Diskriminierungsgrund
MehrfachdiskriminierungDiskriminierungstatbestand
Belästigung durch Dritte (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion)Text
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 13. Februar 2018 über den am 13. Oktober 2015 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion durch eine Belästigung durch Dritte gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 3 und 21 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Frau B (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/644/15-M, zu folgendem
Prüfungsergebnis
1. Frau A ist auf Grund des Geschlechtes, der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 bzw. § 21 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Frau B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie deren mündlicher Befragung vom 13. Februar 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Frau C, Herr D, Frau E und Frau F am 13. Februar 2018 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf den Dienstzettel der Antragstellerin von der X GmbH vom 10. Oktober 2011 und die schriftliche Kündigung der Antragstellerin vom 30. April 2015. Weiters lagen dem Senat das Interventionsschreiben der GAW an die X GmbH vom 23. März 2015 und das Antwortschreiben darauf vom 15.April 2015 inklusive einer Stellungnahme der Antragsgegnerin an die X GmbH vom 3. April 2015 vor.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei türkische Staatsbürgerin. Sie habe seit dem 23. September 2011 als Shop Mitarbeiterin der Filiale …. der X GmbH gearbeitet.
Die Filiale werde seit ca. 10 Jahren von der Antragsgegnerin geführt. Das Verhältnis der Antragstellerin zu ihrer Filialleiterin habe sich in den Jahren 2014/2015 zunehmend verschlechtert unter anderem auch aufgrund wiederholter massiver verbale Entgleisungen seitens der Filialleiterin gegenüber der Antragstellerin selbst, aber auch Kolleginnen und Kundinnen.
Der Führungsstil der Antragsgegnerin sei generell autoritär und die Stimmung in der Filiale angespannt gewesen. Kritik an Mitarbeiterinnen sei auch immer wieder in Gegenwart von Kundinnen geübt worden. Zudem habe sich die Antragsgegnerin gegenüber den Mitarbeiterinnen in der Filiale lautstark über Kundinnen echauffiert, besonders dann wenn sie Muslima gewesen seien, oder habe mit diesen oder über diese in einem abfälligen Ton gesprochen. So habe sie über diese Gruppen immer wieder auch als „Tschuschlnnen“ oder „Alibabaweiber“ gesprochen.
Frau A, damals noch …, habe am 2. August 2013 geheiratet und den Namen ihres Mannes (Anm.: deutschsprachiger Nachname) angenommen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Antragsgegnerin sie, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nur mit ihrem Vornamen, …, genannt hatte, sarkastisch vorwiegend mit „Frau A“ angesprochen.
Anlässlich des Weihnachtsfests 2014 habe ein Foto von allen Mitarbeiterinnen der Filiale gemacht werden sollen. Die Mutter einer Kollegin habe sich für das Bedienen der Kamera zur Verfügung gestellt. Man habe dann gemeinsam das Foto betrachtet und die Antragsgegnerin habe gemeint, dass die Antragstellerin am photogensten sei. Die Mutter der Kollegin habe dies mit der schönen Bräunung von Frau A begründet, worauf die Antragsgegnerin erwidert habe: „Ja weil ... (Anm.: Vorname der Antragstellerin) ein Tschusch ist“. Die Situation sei für die Antragstellerin extrem unangenehm gewesen, aber auch einige andere Anwesende hätten die Aussage offenbar als unangebracht empfunden, so habe etwa die Mutter der Kollegin gemeint, dass man so etwas doch nicht sagen dürfe.
Ein anderes Mal sei eine kopftuchtragende Kundin, vermutlich aus dem arabischen Raum, 10 Minuten vor Ladenschluss in die Filiale gekommen, um sich die Bestpreisprodukte erklären zu lassen. Die Antragsgegnerin habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie von der Fragerei genervt sei. Nachdem die Frau gegangen sei, habe sie zur Antragstellerin gemeint, dass sie genau deshalb „Eicha Volk hosse“. Dieser Formulierung habe sie sich offenbar wiederholt bedient. Einer türkischen Kollegin der Antragstellerin gegenüber habe sie auch in einem ähnlichen Kontext die gleichen Worte verwendet.
Frauen, die Kopftuch tragen, habe sie zudem als „Alibabaweiber“ bezeichnet. Die Antragstellerin habe den Eindruck gehabt, dass, obwohl sie selbst nicht Kopftuch trage, alle diese Aussagen auch gegen sie als Muslima gerichtet gewesen seien.
