Entscheidungsdatum
03.10.2018Norm
BVergG 2006 §12 Abs1 Z2Spruch
W187 2206514-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX , vertreten durch Schwartz Huber-Medek Pallitsch, Hohenstaufengasse 7, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Projektnummer 2018-22: ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA, - Software und Implementierungsleistungen'" der Auftraggeberin Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, vom 26. September 2018 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht weist den Antrag der XXXX , das Bundesverwaltungsgericht möge den Auftraggeberinnen
"a. der Antragsgegnerin AUVA mittels einstweiliger Verfügung utnersagen, das Vergabeverfahren Projektnummer 2018-22 ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA - Software und Implementierungsleistungen' (Geschäftszahl: WA116220/4002) für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, in evenut zumindest für die Dauer von 6 Wochen ab Einlangen des Antrages auf Nichtigerklärung, fortzusetzen,
b. in eventu der Antragsgegnerin AUVA mittels einstweiliger Verfügung untersagen, im Vergabeverfahren Projektnummer 2018-22 ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA - Software und Implementierungsleistungen' (Geschäftszahl: WA116220/4002) für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, in eventu zumindest für die Dauer von 6 Wochen ab Einlangen des Antrages auf Nichtigerklärung, eine Zuschlagsentscheidung zu erlassen,
c. in eventu der Antragsgegnerin AUVA mittels einstweiliger Verfügung untersagen, im Vergabeverfahren Projektnummer 2018-22 ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA - Software und Implementierungsleistungen' (Geschäftszahl: WA116220/4002) für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, in eventu zumindest für die Dauer von 6 Wochen ab Einlangen des Antrages auf Nichtigerklärung, den Zuschlag zu erteilen,"
gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 ab.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 26. September 2018 beantragte die XXXX , vertreten durch Schwartz Huber-Medek Pallitsch, Hohenstaufengasse 7, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Akteneinsicht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Nichtigerklärung der Nicht-Zulassung zur Teilnahme am Vergabeverfahren vom 17. September 2018, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "Projektnummer 2018-22: ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA, - Software und Implementierungsleistungen'" der Auftraggeberin Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien.
1.1 Nach der Bezeichnung des Vergabeverfahrens, Angaben zu den Verfahrensbeteiligten und dem anwendbaren Recht, Ausführungen zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung, stellt die Antragstellerin den Sachverhalt dar. Das Interesse am Vertragsabschluss habe sie durch Beteiligung am Vergabeverfahren, größtem wirtschaftlichen und strategischem Interesse am Projekt, die bisher angefallenen Kosten der Beteiligung am Vergabeverfahren und den Rechtsvertretungskosten, den entrichteten Pauschalgebühren und dem Nachprüfungsantrag dargetan. Als drohenden Schaden macht sie die Kosten für die Beteiligung am Vergabeverfahren, die Kosten der rechtsfreundlichen Beratung, die entrichteten Pauschalgebühren, den entgangenen Gewinn und den Entgang eines wichtigen Referenzprojekts geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Bietergleichbehandlung bzw Nichtdiskriminierung, auf Gewährleistung eines freien und lauteren Wettbewerbs, auf ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren, auf Einhaltung der bestandsfesten Teilnahm-/Ausschreibungsbestimmungen, auf Zulassung des Teilnahmeantrags der Antragstellerin bzw Recht auf Berücksichtigung und Nichtausscheiden des Teilnahmeantrags der Antragstellerin, auf vergaberechtskonforme Teilnehmerauswahl unter Einhaltung der bestandsfesten Teilnahme-/Ausschreibungsbestimmungen und auf Widerruf des Vergabeverfahrens verletzt. Die Antragstellerin behält sich weiteres Vorbringen vor.
