RS Vfgh 2018/9/28 V1/2018

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Veröffentlicht am 28.09.2018
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41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
SicherheitspolizeiG §37 Abs1
V der Landespolizeidirektion Steiermark vom 03.07.2017 "Auflösung einer Besetzung gem §37 SPG", ZE1/53694/2017
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung betreffend die Auflösung einer Besetzung nach dem SicherheitspolizeiG mangels gesetzlicher Grundlage; Qualifikation der Aktivitäten im "Murcamp" zur Verhinderung von Bauarbeiten als Versammlung

Rechtssatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Landespolizeidirektion Steiermark "Auflösung einer Besetzung gem §37 SPG" vom 03.07.2017, Z E1/53694/2017.

§37 SPG sieht vor, dass von der darin enthaltenen Ermächtigung zur Verordnungserlassung nur dann Gebrauch zu machen ist, wenn jedenfalls keine Versammlung vorliegt.

Das VersammlungsG 1953 definiert den Begriff der von ihm erfassten "Versammlung" nicht. Nach stRsp des VfGH ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen dann eine Versammlung iSd VersammlungsG 1953, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt nicht zuletzt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im Hinblick auf die in der Judikatur entwickelten Maßstäbe und Grundsätze, ist davon auszugehen, dass auch Spontanversammlungen und ad-hoc entstehende Demonstrationen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen können.

Vor diesem Hintergrund sieht der VfGH keinen Anlass, der vom Landesverwaltungsgericht Steiermark getroffenen Annahme, dass die festgestellten Aktivitäten im "Murcamp" (ua Ansprechen von Passanten, Zurverfügungstellung von Informationsmaterial, Einladung zu Diskussionen) auf ein gemeinsames Wirken abzielten und damit Versammlungscharakter entfalteten, entgegenzutreten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt der Räumung des Camps die Initiatoren bzw Teilnehmer nicht vollständig versammelt waren und dass das gemeinsame Wirken (vorübergehend) darin bestand, anstehende Bauarbeiten durch Ausübung passiven Widerstands in Form des Verweilens in zuvor errichteten Lagerstätten zu blockieren bzw zu verhindern. Auch ein solches kollektives Verhalten in demonstrativem Zusammenwirken zur Betreibung eines offenkundigen, gemeinsamen Zieles, das zudem Teil umfangreicher Aktionen ist, ist als Versammlung zu qualifizieren.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Versammlungsrecht, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:V1.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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