Bei X komme es regelmäßig zu schriftlichen Befragungen der Mitarbeiterinnen. Darin fänden sich auch Fragen, die auf das Verhältnis der Mitarbeiterinnen zu den Filialleiterinnen abstellen würden. Die schlechte Stimmung in der Filiale … habe sich offenbar auch in den Antworten der Mitarbeiterinnen niedergeschlagen. Offenkundig sei die Auswertung der Antragsgegnerin zu Kenntnis gebracht worden, worauf sie ihre Mitarbeiterinnen aggressiv auf die negativen Resultate angesprochen habe und in weiterer Folge auch einem Kunden gegenüber gemeint habe dass sie „lieber mit 10 Affen als mit diesen depperten Weibern zusammenarbeiten“ wollen würde. Diese Aussage habe nicht in Anwesenheit der Mitarbeiterinnen stattgefunden, sondern sei der Antragstellerin von dem Kunden zugetragen worden.
Die Beziehung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin habe sich — auch aufgrund dieser Aussagen — zusehends verschlechtert. Am 2. März 2015 habe sich die Antragstellerin daher telefonisch an die Rayonsleiterin Frau C gewandt. Dem sei am Vorabend ein Telefonat mit der Kollegin, Frau G, voraus gegangen, in welchem diese der Antragstellerin erzählt habe, dass die Antragsgegnerin ihr gegenüber gemeint hätte, dass die Antragstellerin vielleicht in der nächsten Woche nicht mehr da sein werde. Die Antragstellerin habe ihre mögliche Kündigung gegenüber Frau C thematisiert und versucht, ihr das schlechte Verhältnis zwischen den Mitarbeiterinnen und der Filialleitung zu beschreiben. Frau C habe der Antragstellerin entgegen gehalten, dass sie 60 Mitarbeiterinnen habe, sie daher nicht auf jeden einzelnen eingehen könne und die Antragstellerin und die Antragsgegnerin die Angelegenheit daher untereinander ausmachen müssten.
Zwei Tage später habe Frau C die Filiale aufgesucht und die Antragstellerin zu sich ins Büro holen lassen, in dem auch die Antragsgegnerin bereits gewartet habe. Während des gesamten Gesprächs sei klar gewesen, dass Frau C ihrer Filialleiterin den Rücken stärken wolle. Frau C habe schließlich klargestellt, dass sie mit der Antragstellerin nicht diskutieren werde und dass sie nicht in der Filiale bleiben könne, da es zwischen ihr und der Antragsgegnerin nicht funktioniere. Es käme nur eine Versetzung in Frage, denn die Antragstellerin bräuchte aus ihrer Sicht eine Filialleitung die noch härter durchgreife. Sie würde auch ein Angebot zur einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses annehmen, sollte die Antragstellerin sich dafür entscheiden.
Die Antragstellerin hätten die Ereignisse derart belastet, dass sie erkrankt sei und in Krankenstand habe gehen müssen. Sie habe sich zur Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Arbeiterkammer gewandt.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft habe die X GmbH mit Schreiben vom 26. März 2015 aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. In weiterer Folge sei es zu Gesprächen mit der Personalabteilung und der Betriebsrätin, Frau H, gekommen. In der Stellungnahme durch die rechtsfreundliche Vertretung von X würden, unter Anschluss einer Sachverhaltsdarstellung der Antragsgegnerin, die vorgebrachten rassistischen und islamophoben Äußerungen bestritten und demgegenüber auf diverse disziplinäre Probleme mit der Antragstellerin verwiesen. In den folgenden Wochen sei es zu einem Vergleichsgespräch zwischen dem Rechtsanwalt der X GmbH und der Gleichbehandlungsanwaltschaft gekommen. Da keine gütliche Einigung erzielt werden hätte können, habe die Antragstellerin ihr Dienstverhältnis in weiterer Folge am 30. April 2015 gekündigt.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 13. November 2015 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Die behaupteten Vorwürfe seien sowohl einzeln als auch in Ihrer Gesamtheit unrichtig und würden von der Antragstellerin wissentlich wider besseres Wissen erhoben. Die Anzeige stelle einen besonders perfiden Rachefeldzug der Antragstellerin dar, wobei sie sich missbräuchlich der Bundes-Gleichbehandlungskommission bediene.
Die Antragsgegnerin sei von 16. Februar 2004 bis Sommer 2015 bei der X GmbH beschäftigt gewesen. Von 1. Februar 2005 bis 30. September 2015 sei die Antragsgegnerin Filialleiterin einer Filiale … gewesen. Die Antragsgegnerin sei österreichische Staatsbürgerin mit (serbischem) Migrationshintergrund, was schon für sich allein die Absurdität der behaupteten Vorwürfe indiziere, sich aber dem Wissensstand der Antragstellerin entziehen dürfte.
Keiner der behaupteten Vorwürfe sei wahr. Die Antragstellerin habe mit 23. September 2011 als Shop-Mitarbeiterin ihren Dienst in der Filiale … angetreten. Die Antragstellerin sei von Anfang an eine „schwierige“ Mitarbeiterin gewesen.
