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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ABGB betreffend den generellen Ausschluss von der Annahme an Kindesstatt gleichgeschlechtlicher Paare nach deren Trennung; adoptionsbedingtes Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen gegenüber dem leiblichen Elternteil durch einen Wahlelternteil desselben Geschlechts verfassungskonform dahingehend interpretiert, dass ein "Wahlvater" an Stelle der leiblichen Mutter und eine "Wahlmutter" an Stelle des leiblichen Vaters trittSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG, begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge "§197 Abs3 1. Satz ABGB idgF (Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater [eine Wahlmutter] angenommen, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs2 zum leiblichen Vater [zur leiblichen Mutter] und zu dessen [deren] Verwandten.) als verfassungswidrig aufheben, […] in eventu die Klammern () vor und nach 'eine Wahlmutter', 'zur leiblichen Mutter' sowie 'deren' in §197 Abs3 1. Satz als verfassungswidrig aufheben".
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesamten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie (im Folgenden: ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl I 179/2013, lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Bewilligung
§194. (1) Die Annahme eines minderjährigen Kindes ist zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist das Wahlkind volljährig, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben.
(2) Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen.
§195. (1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn folgende Personen der Annahme zustimmen:
1. die Eltern des minderjährigen Wahlkindes;
2. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Annehmenden;
3. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Wahlkindes;
4. das nicht entscheidungsfähige volljährige Wahlkind;
5. der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Wahlkindes.
(2) Das Zustimmungsrecht nach Abs1 entfällt, wenn die zustimmungsberechtigte Person als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat, wenn eine der in Abs1 Z1 bis 4 genannten Personen zu einer Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig ist oder wenn der Aufenthalt einer der in Abs1 Z1 bis 3 genannten Personen seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist.
(3) Das Gericht hat die verweigerte Zustimmung einer der in Abs1 Z1 bis 3 und 5 genannten Personen auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
§196. (1) Ein Recht auf Anhörung haben:
1. das nicht entscheidungsfähige minderjährige Wahlkind;
2. die Eltern des volljährigen Wahlkindes;
3. die Pflegeeltern oder der Leiter des Heimes, in dem sich das Wahlkind befindet;
4. der Kinder- und Jugendhilfeträger.
(2) Das Anhörungsrecht des in Abs1 genannten Wahlkindes entfällt, wenn es zu einer Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig ist oder durch die Anhörung dessen Wohl gefährdet wäre. Das Anhörungsrecht eines sonstigen im Abs1 genannten Berechtigten entfällt, wenn er als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat; ferner, wenn er nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten gehört werden könnte.
Wirkungen
§197. (1) Zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits entstehen mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte, wie sie durch die Abstammung begründet werden.
(2) Wird das Wahlkind durch Ehegatten als Wahleltern angenommen, so erlöschen mit den in §198 bestimmten Ausnahmen die nicht bloß in der Verwandtschaft an sich (§40) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit diesem Zeitpunkt.
(3) Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs2 zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter) und zu dessen (deren) Verwandten. Dem nicht verdrängten leiblichen Elternteil gegenüber hat das Gericht das Erlöschen auszusprechen, wenn dieser dem zustimmt. Das Erlöschen wirkt vom Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung an, frühestens jedoch vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme an.
(4) Nimmt ein Ehegatte, ein eingetragener Partner oder ein Lebensgefährte das Kind seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten an, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs2 lediglich zum anderen Elternteil und zu dessen Verwandten."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin lebte 16 Jahre in Lebensgemeinschaft mit der leiblichen Mutter des minderjährigen Kindes (beide sind beteiligte Parteien), das während aufrechter Lebensgemeinschaft auf Grund des gemeinsamen Kinderwunsches in Finnland mittels Insemination gezeugt wurde. Das Kind habe keinen Vater im rechtlichen Sinn. Auch die Feststellung eines solchen sei rechtlich ausgeschlossen. Von Geburt an hätten sich die Antragstellerin und die Kindesmutter in tatsächlicher, rechtlicher und finanzieller Hinsicht zu gleichen Teilen um das Kind gekümmert. Mit Beschluss vom 3. November 2010, Z 6 Ps 247/09d, habe das Bezirksgericht Leopoldstadt die Vereinbarung, die Obsorge für das Kind gemeinsam auszuüben, bewilligt. Das Kind habe zur Antragstellerin eine sehr enge emotionale Verbindung, die einem Eltern-Kind-Verhältnis entspreche. Auch nach Beendigung der Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und der leiblichen Mutter im Jahr 2013 habe sich an der gemeinsamen Obsorge nichts geändert. Die Antragstellerin wohne in unmittelbarer Nähe zur Kindesmutter und beide würden sich im Ausmaß von 50:50 um das minderjährige Kind kümmern.
