TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/26 LVwG-AV-1204/001-2015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

ÄrzteG 1998 §54 Abs1
ÄrzteG 1998 §54 Abs2
ÄrzteG 1998 §136 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 18. März 2015, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als die im angefochtenen Erkenntnis festgesetzte Geldstrafe auf den Betrag von 2.500,-- Euro herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

ad 1.:    - § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

ad 2.:    - § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)

         - Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.   Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Mit Schreiben des Disziplinaranwaltes beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer vom 11. Juni 2014 beantragte der Disziplinaranwalt beim
Stv.-Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, Herrn A, betreffend den Vorwurf der Begehung eines Disziplinarvergehens wegen Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht.

Zu Grunde liegt dem eine am 17. Oktober 2013 beim Disziplinaranwalt eingelangte Anzeige betreffend ein Schreiben des Beschwerdeführers an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn wegen Anregung einer amtsärztlichen Untersuchung hinsichtlich der Fahrfähigkeit von Herrn C und Information des Jugendamtes hinsichtlich einer Gefährdung des Sohnes von Herrn C.

Mit Beschluss der Disziplinarkommission vom 23. Juni 2014 wurde gegen den Beschwerdeführer das Disziplinarverfahren eingeleitet und eine mündliche Verhandlung angeordnet.

1.2. Die Disziplinarkommission führte am 15. Oktober 2014, 12. November 2014, 11. Februar 2015 und 18. März 2015 Verhandlungen durch. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsanwalt zur Sache befragt und es wurde Herr C als Zeuge einvernommen.

Mit am 18. März 2015 mündlich verkündetem und in Folge schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:

„Der Disziplinarbeschuldigte ist schuldig. Er hat als vom LG *** bestellter Sachverständiger nach einer Befundaufnahme in seiner Ordination mit C den Amtsarzt der BH Hollabrunn mit Schreiben vom 30.08.2013 davon informiert, dass der Untersuchte bedeutende Psychopharmaka nehme und in Psychotherapie stehe sowie

über Impulsdurchbrüche berichtet habe, und den Amtsarzt aufgefordert, die Fahrfähigkeit des Untersuchten zu überprüfen und das zuständige Jugendamt davon zu informieren, dass eine Gefahr für den Sohn des Untersuchten durch Aggressionshandlungen zu befürchten sei. Er hat dadurch gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 54 Abs 1 ÄrzteG verstoßen und damit das Disziplinarvergehen des § 136 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit § 54 Abs 1 ÄrzteG begangen.

Er wird hiefür nach § 139 Abs 1 Z 2 ÄrzteG zu einer Geldstrafe von € 5000,00 verurteilt.

Gemäß § 163 Abs 1 ÄrzteG hat der Disziplinarbeschuldigte die mit € 1.000,00 bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen.“

Begründend wurde von der Behörde zur Schuldfrage insbesondere Folgendes ausgeführt:

„Ein Rechtfertigungsgrund zur Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht lag nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrtüchtigkeit des Herrn C beeinträchtigt war, hat die Untersuchung nicht ergeben und schon gar keine Anhaltspunkte dafür, dass das Kindeswohl seines Sohnes gefährdet wäre. Ganz allgemein aus einem aggressiven Verhalten gegenüber dem untersuchenden Arzt im Rahmen einer Untersuchungssituation darauf zu schließen, dass jemand auch gefährliche Aggressionen gegenüber seinen Kindern zeigen würde, ist nicht zulässig. Dass die von Herrn C eingenommen Psychopharmaka tatsächlich seine Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigt haben, dafür gab es ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Psychopharmaka waren ärztlich verordnet und ohne nähere Abklärung der genauen Medikation und der Verordnung hätte der Disziplinarbeschuldigte eine solche Schlussfolgerung nicht ziehen dürfen.“

Außerdem wurde im Rahmen der Feststellungen festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Schreiben an den Amtsarzt am Zeugen wegen dessen (aus Sicht des Beschwerdeführers) ungebührlichen Verhaltens rächen habe wollen.

Zur Strafbemessung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die bisherige Unbescholtenheit mildernd und kein Umstand erschwerend zu berücksichtigen gewesen sei. Da es sich bei der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht um ein besonders hohes Rechtsgut handle, sei sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Gründen eine der Schuld angemessene empfindliche Geldstrafe zu verhängen. Bei der Festsetzung der Verfahrenskosten seien – ebenso wie bei der Strafbemessung – die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers, soweit erschließbar, zu berücksichtigen gewesen, sowie der überdurchschnittliche Verfahrensaufwand in Form mehrerer Verhandlungstage.

1.3. Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsanwalt Beschwerde, wobei im Wesentlichen wie folgt ausgeführt wurde:

Das gesamte Verfahren sei wegen mangelnden Parteiengehörs nichtig, weil der Beschwerdeführer vom Disziplinaranwalt zur Stellungnahme mittels E-Mails aufgefordert worden sei, was ohne Zustimmung des Untersuchten die ärztliche Verschwiegenheit verletzen würde.

