TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/5 97/19/1364

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Veröffentlicht am 05.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 17. November 1973 geborenen ND, vertreten durch Dr. GW, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juni 1997, Zl. 122.119/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit einem am 24. Mai 1996 bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz eingelangten Antrag die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner bereits in Österreich aufhältigen Ehegattin. Dem Antrag legte er Lohnbestätigungen seiner Ehegattin vom Jänner bis zum März 1996, sowie den Mietvertrag der Wohnung seiner Ehegattin bei und gab weiters an, seine Ehegattin habe auch einen Bausparvertrag abgeschlossen, der ein Guthaben aufweise.

Die Aufenthaltsbehörde führte ein Ermittlungsverfahren durch und hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Dezember 1996 vor, das Nettoeinkommen seiner Gattin liege unter dem Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Vorarlberg und die Behörde beabsichtige daher, die beantragte Bewilligung auf Grund der mangelnden Einkommensverhältnisse abzulehnen.

Daraufhin legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. Jänner 1997 eine Verpflichtungserklärung der Schwiegermutter des Beschwerdeführers vom 14. Jänner 1997, eine Arbeitsbestätigung samt Gehaltsabrechnungen der Verpflichterin sowie die Kopie des Sparbuches seiner Ehegattin mit einer Einlage von S 50.000,-- vor.

Die Aufenthaltsbehörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 20. März 1997 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Behörde erster Instanz stellte fest, ein durchschnittliches Monatseinkommen inklusive der Sonderzahlungen in der Höhe von S 11.601,-- stünden einem monatlichen Bedarf, der sich aus dem Sozialhilferichtsatz, den Miet- und Betriebskosten zusammensetze, in der Höhe von S 11.700,-- (bzw. S 11.780,--) nach den Sozialhilferichtsätzen für das Jahr 1997 gegenüber. Somit liege das monatliche Einkommen der Ehegattin unter dem Richtsatz. Die Verpflichtungserklärung habe nicht berücksichtigt werden können, da nicht überprüft werden konnte, ob die Verpflichterin in der Lage sei, die von ihr eingegangene Verpflichtung überhaupt einzuhalten. So sei der Behörde nicht nachgewiesen worden, wie hoch z.B. der Mietaufwand und die Sorgepflichten der Verpflichterin seien. Bezüglich des vorgelegten Sparbuches stellte die Behörde fest, dass dies am 20. September 1996, somit nach Erhalt der Stellungnahme vom 17. Dezember 1996, mit einer einmaligen Zahlung in der Höhe von S 50.000,-- eröffnet worden sei. Aus dem Sparbuch gehe nicht hervor, dass es sich um Ansparungen handeln würde, und die Behörde vertrete die Ansicht, mit einem Betrag von S 50.000,-- könne der Lebensunterhalt längere Zeit nicht gesichert werden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, unter Berücksichtigung der Existenzminimum-Verordnung sei der Lebensunterhalt sehr wohl gesichert. Aber selbst dann, wenn die Sozialhilferichtsätze herangezogen würden, ergebe sich, dass bereits auf Grund der Überstundenentlohnung der Ehegattin des Beschwerdeführers der Sozialhilferichtsatz erreicht werde. Dazu komme, dass bei richtiger rechtlicher Beurteilung selbstverständlich auch das angesparte Vermögen über S 50.000,-- zu beachten sei. Werde der von der Behörde errechnete Fehlbetrag berücksichtigt, so reiche das Sparguthaben aus, um fast fünf Jahre den Fehlbetrag auszugleichen. Schließlich sei auch die Verpflichtungserklärung der Schwiegermutter des Beschwerdeführers beachtlich, da diese 14 x pro Jahr monatlich rund S 10.000,-- verdiene und die mit dieser im Haushalt lebenden Erwachsenen jeweils über eigenes Einkommen verfügten. Schließlich habe seine Frau überdies Vermögen im Betrag von DM 54.000,-- aus einem Liegenschaftsverkauf in der Türkei zur Verfügung, was durch eine Bestätigung der Türkischen Nationalbank vom 6. März 1997 belegt werde. Sollte die Behörde dies wünschen, so könnte dieser Betrag bei der Bezirkshauptmannschaft als Sicherheitsleistung für den Lebensunterhalt vorerst einmal für ein Jahr überwiesen werden, wobei allerdings die Bezirkshauptmannschaft den Betrag entsprechend Frucht bringend anlegen müsste.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG ab. Die belangte Behörde stellte fest, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe im März 1996 - laut der zuletzt vorgelegten Lohnbestätigung - lediglich S 9.649,-- an Lohn für ihre Tätigkeit als Näherin ausbezahlt bekommen. Laut den Sozialhilferichtsätzen für das Bundesland Vorarlberg müsse der Familie monatlich ein Betrag von S 11.280,-- (Haushaltsvorstand:

