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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde
1. der K A, geboren am 1. Juli 1954, 2. des N Z, geboren am 7. August 1992, und 3. der G Z, geboren am 14. Dezember 1990, der Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, alle in Latschach, alle vertreten durch Dr. Gernot Starha, Rechtsanwalt in 9500 Villach, 8. Mai-Platz 3, gegen den Bescheid des Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1996, Zl. Fr 1652/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurden die Beschwerdeführer, alle irakische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Erstbeschwerdeführerin sei am 19. Februar 1996 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren Kindern (dem Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin) illegal, ohne im Besitz der erforderlichen Reisedokumente bzw. einer Aufenthaltsberechtigung zu sein, in das Gebiet der Republik Österreich eingereist. Noch am selben Tage hätten der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin und diese Asylanträge gestellt. Der Antrag des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Feber 1996 abgewiesen worden. Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht relevant. Der Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin und der ihrer Familie unterlägen uneingeschränkt des Bestimmungen des Fremdengesetzes. Den Beschwerdeführern sei zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen. Verstöße gegen fremdengesetzliche Vorschriften stellten einen schwer wiegenden Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates dar. Wenn die Erstbeschwerdeführerin meine, sie dürfe wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht bestraft werden, so werde festgestellt, dass es sich im gegenständlichen Verfahren nicht um ein "Strafverfahren, sondern um ein verwaltungsbehördliches Verfahren" handle. Über die Anträge gemäß § 54 iVm § 37 Abs. 1 oder 2 FrG habe nicht die belangte Behörde, sondern die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde zu entscheiden. In § 37 FrG sei die Unzulässigkeit einer Ausweisung nicht angeführt. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land die Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben würden; mit einer Ausweisung sei nicht zwangsläufig die Abschiebung in das Heimatland verbunden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.
Dass die Beschwerdeführer über Sichtvermerke oder über Aufenthaltsbewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz verfügten, bringen sie selbst nicht vor. Soweit die belangte Behörde das Fehlen derartiger Berechtigungen annahm, ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig.
Dennoch führt die Beschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber nämlich gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dann zu, wenn dieser in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 1997, Zl. 97/21/0229 und vom 20. September 1999, Zl. 96/21/0350). Dazu brachten die Beschwerdeführer, die nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides gemeinsam mit ihrem Ehegatten und Vater eingereist sind, in ihrer Berufung vor, vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in keinem Staat Anerkennung nach der GFK und auch nicht anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden zu haben. In der - in der Berufung verwiesenen und wiedergegebenen - Berufung des Ehegatten und Vaters im Asylverfahren ist ausgeführt, dass er, sollte er sich vor seiner Einreise nach Österreich überhaupt in Ungarn aufgehalten haben, als nicht-europäischer Flüchtling dort keinen Schutz vor Verfolgung hätte erhalten können, weil für nicht-europäische Flüchtlinge in Ungarn nach einer Stellungnahme des UNHCR Wien kein Zugang zum Asylverfahren gegeben sei, und ein formelles Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung des Art. 33 GFK fehle. Auch in Rumänien sei nach einer Stellungnahme des UNHCR Wien ein Zugang zum Asylverfahren nicht in allen Fällen gewährleistet. Das derzeitige Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft weise gravierende Verfahrensmängel auf, eine effektive Garantie verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sei mangels innerstaatlicher Umsetzung und entsprechender Verfahrensregelungen nicht gegeben.
Die belangte Behörde verneinte in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Vorliegen eines asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsrechtes der Beschwerdeführer - die nach der Aktenlage immerhin in die Bundesbetreuung aufgenommen waren - allein mit der Aussage, dass den Beschwerdeführern "zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen (ist)". Bezüglich einer Rückschiebungsgefahr aus Ungarn oder Rumänien in ihren Herkunftsstaat traf die belangte Behörde - ebenso wie zur Frage, ob der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin Asylanträge gestellt haben - keine Feststellungen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher außerstande, bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit zu beurteilen, ob der verfügten Ausweisung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 entgegenstand (vgl. das bereits genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1999).
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996210850.X00Im RIS seit
20.11.2000