TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/5 98/19/0239

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Veröffentlicht am 05.11.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4 impl;
FrG 1997 §10 Abs1 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 16. März 1960 geborenen PP, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1998, Zl. 123.778/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer am 12. September 1997 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Warschau überreichten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit als Gartenarbeiter. Dieser Antrag langte am 23. September 1997 beim Landeshauptmann von Wien ein.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 (richtig wohl: Z. 3) und § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 23. September 1997 den gegenständlichen Antrag gestellt. Mit Bescheid vom 23. April 1998 habe die erstinstanzliche Behörde den Antrag abgewiesen. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe sich tatsächlich nicht in Österreich aufgehalten. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt und eine unrechtmäßige Beschäftigung sei ihm nicht vorzuwerfen.

Der Antrag des Beschwerdeführers sei nunmehr als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Der Beschwerdeführer habe von Dezember 1990 bis März 1992 über Sichtvermerke verfügt. Danach sei über ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot mit Geltungsdauer bis 30. Juni 1997 erlassen worden. Der Beschwerdeführer sei im Besitz eines Befreiungsscheines mit Geltungsdauer vom 20. Jänner 1997 bis 19. Jänner 2000.

Aus dem dem Antrag beigelegten Meldezettel gehe hervor, dass der Beschwerdeführer seit 9. September 1997 an einer Adresse in Wien gemeldet sei. Weiters gehe aus einer Gehaltsbestätigung eines inländischen Unternehmens vom 6. September 1997 hervor, dass der Beschwerdeführer am 1. Juli 1997 eine unselbstständige Erwerbstätigkeit in diesem Unternehmen angetreten habe. Der Beschwerdeführer habe am 10. November 1997 die Miete für eine Unterkunft in Wien zur Einzahlung gebracht. Die erstinstanzliche Behörde habe am 23. Dezember 1997 erhoben, dass der Beschwerdeführer nach wie vor bei dem in Rede stehenden österreichischen Unternehmen beschäftigt sei.

Demnach bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer sofort nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes nach Österreich eingereist sei, um hier eine Arbeitsstelle anzunehmen. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit der sichtvermerksfreien Einreise für touristische Zwecke benutzt, um in Österreich dauernden Aufenthalt zu nehmen. Er sei auch sofort unrechtmäßig einer Beschäftigung nachgegangen, zumal eine sichtvermerksfreie Einreise eine Arbeitsaufnahme fremdenrechtlich nicht gestatte. Da der Beschwerdeführer schon während eines Voraufenthaltes über Sichtvermerke verfügt habe, sei ihm nicht völlige Rechtsunkenntnis zu unterstellen. Es sei daher davon auszugehen, dass er bewusst "gesetzwidrige Handlungen eingegangen" sei, um sich sofort nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu verschaffen und dauernden Aufenthalt in Österreich zu nehmen. Dieses Verhalten stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerdeführer sei offensichtlich nicht gewillt, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Gerade dieses Verhalten könne auf andere Fremde sehr wohl Beispielswirkungen haben.

Gemäß Art. 8 MRK sei die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung, sofern damit in das Privat- und Familienleben des Antragstellers eingegriffen werde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 MRK genannten Ziele notwendig sei. Vorliegendenfalls sei den öffentlichen Interessen der Vorzug zu geben, weil sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers "auf gesetzwidrigen Handlungen" begründe. Der Beschwerdeführer habe sich unter Umgehung der Einwanderungsbestimmungen in Österreich niedergelassen und sei "illegal" einer Beschäftigung nachgegangen, weswegen von einer Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens Abstand genommen worden sei. Im Betreff dieses Bescheides führte die belangte Behörde eine inländische Adresse des Beschwerdeführers an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 Z. 3 sowie § 23 Abs. 1 FrG 1997 lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn

...

2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;

...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

...

3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ..."

Art. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, lautet:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die Inhaber eines der im Artikel 3 angeführten Reisedokumente sind, dürfen ohne Sichtvermerk des anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet einreisen, sich dort bis zu drei Monaten aufhalten und aus ihm ausreisen.

(2) Die Berechtigung des Absatzes 1 gilt nicht für Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die sich auf das Hoheitsgebiet des anderen Staates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen."