Des Weiteren verkenne die Behörde, dass für den Beschwerdeführer als vom Gericht bestellten Sachverständiger von vorneherein keine ärztliche Schweigepflicht bestehe bzw. seien lediglich Informationen von einer der Verschwiegenheit unterliegenden Person an eine andere der Verschwiegenheit unterliegenden Person weitergegeben worden. Entgegen dem Erkenntnis sei der genaue Untersuchungshergang relevant, weil der Untersuchte ohne ersichtlichen Grund ansatzlos zu toben begonnen habe, weshalb es nicht mehr möglich gewesen sei, wesentliche Informationen in Erfahrung zu bringen. Die Untersuchung habe auch lediglich im Rahmen des gerichtlichen Auftrages erfolgen dürfen. Für den Beschwerdeführer sei es zwingend gewesen, das Gefährdungspotential des Untersuchten einer näheren Prüfung zu unterziehen, vor allem auf Grund des gezeigten Aggressionspotentiales im Zusammenwirken mit der vom Untersuchten selbst angegebenen aggressionsfördernden Medikation.

Sollte für den Beschwerdeführer eine Verschwiegenheitspflicht bestanden haben, würden die gesetzlichen Ausnahmetatbestände zur Anwendung gelangen. Ereignisse wie der Absturz der Germanwings und die Amokfahrt in Graz würden zeigen wie wichtig diese Ausnahmen seien.

Hinsichtlich der Strafbemessung sei das Einkommen des Beschwerdeführers nicht erfragt worden. Vor allem in Ansehung des vorliegenden Sachverhaltes und des Beweggrundes des Beschwerdeführers sei die Strafe überhöht. Das Höchststrafausmaß liege zudem bei 2.180,-- Euro.

1.4. Der Disziplinaranwalt führte in seiner Stellungnahme zur Beschwerde im Wesentlichen Folgendes aus:

Die vor Erhebung des Einleitungsantrages gewährte Möglichkeit zur Stellungnahme sei gesetzlich nicht vorgesehen und es hätte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme auch postalisch einbringen können. Die ärztliche Schweigepflicht stehe einer solchen Stellungnahme zur Verteidigung nicht entgegen. Das Parteiengehör sei auch dadurch gewahrt, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt habe, vor und in der Verhandlung Stellung zu nehmen.

Von der Verschwiegenheit sei der Beschwerdeführer als Sachverständiger nur gegenüber dem beauftragenden Gericht entbunden und es sei das Berufsgeheimnis auch gegenüber Kollegen und anderen der Verschwiegenheit unterliegenden Personen zu wahren. Dass der Untersuchte ohne ersichtlichen Grund zu toben begonnen habe, lasse sich so aus der Aussage des Beschwerdeführers nicht ableiten. Die Durchbrechung der Verschwiegenheit würde auch die unbedingte Erforderlichkeit erfordern. Es sei daher schon die Rechtmäßigkeit der Meldung an die Verkehrsbehörde höchst zweifelhaft, jedenfalls aber hätte die Meldung an den Jugendwohlfahrtsträger unterbleiben müssen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr des Kindes vorgelegen sei. Die Beschwerdeausführungen würden deutlich das mangelnde Rechts- und Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers zeigen. Der Beschwerdeführer habe aus Ärger, nicht aber aus Sorge um das Kindeswohl, die Anzeige erstattet.

Die Strafe sei tat- und schuldangemessen. Das Höchststrafausmaß betrage
36.340,-- Euro und das ärztliche Durchschnittseinkommen liege bei 3.000,-- bis 8.000,-- Euro.

1.5. Der Verwaltungsakt wurde in Folge dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt, das am 5. September 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache durchführte. An der Verhandlung nahm der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsanwalt teil und es wurde Herr C als Zeuge einvernommen. Seitens der Disziplinarkommission und des Disziplinaranwaltes erfolgte keine Teilnahme.

Seitens des Beschwerdeführers bzw. seines Rechtsanwaltes wurde im Wesentlichen angegeben, dass keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vorliege bzw. dass jedenfalls ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand gegeben sei.

2.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am *** geboren. Er ist seit 8. September 1986 Arzt für Allgemeinmedizin und seit 1. Oktober 1991 Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und er ist als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig.

Der Zeuge, ein Staatsangehöriger von Österreich, wurde 1975 im Irak geboren und lebt seit über zwanzig Jahren in Österreich. Er ist Alleinerzieher eines Sohnes, die Kindesmutter ist kurz nach der Geburt verstorben. Der Sohn war im Jahr 2013 etwa 15 ½ Jahre alt war.

Ende August 2013 untersuchte der Beschwerdeführer den Zeugen in seiner Ordination. Grund für die Untersuchung war ein Gutachtensauftrag des Landesgerichtes *** zur Arbeitsfähigkeit des Zeugen auf Grund eines Antrages auf Zuerkennung der Invaliditätspension.

Zu Beginn der Untersuchung füllte der Zeuge einen Patientenfragebogen aus. In diesem wurden mehrere gesundheitliche Probleme bejaht und es wurden an Beschwerden angegeben: Angst-Panikattacken, Antriebsstörung, Schlafstörung, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen. Zur Medikamenteneinnahme wurde angegeben: 1x 5mg Cipralex; 1x 18mg Concerta; 1x 10mg Ritalin; bis zu 3x Seroqel bei Bedarf. Weiters wurde angegeben: Alleinerzieher, ein Kind im Haushalt. Führerschein B.