1.2 Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die Auftraggeberin ihre eigenen bestandsfesten Festlegungen in den Teilnahmebestimmungen aber auch § 83 BVergG 2006 verkenne. Die Antragstellerin habe den Subunternehmer XXXX als Subunternehmer für die technische Leistungsfähigkeit, nicht aber für die Befugnis und die wirtschaftliche sowie finanzielle Leistungsfähigkeit benannt. Es wären daher für den Subunternehmer auch nur jene Nachweise vorzulegen gewesen, die den ihm zugedachten Leistungsteil beträfen. Die Eignungskriterien zur finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wären ausschließlich vom Bewerber, der Antragstellerin nachzuweisen gewesen. Es sei grundsätzlich richtig, dass der Subunternehmer die für die Ausführung seines Teiles erforderliche Befugnis und Leistungsfähigkeit sowie die berufliche Zuverlässigkeit besitzen müsse. Das bedeute aber nicht, dass der Subunternehmer die Eignungsanforderungen an den Bieter erfüllen müsse. Aus den Materialien ergebe sich, dass die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur dann von Relevanz sei, wenn es sich um einen notwendigen Subunternehmer handle. Der Subunternehmer XXXX sei für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in keiner Weise notwendig, weil die Antragstellerin darüber verfüge. Insofern müsse für den Subunternehmer kein Gesamtumsatz von € 7 Mio pro Jahr nachgewiesen werden. Die Behauptung der Auftraggeberin, dass die Antragstellerin den Teilnahmeantrag nachträglich abgeändert habe, indem sie den Anteil des Subunternehmers an der Leistung von 50 % auf 15 % reduziert habe. Dadurch ändere sich weder an der Eignung noch am Teilnahmeantrag etwas.
1.3 Das eingereichte Referenzprojekt "NÖ Landeskliniken - Holding" entspreche den Mindestvoraussetzungen gemäß Punkt 4.1.4.1 Aufzählungspunkt 1 der Teilnahmeunterlagen, weil es ein vollkommen neues Projekt gewesen und weniger als drei Jahre in Betrieb sei.
1.4 Die Antragstellerin macht das Vorbringen zum Nachprüfungsantrag auch zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und führt im Wesentlichen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht auf durch eine einstweilige Verfügung unverzüglich jene Maßnahmen anzuordnen habe, die nötig und geeignet erschienen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern. Dem Nachprüfungsantrag komme ex lege keine aufschiebende Wirkung zu. Zum Schutz der Rechte der Antragstellerin sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbedingt erforderlich, da die der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags an die in der angefochtenen Entscheidung bekannt gegebene präsumtive Zuschlagsempfängerin bzw vermeintliche Bestbieterin untersage. Die einstweilige Verfügung diene dazu, durch behördliche Maßnahmen zu verhindern, dass zu Lasten der rechtsschutzsuchenden Bieter vollendete Tatsachen geschaffen würden, die für diese einen nicht wiedergutzumachenden Schaden bedeuteten. Es sei zu befürchten, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren ohne die Antragstellerin weiterführe. Der Antragstellerin wäre dadurch die reelle Chance auf die Zuschlagserteilung genommen. Der drohende Schaden trete ein. Der Erlassung der einstweiligen Verfügung stünden auch keine berücksichtigungswürdigen öffentlichen Interessen oder Interessen der Auftraggeberin auf unverzügliche Fortführung des Vergabeverfahrens entgegen. Selbst wenn man Dringlichkeit unterstellen wollte, wäre diese durch die Auftraggeberin selbst verschuldet und könnte nicht die Interessen der Antragstellerin überwiegen.
