TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 I403 2191597-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I403 2191597-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste mit fremden Dokumenten in das Bundesgebiet ein und stellte nach seiner Festnahme am 28.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, dass er sich im Oktober 2016 in XXXX im Norden Nigerias auf einem großen Markt befunden habe, als es zu einem Bombenanschlag der Boko Haram gekommen sei. Hierbei seien alle "Sachen" des Beschwerdeführers zerstört worden. Da es dem Beschwerdeführer finanziell sehr schlecht gegangen sei und er keinerlei Unterstützung in Nigeria erfahren habe, habe er beschlossen, sein Herkunftsland zu verlassen.

Der Beschwerdeführer wurde niederschriftlich am 12.01.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Er gab an, gesund zu sein und keine physischen oder psychischen Probleme zu haben. Personaldokumente konnte der Beschwerdeführer keine vorlegen. Er erklärte, er habe in seinem Heimatland Nigeria zusammen mit einem Freund einen Gemüsehandel betrieben. Seine Familie bestehe aus seiner Mutter und vier Brüdern, sein Vater sei 2011 verstorben. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Familie in einem Haus in XXXX gelebt, mit seinem Freund aber einen Gemüsehandel betrieben, der ihn auch in den Norden Nigerias gebracht habe, wo er einen Bombenanschlag erlebt habe. Zudem würden die "XXXX" sein Dorf angegriffen habe, 2006 sei es am schlimmsten gewesen. Außerdem schulde er seinen Freunden Geld, diese würden ihn "stressen". Kontakt bestehe derzeit mit seiner Familie keiner. Der Beschwerdeführer sei von Nigeria nach Lybien und weiter über das Mittelmeer nach Italien gereist und habe noch einige Monate in Spanien (Valencia) zugebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 02.03.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 28.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Der Beschwerdeführer vermochte nach Ansicht des BFA im Verfahren keinerlei wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen. Eine besondere Rückkehrgefährdung wurde als nicht gegeben erachtet und ein besonders schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich ebenfalls nicht festgestellt.

Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 28.03.2018 durch den nunmehr bevollmächtigten Vertreter Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT Beschwerde in vollem Umfang erhoben und bei der belangten Behörde eingebracht. Der Bescheid wurde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Die Behörde gehe zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers sowie vom Nichtvorliegen eines asylrelevanten Fluchtgrundes iSd GFK aus.

Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung internationalen Schutz zuerkennen.

Für den 27. Juni 2018 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, anberaumt; aufgrund der über den Beschwerdeführer verhängten Untersuchungshaft musste die Verhandlung auf den 29.08.2018 verschoben werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen: 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Igbo an. Seine Identität steht nicht fest. Vor seiner Ausreise wohnte der Beschwerdeführer in XXXX, Enugu State und betrieb einen kleinen Gemüsehandel. Zuvor war er auch im Baugewerbe tätig.

Die Familie des Beschwerdeführers - seine Mutter und vier Brüder - lebt in Nigeria. Er steht mit seiner Familie und Freunden in Nigeria in Kontakt. Seine Familie ist vorrangig in der Landwirtschaft tätig, einer seiner Brüder ist Mechaniker.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an Schlafstörungen.

Der Beschwerdeführer verließ Nigeria im Februar 2017 und hielt sich zunächst einige Monate in Spanien auf. Dort stellte er keinen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hält sich seit rund einem Jahr in Österreich auf. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er verwendete für seine Einreise nach Österreich gefälschte Dokumente. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach; aktuell befindet er sich in Strafhaft.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, rechtskräftig am XXXX, Zl. XXXX, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, verurteilt. Er hatte zwischen April und Mitte Juni 2018 in einer Vielzahl von Übergaben anderen Cannabiskraut und Kokain gewinnbringend überlassen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer bringt vor, in Nigeria durch Boko Haram und durch "XXXX" bedroht zu sein. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass nicht glaubhaft ist, dass seine Waren bei einem Boko Haram Anschlag in XXXX zerstört wurden. Eine konkrete Verfolgung seiner Person durch Boko Haram konnte der Beschwerdeführer weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft glaubhaft machen. Eine konkrete Bedrohung seiner Person durch die "XXXX" ergibt sich durch sein Vorbringen ebenfalls nicht.

Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Ebenso besteht keine reale Gefahr, dass der erwerbsfähige Beschwerdeführer in eine existentielle Notlage geraten würde.