2. Die enge Beziehung der Antragstellerin zum Kind sollte in der Folge durch die Annahme an Kindesstatt eine vollständige rechtliche Grundlage erhalten. Am 20. März 2017 schlossen die Antragstellerin und die leibliche Mutter als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Kindes einen Vertrag über die Annahme des Kindes an Kindesstatt. Ausdrücklich festgehalten wurde darin, dass die rechtlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter aufrecht bleiben sollen. In weiterer Folge beantragten sie beim Bezirksgericht Leopoldstadt die gerichtliche Bewilligung der Annahme an Kindesstatt.
3. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 19. Februar 2018, Z 6 P 127/17k-6, wurde der Antrag auf Bewilligung der Annahme des minderjährigen Kindes an Kindesstatt durch die Antragstellerin abgewiesen.
3.1. Begründend wird ausgeführt, dass die Annahme an Kindesstatt nur unter den Voraussetzungen der §§194 ff. ABGB zu bewilligen sei. Im vorliegenden Fall liege zwischen der Antragstellerin und dem Kind jedenfalls bereits eine dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung vor. Zudem sei unzweifelhaft, dass die Annahme dem Kindeswohl diene, da das minderjährige Kind derzeit lediglich über einen Elternteil verfüge. Durch einen weiteren Elternteil würde ihm gegenüber eine zweite Person mit allen familien- und erbrechtlichen Pflichten, die aus dem Familienverhältnis folgen, hinzutreten. Im Übrigen schiene es auch aus emotionalen Gründen sinnvoll, die bereits bestehende enge Verbindung zur Antragstellerin durch die Annahme endgültig zu bekräftigen. Auch die Zustimmung nach §195 Abs1 ABGB sei vorliegend unproblematisch, zumal die leibliche Mutter der Annahme ausdrücklich zugestimmt habe.
3.2. Im Ergebnis hänge die Bewilligung der Annahme nach Ansicht des Gerichtes lediglich davon ab, ob die Annahme mit den Wirkungen des §197 ABGB vereinbar sei. Dies wurde im vorliegenden Fall jedoch verneint: Das geltende Adoptionsrecht setze in §197 Abs3 ABGB für die Annahme an Kindesstatt nur durch einen Wahlvater (Wahlmutter) voraus, dass die rechtliche Beziehung zum leiblichen Vater (Mutter) erlösche. Das Erlöschen der rechtlichen Beziehung zum leiblichen Elternteil könne auch nicht durch Zustimmung oder Vereinbarung umgangen werden (nicht dispositiv). Der Annehmende ersetze somit nicht den Elternteil seiner Wahl (vgl Deixler-Hübner, in: Klete?ka/Schauer [Hrsg.], ABGB-ON 1.06 §197 Rz 3; Beclin, EFZ 2016, 143). Die rechtliche Beziehung zum anderen Elternteil bleibe jedoch bestehen, außer das Gericht spreche das Erlöschen mit Zustimmung des nicht verdrängten, leiblichen Elternteils aus. Die Möglichkeit, dass ein Elternteil den gegengeschlechtlichen Elternteil unter Aufrechterhaltung der rechtlichen Beziehung zum gleichgeschlechtlichen Elternteil verdränge, kenne das geltende Recht (mit Ausnahme des §197 Abs4 ABGB) im Ergebnis nicht. Hiefür mache es keinen Unterschied, ob das Kind im rechtlichen Sinn bis dato nur einen oder zwei Elternteile habe. Habe das Kind aber wie vorliegend nur einen Elternteil, entfalle lediglich §197 Abs3 zweiter Satz ABGB, weil es keinen "nicht verdrängten leiblichen Elternteil" geben könne. In Frage käme vorliegend allenfalls eine Annahme nach §197 Abs4 ABGB. Dieser setze jedoch den Bestand einer Ehe, einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft voraus. Keiner dieser drei Fälle sei vorliegend jedoch gegeben. Somit scheide auch die Anwendung des §197 Abs4 ABGB aus.