2. Am 2. Oktober 2018 teilte die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG mit, dass sie die Auftraggeberin vertrete, führte zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, dass Interessen sonstiger Bewerber, der Auftraggeberin und das öffentliche Interesse an der Fortführung des Verfahrens bestünden, um das Vergabeverfahren einem zügigen und rechtskonformen Abschluss näher zu bringen. Es bestünden keine überwiegenden Interessen der Antragstellerin, an der begehrten Untersagung der Fortführung des Verfahrens. Diese wäre überschießend, weil bei Erlassung eines solchen Verbots der Auftraggeberin zB eine weitere Prüfung der Teilnahmeanträge unmöglich wäre. Es bestünde auch kein Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer Zuschlagsentscheidung, weil sie diese als im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin zugestellt bekäme und anfechten könnte. Aus diesem Grund sei auch die Untersagung der Zuschlagserteilung nicht notwendig. Weiters erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte, bestritt das Vorbringen der Antragstellerin, nahm zum Umfang der Akteneinsicht Stellung und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
3. Am 2. Oktober 2018 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor und richtete dem senatsvorsitzenden Richter einen Zugang zum elektronischen Vergabeakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1 Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt schreibt unter der Bezeichnung "Projektnummer 2018-22: ‚KIM - Krankenhausinformationssystem Modular der AUVA, - Software und Implementierungsleistungen'" Dienstleistungen mit dem CPV-Code 48814400-1 - Klinisches Informationssystem im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung gemäß § 30 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtauftrags beträgt € 7,000.000 ohne USt. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 3. Juli 2018 zur Zahl 2018/S 125-285520 und im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 2. Juli 2018 zur Zahl L-652172-8628. Das Ende der Teilnahmefrist war der 30. Juli 2018, 11.00 Uhr. (Auskünfte der Auftraggeberin, Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.2 Am 30. Juli 2018 fand von 11.03 Uhr bis 11.09 Uhr die Öffnung der Teilnahmeanträge statt. Dabei wurden Teilnahmeanträge der Antragstellerin und fünf weiterer Bewerber geöffnet. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.3 Am 17. September 2018 gab die Auftraggeberin der Antragstellerin und drei weiteren Bewerbern die Nicht-Zulassung zum Verhandlungsverfahren bekannt. Das Mail an die Antragstellerin lautet wie folgt:
"...
Auf Grund der in den Teilnahmeunterlagen vorgegebenen Kriterien können wir Sie zur Angebotslegung im obigen Verfahren leider nicht einladen.
Mit Infomail vom 21.08.2018 wurden Sie aufgefordert folgende fehlende Eignungsnachweise bis spätestens 29.08.2018, 00:01 Uhr, nachzureichen:
-
Nachweis eines mittleren Jahresumsatzes mit vergleichbaren Leistungen wie jenen, die den Gegenstand dieser Ausschreibung bilden, der letzten drei beendeten Geschäftsjahre in Höhe von € 7 Mio (entsprechend der Übernahme von 50% des Auftrags):
-
XXXX
Der o.a. fehlende Eignungsnachweis wurde nicht nachgereicht.
Mit Infomail vom 04.09.2018 wurden Sie nochmals aufgefordert, die folgenden fehlenden Eignungsnachweise bis spätestens 12.09.2018, 00:01 Uhr, nachzureichen.
-
Nachweis eines mittleren Jahresumsatzes mit vergleichbaren Leistungen wie jenen, die den Gegenstand dieser Ausschreibung bilden, der letzten drei beendeten Geschäftsjahre in Höhe von € 7 Mio (entsprechend der Übernahme von 50% des Auftrags):
-
XXXX
-
Referenzprojekte gemäß Punkt 4.1.4.1. a), b), c) und d) der Teilnahmeunterlage
Der geforderte mittlere Jahresumsatz mit vergleichbaren Leistungen wie jenen, die den Gegenstand dieser Ausschreibung bilden, der letzten drei beendeten Geschäftsjahre in Höhe von € 7 Mio wurde von der Firma XXXX nicht erreicht und es wurden keine neuen Referenzprojekte eingereicht.
Weiters wurde der Teilnahmeantrag im Nachhinein abgeändert (von 50 % der geschätzten Gesamtleistung des Subunternehmers XXXX auf 15 % der geschätzten Gesamtleistung).
Die technische Leistungsfähigkeit und die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wurden nicht nachgewiesen und somit werden Sie als Bewerber gemäß Punkt 4.1 der Teilnahmeunterlage zur 2. Stufe des Vergabeverfahrens nicht zugelassen.
Wir danken für Ihre Bewerbung.