Der Zeuge nahm zum Untersuchungszeitpunkt weder Ritalin noch Concerta, was er dem Beschwerdeführer bei der Untersuchung auch mitteilte.

Der Zeuge führte diese Medikamente im Patientenfragebogen an, weil er diese Medikamente einige Zeit vor der Untersuchung im Jahr 2013 genommen hatte und weil ihm vom Beschwerdeführer gesagt wurde, dass er alles anführen solle, was er in letzter Zeit genommen habe.

Der Beschwerdeführer hat über die genaue Medikation des Zeugen und die genauen Umstände dieser Medikation keine näheren Informationen eingeholt.

Der Beschwerdeführer wusste vom Zeugen, dass dieser beim psychosozialen Zentrum *** in ***, Fachärztin E, in Behandlung stand. Die vom Zeugen eingenommenen Medikamente waren fachärztlich verordnet.

Die Einnahme der Medikamente Ritalin und Concerta kann die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen. Eine generelle Fahrunfähigkeit bei Einnahme dieser Medikamente besteht jedoch nicht. Im Rahmen der Untersuchung ist keine generelle Fahruntauglichkeit des Zeugen hervorgekommen und es bestand eine solche auch tatsächlich nicht.

Bei der Untersuchung wurde nicht über den Sohn des Zeugen gesprochen und es war der Sohn bei der Untersuchung auch nicht anwesend. Im Rahmen der Untersuchung haben sich keine Hinweise dahingehend ergeben, dass der Sohn misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht wird oder dass sonstige Erziehungsprobleme bestehen. Es bestanden auch tatsächlich keine derartigen Probleme.

Gegen Ende der Untersuchung kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen. Der Zeuge fühlte sich durch die Art und Weise der Untersuchung missverstanden und war verärgert. Beim Verlassen der Ordination stieß der Zeuge gegen einen im Wartezimmer aufgestellten Kleiderständer.

Der Beschwerdeführer wandte sich nach der Untersuchung mit Schreiben vom 30. August 2013 an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, wobei er in diesem Schreiben wörtlich wie folgt ausführte:

„Betrifft: C geb. ***, wohnhaft in ***, ***

Sehr geehrter Herr Kollege!

Herr C war nicht als Patient, sondern als Kläger in meiner Ordination zur Untersuchung. Er nimmt bedeutende Psychopharmaka, die seine Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen können und steht in Psychotherapie.

Herr C zeigt in der Ordination Aggressionshandlungen und berichtete auch über seine Impulsdurchbrüche.

Diesbezüglich wird eine amtsärztliche Untersuchung der Fahrfähigkeit angeregt.

Des Weiteren wird auch ersucht, das zuständige Jugendamt zu informieren. da der Untersuchte Kläger nach eigenen Angaben das volle Sorgerecht für ein Kind hätte und auch hier Gefahr für das Kind durch die Aggressionshandlungen zu befürchten sind.“

Der Beschwerdeführer hat sich vor Absenden dieses Schreibens nicht über die Zulässigkeit dieses Schreibens bei dritter Stelle – etwa bei seinem Rechtsanwalt oder der Ärztekammer – informiert.

Der Zeuge erhielt daraufhin eine Vorladung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn und es wurde der Sohn des Zeugen vom Jugendamt befragt. Es wurde in Folge weder eine Fahruntauglichkeit festgestellt noch wurde von einer Gefährdung des Kindeswohles ausgegangen.

Der Zeuge leidet aus seiner Zeit im Irak an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seit August 2011 ist er bei *** in Behandlung. In einem fachärztlichen Befund vom 23. September 2013 wird u.a. bestätigt, dass der Zeuge Cipralex nehme, wodurch aber seine Verkehrstüchtigkeit und Aufmerksamkeit nicht gestört würden. Weiters, dass der Zeuge bei Bedarf Seroquel zum Einschlafen nehme, wobei die niedrige Dosierung an nächsten Morgen keinen Einfluss auf seine Vigilanz habe, und dass er regelmäßig zu den vereinbarten Terminen komme und in der Psychotherapie gut reflexionsfähig sei.

Der Beschwerdeführer veranlasste nach der erfolgten Untersuchung noch die Einholung eines arbeitspsychologischen Tests und er bescheinigte dem Zeugen die Arbeitsfähigkeit.