3.3. Eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partner oder Paare nach Maßgabe des Art8 iVm Art14 EMRK sei nach Ansicht des Gerichtes im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar würden Adoptionen in den Schutzbereich des Art8 EMRK fallen (vgl VfSlg 19.942/2014), die Antragstellerin und die leibliche Mutter würden aber gerade keine aufrechte Lebensgemeinschaft mehr aufweisen. Die Antragstellerin bzw das Wahlkind werde vom Gesetz im Vergleich zu anderen Fällen, in denen nur ein Wahlelternteil ein Wahlkind an Kindesstatt annehmen möchte, nicht schlechter oder unterschiedlich behandelt. Sohin bestünden nach Ansicht des Gerichtes bezüglich §197 Abs3 ABGB auch keine Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art14 EMRK; Art7 B-VG; Art2 StGG). Weil nach den Wirkungen der "Einzelkindadoption" die rechtliche Beziehung zum gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteil zwangsläufig erlöschen müsse, dies jedoch in der vorläufigen Konstellation gerade eben nicht angestrebt werde und die Aufrechterhaltung der leiblichen Elternschaft im Zweifel am ehesten dem Kindeswohl entspreche, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
4. Die Antragstellerin erhob gegen diesen Beschluss Rekurs und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legt die Antragstellerin ihre Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes bzw Art8 iVm Art14 EMRK wie folgt dar:
4.1. Der historische Gesetzgeber habe mit der gleichlautenden Vorgängerregelung des §182 Abs2 zweiter Satz ABGB idF BGBl 58/1960 beabsichtigt, dass im Fall der Einzeladoption der jeweils gleichgeschlechtliche, nicht aber der gegengeschlechtliche Elternteil verdrängt werde, also die leibliche Mutter durch die Wahlmutter und der leibliche Vater durch den Wahlvater. Das habe etwa auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu §182 Abs2 zweiter Satz ABGB idF BGBl 58/1960 vom 27. September 2006, 9 Ob 62/06t, bestätigt. Nach den Materialien (RV 107 BlgNR 9. GP, 21), auf die der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung verweist, sei diese Regelung eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die nicht vermögensrechtlichen Beziehungen nur gegenüber dem leiblichen Elternteil erlöschen sollen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlelternteil ersetzt werde. Ausdrücklich heiße es, dass es ein Fehler wäre, dem Wahlkind etwa seinen leiblichen Vater zu nehmen, falls es nur durch eine Wahlmutter angenommen werde. Diese Regelung sei weder extensiv zu interpretieren, noch liege eine ungewollte und daher durch Analogie auszufüllende Regelungslücke vor. Nach den Materialien solle der Hauptzweck der Kindesannahme die Förderung des Wohles des anzunehmenden nicht eigenberechtigten Kindes sein (Schutzprinzip). Die Kindesannahme solle ein geeignetes Mittel sein, elternlose Kinder, solche aus zerrütteten Familien oder von Eltern, die aus irgendeinem Grund eine geeignete Erziehung ihrer Kinder nicht gewährleisten könnten oder deren Kinder sogar unerwünscht seien, der Erziehung und Sorge geeigneter und verantwortungsbewusster Menschen zu übergeben. Dieser Zweck könne aber nur dann erreicht werden, wenn durch die Kindesannahme die Verhältnisse in der natürlichen Familie möglichst nachgebildet würden (vgl OGH 27.9.2006, 9 Ob 62/06t). Das Konzept der Elternschaft durch gleichgeschlechtliche Paare sei der Rechtsordnung zum damaligen Zeitpunkt fremd gewesen.
4.2. Die jüngere Rechtsentwicklung ermögliche jedoch auch eine gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürften Kinder (gemeinsam) adoptieren (vgl insbesondere die §§191 und 197 ABGB) und – im Rahmen der zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung – zur Welt bringen (vgl §2 Abs1 iVm Abs2 Z3 FMedG, BGBl 275/1992 idF BGBl I 35/2015). Der Gesetzgeber akzeptiere somit nunmehr die rechtliche Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Personen (und zwar auf Grund der aktuellen Rechtslage nicht nur während des Bestandes einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft, sondern auch über die Auflösung bzw Trennung derselben hinaus).
4.3. Gemäß §197 Abs3 erster Satz ABGB solle jedoch die Annahme eines Kindes durch einen Wahlvater/eine Wahlmutter alleine weiterhin nur dann möglich sein, wenn er/sie an die Stelle des jeweils gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteils trete. Damit sei die Annahme eines Wahlkindes durch eine Einzelperson, welche den gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteil nicht verdrängen, sondern (aus Gründen des Kindeswohles) die Position des gegengeschlechtlichen Elternteils einnehmen wolle, von vornherein – aus rein formalen Gründen – nicht möglich.
4.4. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage führe §197 Abs3 erster Satz ABGB daher zu einem unsachlichen und damit unzulässigen Wertungswiderspruch, wie auch die aktuelle Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.942/2014) zeige.
4.5. Unter Berufung auf die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 führt die Antragstellerin aus, dass selbst dann, wenn die Antragstellerin nicht mehr in einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit der leiblichen Mutter lebe, §197 Abs3 erster Satz ABGB im Ergebnis ebenfalls dazu führe, dass die Antragstellerin von vornherein bzw aus rein formalen Gründen von der Elternschaft ausgeschlossen sei, ohne dass die Frage des Kindeswohles überhaupt noch zu prüfen wäre. Nun könne aber nicht bloß auf Grund des Umstandes, dass zwischen der Antragstellerin und der leiblichen Mutter keine partnerschaftliche Beziehung (mehr) bestehe, angenommen werden, dass die Annahme an Kindesstatt dem Kindeswohl per se widersprechen und damit den generellen Ausschluss der Antragstellerin von der Möglichkeit der Elternschaft für das minderjährige Kind rechtfertigen würde. Dabei werde nicht verkannt, dass eine stabile Beziehung der Eltern im Sinn des Kindeswohles sei und auch die Intention bestehe, durch die Adoption eine "vollständige Familie" (im Sinn einer aufrechten Beziehung der Eltern) nachzubilden. Jedoch könne es auch nach Bewilligung einer Adoption zur Trennung der Eltern kommen, wodurch sich neue Frage- bzw Problemstellungen ergeben könnten, die zu lösen seien und für die der Gesetzgeber bereits Regelungen vorsehe. Hinzu komme, dass die Prüfung des Kindeswohles in Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt ohnehin den zuständigen Gerichten obliege, diese also immer eine Einzelfallprüfung vornehmen müssten und somit Garant dafür seien, dass die Bewilligung nur dann erteilt werde, wenn dies dem Kindeswohl auch tatsächlich entspreche.