S 4.750,--, Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe:

S 3.030,-- sowie Hinzurechnung der monatlichen Mietbelastung von

S 3.500,--) zur Verfügung stehen, um den Lebensunterhalt zu sichern bzw. zur Gänze zu decken. Da die Ehegattin des Beschwerdeführers jedoch mit ihrem Lohn weit unter diesem geforderten Richtsatz liege, könnten die materiellen Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 AufG im speziellen Fall des Beschwerdeführers nicht als verwirklicht erachtet werden und müsse von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung Abstand genommen werden. Bezüglich des Sparbuches der Ehegattin des Beschwerdeführers sei zu bemerken, dass diese einmalige Einlage nicht als glaubwürdig qualifiziert werden könne, da es sich um eine einmalige Einzahlung vom 20. Dezember 1996 handle und diese aber erst nach Erhalt der Stellungnahme vom 17. Dezember 1996 erfolgt sei.

Betreffend die vorgelegte Verpflichtungserklärung sei zu betonen, dass der erkennenden Behörde keinerlei nähere Angaben (z.B. monatliche Mietbelastung etc.) der Verpflichterin gemacht worden seien und es auch nicht Sinn mache, sich auf Dauer auf Fremdfinanzierung stützen zu wollen. In Hinsicht auf den erwähnten Vermögensbetrag der Ehegattin des Beschwerdeführers (DM 54.000,--) hätte der Beschwerdeführer lediglich ein Schreiben vom 6. März 1997 vorgelegt, welchem jedoch nicht entnommen werden könne, inwieweit dieser Betrag auch jederzeit verfügbar sei. Die diesbezüglich vorgeschlagene Überweisung als Sicherheitsleistung an die Behörde erster Instanz sei jedoch grundwegs abgelehnt worden.

Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, dass der § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden, was im Fall des Beschwerdeführers ergeben habe, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Vorarlberg feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, weshalb auf den vorliegenden Beschwerdefall die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung findet.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG durfte eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorlag, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde ihrer Beurteilung, ob die von ihr festzustellenden, dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel ausreichend sind, den Sozialhilferichtsatz für das jeweilige Bundesland (hier: Vorarlberg) zu Grunde legte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 96/19/2396). Eine daran orientierte Berechnung des Bedarfes an Unterhaltsmittel begegnet aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 97/19/0907 bis 0911 m.w.N.).

Dem auf dieser Grundlage zu berechnenden Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde aber sämtliche Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt, über die der Beschwerdeführer (bzw. dessen Ehegattin) verfügte. Die belangte Behörde stellte diesbezüglich fest, die Ehegattin des Beschwerdeführers erhalte (gemeint wohl: monatlich) lediglich den Betrag von S 9.649,-- an Lohn für ihre Tätigkeit als Näherin ausgezahlt. Hatte die Behörde erster Instanz noch berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin Lohnbestätigungen über drei Monate mit jeweils differierenden Angaben über die Lohnhöhe vorgelegt hatte und einen durchschnittlichen Lohnbetrag unter Einberechnung der Sonderzahlungen - wenn auch unter Außerachtlassung der Überstunden, deren Entlohnung bei regelmäßiger Leistung zu berücksichtigen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. April 1999, Zl. 97/19/0481, 0482) - errechnet, so stützte sich die belangte Behörde nur mehr auf die vorgelegte Lohnbestätigung der Beschwerdeführerin mit dem niedrigsten ausgewiesenen Gehalt, ohne näher zu begründen, weshalb angesichts der übrigen vorgelegten Lohnbestätigungen mit höherem Gehalt davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin auch in den weiteren Monaten lediglich den von der belangten Behörde herangezogenen Betrag ausbezahlt bekommen würde.

