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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des RJ, (geboren am 12. Dezember 1970), vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 3. November 1997, Zl. FR 145/1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 3. November 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia sei somit zulässig.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner "Erstasylniederschrift" vom 25. November 1996 vor dem Bundesasylamt hinsichtlich seiner angeblichen Fluchtgründe sinngemäß vorgebracht, dass, als der Bürgerkrieg 1989 Nimba-County erreicht hätte, die Armee gekommen wäre und versucht hätte, alle männlichen Jugendlichen zwangsweise zu rekrutieren. Da er Christ wäre, hätte er sich zu kämpfen geweigert und wäre aus seinem County geflüchtet. Von da an hätte er sich bis Oktober 1996 gemeinsam mit seinem Bruder in verschiedenen Counties versteckt gehalten. Im Oktober 1996 hätten ihn die Soldaten des Charles Taylor in "Granbasi-County" aufgegriffen, sein Bruder wäre getötet worden, und der Beschwerdeführer wäre in das Gefängnis von Lofa gebracht worden. Aus diesem Gefängnis wären regelmäßig Gefangene an die Front oder zum Erschießen weggebracht worden. Am 14. Oktober 1996 wäre er mit einem Transport weggebracht worden, der LKW wäre im Morast auf einer Steigung umgekippt, und er hätte im allgemeinen Durcheinander flüchten können. Er wäre zwei Tage im Busch herumgeirrt, bis er den Mann getroffen hätte, der seine Flucht organisiert hätte. Dieser Mann hätte ihn in sein Haus und zwei Tage später zum Hafen gebracht. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme zum Fluchtweg angegeben hätte, seine Heimat am 23. Oktober 1996 verlassen zu haben, und er nunmehr angeben würde, dies wäre vier Tage nach dem 14. Oktober, somit am 18. Oktober, gewesen, sodass diese Aussagen um eine Woche differieren würden, habe der Beschwerdeführer lediglich angegeben, dass er die Wahrheit gesagt hätte. Er wäre wegen des Bürgerkriegs in Liberia geflüchtet und hätte nicht kämpfen wollen. Ihm persönlich wäre nichts passiert. Zu seinen Fluchtgründen habe er nichts mehr ergänzen wollen. Nach Rückübersetzung der "Erstasylniederschrift" habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er am 14. Oktober 1996 nicht das Gefängnis verlassen hätte, sondern in Haft genommen worden und sieben Tage eingesperrt gewesen wäre. Weiters habe er angegeben, dass er dem Inhalt dieser Niederschrift nichts mehr hinzuzufügen hätte.
Bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme am 13. Jänner 1997 habe er angegeben, dass im Großen und Ganzen die Probleme, wie von ihm schon im Asylansuchen angegeben, noch immer aufrecht wären. Im Fall seiner Rückkehr (nach Liberia) würde er sicher, genauso wie sein Bruder, von den Truppenangehörigen des Charles Taylor erschossen werden. Solange Krieg in seiner Heimat wäre, könnte er nicht dorthin zurück.
Die belangte Behörde führte im Weiteren aus, dass der Beschwerdeführer mit diesen auf bloßen Behauptungen beruhenden, kaum nachprüfbaren Angaben das Bestehen einer aktuellen, subjektiv gegen ihn gerichteten Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr iS des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG für den Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht glaubhaft machen könne. Dazu komme noch, dass seine widersprüchlichen Angaben in der "Erstasylniederschrift" hinsichtlich des Zeitpunktes des Verlassens seiner Heimat nicht geeignet seien, die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu unterstreichen. Nachdem diese Angaben um eine Woche differierten, sei er sich offensichtlich selbst nicht einmal im Klaren darüber, wann er überhaupt aus Liberia geflüchtet sei. Letztendlich gebe er in seiner Berufungsschrift noch korrigierend an, dass er nicht am 14. Oktober 1996 das Gefängnis verlassen hätte, sondern in Haft genommen worden und sieben Tage lang eingesperrt gewesen wäre. Auf Grund des Umstandes, dass er auch nicht im Besitz eines gültigen nationalen Reisedokuments sei und somit an seiner Identität nicht unberechtigte Zweifel bestünden, seien seine Angaben über seine angebliche Verhaftung durch Angehörige der Rebellengruppen des Charles Taylor, die darauf folgende Anhaltung in einem Gefängnis und seine angebliche Flucht während eines Transportes nicht glaubwürdig. Auch seine Ausführungen, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Liberia, genauso wie sein Bruder, von den Truppenangehörigen des Charles Taylor erschossen würde, seien lediglich bloße Behauptungen und Vermutungen, für die er jegliche Glaubhaftmachung durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel schuldig geblieben sei.