Der Zeuge zeigte den Beschwerdeführer wegen Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) und Kreditschädigung (§ 152 Abs. 1 StGB) an. Die Staatsanwaltschaft *** stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 190 Z 1 StPO ein.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten. Sein monatliches Nettoeinkommen liegt ca. zwischen 5.000,-- und 6.000,-- Euro. Seine Ehefrau ist arbeitstätig. Er weist Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder auf und unterstützt auch noch seine zwei volljährigen Kinder sowie auf freiwilliger Basis seinen Stiefsohn. Er verfügt über ein Haus und gemeinsam mit seiner Ehefrau über eine Wohnung.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich – ebenso wie der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang – auf den vorliegenden Behördenakt und insbesondere auch auf die Ergebnisse der hg. durchgeführten mündlichen Verhandlung. Im Einzelnen ist Folgendes festzuhalten:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legt im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen die Angaben des Zeugen C der Entscheidung zu Grunde. Der Zeuge hat in der hg. durchgeführten Verhandlung angegeben, dass er selbst den aktenkundigen Patientenfragebogen zu Beginn der Untersuchung ausgefüllt hat (Verhandlungsschrift S 14 und 18). Er hat in der Verhandlung auch mehrmals bestätigt, dass er zum Untersuchungszeitpunkt keine Medikamente genommen hat (Verhandlungsschrift S 13, 14, 15, 16) und er gab an, dass er glaube, schon Tage oder Wochen vorher damit aufgehört zu haben (Verhandlungsschrift S 15). Er hat auch ausdrücklich verneint, dass er bei der Untersuchung unter Medikamenteneinfluss gestanden sei (Verhandlungsschrift S 15). Auf die Frage, ob er dem Beschwerdeführer gesagt habe, dass er die angeführten Medikamente vor dem Untersuchungszeitpunkt genommen habe, gab der Zeuge zwar an, dass er sich nicht mehr erinnern könne, dass sie überhaupt über die Medikamente gesprochen hätten (Verhandlungsschrift S 18), er gab aber zuvor bei der Verhandlung der Behörde am 18. März 2015 an, dass er ca. einen Monat vor der Untersuchung das Medikament abgesetzt habe und dass er dem Beschwerdeführer das Absetzen mitgeteilt habe (S 4). Der Zeuge gab damals auch an, dass der Beschwerdeführer ihm gesagt habe, er solle alles hinschreiben, was er in letzter Zeit genommen habe (S 5). Die Richtigkeit dieser Aussage wurde vom Zeugen in der hg. Verhandlung bestätigt (Verhandlungsschrift S 16), wobei der Zeuge darauf hingewiesen hat, dass dies noch beim Ausfüllen des Fragebogens gewesen sei (Verhandlungsschrift S 18). Dass der Beschwerdeführer über die genaue Medikation des Zeugen und die genauen Umstände dieser Medikation keine näheren Informationen eingeholt hat, ergibt sich ebenso aus den Angaben des Zeugen in der hg. Verhandlung (Verhandlungsschrift S 15 und 18). Der Zeuge hat auch bejaht, dass der Beschwerdeführer von seiner fachärztlichen Behandlung wusste (Verhandlungsschrift S 16) und dass die eingenommenen Medikamente fachärztlich verordnet waren (Verhandlungsschrift S 17). Dass im Rahmen der Untersuchung keine generelle Fahruntauglichkeit des Zeugen hervorgekommen ist und auch tatsächlich nicht bestand, ergibt sich generell aus den Angaben des Zeugen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Zeuge auch ausdrücklich angab, dass das Schreiben an den Amtsarzt nicht richtig sei (Verhandlungsschrift S 17) und dass er in seinem Leben noch nicht einmal eine grobe Verkehrsstrafe bekommen habe (Verhandlungsschrift S 15). Aus den Angaben des Zeugen ergibt sich auch, dass bei der Untersuchung nicht über den Sohn gesprochen wurde und dass dieser bei der Untersuchung auch nicht dabei war (Verhandlungsschrift S 11 und 15). Der Zeuge gab auch an, dass der Beschwerdeführer die behandelnde Ärztin kontaktieren hätte können, wenn er eine Kindeswohlgefährdung gesehen hätte (Verhandlungsschrift S 16). Dass der Zeuge nach dem Schreiben des Beschwerdeführers an den Amtsarzt eine Vorladung zur Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn erhielt und der Sohn vom Jugendamt befragt wurde, hat der Zeuge ebenso angegeben wie, dass in Folge weder eine Fahruntauglichkeit noch eine Gefährdung des Kindeswohles gesehen wurde (Verhandlungsschrift S 12, 15 und 16) bzw. wurde dies von ihm auch bereits in seiner Anzeige an die Ärztekammer und in der Behördenverhandlung am 18. März 2015 angegeben (S 3). Aus den Schilderungen des Zeugen ergibt sich auch, dass es gegen Ende der Untersuchung zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen kam. Der Zeuge fühlte sich durch die Art und Weise der Untersuchung missverstanden, war verärgert, und stieß beim Verlassen der Ordination gegen einen im Wartezimmer aufgestellten Kleiderständer (Verhandlungsschrift S 11).

Festzuhalten ist hinsichtlich der Zeugenangaben, dass diese als nachvollziehbar und glaubhaft anzusehen sind, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die vom Zeugen in der hg. Verhandlung sowie in der Behördenverhandlung am 18. März 2015 gezeigten Unsicherheiten betreffend Ritalin und Concerta offenkundig auf eine für ihn als medizinischen Laien schwierige Unterscheidbarkeit der beiden Medikamente (mit ähnlichem Wirkstoff) zurückzuführen sind (Verhandlungsschrift S 13; vgl. auch das Schreiben des Zeugen an die Behörde vom 18. März 2015). Eine Unglaubwürdigkeit ist daraus nicht abzuleiten. Der Zeuge hat auch in keiner Weise den Eindruck erweckt, den Beschwerdeführer in irgendeiner Weise ungerechtfertigt belasten zu wollen und er wurde in der hg. durchgeführten Verhandlung nach Wahrheitserinnerung, Zeugenbelehrung und Belehrung über die Entschlagungsrechte unter Wahrheitspflicht befragt. Er hat einen durchaus glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen (vgl. dazu etwa VwGH 29.8.2018, Ra 2018/08/0178).

