Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §12;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/09/0061Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und Hofrat Dr. Doblinger sowie Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision
1. des I C in T, 2. der F s.r.o. in B, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Februar 2018, LVwG 30.19-2026/2017-16, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe und die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 23. Juni 2017 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei der fünffachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild iVm § 52 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 9 Abs. 1 und 7 VStG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von insgesamt EUR 25.000,-
sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen verhängt. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde zur Haftung für die Geldstrafe verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der dagegen erhobenen Beschwerde insoweit Folge gegeben, als der Spruch auf zwei näher bezeichnete Glücksspielgeräte eingeschränkt wurde; jedes dieser Geräte stelle eine eigene Übertretung dar, weshalb zwei Geldstrafen von je EUR 1.000,- (sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit je ein Tag und sechs Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) festzusetzen seien. Das Landesverwaltungsgericht reduzierte den Kostenbeitrag für das Strafverfahren und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
4 Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision sowie Zuspruch von Kostenersatz beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision hält in ihrem Zulässigkeitsvorbringen dem angefochtenen Erkenntnis einerseits die Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG entgegen und richtet sich andererseits gegen die vom Landesverwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtstrafe bzw. den Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius hinsichtlich der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe. Demgegenüber wird die schuldhafte Verwirklichung des Tatbestandes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nicht in Frage gestellt.
8 Die Revision ist in Bezug auf den vorgebrachten Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius hinsichtlich der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe zulässig und berechtigt.
9 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, es stelle einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius dar, wenn das Verwaltungsgericht ohne Vorliegen eines im Ersatzbescheid oder in der Sache zweifellos ersichtlichen Aufteilungsschlüssels eine erstinstanzlich - fälschlich - verhängte Gesamtgeldstrafe aufteile, vermögen die revisionswerbenden Parteien keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen liegt im Revisionsfall ein der Sache nach zweifelsfrei erkennbarer Aufteilungsschlüssel vor, weil die belangte Behörde für fünf gleichartige Walzenspiele eine Gesamtstrafe von 25.000,-- Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen verhängt hat. Daraus lässt sich somit eine Aufteilung der Strafe auf die fünf Glücksspielapparate ableiten. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Sichtweise liegen nicht vor und werden in der Revision auch nicht dargetan. Das Landesverwaltungsgericht hat - nach Einschränkung des Spruches des Straferkenntnisses von fünf auf zwei Glücksspielgeräte und Herabsetzung der Strafhöhe - die betreffend zwei völlig gleichartige Glücksspielgeräte verhängte Gesamtgeldstrafe entsprechend aufgeteilt und pro Gerät die Mindeststrafe verhängt (vgl. VwGH 11.8.2017, Ra 2017/17/0310). Dadurch wurden die revisionswerbenden Parteien nicht in ihren Rechten verletzt.
10 Allerdings umfasst das Verbot der reformatio in peius auch die Erhöhung der Ersatzfreiheitsstrafe (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/11/0066). Diesbezüglich hat das Landesverwaltungsgericht die Rechtslage verkannt, weil es jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und sechs Stunden pro Gerät verhängt hat, obwohl im Straferkenntnis für fünf Geräte eine Gesamtersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen (somit ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe pro Verwaltungsübertretung bzw. Spieleapparat) vorgesehen war.
11 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081, mwN).
12 Damit hat das Landesverwaltungsgericht den Strafausspruch des angefochtenen Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
13 Dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.
14 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0039).
15 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2018 zu verweisen.
16 Soweit in der Revision im Zusammenhang mit Beweisanträgen Verfahrensmängel geltend gemacht werden, zeigen die Revisionswerber mit ihren Ausführungen deren Relevanz und damit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf (siehe dazu VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0005, mwN).
17 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
19 Im Umfang des Strafausspruchs und im Ausspruch über die Verfahrenskosten war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090060.L00Im RIS seit
23.10.2018Zuletzt aktualisiert am
06.02.2019