TE Lvwg Erkenntnis 2017/4/6 LVwG-2016/18/0733-5

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Veröffentlicht am 06.04.2017
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Entscheidungsdatum

06.04.2017

Index

27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO §16 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alois Huber über die Beschwerde des AA, Z, gegen den Bescheid der BB vom 26.11.2015, Zahl ****, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Beschwerdeverhandlung,

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als dem Beschwerdeführer neben der bereits mit Bescheid der BB, Abteilung 1, vom 11.06.2015 zu **** zugesprochenen Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO für seine in der Strafsache **** des Landesgerichtes Z gegen CC erbrachten anwaltlichen Leistungen in der Höhe von brutto Euro 26.373,60 weitere Euro 24.290,60 brutto zugesprochen werden.

Das darüberhinausgehende Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Bescheid der BB vom 11.06.2015 zu Zahl **** lautet bis zur Rechtsmittelbelehrung wie folgt:

„B E S C H E I D

Der Ausschuss der BB hat in seiner Sitzung vom 11.06.2015 unter dem Vorsitz des Präsidenten der BB DD und der weiteren Mitglieder EE, FF, GG und JJ über den von Herrn Rechtsanwalt AA am 04.12.2014 gemäß § 16 Abs 4 RAO gestellten Antrag auf Gewährung einer Pauschalvergütung nach §§ 16 Abs 4, 45 RAO idgF, als bestellter Verfahrenshelfer im Verfahren **** des Landesgerichtes Z für CC beschlossen:

S p r u c h

1.   Die dem Antragsteller Herrn AA zustehende Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO für seine in der Strafsache **** Landesgericht Z betreffend CC erbrachten anwaltlichen Leistungen im Kalenderjahr 2014 wird mit einem Betrag von EUR 21.978,00 zuzüglich 20 % Ust, sohin mit brutto EUR 26.373,60

bestimmt.

2.   Auf diesen Betrag wurde dem Antragsteller mit Bescheid der BB vom 05.06.2014 ein Kostenvorschuss in Höhe von EUR 5.000,00 zuzüglich 20 % Ust, sohin in Höhe von EUR 6.000,00 bereits ausbezahlt und ist dieser Kostenvorschuss auf die zu Punkt 1. bestimmte Vergütung anzurechnen.

3.   Das Mehrbegehren in der Höhe von brutto EUR 163.465,45 wird abgewiesen.

H i n w e i s

Für den Fall, dass die vom Bundesministerium für Justiz in den nach § 47 Abs 5 RAO zu erlassenden Verordnungen betreffend das Kalenderjahr 2014 festgesetzten und der BB tatsächlich zugezählten Mittel geringer sind, als jene Vergütung, die mit diesem Bescheid bestimmt wurde, behält sich die BB die amtswegige Behebung dieses Bescheides und die Rückforderung ausbezahlter Beträge mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl ausdrücklich vor. Insoweit ist ein gutgläubiger Verbrauch zur Auszahlung gelangender Beträge ausdrücklich ausgeschlossen.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 06.07.2015 rechtzeitig Vorstellung erhoben. In dieser Vorstellung führte der Beschwerdeführer eingangs aus, dass der angeführte Bescheid insofern angefochten werde, als das Mehrbegehren des Antragstellers in dem über Euro 26.373,60 (zugesprochener Betrag) hinausgehenden Betrag von Euro 44.764,59 abgewiesen worden sei. Inhaltlich führte der Beschwerdeführer in dieser Vorstellung zudem aus, dass er in der Strafsache **** des Landesgerichtes Z mit Bescheid des Ausschusses der BB vom 11.10.2013 zu **** für CC zum Verteidiger im Sinne des § 61 Abs 2 StPO bestellt worden sei.

Innerhalb eines Jahres seit der Bestellung des Beschwerdeführers zum Verfahrenshelfer habe er die im Kostenverzeichnis vom 04.12.2014 detailliert ausgewiesenen Leistungen erbracht. Insbesondere habe er am 24.10.2013 die zeitaufwendige und umfangreiche Gegenäußerung zur Anklageschrift eingebracht, in der Zeit vom 28.10.2013 bis 06.12.2013 acht Verhandlungstage in der Gesamtdauer von 33 Stunden und 26 Minuten verrichtet und nach Verlängerung der Rechtsmittelfrist um 13 volle Wochen am 02.06.2014 die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie am 30.06.2014 die Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft eingebracht.

