Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter G***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. April 2018, GZ 16 Hv 129/17v-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch B/2 zugrunde liegenden Tat nach § 206 Abs 3 vierter Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter G***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A), mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B/1), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB (B/2), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach „§§ 15, 206 Abs 1 StGB“ (B/3) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in Gr*****
(B/2) „zwischen Sommer 2013 und 2014“ (US 4) mit einer unmündigen Person, nämlich der am 28. Oktober 2002 geborenen Sarah S*****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende gleichgeschlechtliche Handlung unternommen, indem er mit seinem erigierten Penis in ihren Mund eindrang, ihren Kopf nach vorne und zurück bewegte und schließlich in ihren Mund ejakulierte, womit eine besondere Erniedrigung des Opfers einherging.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Subsumtion nach § 206 Abs 3 vierter Fall StGB richtet sich die aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Im Ergebnis zu Recht wendet sich die Subsumtionsrüge gegen die Unterstellung der dem Schuldspruch B/2 zugrundeliegenden Tat (auch) unter den Qualifikationstatbestand des § 206 Abs 3 StGB idF BGBl I 2013/116.
Die Strafgesetze sind auf Taten anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten begangen wurden. Auf früher begangene Taten sind sie dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Tatzeit gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren (§ 61 StGB).
Der Qualifikationstatbestand der „besonderen Erniedrigung“ war in der bis zum 31. Juli 2013 in Geltung gestandenen Fassung des § 206 Abs 3 StGB nicht enthalten, sondern wurde erst durch BGBl I 2013/116 in die auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung geltende Fassung des § 206 Abs 3 StGB aufgenommen. Diese Gesetzesänderung trat mit 1. August 2013 in Kraft.
Der Frage, ob die Tat bis zum oder nach dem 31. Juli 2013 begangen wurde, kommt somit entscheidungswesentliche Bedeutung zu.
Auf Basis der Feststellungen, wonach die vom Schuldspruch B/2 umfassten geschlechtlichen Handlungen „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Sommer 2013 und 2014“ (US 4) gesetzt wurden, lässt sich dies nicht beurteilen. Damit bleibt aber auch offen, ob sich Urteilszeitrecht und Tatzeitrecht tatsächlich voneinander unterscheiden, womit einem allfälligen Günstigkeitsvergleich (§ 61 zweiter Satz StGB) die Basis fehlt.
Der dargestellte Subsumtionsfehler (Z 10) führte bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e StPO).
Sollte sich der Tatzeitpunkt im zweiten Rechtsgang nicht im rechtlich relevanten Umfang bestimmen lassen, wird auf der Feststellungsebene von dem für den Angeklagten günstigeren Tatzeitpunkt auszugehen sein (RIS-Justiz RS0131758).
Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht zum Schuldspruch B/3 nach den diesbezüglichen Konstatierungen (US 4) zu Unrecht vom Deliktsstadium des Versuchs (§ 15 StGB) ausging (US 6), weil die Tat mit der (vom tatbestandsgemäßen Vorsatz getragenen) Berührung des Anus der Unmündigen mit dem Penis des Angeklagten vollendet war (vgl RIS-Justiz RS0095118 [T5] und RS0115581 [T2]). Dieser – im Übrigen nicht zum Nachteil des Angeklagten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) wirkende – Rechtsfehler hat aber schon deshalb auf sich zu beruhen, weil die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung (nicht die Subsumtion, sondern bloß) die Strafbemessung betrifft (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122137 und RS0122138) und der Strafausspruch ohnedies von der Aufhebung umfasst ist.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Beschwerdeführer auf die Aufhebung dieses Ausspruchs zu verweisen.
Zur Entscheidung über die angemeldete (aber nicht ausgeführte) Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (ON 18 S 6) waren die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E123036European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00102.18A.1010.000Im RIS seit
31.10.2018Zuletzt aktualisiert am
31.10.2018