1.3. Zur Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 02.03.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Zur allgemeinen Situation in Nigeria (auf Basis des Länderinformationsblattes)

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert. Muslimische Hirten (meist Fulani) aus dem Norden liefern sich im Middlebelt und südlich davon einen blutigen Konflikt mit dort traditionell ansässigen christlichen Bauern.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Zur Situation im Middle Belt und zu den Hirten der Fulani (auf Basis des Länderinformationsblattes)

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, wie insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 4.2017a). Während diese Gewalt gewöhnlich nicht als religiöser Konflikt beginnt, nimmt es häufig religiöse Untertöne an und wird so von vielen Beteiligten als religiöser Konflikt wahrgenommen (USCIRF 26.4.2017). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015, IRIN 13.6.2017). Die Gründe, die für die Gewalt genannt werden, sind unter anderem Landstreitigkeiten, da Hirten Weideland für ihre Rinder suchen; bewaffnete Hirten, die sich vor Viehdiebstahl schützen wollen; und Fulani, die im Süden von Kaduna Rache für 500 Muslime, die bei Gewalt nach den Wahlen getötet wurden, ausüben (USCIRF 26.4.2017).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Einheimische" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015; IRIN 13.6.2017).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch (CWI 6.2016). Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zu Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016; vgl. IRIN 27.7.2017).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten ist im Jahr 2016 und Anfang 2017 angestiegen und hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt. Solche Angriffe wurden für Kaduna, Plateau, Bauchi, Taraba und Benue vermeldet. So wurden im März 2016 in Agatu Local Government Area, Benue zwischen 100-300 Menschen getötet und laut Berichten zufolge mindestens sechs Dörfer zerstört (USCIRF 26.4.2017). Eine andere Quelle spricht von über 500 Toten. Insgesamt sind im Jahr 2016 bei 59 Vorfällen 1.895 Menschen getötet worden (SBM 7.1.2017).

Die Regierung hat es lange nicht geschafft auf diese Gewalt adäquat zu reagieren. Die Bundespolizei wird selten eingesetzt, geschweige denn rechtzeitig. Die Regierung hat Polizei und Militär ins südliche Kaduna entsandt, um die Gewalt dort in den Griff zu bekommen. Jedoch gibt es Berichte, dass die Truppen sich nur bei den Hauptstraßen aufhielten und nicht weiter in die ländlichen Gebiete, wo es auch zu Gewalt kommt, vorgedrungen sind (USCIRF 26.4.2017).

Dem Bericht der International Crises Group vom 19.09.2017, "Herders against Farmers: Nigeria's Expanding Deadly Conflict", ist ebenfalls zu entnehmen, dass die gewalttätigen Konflikte zwischen nomadischen Hirten aus Nordnigeria und ansässigen Agrargemeinschaften in Zentral- und Südnigeria in den letzten Jahren eskaliert sind und die Sicherheit und Stabilität des Landes gefährden. Im Jahr 2016 habe der Konflikt ungefähr 2500 Todesopfer gekostet. Die politischen Strategien zur Konfliktlösung waren bislang unzureichend.

Allerdings gibt es durchaus eine strafrechtliche Verfolgung der Täter (vgl. etwa https://www.vanguardngr.com/2017/07/nimbo-killings-5-herdsmen-docked/). Laut dem aktuellen Bericht von ACCORD zur Sicherheitslage herrscht in Enugu State - im Vergleich zu anderen Bundesstaaten Nigerias - kein besonderes Bedrohungsszenario.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017 sowie in die Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Bereits in diesem Punkt machte der Beschwerdeführer allerdings widersprüchliche Angaben: Während er in der Erstbefragung noch erklärt hatte, er habe nie ein Identitätsdokument besessen, behauptete er in der mündlichen Verhandlung, seine Wählerkarte in Libyen verloren zu haben.

Die Feststellung betreffend die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers vor dem BFA.

Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren keine gesundheitlichen Einschränkungen vorgebracht. In der mündlichen Verhandlung verwies er auf Schlafprobleme, verneinte die Frage nach chronischen Krankheiten, verwies aber auch Schmerzen in der Brust, wogegen er Medikamente bekomme. Dem Behandlungsbericht der Justizanstalt vom 05.09.018 ist allerdings zu entnehmen, dass bei ihm nur Astigmatismus diagnostiziert wurde, dass das EKG am 11.07.2018 keinerlei Auffälligkeiten aufwies und dass die einzige Medikation aus Schlaftabletten besteht. Daraus ergeben sich keine schweren gesundheitlichen Einschränkungen und insbesondere keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.