Der Beschwerdeführer verfügte zwar nach den Bescheidfeststellungen im Zeitraum zwischen Dezember 1990 und März 1992 über gültige Sichtvermerke. Nach den insoweit unbestrittenen Bescheidfeststellungen hat der Beschwerdeführer jedoch erst nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes wieder dauernden Aufenthalt in Österreich genommen. Für eine durchgehende Niederlassung des Beschwerdeführers auf Dauer ungeachtet des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes bestehen keine Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 1 FrG 1997 liegen daher nicht vor. Die belangte Behörde wertete den Antrag des Beschwerdeführers vom 12./23. September 1997 daher zutreffend in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit der Anführung einer inländischen Adresse des Beschwerdeführers im Betreff desselben lässt erkennen, dass die belangte Behörde davon ausging, dass sich der Beschwerdeführer auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Anschluss an eine Einreise ohne Einreise- oder Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gebrauch der Präsensform in der Beurteilung gemäß Art. 8 MRK, wo es heißt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers "begründet sich auf gesetzwidrige Handlungen".

Dieser erkennbaren Bescheidannahme tritt der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen.

Auf Sachverhaltsebene verweist der Beschwerdeführer lediglich darauf, dass er sich anlässlich seiner Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Warschau (am 12. September 1997) im Ausland befunden habe.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch ausschließlich aufzuzeigen, dass er sich seit der von der belangten Behörde mit 1. Juli 1997 festgestellten Arbeitsaufnahme nicht durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Ein solcher durchgehender Aufenthalt ist aber für die Verwirklichung der von der belangten Behörde herangezogenen Versagungsgründe aus folgenden Erwägungen nicht vorausgesetzt:

Eine Wiedereinreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet nach seiner Antragstellung zum Zweck der Fortsetzung seiner Arbeitstätigkeit im Inland wäre aus dem Grunde des Art. 1 Abs. 2 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, nicht von der in Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Berechtigung zur sichtvermerksfreien Einreise umfasst.

Eine Einreise und ein Aufenthalt zum Zweck der Arbeitsaufnahme ohne entsprechenden Aufenthaltstitel wäre daher unrechtmäßig.

Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigt aber die in § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 umschriebene Annahme, der weitere Aufenthalt des Antragstellers aufgrund der zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/19/0271, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Sollte daher die - vor Bescheiderlassung letzte - Einreise des Beschwerdeführers und sein daran anschließender Aufenthalt dem Eingehen eines Arbeitsverhältnisses gedient haben, wäre der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 vorgelegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0651, mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist der Ausdruck "kann" in § 10 Abs. 2 FrG 1997 dahingehend zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen gerechtfertigt ist.

Ein Eingriff in ein gedachtes, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf neuerliche Zuwanderung zur Fortsetzung seiner unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erwiese sich vorliegendenfalls - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - im Interesse der öffentlichen Ordnung als gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob derartige Interessen überhaupt den Schutz des Art. 8 MRK genießen.

Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK rügt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, seine privaten Interessen darzustellen, gelingt es ihm nicht, die Relevanz dieses Verfahrensmangels darzutun, weil er nicht darlegt, welche weiteren Interessen - mit Ausnahme der beabsichtigten Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses - er im Inland hatte.

Ginge man demgegenüber davon aus, dass die letzte Einreise des Beschwerdeführers vor Bescheiderlassung im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 des Abkommens, BGBl. Nr. 330/1972, erfolgt wäre, so läge im Hinblick auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 vor.

Für die Beurteilung der Frage, ob dieser Sichtvermerksversagungsgrund gegeben ist, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich. Der Versagungsgrund ist auch anzuwenden, wenn die sichtvermerksfreie Einreise vor Inkrafttreten des FrG 1997 erfolgte. Entscheidend für die Verwirklichung des in Rede stehenden Sichtvermerksversagungsgrundes ist allein, dass sich der Fremde im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält. Dies gilt auch dann, wenn die sichtvermerksfreie Einreise im Anschluss an eine im Ausland erfolgte Antragstellung erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aussprach, hat bei Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 eine Bedachtnahme auf Art. 8 MRK nicht zu erfolgen. Damit könnte die Rüge der von der belangten Behörde getroffenen Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK auch bei Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. November 1999

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998190239.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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