4.6. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht das Kindeswohl ausdrücklich bejaht. Dennoch wäre diese Prüfung mangels Erfüllung der Voraussetzungen des §197 Abs3 erster Satz ABGB gar nicht vorzunehmen gewesen und sei der Antrag trotz Bejahung des Kindeswohles im vorliegenden Fall unter Hinweis auf §197 Abs3 erster Satz ABGB dennoch abgewiesen worden. Somit sei die Antragstellerin auf Grund von §197 Abs3 erster Satz ABGB von der Adoption per se ausgeschlossen. Das führe jedoch genau zu jener Situation, wie sie der Verfassungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung kritisiert habe: Das Interesse des Kindeswohles trete in den Hintergrund und es werde dem Kind in derartigen Konstellationen nicht nur von vornherein die rechtliche Institutionalisierung des Verhältnisses zu einer (bestehenden oder künftigen) Bezugsperson durch Adoptionsvertrag verwehrt, sondern auch auf diese Weise das Kind von vornherein (aus letztlich rein formalen Gründen) von Unterhalts- und Versorgungsansprüchen abgeschnitten. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe im Fall X ua gegen Österreich (19.2.2013, Appl 19.010/07, Rz 124) ausführlich dargelegt, dass gerade die rechtliche Unmöglichkeit der Überprüfung durch die Gerichte, ob eine Adoption im Kindeswohl gelegen sei, ein Kernproblem der Gesetzgebung darstelle (vgl Simma, EF-Z 2014, 120).
4.7. Im Übrigen kenne das geltende Recht über §197 Abs4 ABGB hinaus sehr wohl die Möglichkeit, dass ein Wahlelternteil den gegengeschlechtlichen Elternteil unter Aufrechterhaltung der rechtlichen Beziehung zum gleichgeschlechtlichen Elternteil verdränge, so jedenfalls bei der gleichzeitigen oder sukzessiven Fremdkindadoption eines gleichgeschlechtlichen Paares.
4.8. Im Ergebnis sei die Antragstellerin somit von der Möglichkeit der Annahme an Kindesstatt jedenfalls auf Grund ihres Geschlechts (bzw auf Grund der sexuellen Orientierung) ausgeschlossen. Wäre die Antragstellerin männlich, so hätte sie gemäß §197 Abs3 erster Satz ABGB den (rechtlich ohnehin nicht vorhandenen) leiblichen Vater des minderjährigen Kindes verdrängen und dessen Position – bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der rechtlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter – einnehmen können. Eine aufrechte Beziehung verlange das Gesetz im Anwendungsbereich des §197 Abs3 erster Satz ABGB nicht. Durch §197 Abs3 erster Satz ABGB würden homosexuelle Personen von der Adoption jener Kinder, für die sie sich während aufrechter eingetragener Partnerschaft oder aufrechter Lebensgemeinschaft mit dem/der eingetragenen Partner/in bzw dem/der Lebensgefährten/Lebensgefährtin entschieden haben, ausgeschlossen, bloß weil sie nach §197 Abs3 erster Satz ABGB an die Stelle des gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteils treten müssten, was aber in diesen Fällen regelmäßig nicht erwünscht bzw beabsichtigt sei und auch nicht dem Kindeswohl entspreche.
4.9. Diese unterschiedliche Behandlung verfolge weder ein legitimes Ziel noch sei sie notwendig. Dabei werde nicht übersehen, dass eine stabile Beziehung der Eltern dem Kindeswohl grundsätzlich förderlich sei. Jedoch sei zu beachten, dass die rechtliche Elternschaft auch im Fall einer Trennung aufrecht bleibe und dass die Trennung der rechtlichen Eltern auch nicht per se bedeute, dass das Kindeswohl gefährdet wäre. Getrennte Paare bzw Einzelpersonen deshalb gänzlich von der Möglichkeit der Annahme an Kindesstatt "ihres" Kindes mit der früheren Partnerin/Lebensgefährtin auszuschließen, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es könne im Verhältnis zwischen dem Interesse des Kindes an der Institutionalisierung des Verhältnisses zu einer (bereits bestehenden oder künftigen) Bezugsperson durch Adoptionsvertrag sowie Sicherstellung der Unterhalts- und Versorgungsansprüche und dem Interesse, durch die Adoption möglichst eine vollständige Familie (im Sinn einer aufrechten Beziehung der [Wahl-]Eltern) nachzubilden, nicht Letzterem per se der Vorzug gegeben werden. Vielmehr sollten gerade diese unterschiedlichen Aspekte in die – dem zuständigen Gericht obliegenden – Prüfung des Kindeswohles einfließen und Konstellationen wie im vorliegenden Fall nicht schon aus rein formalen Gründen dazu führen, dass die Annahme an Kindesstatt (selbst wenn sie dem Kindeswohl jedenfalls entspreche), von vornherein ausgeschlossen werde. Aus den angeführten Gründen verstoße §197 Abs3 erster Satz ABGB somit gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw gegen Art8 iVm Art14 EMRK.
5. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
5.1. Nach Ansicht der Antragstellerin würde die angefochtene Bestimmung gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw gegen Art8 iVm Art14 EMRK verstoßen, da §197 Abs3 erster Satz ABGB dazu führe, dass die Annahme eines Wahlkindes durch eine Einzelperson, die den gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteil nicht verdrängen, sondern (aus Gründen des Kindeswohles) die Position des gleichgeschlechtlichen Elternteils einnehmen wolle, von vornherein (aus rein formalen Gründen) nicht möglich sei. Dies führe vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage bzw des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.942/2014 zu einem unsachlichen und damit unzulässigen Wertungswiderspruch. Es könne nicht bloß auf Grund des Umstandes, dass zwischen der Antragstellerin und der leiblichen Mutter keine partnerschaftliche Beziehung (mehr) bestehe, angenommen werden, dass die Adoption dem Kindeswohl per se widersprechen würde. Durch §197 Abs3 erster Satz ABGB würden homosexuelle Personen von der Adoption jener Kinder, für die sie sich während aufrechter eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft entschieden hätten, ausgeschlossen, bloß weil sie an die Stelle des gleichgeschlechtlichen leiblichen Elternteils treten müssten, was aber regelmäßig nicht erwünscht bzw beabsichtigt sei und auch nicht dem Kindeswohl entspreche.
5.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte folge aus Art8 EMRK kein Recht auf Adoption (EGMR 24.1.2017, Fall Paradiso und Campanelli gegen Italien [GK], Appl 22.5358/12, Z 141; 22.1.2008, Fall E.B. gegen Frankreich [GK], Appl 43.546/02, Z 41; 15.3.2012, Fall Gas und Dubois gegen Frankreich, Appl 25.951/02, Z 37). Wenn aber durch gesetzliche Regelungen ein Adoptionsrecht eingeräumt sei, würden diese in den Anwendungsbereich des Art8 EMRK fallen und müssten auch den Anforderungen des Art14 EMRK entsprechen (EGMR 19.2.2013, Fall X ua gegen Österreich, Appl 19.010/07, Z 136; Fall E.B. gegen Frankreich [GK] Z 49). Aus Art8 EMRK folge somit auch keine Verpflichtung, das Recht auf Stiefkindadoption für unverheiratete Paare vorzusehen (EGMR, Fall Gas und Dubois gegen Frankreich, Z 68). Komme dieses Recht aber unverheirateten heterosexuellen Paaren zu, müssste die Stiefkindadoption auch homosexuellen Paaren ermöglicht werden (EGMR, Fall X. ua gegen Österreich, Z 105 ff.). Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes widerspreche es ferner Art8 iVm Art14 EMRK, die gemeinsame Adoption Ehegatten vorzubehalten, nicht aber eingetragenen Partnern zu ermöglichen (VfSlg 19.942/2014).
5.3. Nach der angefochtenen Bestimmung des §197 Abs3 ABGB würden bei einer Adoption, die alleine durch einen Wahlvater oder eine Wahlmutter erfolge, die familienrechtlichen Beziehungen (mit Ausnahme jener nach §198 ABGB) zum leiblichen Vater oder zur leiblichen Mutter erlöschen. §197 Abs3 ABGB gehe auf §182 ABGB idF BGBl 58/1960 zurück. Nach den Materialien sei diese Bestimmung dahingehend zu verstehen, dass die (nicht vermögensrechtlichen) familienrechtlichen Beziehungen nur gegenüber jenem leiblichen Elternteil erlöschen sollen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlelternteil ersetzt werde (vgl OGH 27.9.2006, 9 Ob 62/06t unter Verweis auf RV 107 BlgNR 9. GP, 2). Diese Auslegung habe auf der zum damaligen Zeitpunkt vorherrschenden Auffassung beruht, dass als "Eltern eines Kindes" nur eine Verbindung von zwei Personen verschiedenen Geschlechts in Betracht kommen könne ("Verhältnisse in der natürlichen Familie").