Die Feststellungen zur Ausbildung, zur Berufserfahrung und zur Familie des Beschwerdeführers in Nigeria ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 03.09.2018 und dem Strafurteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23.08.2018.

Dass der Beschwerdeführer mit fremden Dokumenten eingereist war, ergibt sich aus dem Amtsvermerk der LPD XXXX vom 26.07.2017.

Allerdings gab der Beschwerdeführer dazu widersprüchliche Angaben:

In der Erstbefragung erklärte er, er habe diesen Reisepass in Spanien einem anderen Nigerianer gestohlen. In der mündlichen

Verhandlung erklärte er dies anders: "Ich war bei einem Freund und da habe ich am Boden die Dokumente gesehen. Ich habe sie aufgehoben und dem Freund gefragt, ob ich sie verwenden könnte. Er meinte, das wäre kein Problem." Nachdem die Richterin ihn darauf hingewiesen hatte, dass er in der Erstbefragung gemeint habe, sie gestohlen zu haben, korrigierte er sich und meinte: "Ich hatte die Dokumente gestohlen und dann einen Freund gefragt, ob ich sie verwenden könnte." Im Übrigen ist der Kauf eines Flugtickets nach Österreich auch nur schwer in Einklang mit seiner Aussage zu bringen, dass er in Spanien auf der Straße gelebt und gebettelt habe und es ihm sehr schlecht gegangen sei. Insgesamt verfestigt sich der Eindruck, dass der Beschwerdeführer bei verschiedenen Punkten nicht bereit ist, gegenüber den österreichischen Behörden bzw. dem Bundesverwaltungsgericht die Wahrheit zu sagen.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte angegeben, dass er im Oktober 2016 nach XXXX gefahren sei, um dort Gemüse zu kaufen. Bei einem Bombenanschlag der Boko Haram seien seine ganzen Waren zerstört worden; er sei zurück nach Enugu State gefahren, habe dort aber finanzielle Probleme gehabt, weswegen er Nigeria verlassen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht geht allerdings nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer in XXXX einen Anschlag der Boko Haram miterlebt hat. Zunächst erscheint es ungewöhnlich, dass ein Gemüsehandler aus Enugu State Zwiebel, Tomaten und Kartoffeln in XXXX einkauft, um sie dann 1000 Kilometer (vgl. dazu XXXX) entfernt, zum Verkauf anzubieten. Auch wenn das Preisniveau im Norden niederer sein mag, erscheint es für einen einzelnen nicht lukrativ, dafür eine derart lange Fahrt auf sich zu nehmen und sich extra einen LKW zu mieten. Der Beschwerdeführer gab auf Nachfrage auch keine Details zur Strecke bekannt, außer dass er drei Tage für einen Weg gefahren sei. Nicht nachvollziehbar ist auch, wenn er manchmal mit dem Bus gefahren sein will, da er auf diesem Weg ja kaum ausreichend Waren hätte transportieren können, damit sich die Fahrt lohnt.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass er tatsächlich Gemüse in Maiduguri eingekauft haben sollte, so steht es für das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls fest, dass er nicht Zeuge eines Bombenanschlages geworden war. So erklärte der Beschwerdeführer dem BFA, dass der Anschlag im Oktober oder November 2016 stattgefunden habe, während er den Vorfall gegenüber der erkennenden Richterin auf September 2016 datierte. In XXXX fanden in den letzten Jahren zahlreiche Anschläge auf Märkte statt - jedoch ist in öffentlich zugänglichen Internetquellen keiner für September oder Oktober oder November 2016 dokumentiert. Nachdem der Beschwerdeführer behauptet hatte, dass viele Menschen bei dem Anschlag ums Leben gekommen waren, wäre ein Niederschlag in den Medien zu erwarten.

Zudem war der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage, die Umstände des Anschlages näher zu schildern; er blieb bei Allgemeinplätzen, wie dass er starken Lärm gehört und Rauch gesehen habe. Außerdem brachte er in der mündlichen Verhandlung erstmals vor, durch den Bombenanschlag verletzt worden zu sein, was er früher nie erwähnt hatte; doch auch bei diesem Thema blieb er vage und machte nicht den Eindruck, von selbst Erlebtem zu berichten, wie der folgende Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt:

"RI: Waren Sie verletzt?

BF: Ja, ich war verletzt. Es waren jedoch innere Verletzungen.

RI: Welche Form von inneren Verletzungen?

BF: Es war keine sehr schwere Verletzung. Wir waren in einiger Entfernung des LKWs und erlitten einen Schock. Ich fiel dabei auf meine Brust. Wir bekamen Medikamente und wurden versorgt.