Der den Zeugenangaben entgegenstehenden Verantwortung des Beschwerdeführers ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen (vgl. etwa bereits VwGH 12.12.1986, 86/18/0255).

Zudem ist festzuhalten, dass in den Ausführungen des Beschwerdeführers maßgebliche Ungereimtheiten aufgetreten sind (die auch nicht bloß mit der seit dem Vorfall verstrichenen Zeit erklärbar sind). So wurde etwa in der erhobenen Beschwerde ausgeführt, dass eine Informationsaufnahme betreffend die Medikation und die familiären Verhältnisse des Zeugen auf Grund dessen unerwarteter Verhaltensänderung nicht mehr möglich gewesen sei (S 3: „Er änderte sein Verhalten von einem Augenblick auf den anderen und es war dem C hernach nicht mehr möglich, weder seine Untersuchung fortzusetzen, noch sonstige wesentliche Informationen in Erfahrung zu bringen.“). In der hg. Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass der Patientenfragebogen Punkt für Punkt durchgegangen worden sei, weil der Beschwerdeführer sonst das Gutachten an das Gericht nicht machen hätte können, und dass dabei natürlich auch die Medikamenteneinnahme besprochen worden sei (Verhandlungsschrift S 6). Auf die Frage, welche Angaben der Zeuge zum Ausmaß der Medikamenteneinnahme und zum letzten Zeitpunkt gemacht habe, gab der Beschwerdeführer aber lediglich an, dass das so lange her sei und er das nicht mehr angeben könne (Verhandlungsschrift S 6). Zu bemerken ist weiters auch, dass der Beschwerdeführer in der Behördenverhandlung am 11. Februar 2015 angab, dass für ihn ganz klar eine Gefährdungssituation in Bezug auf Verkehr und Jugendliche gegeben gewesen sei (S 3). In derselben Verhandlung gab der Beschwerdeführer aber auch an, dass er sich nicht sicher gewesen sei, ob er das Jugendamt verständigen dürfe und er habe dies daher dem Amtsarzt überlassen (S 1). In der hg. Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er das Jugendamt nicht verständigt habe und das auch nicht machen würde. Wenn er keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Gefährdung des Kindeswohles habe, dürfe er das Jugendamt nicht verständigen. Wenn er einen konkreten Hinweis habe und das Kind bei der Untersuchung sehe, betreffe es ja das Kind, das sei aber gar nicht die Fragestellung in diesem Verfahren gewesen (Verhandlungsschrift S 9). Des Weiteren ist auch auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers zu verweisen, wonach die grundsätzliche Fahrtauglichkeit vom Amtsarzt zu beurteilen gewesen wäre (Behördenverhandlung 11.2.2015, S 4; hg. Verhandlungsschrift S 10) und wonach nicht konkret über den Sohn des Zeugen gesprochen worden sei (Verhandlungsschrift S 9). Für die Verantwortung des Beschwerdeführers spricht ferner nicht, dass der Beschwerdeführer sich im Verfahren auch damit gerechtfertigt hat, dass die ärztliche Schweigepflicht gar nicht zur Anwendung gelange (Schreiben an die Ärztekammer vom 27.3.2014; Beschwerde S 3) bzw. dass überhaupt kein Geheimnis weitergegeben worden sei (Behördenverhandlung 11.2.2015, S 5). Schließlich sprechen auch die Ergebnisse des Amtsarztes und der Jugendwohlfahrt, der fachärztliche Befund vom 23. September 2013, sowie das Ergebnis des arbeitspsychologischen Tests und die dem Zeugen vom Beschwerdeführer bescheinigte Arbeitsfähigkeit nicht für die vom Beschwerdeführer behauptete Gefährdungslage.

Die Feststellung, wonach Ritalin und Concerta die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen können, jedoch eine generelle Fahrunfähigkeit bei Einnahme dieser Medikamente nicht besteht, ergibt sich aus den in der Verhandlung zum Gerichtsakt genommenen Apotheken-Beipackzettelinformationen. Seitens des Beschwerdeführers wurde die Richtigkeit nicht bestritten (Verhandlungsschrift S 4 und 8) und es ergibt sich auch aus seinem Schreiben vom 13. März 2015 keine generelle Fahrunfähigkeit bei Einnahme dieser Medikamente.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer sich vor Absenden des Schreibens an den Amtsarzt nicht über die Zulässigkeit dieses Schreibens bei dritter Stelle informiert hat, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (Verhandlungsschrift S 10). Zum Schreiben selbst ist ebenso wie zum fachärztlichen Befund vom 23. September 2013 auf den Behördenakt zu verweisen. Dass der Beschwerdeführer die Einholung eines arbeitspsychologischen Tests veranlasste und dem Zeugen die Arbeitsfähigkeit bescheinigte ist unbestritten (s. auch etwa Behördenverhandlung 11.2.2015, S 2; Verhandlungsschrift S 7). Ebenso unbestritten ist die aktenkundige Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Nötigung und Kreditschädigung. Hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind der hg. Entscheidung die unstrittigen und jedenfalls unwiderlegten Angaben des Beschwerdeführers in der hg. Verhandlung zu Grunde zu legen (Verhandlungsschrift S 4).