Zur derzeitigen politischen Situation im Heimatstaat des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass, nachdem der auf Grundlage des am 10. August 1995 in Abja (Nigeria) unterzeichneten Abkommens zur Beendigung des seit sechs Jahren währenden Bürgerkriegs in Kraft getretene Waffenstillstand von den Bürgerkriegsparteien nur teilweise eingehalten worden sei, auf Druck der UNO am 20. August 1995 von allen Bürgerkriegsparteien ein neuerliches Abkommen zur Beendigung des Bürgerkriegs unterzeichnet worden sei, das die Einstellung aller Feindseligkeiten bis spätestens 28. August 1995 vorgesehen habe. Am 1. September 1995 seien ein sechsköpfiger Staatsrat und von diesem am 2. September 1995 eine Übergangsregierung gebildet worden. Des weiteren sei eine Überwachungstruppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, die sogenannte ECOMOG-Truppe, in Liberia stationiert worden, die mittlerweile auf 18.000 Mann aufgestockt worden sei, sowohl die Hauptstadt Monrovia als auch die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen und Hauptstraßen kontrolliere sowie die Demobilisierung und Entwaffnung der seinerzeit bewaffneten Bürgerkriegsparteien (Milizionäre) in die Wege geleitet habe und weiter vorantreibe. Bei den Ende Mai/Anfang Juni 1997 stattgefundenen Wahlen sei Charles Taylor zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden. Durch die Abhaltung demokratischer und fairer Wahlen sei nunmehr der Machtkampf um das Amt des Staatspräsidenten einer definitiven Entscheidung zugeführt worden und könne davon ausgegangen werden, dass Charles Taylor seinen Kampf um die Macht im Land beendet habe und somit auch keine Motivation mehr gegeben sein dürfte, allfällige Zwangsrekrutierungen für Kämpfe durchzuführen. Es gebe daher keine konkret nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat allfälligen Bedrohungen bzw. Verfolgungen von Rebellengruppen ausgesetzt wäre, zumal auf Grund einer weitgehend funktionierenden Staatsgewalt in seinem Heimatstaat für ihn die Möglichkeit bestehe, sich unter den Schutz der staatlichen Autorität zu stellen. Dass die staatlichen Behörden in Liberia mitunter stattgefundene Übergriffe von Seiten Angehöriger bewaffneter Rebellengruppen gegenüber der Zivilbevölkerung mit rigorosen Strafen ahndeten, zeige recht deutlich der Amnesty International-Jahresbericht 1997. Wenn man zudem bedenke, dass der Beschwerdeführer die Hilfe von Schleppern in Anspruch genommen habe und es zu den Dienstleistungen von Schlepperorganisationen gehöre, auch entsprechende Dokumente und "Argumentationshilfen" im Bedarfsfall nachzuliefern, so schienen seine Angaben noch unglaubwürdiger.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung iS des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 96/21/0549, mwN.)
2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich der verschiedenen Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Flucht und macht geltend, dass die Angaben einer Person, die offensichtlich unter schwerem Schock und Todesangst gestanden sei, nicht mit der "Goldwaage" abgewogen werden könnten. Die belangte Behörde hätte durch entsprechende Fragestellung und ergänzende Ermittlungen in Erfahrung bringen müssen, ob die Angaben des Beschwerdeführers tatsächlich glaubwürdig gewesen seien.
3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Der Beschwerdeführer stellte nicht in Abrede, bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 25. November 1996 zuerst angegeben zu haben, am 23. Oktober 1996 nach Sierra Leone geflüchtet zu sein, und diesen Fluchtzeitpunkt dann auf 18. Oktober 1996 korrigiert zu haben. Auf diesen Widerspruch in seiner Aussage hingewiesen gab der Beschwerdeführer bei dieser Vernehmung lediglich an, die Wahrheit gesagt zu haben, um in weiterer Folge vorzubringen, erst am 14. Oktober 1996 in Haft genommen worden und sieben Tage lang eingesperrt gewesen zu sein, sodass sich unter Zugrundelegung seiner weiteren Aussage, dass er vier Tage nach seinem Entkommen aus der Haft zum Hafen gebracht worden sei, als dritte Variante ergab, dass er Liberia nicht vor dem 25. Oktober 1996 verlassen habe (vgl. die in den Verwaltungsakten erliegende Niederschrift vom 25. November 1996). Der zur Erklärung dieser Ungereimtheiten in der Aussage des Beschwerdeführers ins Treffen geführte Beschwerdehinweis, dass er offensichtlich unter schwerem Schock und in Todesangst gestanden sei, vermag diese Widersprüche nicht plausibel aufzuklären, wurde doch der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt erst mehrere Wochen nach der von ihm behaupteten Flucht aus Liberia vernommen.
Vor diesem Hintergrund begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Von daher gesehen braucht auf die Plausibilität der weiteren Aussage des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, dass ein Mann, den er zufällig getroffen habe, seine Flucht organisiert habe und er dafür (somit für den Transport mit dem Schiff und dem LKW einschließlich der Verpflegung sowie für seinen Fluchthelfer) nichts habe bezahlen müssen, sowie auf die Zweifel der belangten Behörde an seiner Identität und darauf, dass er in der Beschwerde entgegen seiner Darstellung im Verwaltungsverfahren behauptet, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein, nicht näher eingegangen zu werden.
Soweit der Beschwerdeführer der Behörde vorwirft, dass diese ihn nicht ausreichend vernommen habe, ist ihm zu erwidern, dass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist. Es wird nämlich nicht vorgebracht, welche konkreten Angaben der Beschwerdeführer hätte machen können, die zu einer für ihn günstigen Beurteilung der Sache hätten führen können.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen geht auch das Beschwerdevorbringen ins Leere, dass in Liberia trotz des Friedensschlusses nach wie vor Bürgerkrieg herrsche.
4. Insgesamt kann somit die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Gefährdung oder Bedrohung iS des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG für den Fall seiner Abschiebung nach Liberia glaubhaft zu machen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 5. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997210911.X00Im RIS seit
20.11.2000