Abgesehen davon, dass bei unterschiedlich hohen Monatslöhnen eine Berechnung eines durchschnittlichen Monatslohnes geboten ist, übersah die belangte Behörde aber, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Berechnung des einem Fremden monatlich zur Verfügung stehenden Betrages die Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein bekannt gegebenes Nettomonatsgehalt 14 x jährlich ausbezahlt wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 97/19/0709, 0710).

Bei der Berechnung der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel hat die belangte Behörde weiters übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sparguthaben von vornherein nicht ungeeignet sind, den Unterhalt eines Beschwerdeführers für die Dauer der zu erteilenden Bewilligung zu sichern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0350, m.w.N.). Der Umstand, dass die Einzahlung auf das Sparbuch eine einmalige war und erst während des Verfahrens selbst erfolgte, bietet noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme, der Guthabensbetrag würde der Ehegattin des Beschwerdeführers (und damit diesem) für die Dauer der angestrebten Bewilligung nicht zur Verfügung stehen. Es kommt ausschließlich darauf an, ob der Guthabensbetrag der Ehegattin des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung und für den Zeitraum der angestrebten Bewilligung verfügbar war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1998, Zl. 96/19/0918). Die in diesem Zusammenhang getroffene Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach dieses Sparguthaben "nicht als glaubwürdig qualifiziert" werden könne, weil es sich um eine einmalige, erst nach Erhalt einer behördlichen Stellungnahme erfolgte Einzahlung gehandelt habe, erweist sich als unschlüssig. Es ist weder nachvollziehbar, was die belangte Behörde mit dieser Bewertung meint, ob sie nämlich von der Nichtexistenz dieses Betrages oder von der mangelnden Verfügbarkeit des Sparguthabens für die Ehegattin des Beschwerdeführers ausgeht, noch wieso sich dies aus dem Umstand der nach Erhalt einer behördlichen Stellungnahme erfolgten einmaligen Einzahlung ergeben sollte.

Darüberhinaus wird bemerkt, dass die Aufenthaltsbehörden auch den Bausparvertrag der Ehegattin des Beschwerdeführers und die in diesem Zusammenhang eingezahlten Beträge berücksichtigen hätten müssen.

Hätte die belangte Behörde diese von ihr außer Acht gelassenen, von der Ehegattin des Beschwerdeführers geltend gemachten und entsprechend belegten Unterhaltsmittel aber ihrer gegenüberstellenden Berechnung zu Grunde gelegt, so ist nicht auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer monatlich Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden, die dem Unterhaltsbedarf (bei weitem) entsprochen hätten. Diesfalls wäre die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers mangels ausreichenden Unterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes aber rechtswidrig.

Eine Berücksichtigung der zusätzlich von der Ehegattin des Beschwerdeführers geltend gemachten Vermögensmittel in der Höhe von DM 54.000,-- wäre zur Glaubhaftmachung der gesicherten Unterhaltsmittel dann gar nicht mehr notwendig gewesen. Dazu ist ergänzend zu bemerken, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung, in der er die Bereitschaft bekundete, diesen Betrag (jederzeit) als Sicherheitsleistung an die Behörde zu überweisen, selbst von der sofortigen Verfügbarkeit dieser Summe ausging. Gegenteiliges geht auch aus der Bestätigung der Türkischen Nationalbank nicht hervor. Hätte die belangte Behörde aber Zweifel an der jederzeitigen Verfügbarkeit dieser Mittel gehabt, hätte sie diesbezüglich entweder selbst ermitteln oder den Beschwerdeführer auffordern müssen, eine Bestätigung über die Verfügbarkeit dieser Mittel beizuschaffen. Sie hätte aber nicht ohne weitere Begründung von der fehlenden Verfügbarkeit der Mittel ausgehen dürfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes kann ein Ersatz weitere Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht angesprochen werden.

Wien, am 5. November 1999

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191364.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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