3.   Maßgebliche Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998 in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung, lauten wörtlich:

„Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht

§ 54. (1) Der Arzt und seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.

(2) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht, wenn

1. nach gesetzlichen Vorschriften eine Meldung des Arztes über den Gesundheitszustand bestimmter Personen vorgeschrieben ist,

2. Mitteilungen oder Befunde des Arztes an die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten oder sonstigen Kostenträger in dem Umfang, als er für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bildet, erforderlich sind,

3. die durch die Offenbarung des Geheimnisses bedrohte Person den Arzt von der Geheimhaltung entbunden hat,

4. die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist.

[…]

(5) Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist, so hat der Arzt Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten. Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen (§ 166 StGB), so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.

(6) In den Fällen einer vorsätzlich begangenen schweren Körperverletzung hat der Arzt auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen. In den Fällen des Abs. 5 hat er überdies unverzüglich und nachweislich Meldung an den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu erstatten.“

„Disziplinarvergehen

§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

[…]

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

[…]

(7) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 6 StGB).“

„Disziplinarstrafen

§ 139. (1) Disziplinarstrafen sind

1. der schriftliche Verweis,

2. die Geldstrafe bis zum Betrag von 36 340 Euro,

3. die befristete Untersagung der Berufsausübung,

4. die Streichung aus der Ärzteliste.

[…]

(7) Bei Bemessung der Strafe ist insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Patientenschaft, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten, Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden.“

„§ 163. (1) Im Falle eines Schuldspruchs ist in der Entscheidung zugleich auszudrücken, daß der Disziplinarbeschuldigte auch die Kosten des Disziplinarverfahrens - einschließlich der Kosten der Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses (§ 139 Abs. 10) - zu tragen hat. Die Kosten sind unter Berücksichtigung des Verfahrensaufwandes und der besonderen Verhältnisse des Falles unter Bedachtnahme auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten von der Disziplinarkommission nach freien Ermessen mit einem Pauschalbetrag festzusetzen. Doch sind im Falle, daß sich das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kosten hinsichtlich jener Handlungen, deren der Disziplinarbeschuldigte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vom Ersatz auszuscheiden.“

4.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur vorgeworfenen Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht:

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer zu Recht die Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht durch sein Schreiben vom 30. August 2013 und somit eine Berufspflichtverletzung und die Verwirklichung eines Disziplinarvergehens vorzuwerfen sind (vgl. etwa VwSlg 19.003 A/2014).

Gemäß § 54 Abs. 1 des ÄrzteG 1998 ist der Arzt zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.

Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht trägt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen Rechnung, wobei der Schutz persönlicher Daten von fundamentaler Bedeutung für das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens einer Person ist. Die Achtung der Vertraulichkeit von Gesundheitsdaten ist darüber hinaus auch für das Vertrauen in medizinische Berufe und das Gesundheitswesen im Allgemeinen entscheidend. Ohne einen solchen Schutz könnten Personen, die medizinische Hilfe benötigen, davon abgeschreckt werden, eine geeignete Behandlung zu suchen, und dabei ihre eigene Gesundheit gefährden (vgl. etwa EGMR 6.6.2013, Fall Avilkina ua., Appl. 1585/09).

Bei der Verschwiegenheitspflicht handelt es sich um eine den Kern des ärztlichen Berufes darstellende Verpflichtung und es ist unter dem Begriff des „Arztes“ grundsätzlich jeder Arzt zu verstehen (vgl. etwa Krauskopf, Die ärztliche Anzeige- und Meldepflicht, 2011, S 132 bzw. 46 f.).

Unter den Begriff des „Geheimnisses“ fallen alle Umstände, die nur dem Patienten selbst oder einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und die nach dem Willen des Betroffenen anderen nicht bekannt werden sollen. Das Berufsgeheimnis des Arztes erstreckt sich somit auf alle für andere Personen nicht wahrnehmbare Tatsachen, die dem Arzt bei Ausübung seines Berufes über jemanden bekannt werden und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes Interesse hat (vgl. etwa OGH 12.12.2002, 6 Ob 267/02m, mwH).

Das ärztliche Berufsgeheimnis ist gegenüber jedermann zu wahren. Es gilt daher grundsätzlich auch gegenüber Berufskollegen. Dass der Empfänger der Information einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt, berechtigt den Arzt nicht zur Weitergabe einer dem Arztgeheimnis unterliegenden Information (s. bereits VwGH 16.9.1986, 85/14/0007; vgl. auch etwa Wallner, Ärztliches Berufsrecht, 2011, S 173, sowie LG Wels 17.5.2017, 21 R 84/17b, iFamZ 2017/125; vgl. auch etwa VfGH 11.10.2012, B 1369/11, zu einem DSG-Eingriff durch behördeninterne Informationsweitergabe).

