TE OGH 1984/11/8 8Ob55/84

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Veröffentlicht am 08.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhold A*****, vertreten durch Dr. Rupert Wöll und Dr. Ferdinand Wöll, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Dipl.-Ing. Alfred Ü*****, und 2.) E*****-Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wegen 13.130 S sA (Revisionsstreitwert 4.036 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1982, GZ 32 R 431/81-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 17. August 1981, GZ 10 C 2973/79-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 1.929,39 S (darin 40 S an Barauslagen und 139,95 S an Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 1.298,26 S (darin 96 S an Barauslagen und 109,30 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17. 5. 1979 ereignete sich im Stadtgebiet von Salzburg auf der großflächig ausgebildeten Kreuzung der Gaisbergstraße mit der Fadinger- und Eberhard-Fugger-Straße (im Folgenden: Fugger-Straße) ein Verkehrsunfall, an dem der mit seinem Motorrad der Marke Kawasaki 650 B (*****) auf der Gaisbergstraße stadtauswärts in Richtung Fugger-Straße fahrende Kläger und der mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW Vauxhall Viva SL (*****) von der Fadingerstraße kommende in Richtung Fugger-Straße fahrende Erstbeklagte beteiligt waren. Dabei wurde der Kläger verletzt und entstand an seinem Motorrad ein Schaden von 11.130 S. Die Reparatur des PKW des Erstbeklagten kostete 3.014 S.

Der Kläger begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand den Ersatz des ihm bei diesem Unfall entstandenen Schadens in der Höhe von 13.130 S sA (darin über Schmerzengeld 2.000 S). Den Erstbeklagten treffe das alleinige Verschulden an dem Unfall, weil die Fadingerstraße gegenüber der Gaisbergstraße durch eine Nachrangtafel mit dem Straßenverlauf Gaisbergstraße - Fugger-Straße benachrangt sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil sich der Unfall nicht im Kreuzungsbereich, sondern schon in der Fugger-Straße ereignet habe. Der Kläger habe den Wagen des Erstbeklagten links überholt, obwohl der Erstbeklagte zum Linksabbiegen eingeordnet gewesen sei und die linken Blinker geblinkt hätten. Der Erstbeklagte wendete den an seinem PKW entstandenen Schaden von 3.014 S der Klagsforderung gegenüber aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 13.130 S als zu Recht bestehend und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und sprach daher dem Kläger den Betrag von 13.130 S sA zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es die Forderung des Klägers mit 9.847,50 S als zu Recht bestehend und mit 3.282,50 S als nicht zu Recht bestehend und die Gegenforderung des Erstbeklagten mit 753,50 S als zu Recht bestehend, hingegen mit 2.260,60 S als nicht zu Recht bestehend und die Beklagten daher zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, dem Kläger 9.094 S sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 4.036 S sA wies es ab.