Ist im gegenständlichen Verfahren die Abgabefrist bereits abgelaufen, finden Sie es im linken Hauptmenü, jeweils im Unterpunkt ‚abgelaufene'.
..."
(Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin, Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €
19.440. (Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10, idgF lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:
"Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) ...
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
..."
3.1.3 Zu Bestimmungen gemäß § 58 Abs 2 VwGVG zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des BVergG vorgeht. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, lauten:
"4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) ...
2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) ...
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) ...
3. Abschnitt
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) ...
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.
...
Inkrafttretens-, Außerkrafttretens- und Übergangsvorschriften
§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.
(2) ...
(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage."
3.2 Zu Spruchpunkt A) -Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.2.1 Maßgebliche Rechtslage
3.2.1.1 Am 21. August 2018 trat das BVergG 2018 nach seinem § 376 Abs 1 in Kraft und das BVergG 2006 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.
3.2.1.2 Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 eingeleitet waren, nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Vergabeverfahren am 2. Juli 2018 eingeleitet wurde, ist es nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, dem BVergG 2006, zu Ende zu führen und zu beurteilen.
3.2.1.3 Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Nachprüfungsverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, ist es nach der Rechtslage des BVergG 2018 zu führen.
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG 2006 ist die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Sie ist öffentliche Auftraggeberinnen gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 (st Rspr zB BVwG 12. 9. 2018, W138 2200339-2/22E, W138 2201255-2/22E, W138 2203735-2/13E; BVA 10. 3. 2009, N/0145-BVA/09/2008-81; 21. 11. 2013, N/0100-BVA/06/2013-27). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen prioritären Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 iVm Anh III Kategorie 7 BVergG 2006. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 2 BVergG 2006, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2006 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit b B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.
3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.2.1 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
3.2.2.2 Soweit sich das Begehren der Antragstellerin auf die Untersagung der Fortsetzung des gesamten Vergabeverfahrens richtet, ist dieses unabhängig vom Ausgang der Interessenabwägung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 als überschießend abzuweisen. Dem Bundesverwaltungsgericht ist kein Grund bekannt und ist das Vorliegen eines solchen seitens der Antragstellerin auch nicht entsprechend vorgebracht worden, welcher es erfordern würde, die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin derart weitgehend einzuschränken. Die beantragte Maßnahme stellt im Hinblick auf die mit dieser einstweiligen Verfügung zu verfolgenden Ziele nach der ständigen Rechtsprechung nicht das nötige und gelindeste Mittel gemäß §§ 328 Abs 1 und 329 Abs 3 BVergG dar (zB BVwG 22. 12. 2016, W187 2137620-1/2E; 15. 9. 2017, W139 2170025-1/7E; 15. 1. 2018, W138 2182130-1/2E).
3.2.2.3 Das Vergabeverfahren befindet sich im Stadium vor dem Treffen und der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung. Es steht somit die Erteilung des Zuschlages nicht unmittelbar bevor, weshalb der Antragstellerin dadurch beim derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens daraus kein Schaden droht (zB BVwG 26. 9. 2016, W149 2135160-1/5E). Überdies ist die Auftraggeberin gemäß § 131 BVergG 2006 verpflichtet, der Antragstellerin als im Vergabeverfahren verbliebene Bewerberin die Zuschlagsentscheidung bekannt zu geben, die diese dann anfechten könnte. Somit droht der Antragstellerin die bevorstehende Zuschlagserteilung derzeit nicht. Die Maßnahmen der Untersagung der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und der Untersagung der Zuschlagserteilung sind daher in derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens nicht erforderlich (zB BVwG 19. 2. 2015, W139 2100854-1/2E).
3.2.2.4 Da die beantragten Maßnahmen teils überschießend, teils zur Abwendung des unmittelbar drohenden Schadens ungeeignet sind, war der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der gestellten Form abzuweisen.
3.2.2.5 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) - Nichtzulassung der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;
30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;
29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bekanntgabepflicht, bestandfeste Ausschreibung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W187.2206514.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.10.2018