Es bestehen vor diesem Hintergrund somit keinerlei Zweifel, dass der Beschwerdeführer als Arzt durch sein Schreiben – in dem von der Einnahme von Psychopharmaka, dem Bestehen einer Psychotherapie, in der Ordination gezeigten Aggressionshandlungen, mitgeteilten Impulsdurchbrüchen und dem Sorgerecht des Zeugen für ein Kind berichtet wurde – an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn entgegen der ihn treffenden Verschwiegenheitspflicht Geheimnisse offenbart hat.

Zu prüfen ist allerdings, ob – wie vom Beschwerdeführer im Verfahren auch vorgebracht wurde – ein Rechtfertigungsgrund zur Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht gegeben ist.

Die Verschwiegenheit besteht gemäß § 54 Abs. 2 Z 4 des ÄrzteG 1998 nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Dieser Ausnahmetatbestand berechtigt den Arzt bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen ein Berufsgeheimnis zu offenbaren. Das Interesse dritter Personen an ihrer eigenen Gesundheit ist dabei den im Gesetz genannten Bereichen zumindest gleichzusetzen, zumal es dabei um Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege im weiteren Sinn geht. Die Beurteilung, ob das Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege und Rechtspflege bzw. das Interesse dritter Personen an ihrer eigenen Gesundheit als höherwertig anzusehen ist, setzt eine im Einzelfall vorzunehmende umfassende Interessenabwägung voraus (vgl. OGH 12.12.2002, 6 Ob 267/02m; vgl. weiters etwa OGH 20.9.2012, 2 Ob 149/12v).

Die Offenbarung eines Geheimnisses nach dieser Bestimmung darf nur dann erfolgen, wenn dies im Einzelfall unbedingt erforderlich ist (s. RV 1386 BlgNR 20. GP, S 96). Die Offenbarung – zu der der Arzt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen berechtigt, nicht aber verpflichtet ist – darf nur ultima ratio sein (vgl. etwa Riesz, Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten von
(Amts-)Ärzten im Spannungsverhältnis zur Verkehrssicherheit, ZVR 2017/250, S 492 f.). Die Angaben des Arztes haben sich stets auf das Notwendigste zu beschränken (vgl. etwa OGH 24.4.2012, 7 Ob 50/12x).

Der Arzt darf nicht generell bei jedem Verdacht auf eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit die Führerscheinbehörde informieren und es kommt auch darauf an, wie groß die Gefahr ist, dass es krankheitsbedingt zu einem Unfall kommt (vgl. wiederum OGH 12.12.2002, 6 Ob 267/02m).

Im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen, dass die Geheimnisoffenbarung zum Schutz höherwertiger Interessen unbedingt erforderlich war.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, hat der vom Beschwerdeführer untersuchte Zeuge zum Untersuchungszeitpunkt weder Ritalin noch Concerta eingenommen, was der Zeuge dem Beschwerdeführer auch mitgeteilt hat. Der Zeuge führte diese Medikamente im Patientenfragebogen an, weil er diese Medikamente einige Zeit vor der Untersuchung im Jahr 2013 genommen hatte und weil ihm vom Beschwerdeführer gesagt wurde, dass er alles anführen soll, was er in letzter Zeit genommen hat. Der Beschwerdeführer hat über die genaue Medikation und die genauen Umstände dieser Medikation keine näheren Informationen eingeholt. Der Beschwerdeführer wusste vom Zeugen, dass dieser in Behandlung stand. Die Medikamente waren fachärztlich verordnet. Eine generelle Fahrunfähigkeit bei Einnahme der genannten Medikamente besteht nicht und es ist im Rahmen der Untersuchung weder eine generelle Fahruntauglichkeit des Zeugen hervorgekommen noch bestand eine solche tatsächlich. Es wurde bei der Untersuchung auch nicht über den dabei nicht anwesenden Sohn des Zeugen gesprochen und es haben sich im Rahmen der Untersuchung keine Hinweise dahingehend ergeben, dass der Sohn misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht wird oder dass sonstige Erziehungsprobleme bestehen. Es bestanden auch tatsächlich keine derartigen Probleme.

Eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer oder den Sohn des Zeugen bestand somit nicht und es war die Geheimnisoffenbarung demgemäß nicht zum Schutz höherwertiger Interessen (unbedingt) erforderlich. Das Interesse des Zeugen an der Geheimhaltung überwog das Interesse an der Offenbarung.

Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 Z 4 des ÄrzteG 1998 liegen somit nicht vor.

Darüber hinaus ist auch kein sonstiger Rechtfertigungsgrund für die Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht zu erkennen.

Gemäß § 54 Abs. 5 des ÄrzteG 1998 hat der Arzt Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten, wenn sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen, so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt. Gemäß § 54 Abs. 6 des ÄrzteG 1998 hat der Arzt in den Fällen einer vorsätzlich begangenen schweren Körperverletzung auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen. In den Fällen des Abs. 5 hat er überdies unverzüglich und nachweislich Meldung an den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu erstatten.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, lagen auch diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht vor (zumal auch ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. durchgeführten Verhandlung kein ausreichender Verdacht für eine Kindeswohlgefährdung vorlag).