5.4. Diese Auffassung entspreche nicht mehr dem Stand der Rechtsentwicklung: Zunächst habe die Gesetzgebung auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Verfahren X ua gegen Österreich die Möglichkeit der Stiefkindadoption, dh die Adoption des leiblichen Kindes des/der jeweils anderen Partners/Partnerin, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – während aufrechter eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft – geschaffen (§197 Abs4 ABGB, s. RV 2403 BlgNR 24. GP, 5). Im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.824/2013 sei mit dem Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015, BGBl I 35/2015, die Möglichkeit medizinisch unterstützter Fortpflanzung für in einer eingetragenen Partnerschaft und in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Frauen eröffnet und den Frauen auch die Elternschaft als zweiter Elternteil neben der leiblichen Mutter ermöglicht worden (s §144 Abs2 ABGB; näher dazu RV 445 BlgNR 25. GP, 12 f.). Seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.942/2014 sei es eingetragenen Partnern und gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten möglich, ein Kind gemeinsam zu adoptieren.
5.5. Nach geltender Rechtslage könnten daher auch zwei Personen gleichen Geschlechts Eltern im Rechtssinn sein (vgl Bernat, Gleichgeschlechtliche Eltern. Zugleich eine Besprechung des Erkenntnisses des VfGH 11.12.2014, G 119-120/2014, EF-Z 2015, 60). Im vorliegenden Zusammenhang sei dabei vor allem auf die Möglichkeit der Stiefkindadoption nach §197 Abs4 ABGB unter – geschlechtsunabhängiger – Verdrängung des jeweils anderen Elternteils hinzuweisen. Sei diese Elternschaft begründet, bleibe sie auch nach Ende einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft bestehen.
5.6. Vor diesem Hintergrund sei die angefochtene Bestimmung des §197 Abs3 erster Satz ABGB nach Auffassung der Bundesregierung verfassungskonform so auszulegen, dass auch im Fall einer Stiefkindadoption bei (nicht mehr aufrechten) gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ein "Wahlvater" die leibliche Mutter und eine "Wahlmutter" den leiblichen Vater verdrängen könne. Diese Auslegung erscheine auch im Lichte der Verpflichtung zur Wahrung des Kindeswohles nach Art1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011, geboten. Die Rechte des verdrängten Elternteils blieben dabei insofern gewahrt, als eine Adoption gemäß §195 Abs1 ABGB nur bewilligt werden dürfe, wenn der verdrängte Elternteil – so vorhanden – die Zustimmung zur Adoption erteile (diese könne gemäß §195 Abs3 ABGB nur im Fall ihrer ungerechtfertigten Verweigerung vom Gericht ersetzt werden).
5.7. Zusammenfassend stellt die Bundesregierung daher fest, dass die angefochtene Bestimmung ihrer Ansicht nach nicht verfassungswidrig sei.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
1.1.1. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 19. Februar 2018 gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG).
1.1.2. Als Antragstellerin ist die Antragstellerin des verfassungsgerichtlichen Verfahrens Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt ist.
1.1.3. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die Antragstellerin jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).
1.1.4. Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Gerichtes vom 29. März 2018 davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.
1.2. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015). Das Erstgericht hat §197 Abs3 ABGB, dessen Verfassungswidrigkeit die Antragstellerin behauptet, ausdrücklich angewendet. Die angefochtene Bestimmung ist somit als präjudiziell anzusehen.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Antrag ist nicht begründet.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.3. Die Antragstellerin bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, §197 Abs3 erster Satz ABGB verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw gegen Art8 iVm Art14 EMRK, da diese Bestimmung – nach Beendigung der Lebensgemeinschaft zur leiblichen Mutter des Kindes – dazu führe, dass die Antragstellerin auf Grund ihres Geschlechts bzw ihrer sexuellen Orientierung per se von der Möglichkeit der Annahme an Kindesstatt ausgeschlossen sei, weil sie an die Stelle der leiblichen Mutter treten müsse, was aber in den Fällen einer beendeten gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nicht erwünscht sei und auch nicht dem Kindeswohl entspreche. Das führe genau zu jener Situation, wie sie der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung VfSlg 19.942/2014 kritisiert habe: Das Interesse des Kindeswohles trete in den Hintergrund und es werde dem Kind in derartigen Konstellationen nicht nur von vornherein die rechtliche Institutionalisierung des Verhältnisses zu einer (bestehenden oder künftigen) Bezugsperson durch Adoptionsvertrag verwehrt, sondern auch von vornherein – aus letztlich rein formalen Gründen – von Unterhalts- und Versorgungsansprüchen abgeschnitten. Dies führe vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage bzw des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.942/2014 zu einem unsachlichen und damit unzulässigen Wertungswiderspruch. Diese unterschiedliche Behandlung verfolge weder ein legitimes Ziel noch sei sie notwendig oder auf Grund der Beendigung der Lebensgemeinschaft sachlich gerechtfertigt.
2.4. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).