RI: In welchem Krankenhaus in XXXX waren Sie?

BF: Ich weiß nicht, welches Krankenhaus das war. Die Regierung kam und sammelte alle Leute auf dem Markt ein. Wir wurden an einen Ort gebracht und dort medizinisch versorgt. Wir blieben dann drei Tage dort."

Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass das Vorbringen rund um einen Anschlag der Boko Haram nicht glaubhaft ist.

Der Beschwerdeführer hatte darüber hinaus erklärt, dass er - nach seiner Rückkehr nach Enugu State - als Farmer arbeiten wollte und daraufhin Probleme mit den Hirten der Fulani ("XXXX") bekommen habe. Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, kommt es insbesondere in der Region des Middle Belt, vereinzelt aber auch in Enugu State, zu gewalttätigen Konflikten zwischen den christlichen Siedlern und den muslamischen Hirten. Eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Fulani wurde von ihm aber auch nicht glaubhaft gemacht. So erklärte er gegenüber dem BFA: "Die sind 2007, 2008 gekommen, aber im Jahr 2006 war es am schlimmsten, ich rede jetzt von den Fulani Herdsmen. Jänner, Februar 2006 sind sie gekommen und terrorisierten die Bauern." Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellen würde, dass es sich dabei um einen Protokollierungsfehler handelte und er tatsächlich von den Jahren 2016, 2017 und 2018 und damit von einer aktuellen Bedrohung gesprochen hat, war er doch in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, eine konkrete Bedrohung seiner Person zu schildern. Es fällt auf, dass er in seinen Aussagen immer wieder auf allgemeine Bedrohungsszenarien zurückgreift und trotz Nachfragens keine konkrete Schilderung etwaiger Vorfälle mit den Fulani bietet, wie der folgende Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt:

"RI: Sie kamen im September 2016 zurück nach Enugu State, hatten keine Waren und konnten Ihre Freunde nicht bezahlen. Was geschah dann?

BF: Sie haben mir ständig gesagt, dass ich zahlen muss. Ich habe ihnen gesagt, dass ich zahlen werde, sobald ich wieder Geld habe. Ich habe dann mit der Farmarbeit begonnen und bekam Probleme mit den Fulani Herdsmen. Sie fallen mit ihren Kühen über unser Land herein, vergewaltigen Frauen und töten Menschen.

RI: Welche konkreten Probleme hatten Sie mit den Fulani Herdsmen?

BF: Ich hatte kein Geld für meine Geschäfte und habe mich deshalb der Farmarbeit gewidmet. Die Fulani sind dann mit ihren Kühen auf mein Land gekommen. Die Kühe haben alles gefressen, was ich angebaut hatte. Stellte man ihnen Fragen, begannen sie zu schießen. Ich hatte deshalb Angst, auf die Farm zu gehen. Sie haben alles zerstört. Wenn man sich ihnen nähert, greifen sie einen an."

Eine konkrete Involvierung des Beschwerdeführers in die Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Hirten erscheint daher auch nicht wirklich plausibel. Auch wenn nicht verkannt wird, dass es immer wieder zu Angriffen auf Siedler kommt und dies zu vielen Todesopfern geführt hat, ist insbesondere in Enugu State nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass jeder, der dort lebt, von den Hirten verfolgt oder bedroht wird. Darüber hinaus wurde eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Fulani Herdsmen in der Beschwerde gar nicht vorgebracht.

Schließlich brachte der Beschwerdeführer vor, dass er seinen Freunden Geld geschuldet habe und es ihnen aufgrund des Verlustes seines Gemüses in XXXX nicht zurückzahlen konnte. Abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, der Vorfall in XXXX nicht glaubhaft ist, spricht es auch gegen den Wahrheitsgehalt der Geschichte, dass der Beschwerdeführer immer den Verlust seines Gemüses als Grund allen Übels beschreibt und kein Wort über die Zerstörung des angeblich geliehenen Lastkraftwagens verliert. Auch die angebliche Bedrohung durch seine Gläubiger wurde nie konkret formuliert; vor dem BFA hatte der Beschwerdeführer überhaupt nur davon gesprochen, dass seine Freunde ihn "gestresst" haben würden. Eine Bedrohung durch Gläubiger wurde in der Beschwerde auch gar nicht erwähnt. In der mündlichen Verhandlung meinte er dann, dass man ihm gesagt habe, dass er zahlen müsse und dass man zuletzt auch seine Mutter angegriffen habe. Auch die Polizei habe ihr nicht geholfen. Allerdings blieb der Beschwerdeführer in seinem entsprechenden Vorbringen derart vage und wurde eine Bedrohung durch seine Freunde, denen er Geld schulden würde, auch erst in der mündlichen Verhandlung behauptet, so dass das Bundesverwaltungsgericht auch in diesem Punkt nicht davon ausgeht, dass er der Wahrheit entspricht.