Gegen dieses den Parteien am 16. 5. 1984 zugestellte Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO (idF vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983) gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragten, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die von den Vorinstanzen über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Kreuzung der genannten Straßen erfolgt mit durch Fahrbahnteiler aufgefächerte Einbahnäste. Im Kreuzungsbereich verbreitete sich die Gaisbergstraße kropfartig zur Fugger-Straße hin. Entlang der Fadingerstraße führt die Gaisbergstraße stadtauswärts; auf Höhe der Fadingerstraße ist auch ein nach links abzweigender Fahrbahnast zur Fugger-Straße hin vorhanden. Die Fadingerstraße weitet sich aus ca 10 m Breite zur Kreuzung hin trichterförmig auf 34 m auf; zwischen den beiden Gegenfahrbahnen zur Kreuzung hin ist ein Fahrbahnteiler vorhanden. Daraus ergibt sich für die Zufahrt zur Gaisbergstraße hin eine Breite von rund 11 m; kurz vor dem Schnittpunkt der Straße ist eine Haltelinie angebracht, ca 10 m zurückversetzt befindet sich ein Zebrastreifen und in Anfahrtsrichtung zur Kreuzung hin das Verkehrszeichen „Achtung Vorrang geben“ mit dem Hinweis des Verlaufs des bevorrangten Straßenastes von links kommend (Gaisbergstraße) und auf Höhe der Fadingerstraße zur Fugger-Straße hin abbiegend. Auf der Fadingstraße sind bei Annäherung zur Gaisbergstraße keine Richtungspfeile vorhanden. Die Breite der Straße ist aber so ausgelegt, dass hier drei Spuren vorhanden sind; eine zum Rechtsabbiegen in die Gaisbergstraße (stadtauswärts) und zwei zum „Geradeausweiterfahren“ in Richtung Fugger-Straße. Der rechts der Fadingerstraße gelegene Teil der Gaisbergstraße weitet sich im Kreuzungsbereich trompetenförmig auf ca 40 m auf und der der Fadingerstraße gegenüberliegende Bereich der Fugger-Straße im Kreuzungsbereich trompetenförmig auf 26 m. Von der Fadingerstraße kommend in Richtung Fugger-Straße gesehen befindet sich rechts ein großer dreieckiger und links ein langgezogener ovaler Fahrbahnteiler. Der rechtsseitige Teiler wird ungefähr nach 10 m nach der Haltelinie an der Fadingerstraße erreicht, der linksseitige nach einer Fahrt von ca 16 m. Der Fahrbahnachsenwinkel beträgt etwa 135 Grad, ein ähnlicher Winkel der Achsen ergibt sich aus der Gaisbergstraße stadtauswärts kommend. Der linksseitige Teil der Gaisbergstraße weitet sich im Kreuzungsbereich trompetenförmig auf ca 50 m auf. Zwischen den beiden beschriebenen Fahrbahnteilern ergibt sich eine Fahrbahnbreite von etwa 10 m, die sich langsam auf 7,3 m reduziert. Der Einbahnast der Gaisbergstraße, der zur Fugger-Straße hinführt, ist vor Beginn des unmittelbaren Kreuzungsbereichs 4,5 m breit. Die Sichtverhältnisse sind im Kreuzungsbereich unbehindert.