Der durch die Rechtsprechung des VwGH gedeckten Rechtsansicht im angefochtenen Bescheid, wonach sich die Angemessenheit der Sonderpauschalvergütung nicht an der Höhe der Vergütung, die ein frei gewählter Verteidiger erhalten würde, orientiere, werde zugestimmt. Einem Abschlag von 25 %, wie im angefochtenen Bescheid vorgenommen, werde nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich der Höhe der Vergütung für die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung sei anzuführen, dass Art und Umfang der Angelegenheit überdurchschnittlich gewesen sei, zumal insbesondere die Rechtsmittelfrist um 13 Wochen verlängert worden sei. Die Auffassung im angefochtenen Bescheid, dass ein frei gewählter Verteidiger für die Verfassung eines Rechtsmittels in einer derart umfangreichen Strafsache nur das Zwanzigfache des Tarifansatzes nach AHK als Vergütung erzielen könne, sei nicht begründet und schlichtweg nicht nachvollziehbar. Tatsächlich würden für eine Nichtigkeitsbeschwerde in vergleichbaren Strafverfahren, insbesondere wegen des damit verbundenen enormen Zeitaufwandes (vor allem bei der Ausarbeitung des Nichtigkeitsgrundes der Ziffer 5 des § 281 Abs 1 StPO), durchaus Honorare von Euro 60.000,00, sohin mehr als das Dreißigfache des Tarifansatzes nach AHK, erzielt. Es sei daher das Dreißigfache des Tarifansatzes nach AHK angemessen.

Bei einem Tarifansatz nach AHK von

Euro 1.465,20 x 30 würden sich                                                 Euro               43.956,00

abzüglich 25 %                                                                     Euro               - 10.989,00

Zwischensumme                                                                      Euro               32.967,00

zuzüglich 20 % USt in der Höhe von                                            Euro               6.593,40

somit insgesamt                                                                    Euro               39.560,40

errechnen.

Abzüglich des getätigten Zuspruches von                                      Euro               - 26.373,60

würden restlich für die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung         Euro               13.186,80

verbleiben.

Überdies seien im Hinblick auf das angeführte Erkenntnis des VwGH zu Zahl 2009/06/0263 zusätzlich zu dieser Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auch alle sonstigen Leistungen angemessen zu vergüten, weil der im ersten Satz des § 16 Abs 4 RAO formulierte Schwellenwert von 50 Stunden durch die Verlängerung der Rechtsmittelfrist nach § 285 Abs 2 StPO um 80 Stunden überschritten worden sei.

Im Einzelnen würde es sich dabei um folgende Leistungen (Bemessungsgrundlage bis 26.05.2014: Euro 17.440,00; ab 27.05.2014: Euro 20.900,00) handeln:

24.10.2013      Gegenäußerung zur Anklageschrift TP3A                         Euro             413,80

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             206,90

20.11.2013      Antrag auf Aktenkopie TP1                                        Euro             44,60

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             22,30

22.11.2013      Kommission LG Z – Akteneinsicht 1/2 TP7/2                    Euro             137,60

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             68,80

26.11.2013      Stellungnahme TP3A                                                Euro             413,80

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             206,90

06.12.2013      Hauptverhandlung vom

                  28.10.2013 bis 06.12.2013 67/2                                 Euro             12.410,00

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             6.205,00

09.12.2013      Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung          Euro             209,00

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             104,50

19.12.2013      Kommission Landesgericht Z –

                  Akteneinsicht 1/2 TP7/2                                          Euro             137,60

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             68,80

17.02.2014      Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist TP3A         Euro             413,80

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             206,90

30.06.2014      Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde und

                  Berufung der Staatsanwaltschaft                                Euro             814,00

                  Einheitssatz 50 %                                                 Euro             407,00

netto                                                                            Euro             22.491,30

zuzüglich 20 % Zuschlag nach § 4 AHK in der Höhe von Euro                                                                 4.498,26

und eines dreißigprozentigen Erfolgszuschlages nach § 12 AHK von Euro                                                                 8.096,87

würde sich ein Betrag von Euro                                                                 35.086,43

zuzüglich 20 % USt von Euro                                                                 7.017,29

von insgesamt  Euro                                                                 42.103,72

ergeben.