Gegen sein Bedürfnis an internationalem Schutz spricht übrigens auch, dass er sich bereits Monate in der EU aufgehalten hatte, ohne einen Asylantrag zu stellen. Erst nach der Festnahme am Wiener Flughafen und der Einvernahme zwecks Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde ein Asylantrag gestellt. Dazu erklärte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, dass er in Spanien die Abnahme seiner Fingerabdrücke und das Stellen eines Asylantrages vermieden habe, weil er von Beginn an vorgehabt habe, nach Österreich zu reisen, um hier einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. In der mündlichen Verhandlung wiederum erklärte er, erst nach einer Empfehlung eines Freundes den Gedanken gefasst zu haben, nach Österreich weiterzureisen. Insgesamt ist diese späte Antragstellung (und dies erst nach einer Festnahme) als weiteres Indiz zu werten, dass der Beschwerdeführer sich eigentlich selbst nicht als schutzbedürftig ansieht und keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung oder Bedrohung seiner Person in Nigeria nicht glaubhaft gemacht hat.

Der Vollständigkeit halber sei nur darauf hingewiesen, dass ihm selbst im Falle einer Wahrunterstellung seines ganzen Vorbringens (dass er in XXXX Zeuge eines Boko Haram Anschlages war, dem seine Waren zu Opfer fielen; dass er dann versuchte, auf einer Farm ein Einkommen zu verdienen, was ihm durch Angriffe der Fulani Herdsmen verunmöglicht wurde und dass er schließlich von seinen Freunden, die ihm Geld geliehen hatten, bedroht wird) der Flüchtlingsstatus nicht zuzuerkennen wäre. Abgesehen davon, dass Schuldner keine soziale Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen und bereits aus diesem Grund kein Asyl zu gewähren wäre, könnte er sich allen genannten Bedrohungen durch die Wahl seines Aufenthaltsortes in Nigeria entziehen. In der Beschwerde wurde als alleiniger Asylgrund die Furcht vor einer "weiteren Verfolgung durch Boko Haram" genannt. Weder in Enugu State noch in einer anderen Region des Südens Nigerias besteht allerdings die Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung durch Boko Haram. Einer etwaigen Bedrohung durch die Hirten der Fulani und durch seine Gläubiger könnte er sich einfach durch einen Umzug in eine Großstadt, etwa Benin City oder Lagos, entledigen. Als einziges Argument, warum er nicht dort leben könne, brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor, dass er dort niemanden kenne. Diese Städte sind frei zugänglich; dort gibt es keine Bedrohung durch Hirten und wäre es seinen Gläubigern unmöglich, ihn zu finden. Ein Leben dort wäre dem ledigen, erwerbsfähigen Beschwerdeführer, der über Berufserfahrung am Bau und im Handel verfügt, auch zumutbar und wäre davon auszugehen, dass es ihm in den Großstädten ebenso wie in Nnsuka, wo seine Familie lebt, möglich wäre, sich eine grundlegende wirtschaftliche Existenz zu sichern. Daher wäre selbst, wenn man davon ausgehen würde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers der Wahrheit entspricht, ihm kein internationaler Schutz zuzuerkennen.

Sowiet in der Beschwerde auf die Probleme mit Korruptheit in Nigeria hingewiesen wird, ergibt sich daraus keine besondere Gefährdung für die Person des Beschwerdeführers und daher auch keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

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EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Die Feststellungen zur Situation rund um die "Fulani Herdsmen" basieren einerseits auf dem auf dem Bericht der International Crises Group vom 19.09.2017, "Herders against Farmers: Nigeria's Expanding Deadly Conflict", Africa Report 252, andererseits auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017, welcher sich auf die folgenden Quellen stützt:

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

CWI - 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 27.7.2017

-

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

-

IRIN - IRIN News (13.7.2017): The deadly conflict tearing Nigeria apart (and it's not Boko Haram), https://www.irinnews.org/analysis/2017/06/13/deadly-conflict-tearing-nigeria-apart-and-it%E2%80%99s-not-boko-haram, Zugriff 27.7.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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