Der Erstbeklagte hielt seinen PKW in der Fadingerstraße vor der Haltelinie linksseitig eingeordnet an. Dabei war das Linksblinklicht in Tätigkeit. Rechts vom PKW des Erstbeklagten befand sich der PKW des Johann G*****. Von der Position aus, in der sich der Erstbeklagte befand, gelangt man bei einer Weiterfahrt geradeaus in die linke Spur der zwischen den beiden Fahrbahnteilern liegenden Fahrbahn. Der Erstbeklagte hielt sich aber etwas rechtsseitig und steuerte vorerst die rechte Hälfte des Einbahnastes zwischen dessen Fahrbahnteilern an, sodass vorerst auch Johann G***** hinter ihm bleiben musste. Als der Erstbeklagte anfuhr, war das Motorrad des Klägers in seinem Sichtbereich, und zwar ca 60 m von ihm und etwa 70 m von der nachmaligen Kollisionsstelle entfernt; in direkter Sicht gemessen betrug die Entfernung links vom PKW etwa 50 m. Der Kläger setzte seinen Wagen mit normaler Beschleunigung in Bewegung und war nach Überquerung der Haltelinie bis zur Kollisionsstelle 25 m in Bewegung. Etwa 31 m nach der Haltelinie, an der der Erstbeklagte vorerst gestanden war, besteht die Möglichkeit, nach links unter Umfahrung der linksseitigen Verkehrsinsel wieder nach links zur Gaisbergstraße (stadteinwärts) zurückzukehren; dies ist der einzige Weg von der Fadingerstraße stadteinwärts zu fahren. Dieser nach der linksseitigen Verkehrsinsel verlaufende Einbahnast hat eine Breite von 7 m und bildet letztlich die Kreuzung zur Fugger-Straße hin, die sich hier trichterförmig auf etwa 25 m erweitert. Der Erstbeklagte wollte in Richtung Stadt fahren und hielt dabei – wie bereits dargestellt – eine Fahrlinie ein, die ihn nach ca 10 m Fahrt näher zum rechtsseitigen Fahrbahnteiler hin brachte als zum linken; der PKW des Erstbeklagten näherte sich dann über eine Strecke von ca 16 m dem linksseitig gelegenen Fahrbahnteiler. Der Erstbeklagte sah das Motorrad erstmalig, als dieses von der linken Seite seines PKWs knapp 2 m entfernt war. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade im Begriff, in den stadteinwärts führenden Fahrbahnast der Gaisbergstraße einzufahren. Das Linksziehen des Fahrzeugs des Erstbeklagten nützte auch der hinter ihm fahrende G***** aus, um den Wagen des Klägers rechts zu überholen. Bis zur nachmaligen Kollisionsstelle war das Motorrad immer im Sichtbereich des Erstbeklagten, der mit seinem PKW bis zum Unfall eine Geschwindigkeit zwischen 25 und 30 km/h erreichte. Der Kläger näherte sich der Unfallstelle aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h verringernd; er hielt sich vom Beginn der Kreuzung an linksseitig und steuerte schließlich auch die linke Fahrbahnhälfte zwischen den mehrfach beschriebenen, zur Fugger-Straße hin bzw gegenüber der Fadingerstraße gelegenen Fahrbahnteilern an. Im Kreuzungsbereich ist die Fahrweise der Fahrzeuglenker überwiegend so, dass die aus der Gaisbergstraße kommenden Linksabbieger zur Fugger-Straße hin die linke Fahrbahnhälfte benützen, während die aus der Fadingerstraße kommenden Fahrzeuge die rechte Fahrbahnhälfte vorerst ansteuern. Der Kläger sah wohl den PKW des Erstbeklagten vor dem Unfall, als dieser einige Meter über die Haltelinie gefahren war und sich sichtlich zur rechten Fahrbahnhälfte zwischen den Fahrbahnteilern hin bewegte. Der Kläger, der damals einen Schutzhelm trug, konzentrierte seinen Blick in der Folge geradeaus auf den weiteren Verlauf der Fahrbahn. Als der Kläger etwa 35 m vor der Anstoßstelle war, hatte der Erstbeklagte die Haltelinie bereits um 7 m überquert und war er unmittelbar vor dem rechts befindlichen Fahrbahnteiler bzw befand sich der Kläger ca 15 Meter links vom Fahrzeug des Erstbeklagten. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch das tatsächliche Eintauchen des Personenkraftwagens in die bevorrangte Spur, wenn man gedankenmäßig die rechte Straßenbegrenzung des nach links abzweigenden Fahrbahnastes zwischen dem rechten Fahrbahnteiler und der rechten Gehsteigkante der Gaisbergstraße vor der Kreuzung in Anpassung an die linksseitig vorhandene Begrenzung sieht. Ca 10 m vor der Kollisionsstelle überfuhr der Wagen der Erstbeklagten die Mitte des Fahrbahnastes zwischen den Fahrbahnteilern; dies war 1,3 Sekunden vor dem Unfall und war der Kläger nur mehr 15 m von der Kollisionsstelle entfernt. In dieser Position konnte er den Unfall nicht mehr verhindern. Durch bloßes Unterlassen der Linksbewegung wäre es aber dem Erstbeklagten möglich gewesen, den Unfall zu vermeiden. Hätte der Kläger die rechte Fahrbahnhälfte zwischen den Fahrbahnteilern angesteuert, hätte die Fahrweise des Erstbeklagten ohne jeden Zweifel seinen Fahrvorgang gestört. Auch wenn der Kläger die linke Fahrspur benützte und zum Zeitpunkt des Eintauchens des PKWs in den Verlauf der bevorrangten Fahrspur bereits als Gefahr hätte angesehen werden müssen, wäre der Kläger gezwungen gewesen, ein abruptes Fahrverhalten zum Ausgleich vorzunehmen. Vom Anfahren des Personenkraftwagens bis zur Kollision verging eine Zeit von ca 5,4 Sekunden. Der Zusammenstoß ereignete sich im Bereich des Endes des linksseitig gelegenen ovalen Trichters in einem Abstand von ca 1 m vom linken Fahrbahnteiler in Form einer Streifung. Beide Fahrzeuge waren in diesem Zeitpunkt in Bewegung, der PKW des Erstbeklagten in einem Linksabbiegevorgang begriffen, das Motorrad des Klägers in Geradeausfahrt. Die Berührung zwischen den Fahrzeugen bewirkte einen Stoß gegen das Motorrad, sodass der Kläger zu Sturz kam.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Erstbeklagte sich störend in den Fahrkanal des Motorrads begeben und damit den Vorrang des Klägers verletzt habe (§ 19 Abs 3, 4 und 7 StVO). Dabei habe er zusätzlich noch einen Spurwechsel vorgenommen, ohne sich vergewissert zu haben, dass die neue Spur ohne Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer angefahren werden könne (§ 11 StVO). Der Kläger habe gemäß § 3 StVO darauf vertrauen dürfen, dass der Erstbeklagte seinen Vorrang beachten werde. Als der Erstbeklagte etwa eine Sekunde vor dem Unfall die Fahrbahnmitte überfahren habe und für den Kläger die Gefahr erkennbar geworden sei, habe der Kläger eine wirksame Reaktion nicht mehr setzen können.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete die Rechtsrüge teilweise als berechtigt. Im Vordergrund stehe, dass der Erstbeklagte der beim Anfahren den sich nähernden Kläger auf eine Entfernung von etwa 60 m habe sehen können, aus einer Position näher zum rechten Fahrbahnteiler auf der 7,30 m breiten Fahrbahn allmählich nach links bis knapp an den linksseitig gelegenen Fahrbahnteiler gefahren sei, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, insbesondere des Klägers, möglich sei. Dem Erstbeklagten sei daher auch ein Verstoß gegen § 11 Abs 1 StVO als Verschulden zuzurechnen. Der Kläger hingegen sei auf dem linken Fahrstreifen zunehmend in eine Position geraten, in der er den links blinkenden Wagen des Erstbeklagten links überholt habe. Dass der Kläger in dieser bedenklichen Situation ohne deutliche Geschwindigkeitsverminderung oder Abgabe eines Warnzeichens weitergefahren sei, begründe sein Verschulden zu einem Viertel.