Abzüglich eines Abschlages von 25 % in der Höhe von Euro                                                                 - 10.525,93

und der zusätzlichen angemessenen Vergütung für das

Rechtsmittel in der Höhe von Euro                                                                 13.186,80

würde sich eine Gesamtsumme der noch zuzusprechenden

Vergütung in der Höhe von Euro                                                                 44.764,59

errechnen.

Mit Bescheid des Plenums des Ausschusses der BB vom 26.11.2015 zu Zahl **** wurde der Vorstellung keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

In dieser Beschwerde wird ausgeführt wie in der bereits angeführten Vorstellung gegen den angefochtenen Bescheid des Ausschusses der BB vom 11.06.2015. Wiederum wurde dabei der Antrag gestellt, dass dem Beschwerdeführer ein weiterer Betrag von Euro 44.764,59 an Sonderpauschalvergütung zugesprochen werden möge.

Der Beschwerde kam teilweise Berechtigung zu:

Bei der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer einvernommen und der gegenständliche Akt der BB zu Zahl **** dargetan.

Soweit der Beschwerdeführer eingangs der durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung die Beschwerde dahingehend auszudehnen versuchte, als der Antrag auf Zuerkennung einer Sonderpauschalvergütung nunmehr in einem zusätzlichen Betrag von Euro 163.465,45 verlangt wurde, ist Folgendes auszuführen:

Diese versuchte Ausdehnung war nicht zulässig, zumal der Beschwerdeführer den Bescheid des Ausschusses der BB vom 11.06.2015 mit seiner Vorstellung nur insofern angefochten hat, als ihm nicht zusätzlich zum bereits zuerkannten Betrag in der Höhe von Euro 26.373,60 weitere Euro 44.764,59 zugesprochen worden sind. Entgegen der in der Beschwerdeverhandlung vertretenen Auffassung des Beschwerdeführers, dass durch die Erhebung der Vorstellung der angefochtene Bescheid des Ausschusses der BB vom 11.06.2015 vollständig außer Kraft getreten wäre, ist anzuführen, dass dieses als „Vorstellung“ bezeichnete Rechtsmittel aufsteigend ist und in keiner Weise mit einer Vorstellung nach § 57 Abs 2 AVG vergleichbar ist, bei dem ein Bescheid ohne vorheriges Ermittlungsverfahren ergeht und dieser außer Kraft tritt, wenn die Behörde nicht binnen 2 Wochen das Ermittlungsverfahren einleitet.

Wie schon gesagt, handelt es sich jedoch bei der „Vorstellung“ im gegenständlichen Fall um ein echtes aufsteigendes Rechtsmittel. Der Bescheid des Ausschusses der BB vom 11.06.2015 ist daher durch die Erhebung der Vorstellung nicht außer Kraft getreten und ist auf Grund des Umstandes, dass dieser Bescheid nur teilweise angefochten worden ist, hinsichtlich des nicht bekämpften Teiles Rechtskraft eingetreten. Infolge dessen war es nicht zulässig, die Beschwerde insofern auszudehnen, als nunmehr insgesamt ein weiterer Betrag von Euro 163.465,45 begehrt worden ist.

Gegenstand war lediglich, ob dem Beschwerdeführer zusätzlich zum bereits erfolgten Zuspruch in der Höhe von brutto Euro 26.373,60 weitere Euro 44.764,59, wie in der Vorstellung beantragt, zuzusprechen sind oder nicht. Damit ist der Verfahrensgegenstand eindeutig abgegrenzt.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer für Frau CC im Verfahren **** des Landesgerichtes Z unter anderem wegen betrügerischer Krida und Untreue im Oktober 2013 zum Verfahrenshelfer bestellt worden ist. Weiters ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer dabei die von ihm im Kostenverzeichnis aufgelisteten Tätigkeiten in diesem Verfahren verrichtet hat, wobei für die Tätigkeiten im Jahr 2013 ein Antrag nach § 16 Abs 4 Rechtsanwaltsordnung erstmals bereits am 28.03.2014, und somit rechtzeitig, bei der BB gestellt worden ist.