2.5. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art14 EMRK, wonach der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten ist, ist, dass ein Sachverhalt in den Regelungsbereich eines Konventionsrechts fällt, nicht jedoch, dass die Konventionsgarantie, die im Zusammenhang mit Art14 EMRK Anwendung findet, verletzt oder ein Eingriff in das Konventionsrecht erfolgt ist. Art14 EMRK findet nämlich auch dann Anwendung, wenn ein Vertragsstaat der EMRK im Regelungsbereich eines Konventionsrechts mehr Rechte zuerkennt, als nach der EMRK notwendig ist (EGMR 22.1.2008, Fall E.B., Appl 43.546/02 [Z 47 f.]; 19.2.2013 [GK], Fall X ua, Appl 19.010/07 [Z 135]; siehe etwa auch EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua, Appl 9214/80 ua, [Z 71]; 22.12.2009 [GK], Fall Sejdic und Finci, Appl 27.996/06 ua [Z 39]; 22.7.2010, Fall P.B. und J.S., Appl 18.984/02 [Z 32]; 11.10.2011, Fall Genovese, Appl 53.124/09 [Z 33 f.] jeweils mwH; zu alledem Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6, 2016, 627 ff.). Ist Art14 EMRK anwendbar, muss eine sachliche und vernünftige Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte bestehen. So muss die differenzierende Regelung ein legitimes Ziel verfolgen und verhältnismäßig sein (stRspr seit EGMR 23.7.1968, Belgischer Sprachenfall, Appl 1474/62 ua [Z 10]; siehe weiters etwa EGMR 28.2.1998, Fall Petrovic, Appl 156/1996/775/976 [Z 30]; 29.4.2008 [GK], Fall Burden, Appl 13.378/05 [Z 60]; 3.12.2009, Fall Zaunegger, Appl 22.028/04 [Z 42]; Fall Sejdic und Finci, Z 42; vgl auch EGMR 26.2.2002, Fall Fretté, Appl 36.515/97 [Z 34]; Fall E.B., Z 91; 15.3.2012, Fall Gas und Dubois, Appl 25.951/07 [Z 58]; Fall X ua, Z 98; s. auch VfSlg 19.653/2012 mwH).
2.6. Dabei müssen sowohl im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz als auch auf Art14 EMRK besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, wenn eine gesetzliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden soll, die an diskriminierungsverdächtigen Merkmalen anknüpft, wie sie in Art7 Abs1 zweiter Satz B-VG oder in Art14 EMRK ausdrücklich genannt sind (vgl im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz zu am Geschlecht anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungen VfSlg 19.866/2014, 19.899/2014 oder im Hinblick auf Art8 iVm Art14 EMRK zu einer nach der sexuellen Orientierung differenzierenden Regelung VfSlg 19.758/2013; siehe dazu 19.942/2014).
2.7. Nach §197 Abs3 erster Satz ABGB erlöschen in jenen Fällen, in denen das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen wird, die familienrechtlichen Beziehungen zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter) und zu dessen (deren) Verwandten.
2.7.1. Ausweislich der Materialien und der dazu ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl etwa OGH 27.9.2006, 9 Ob 62/06t) ist die Bestimmung dahingehend auszulegen, dass die familienrechtlichen Beziehungen nur gegenüber dem leiblichen Elternteil erlöschen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlelternteil ersetzt wird. Im Fall einer Einzeladoption ersetzt der Adoptierende – nach der Intention des Gesetzgebers – daher nicht den Elternteil seiner Wahl, sondern jenen, der seinem Geschlecht entspricht (vgl OGH, 9 Ob 62/06t). Damit sollte vermieden werden, dass dem Wahlkind im Fall der Annahme (nur) durch eine Wahlmutter sein leiblicher Vater genommen werde (vgl RV 107 BlgNR 9. GP, 21). Dieser Auslegung aus dem Jahr 1960 lag – wie die Bundesregierung zu Recht vorbringt – die Auffassung zugrunde, dass als "Eltern eines Kindes" nur eine Verbindung von zwei Personen verschiedenen Geschlechts in Betracht kommen kann (vgl OGH, 9 Ob 62/06t: "Verhältnisse in der natürlichen Familie").
2.7.2. Im Ergebnis führt diese Auslegung dazu, dass gleichgeschlechtliche ehemalige Partner das leibliche Kind des jeweils anderen nach Ende der Partnerschaft nicht adoptieren können, ohne dass der leibliche Elternteil – desselben Geschlechts – gemäß §197 Abs3 ABGB verdrängt würde. Im Hinblick darauf, dass diese Folge in der Regel nicht erwünscht ist und auch dem Kindeswohl entgegenlaufen würde, schließt diese Auslegung des §197 Abs3 erster Satz ABGB die Adoption in den Fällen einer ehemaligen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aus, während die Adoption bei verschiedengeschlechtlichen ehemaligen Paaren – trotz Trennung, sofern die Adoption dem Kindeswohl dient – nach §197 Abs3 ABGB weiterhin möglich ist. Der Gesetzgeber differenziert für die Möglichkeit der Annahme an Kindesstatt – nach der Trennung des Paares – daher im Ergebnis nach dem Merkmal der sexuellen Orientierung.