Demgegenüber beharrt der Kläger in seiner Revision auf dem Standpunkt, dass den Erstbeklagten das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe. Der Erstbeklagte sei in die Kreuzung zu einem Zeitpunkt eingefahren, als dies ohne Behinderung seines, Klägers, Vorrangs, nicht möglich gewesen sei. Der Erstbeklagte habe in der Folge seine rechte Fahrspur zu einer Zeit verlassen und die Fahrbahnmitte zum Linksabbiegen überfahren, als er, Kläger 10 m von der Kollisionsstelle entfernt war und er den Unfall nicht mehr habe verhindern können. Da er in die linke Fahrspur der zweispurigen Fahrbahn eingefahren sei und sein Vorrang für die gesamte Fläche gelte, könne von einem Linksüberholen keine Rede sein. Der Fahrbahnwechsel und das Linksabbiegen unter Außerachtlassung jeder Vorsicht durch den Erstbeklagten stelle ein so gravierendes Verkehrsvergehen dar, dass eine allfällige unrichtige Einschätzung der Verkehrssituation durch ihn, Kläger, oder ein geringfügiger Reaktionsverzug seinerseits nicht mehr ins Gewicht falle. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

Bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Verkehrsgeschehens ist davon auszugehen, dass der Umfang des Kreuzungsbereichs sich nach den Abgrenzungen der Überschneidungen der Straßen, also der dem Fahrzeug- und Fußgängerverkehr dienenden Landflächen bestimmt (vgl Dittrich-Veit-Schuchlenz I3 Anm 48 zu § 2 StVO). Der Zusammenstoß der Fahrzeuge erfolgte zwischen Fahbahnteilern auf einer Fahrbahn, die für den Verkehr sowohl von der Gaisbergstraße als auch von der Fadingerstraße in die Fugger-Straße bestimmt ist. Der gegenständliche Unfall ereignete sich daher im Kreuzungsbereich. Da in der Fadingerstraße vor der Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ mit einer Zusatztafel über den besonderen Verlauf der Straße mit Vorrang angebracht war, und der Kläger diesem Straßenverlauf folgte, besteht kein Zweifel, dass der Kläger dem Erstbeklagten gegenüber gemäß § 19 Abs 4 StVO im Vorrang war. Eine Vorrangverletzung im Sinne dieser Bestimmung liegt dann vor, wenn der Wartepflichtige im Zeitpunkt des Einfahrens in die Kreuzung in der Lage war, zu erkennen, dass er gegenüber einem anderen Fahrzeug wartepflichtig ist. Im vorliegenden Fall waren die Sichtverhältnisse im Kreuzungsbereich unbehindert; bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Erstbeklagte zur Zeit seines Einfahrens in die Kreuzung den mit seinem Motorrad herannahenden Kläger auch tatsächlich wahrnehmen können. Nach § 19 Abs 7 StVO darf der im Nachrang befindliche Verkehrsteilnehmer in eine bevorrangte Straße nur einfahren, wenn er durch gehörige Beobachtung des bevorrangten Verkehrs in seiner tatsächlichen Gestaltung, also selbst unter Bedachtnahme auf eine überhöhte Geschwindigkeit des Vorrangberechtigten, sich die Gewissheit verschafft hat, dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung eines bevorrangten Verkehrsteilnehmers unternehmen zu können (ZVR 1978/146, 1979/66 uva). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Erstbeklagte in die Kreuzung eingefahren, als der Kläger unter Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h noch ca 60 m von ihm entfernt war. Da der Kläger die Absicht hatte, nach dem links gelegenen Fahrbahnteiler nach links einzubiegen, um stadteinwärts in die Gaisbergstraße weiterzufahren und er dabei die Fahrlinie des Motorrads jedenfalls queren musste, hätte er unter Bedachtnahme auf die vom Kläger eingehaltene Geschwindigkeit, der ein Sekundenweg von 13,9 m entspricht, und seine Verpflichtung, durch sein Fahrmanöver bis zu dessen Beendigung den Vorrangberechtigten nicht in der im Gesetz dargestellten Weise zu behindern (ZVR 1982/51), den Kläger entweder vorbeifahren lassen müssen, oder aber in die Kreuzung nur so einfahren dürfen, dass er den Kläger nicht zu einem unvermittelten Bremsen oder Auslenken genötigt hätte. Da der Erstbeklagte aber unter Missachtung des bevorrangten Verkehrs die Kreuzung durchfahren hat, wurde ihm vom Erstgericht mit Recht ein Verstoß gegen die Vorrangbestimmung des § 19 Abs 4 StVO angelastet. Dem Erstgericht ist aber auch darin beizupflichten, dass der Kläger die Fahrweise des Erstbeklagten, der in die Kreuzung im Bereich der rechten Fahrspur einfuhr, nicht im bedenklichen Sinn auslegen musste, weil er vorerst darauf vertrauen durfte, der PKW-Lenker werde seinen Vorrang wahren (§ 3 StVO). Gegenüber dieser ein grobes Verschulden darstellenden Vorrangverletzung tritt der Umstand, dass der Kläger, als er den Linkszug des Fahrzeugs bemerkte, ein Warnzeichen hätte abgeben können, derart in den Hintergrund, dass keine Veranlassung besteht, dem Kläger ein Mitverschulden anzulasten oder ihn zum Schadensausgleich im Sinne des § 11 EKHG heranzuziehen.

Die Revision erweist sich daher als berechtigt, weshalb das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E123044

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00055.840.1108.000

Im RIS seit

31.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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