Auch ist unstrittig, dass in dieser Angelegenheit am 06.12.2014 das Urteil verkündet worden ist und auf Antrag des Beschwerdeführers die Frist von 4 Wochen zur Ausfertigung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bis zum 04.06.2015 verlängert worden ist, wodurch es insgesamt, gerechnet ab der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils, zu einer Verlängerung der Rechtsmittelfrist um 13 Wochen gekommen ist. Die Nichtigkeits-beschwerde, verbunden mit der Berufung, wurde sodann auch vom Beschwerdeführer innerhalb der verlängerten Frist ausgeführt. Zudem wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer zusätzlich eine Gegenausführung zur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit erstattet hat.

§ 16 Abs 3 der Rechtsanwaltsordnung idgF lautet wie folgt:

„Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs 4 besteht.“

§ 16 Abs 4 der geltenden Rechtsanwaltsordnung lautet wie folgt:

„In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwalts ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die vom Rechtsanwalt in seinem Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeitlichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten.“

Von der BB wird die Meinung vertreten, dass nur jene Leistungen nach § 16 Abs 4 der Rechtsanwaltsordnung eine besondere Vergütung erhalten würden, die ab dem Überschreiten der Schwellengrenze erbracht würden, sodass die Leistungen des Beschwerdeführers vor Verlängerung der Rechtsmittelfrist durch das Gericht nicht zu vergüten wären. Damit wären sämtliche vorherigen Tätigkeiten des Beschwerdeführers, also insbesondere die Verrichtung der Hauptverhandlung im Ausmaß von 67 halben Stunden, nicht zu honorieren.

Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.05.2010 zu Zahl 2009/06/0263 – eine Angelegenheit, die beim Plenum des Ausschusses der BB anhängig gewesen ist – wurde der Bescheid dieser Behörde hinsichtlich eines abweislichen Teiles in einem Betrag von Euro 28.891,20 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Inhaltlich führte der Verwaltungsgerichtshof dazu an, dass entscheidend für die Lösung der Rechtsfrage sei, ob der neu eingeführte Schwellenwert des § 16 Abs 4 RAO lediglich dann Anwendung finden solle, wenn der Schwellenwert des ersten Satzes nicht erreicht werde, oder ob beide Voraussetzungen der Sondervergütung kumulativ Anwendung finden würden. Schon der bloße Gesetzeswortlaut spreche für eine Kumulierung, weil eine einschränkende Formulierung in dem Sinn, dass Satz 2 dann greife, wenn die Voraussetzung nach Satz 1 nicht vorliege, nicht gewählt worden sei. Zusammengefasst bedeute nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Anrechnungsregel im § 16 Abs 4, zweiter Satz, RAO „ist … gleichzuhalten“ nichts anderes als eine entsprechende Berücksichtigung bei der Ermittlung der Zahl der Verhandlungstage bzw -stunden, an denen der Verfahrenshelfer quasi „unentgeltlich“ tätig sein müsse. Dies bedeute, dass sämtliche (im dortigen Fall) auch die zwischen dem 21.11.2007 und dem 25.02.2008 – die ersten 10 Verhandlungstage – erbrachten Leistungen zu honorieren seien, weil durch die nach § 16 Abs 4, zweiter Satz, RAO anrechenbaren (90) Verhandlungsstunden der im ersten Satz dieser Bestimmung formulierte Schwellenwert bereits überschritten worden sei.

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof eindeutig ausgesprochen, dass nicht nur die nach Bewilligung der Verlängerung der Rechtsmittelfrist verrichteten Tätigkeiten eines Verfahrenshelfers zu vergüten sind, sondern alle Tätigkeiten, die der Verfahrenshelfer in einem solchen Verfahren verrichtet hat. Auch der Umstand, dass nach diesem Erkenntnis die Textierung des § 16 Abs 4 RAO um den Satz: „Im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die vom Rechtsanwalt in seinem Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeitlichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen“, ergänzt worden ist, macht das angeführte Erkenntnis des VwGH nicht obsolet, da aus der Neutextierung in keiner Weise ableitbar ist, dass die vorhergehenden Leistungen nicht zu vergüten wären.