Die Strafbarkeit des Beschwerdeführers ist daher – zumal für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten ausreicht und ein fehlendes Verschulden im Verfahren nicht hervorgekommen ist – zu bejahen und es ist der Schuldspruch zu bestätigen.

Zum Beschwerdevorbringen des mangelnden Parteiengehörs ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer ausreichend Möglichkeiten zur Stellungnahme zur Verfügung standen und dass von diesen Möglichkeiten auch Gebrauch gemacht wurde (vgl. etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2017/05/0007).

4.2. Zur Strafbemessung:

Gemäß § 139 Abs. 1 des ÄrzteG 1998 reichen die in Betracht kommenden Disziplinarstrafen vom schriftlichen Verweis und einer Geldstrafe bis zum Betrag von 36.340,-- Euro bis zur befristeten Untersagung der Berufsausübung und der Streichung aus der Ärzteliste. Gemäß § 139 Abs. 7 des ÄrzteG 1998 ist bei der Strafbemessung insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Patientenschaft, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten, Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden.

Die vom Beschwerdeführer übertretenen Rechtsvorschriften dienen, wie bereits ausgeführt, dem Schutz hochrangiger Interessen. Der Beschwerdeführer, dem jedenfalls fahrlässiges Verhalten anzulasten ist, hat diesen Schutzzweck durch die im vorliegenden Fall erfolge Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nicht bloß geringfügig beeinträchtigt und es ist auch ein bloß geringes Verschulden nicht zu erkennen. Als Milderungsgrund ist die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu werten sowie die – der hg. gegebenen hohen Aktenbelastung geschuldeten – insgesamt lange Dauer des Disziplinarverfahrens und das nach Aktenlage gegebene seitherige Wohlverhalten (vgl. etwa VfGH 6.6.2013, B 1376/2012). Erschwerend ist kein Umstand zu werten. Hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist festzuhalten, dass das monatliche Nettoeinkommen des Beschwerdeführers zwischen 5.000,-- und 6.000,-- Euro liegt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist arbeitstätig, der Beschwerdeführer weist Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder auf und unterstützt auch noch seine zwei volljährigen Kinder sowie auf freiwilliger Basis seinen Stiefsohn. Er verfügt über ein Haus und gemeinsam mit seiner Ehefrau über eine Wohnung.

In einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände – insbesondere unter sachgerechter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit und unter erstmaliger Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer – ist die verhängte Geldstrafe herabzusetzen (vgl. dazu etwa VwGH 7.3.2016, Ra 2015/02/0225). Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ist im vorliegenden Fall die Herabsetzung der Geldstrafe auf den Betrag von 2.500,-- Euro angemessen. Die insoweit herabgesetzte Strafe berücksichtigt hinreichend sowohl die vorliegenden Milderungsgründe als auch spezial- und generalpräventive Aspekte und sie ist als tat-, täter- und schuldangemessen anzusehen. Ein Widerspruch zu den bekannt gegebenen finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers besteht nicht.

Eine darüber hinausgehende Strafmilderung kommt nicht in Betracht, zumal sich die Strafe ohnehin im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens bewegt (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2007, 2003/03/0248).

Die Notwendigkeit der Verhängung einer höheren Geldstrafe ist nicht erkennbar.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs. 8 des ÄrzteG 1998 wurde im Verfahren nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht hervorgekommen.

4.3. Zu den Kosten des Disziplinarverfahrens:

Gemäß § 163 Abs. 1 des ÄrzteG 1998 ist im Falle eines Schuldspruchs zugleich auszudrücken, dass der Disziplinarbeschuldigte auch die Kosten des Disziplinarverfahrens zu tragen hat. Die Kosten sind unter Berücksichtigung des Verfahrensaufwandes und der besonderen Verhältnisse des Falles unter Bedachtnahme auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten von der Disziplinarkommission nach freien Ermessen mit einem Pauschalbetrag festzusetzen, wobei im Falle, dass sich das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kosten hinsichtlich jener Handlungen, deren der Disziplinarbeschuldigte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vom Ersatz auszuscheiden sind (vgl. auch etwa VwGH 20.6.2016, Ra 2015/09/0090).

Im angefochtenen Erkenntnis wurden die Kosten des Disziplinarverfahrens mit 1.000,-- Euro festgesetzt. Unter Berücksichtigung des behördlichen Verfahrensaufwandes in Form mehrerer Verhandlungstage und unter Bedachtnahme auf die Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers ist dieser Betrag nicht zu beanstanden. Die Kosten wurden im Verfahren auch nicht als überhöht bekämpft.

4.4. Ergebnis:

Der Beschwerde ist somit insoweit Folge zu geben, als die im angefochtenen Erkenntnis festgesetzte Geldstrafe auf den Betrag von 2.500,-- Euro herabgesetzt wird. Im Übrigen ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4.5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Es liegt keine Rechtsfrage vor, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße (vgl. dazu etwa VwGH 19.10.2017, Ra 2017/16/0118). Dies gilt insbesondere auch für die Strafbemessung als Ermessensentscheidung (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0050). Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; Berufspflichtverletzung; Disziplinarvergehen; Verschwiegenheitspflicht; Gesundheitsdaten;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1204.001.2015

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten