Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des Naturschutzbundes N in W, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2018, Zl. W102 2145728- 1/55E, betreffend Genehmigung nach § 17 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. S GmbH in W, 2. W GmbH in W, beide vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 29. November 2016 wurde den mitbeteiligten Parteien gemäß § 17 UVP-G 2000 die UVP-rechtliche Genehmigung betreffend ein Vorhaben zur Errichtung und zum Betrieb einer näher bezeichneten Windparkanlage im vereinfachten Verfahren erteilt.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - die gegen diesen Genehmigungsbescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
3 Das Verwaltungsgericht traf nach Einholung mehrerer Gutachten aus dem Fachbereich "Naturschutz/Ornithologie" unter anderem die Feststellungen, dass der Graureiher als wenig kollisionsgefährdet an Windenergieanlagen gelte. Ein gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko erhöhtes Kollisionsrisiko des Sakerfalken könne mit für die Beurteilung ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Auch für die Wiesenweihe ergebe sich kein gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko erhöhtes Kollisionsrisiko. Insgesamt lasse das Vorhaben keine erheblichen Auswirkungen auf die Vogelwelt, insbesondere auch nicht auf die Wiesenweihe und den Sakerfalken, erwarten.
4 In den diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen nimmt das Verwaltungsgericht auch Bezug auf ein ornithologisches Gutachten, das in einem ein benachbartes Vorhaben betreffenden Verfahren erstellt wurde, und hält dazu fest, dass die dortige Begutachtung weder abgeschlossen noch "gerichtlich gewürdigt" sei.
5 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass das Projektgebiet nicht in einem Natura 2000 Gebiet gelegen sei. Auch ergebe sich aus den Feststellungen, dass es sich nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet handle. Die ornithologische Beurteilung erweise sich nicht als mangelhaft.
6 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 der Behörde die Verpflichtung auferlege, einen Antrag abzuweisen, wenn die Gesamtbewertung ergebe, dass schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten seien, die durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen und übrige Maßnahmen nicht verhindert oder auf ein erträgliches Maß vermindert werden könnten. Das Verwaltungsgericht dürfe auch nicht den Prüfumfang darauf beschränken, ob ein faktisches Vogelschutzgebiet vorliege, ohne auch einen möglichen Verstoß gegen das Tötungsverbot des Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) zu prüfen.
11 Die Revision entfernt sich mit diesem Vorbringen von den oben auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, wonach kein erhöhtes Kollisionsrisiko für die genannten Vogelarten bestehe, und dass das Vorhaben insgesamt gerade keine erheblichen Auswirkungen auf die Vogelwelt, insbesondere auch nicht auf die Wiesenweihe und den Sakerfalken, erwarten lasse. Das Verwaltungsgericht ist ausgehend von den wiedergegebenen Feststellungen zu der rechtlichen Beurteilung gelangt, dass die behördliche Genehmigung zu Recht erfolgt sei.
12 Angesichts dieser gerichtlichen Feststellungen geht das Vorbringen der Revision, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Tötungsverbot auseinandergesetzt, bzw. der Vorwurf der Abweichung von der Rechtsprechung wegen des Vorliegens schwerwiegender Umweltbelastungen ins Leere.
13 Der von der Revision zur Zulässigkeit weiters ins Treffen geführte Verfahrensmangel der Nichtbeachtung amtswegiger Ermittlungspflichten wegen Nichteinbeziehung des Gutachtens aus dem Parallelverfahren liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verwaltungsgericht das von der Revision bezeichnete Gutachten in seinen beweiswürdigenden Ausführungen sehr wohl berücksichtigt hat.
14 Das Verwaltungsgericht hat bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat es jene Gedankengänge aufzuzeigen, die es veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2017/12/0038). Dieser Verpflichtung ist das Verwaltungsgericht mit der Darlegung betreffend die unvollendete Begutachtung durch den dortigen Sachverständigen nachgekommen.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2018
Schlagworte
freie BeweiswürdigungBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisGutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende PrivatgutachtenBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040156.L00Im RIS seit
30.10.2018Zuletzt aktualisiert am
07.01.2019