Dadurch hat der Beschwerdeführer weiters Anspruch auf folgende von ihm aufgelisteten Tätigkeiten, welche entsprechend den Bestimmungen der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) in Verbindung mit dem Rechtsanwaltstarifgesetz der Höhe nach richtig verzeichnet worden sind:

24.10.2013      Gegenäußerung zur Anklageschrift TP3A                         Euro             413,80

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             206,90

20.11.2013      Antrag auf Aktenkopie TP1                                        Euro             44,60

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             22,30

22.11.2013      Kommission LG Z – Akteneinsicht 1/2 TP7/2                    Euro             137,60

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             68,80

26.11.2013      Stellungnahme TP3A                                                Euro             413,80

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             206,90

06.12.2013      Hauptverhandlung vom

                  28.10.2013 bis 06.12.2013 67/2                                 Euro             12.410,00

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             6.205,00

09.12.2013      Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung          Euro             209,00

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             104,50

19.12.2013      Kommission Landesgericht Z –

                  Akteneinsicht 1/2 TP7/2                                          Euro             137,60

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             68,80

17.02.2014      Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist TP3A         Euro             413,80

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             206,90

30.06.2014      Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde und

                  Berufung der Staatsanwaltschaft                                Euro             814,00

                  50 % Einheitssatz                                                 Euro             407,00

zusammen                                                                     Euro             22.491,30

(Übertrag)                                                                Euro             22.491,30

angemessener 20 %iger Zuschlag nach § 4 AHK Euro                                                                 4.498,26

Zwischensumme  Euro                                                                 26.989,56

abzüglich 25 % Abschlag Euro                                                                 - 6.747,39

Zwischensumme  Euro                                                                 20.242,17

zuzüglich 20 % Umsatzsteuer Euro                                                                 4.048,43

Gesamtbetrag brutto Euro                                                                 24.290,60

Zur Nichtigkeitsbeschwerde verbunden mit der Berufung ist auszuführen, dass das Plenum des Ausschusses der BB nachvollziehbar davon ausgegangen ist, dass diese Leistung nach § 4 AHK mit dem Multiplikator 20 zu versehen ist. Dass die Leistungen mit dem Multiplikator 30 zu multiplizieren seien, wie dies der Beschwerdeführer moniert, lässt sich auch in Anbetracht des sicherlich sehr umfangreichen Akteninhaltes und der Schwierigkeit der Materie nicht rechtfertigen. Letztlich kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass die Anwendung eines Multiplikators in der Höhe von 20 nicht der gegebenen Sachlage entsprechen würde.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol schließt sich daher diesbezüglich der Ansicht des Plenums des Ausschusses der BB an.

Gleiches gilt für die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer kein Erfolgszuschlag gebühre. Nach § 12 der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) kann ein Erfolgszuschlag verrechnet werden insbesondere, wenn das Verfahren eingestellt wird oder das Urteil auf Freispruch lautet oder ein wegen eines Verbrechens Angeklagter wegen eines Vergehens oder eines mit einem niedrigeren Strafsatz bedrohten Verbrechens verurteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Überdies ist anzuführen, dass das Strafverfahren ohnehin nicht abgeschlossen ist, sondern dieses auf Grund des Umstandes, dass das Ersturteil vom Obersten Gerichtshof behoben worden ist, wieder beim Landesgericht Z anhängig ist. Wie das Strafverfahren schlussendlich ausgehen wird, ist ungewiss und kann die Frage, ob ein Erfolgshonorar zusteht oder nicht, erst beantwortet werden, wenn das Strafverfahren tatsächlich rechtskräftig beendet ist. In einem solchen Fall käme wohl auch ein nachträglicher Zuspruch eines Erfolgshonorars im Sinne des § 16 Abs 4 RAO in Betracht.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision war im gegenständlichen Fall nicht zulässig, zumal zur Frage, ab welchem Zeitpunkt bzw für welche Leistungen eines Verfahrenshelfers eine Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO zuzusprechen ist, insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Zahl 2009/06/0263 und auch zu Zahl 2011/01/0146 ergangen ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Alois Huber

(Richter)

Schlagworte

Sondervergütung nach § 16 Abs 4 RAO;

Anmerkung

Mit Erkenntnis vom 10.10.2018, Z Ra 2017/03/0061 bis 0062-5 wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 06.04.2017, Z LVwG-2016/18/0733-5, erhobene außerordentliche Revision des Erstrevisionswerbers zurück und hob aufgrund der außerordentlichen Revision der zweitrevisionswerbenden Partei das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.18.0733.5

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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