2.8. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist – insbesondere vor dem Hintergrund der Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 und dem Stand der Rechtsentwicklung, der zufolge auch eine Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare möglich ist – nicht ersichtlich:
2.8.1. Es ist angesichts der jüngeren Rechtsentwicklung in Bezug auf familienrechtliche Vorschriften hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Paare kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, gleichgeschlechtliche Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren hinsichtlich der Möglichkeiten zur Annahme an Kindesstatt während aufrechter Beziehung gleich zu behandeln, für den Fall der Trennung – als Folge der Formulierung des §197 Abs3 ABGB – jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen vorzusehen (vgl zur Möglichkeit der gemeinsamen Adoption durch Lebensgefährten gleich welchen Geschlechts auf Grund der Untätigkeit des Gesetzgebers nach der Aufhebung durch das Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 Fuhrmann, Gemeinsame Adoption für alle?, JAP 2016/2017, 114). Auch wenn durch die Annahme an Kindesstatt ein stabiles Umfeld im Sinn eines beständigen und ausgeglichenen Zuhauses (vgl OGH 29.4.2002, 7 Ob 68/02d) für das Kind geschaffen werden soll, ist nicht ersichtlich, dass der Umstand der Trennung gleichgeschlechtlicher Paare – im Gegensatz zur Trennung verschiedengeschlechtlicher Paare – dem Kindeswohl widersprechen und den generellen Ausschluss der Annahme an Kindesstatt in solchen Fällen rechtfertigen würde.
2.8.2. In diesem Zusammenhang ist überdies hervorzuheben, dass das geltende Adoptionsrecht Bestimmungen enthält, die sicherstellen, dass die Annahme an Kindesstatt nur in jenen Fällen bewilligt wird, in denen – trotz Trennung – ein stabiles Umfeld und die Wahrung des Kindeswohles gewährleistet werden kann. So bedarf die gerichtliche Bewilligung der Annahme an Kindesstatt gemäß §195 Abs1 Z1 ABGB jedenfalls der Zustimmung des leiblichen Elternteils. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Zustimmung nur in jenen Fällen erteilt werden wird, in denen eine gemeinsame Erziehung und Obsorge des Kindes sowie die rechtliche Institutionalisierung des Verhältnisses zur bestehenden Bezugsperson von beiden Teilen gewünscht und gelebt wird. Darüber hinaus haben im Rahmen der Prüfung des Kindeswohles im Einzelfall durch das Gericht jedenfalls auch der Aspekt der Trennung und die derzeitigen Verhältnisse zwischen getrennten Partnern oder Ehegatten Berücksichtigung zu finden.
2.9. Eine Auslegung, der zufolge die familienrechtlichen Beziehungen gegenüber jenem leiblichen Elternteil erlöschen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlelternteil ersetzt wird, führt vor diesem Hintergrund im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und Art8 iVm Art14 EMRK zu einem verfassungswidrigen Ergebnis. Der Wortlaut des §197 Abs3 ABGB lässt es jedoch zu, die Wendung "durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter)" sowie "zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter)" verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Fall der Einzeladoption durch den (ehemaligen) gleichgeschlechtlichen Partner des leiblichen Elternteils ein "Wahlvater" an die Stelle der leiblichen Mutter und eine "Wahlmutter" an die Stelle des leiblichen Vaters tritt. Die Möglichkeit der nicht auf ein bestimmtes Geschlecht bezogenen Verdrängung eines Elternteils ist dem ABGB seit dem Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 zudem nicht fremd. §197 Abs4 ABGB normiert, dass in dem Fall, dass ein Ehegatte, ein eingetragener Partner oder ein Lebensgefährte das Kind seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten annimmt, die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs2 lediglich zum anderen Elternteil und zu dessen Verwandten erlöschen.
2.10. Da die gegenteilige Auslegung ein verfassungswidriges Ergebnis zur Folge hätte, ist eine verfassungskonforme Interpretation im vorliegenden Fall nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten. Der Umstand, dass die Gesetzesmaterialien von einer früheren Rechtslage ausgehen, macht die verfassungskonforme Interpretation nicht unzulässig. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist eine verfassungskonforme Auslegung selbst dann vorzunehmen, wenn in den Gesetzesmaterialien entgegenstehende Aussagen enthalten sind (vgl VfSlg 11.576/1987, 15.199/1998, 18.910/2009, 19.249/2010).
2.11. Der Antrag ist daher abzuweisen.
V. Ergebnis
1. Die von der Antragstellerin ob der Verfassungsmäßigkeit des §197 Abs3 erster Satz ABGB erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Zivilrecht, Adoption, Homosexualität, Gleichbehandlung, Auslegung verfassungskonforme, Kinder, VfGH / ParteiantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G69.2018Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020