrevision angeführte Entscheidung VwGH 25.4.2018, Ra 2018/03/0005).

40 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind. In Anbetracht dessen, dass die Verwaltungsgerichte in ihrer Konzeption nun die erste gerichtliche Tatsacheninstanz sind, haben sie auf Basis von vorhandenen Ermittlungsergebnissen und allfälligen Ergänzungen in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. VwGH 6.4.2016, Ra 2015/08/0077, mwN). Ergebnis

41 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Kostenersatz.

42 Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Verwaltungsgericht - ausgehend von der Beschwerde des Mitbeteiligten - unter anderem damit auseinanderzusetzen haben, ob angesichts der eindeutigen Bezeichnung des Mitbeteiligten als Beschwerdeführer die Beschwerde aufgrund anderer Anhaltspunkte überhaupt - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - auch als Beschwerde der minderjährigen Kinder des Mitbeteiligten anzusehen ist (vgl. zu dieser Problematik bei Erstreckungsverfahren nach § 18 StbG VwGH 19.9.2012, 2010/01/0041).

Wien, am 25. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010325.L00

Im RIS seit

26.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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