Die Antragstellerin sei arbeitsunwillig, aufmüpfig und teilweise frech gewesen. Dennoch habe die Antragsgegnerin geglaubt, mit Vorbildwirkung bei der Antragstellerin eine positive Entwicklung herbeiführen zu können. Die Antragsgegnerin habe die unakzeptablen Verhaltensweisen der Antragstellerin deren jugendlichem Alter, deren mangelnder Berufserfahrung und deren – offensichtlich noch nicht abgeschlossenen – Persönlichkeitsbildung zugeschrieben.
Die destruktive Arbeitsweise und das negative Persönlichkeitsbild der Antragstellerin hätten unter anderem dazu geführt, dass sich das Klima unter den Mitarbeitern schleichend verschlechtert habe und dass z.B. die stellvertretende Filialleiterin, Frau I, ihren Dienst bei der X GmbH quittierte habe, um sich „das nicht länger antun zu müssen“.
Die Antragsgegnerin habe über 11 Jahre sowohl zu Kunden als auch zu den ihr anvertrauten Mitarbeitern ein gutes, freundliches Verhältnis gepflegt. Das Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber Kollegen (und Vorgesetzten) sei stets korrekt, respektvoll, einfühlsam und unterstützend gewesen.
Die Antragstellerin sei die erste Mitarbeiterin, welche nicht bereit gewesen sei, an diesem guten Verhältnis unter allen Kolleginnen teilzunehmen und ihre Pflichten als Dienstnehmerin zu erfüllen. Anders als alle anderen Mitarbeiter habe sie nicht den gemeinsamen Zugang geteilt, dass „das ihrer aller Filiale war“, welche durch persönlichen Einsatz eine Musterfiliale für die Unternehmung sein sollte. Das Verhalten der Antragstellerin sei – trotz der unermüdlichen Bemühungen der Antragsgegnerin – mit der Zeit zunehmend subversiver geworden. Dennoch habe sich die Antragsgegnerin ihr gegenüber weiterhin korrekt verhalten. Sie habe allerdings die Unterstützung der Unternehmensführung gesucht, weil sie das Gefühl gehabt habe, dass die Antragstellerin sich unter anderer Führung besser entwickeln könnte. Die Antragsgegnerin habe dazu — unter Einhaltung des Dienstweges — die Hilfe der Rayonsleiterin Frau C und der Betriebsratsvorsitzenden Frau H erbeten.
Mit der Antragstellerin seien Gespräche dahingehend geführt worden, dass sie sich in einer anderen Filiale möglicherweise besser fühle und daher im Rahmen ihrer Berufsausbildung besser entwickeln könne. Die Reaktion der Antragstellerin sei eine „Verabschiedung in den Krankenstand“ gewesen.
Weil die Antragstellerin eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinn nicht akzeptieren wollte, habe sie gegenüber einer anderen Mitarbeitern die Aussage getätigt: „Wann i geh, donn geht sie mit!“.
Besonders hervorzuheben sei, dass sich die Antragstellerin mit ihren Beschwerden zu keinem Zeitpunkt an Dienstvorgesetzte und/oder den Betriebsrat gewendet habe.
Die Antragsgegnerin habe aufgrund des Verhaltens der Antragstellerin ihre Anstellung verloren und werde sich an der Antragstellerin schadlos halten.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Als Dritte im Sinne des § 7 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2
Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d.h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nicht mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des § 7 ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.3
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der geschlechtsbezogenen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.
Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5
Nach Auffassung des Senates war der vorliegende Fall unter dem Aspekt der intersektionellen Diskriminierung zu überprüfen. Diese bezieht sich auf eine Situation, in der mehrere Diskriminierungsgründe greifen und gleichzeitig miteinander so interagieren, dass sie nicht voneinander zu trennen sind.6
Gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung nach § 17 auch vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird. Gemäß § 17 darf niemand unmittelbar oder mittelbar auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit oder der Religion im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis diskriminiert werden.
Gemäß §§ 12 Abs. 12 und 26 Abs. 12 GlBG hat eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand iSd §§ 3, 4, 6 oder 7 bzw. 17, 18 oder 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei der Berufung auf §§ 6 oder 7 bzw. 21 GlBG, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe muslimische, kopftuchtragende Frauen des Öfteren als „Alibabaweiber“ bezeichnet; habe gegenüber einem Kunden geäußert sie würde lieber „mit 10 Affen als mit diesen depperten Weibern“ zusammenarbeiten, habe die Antragstellerin, nachdem diese ihren Nachnamen nach der Hochzeit von „…“ auf „A“ geändert hatte, sarkastisch vorwiegend mit „Frau A“ angesprochen, obwohl sie sie davor immer … (Anm.: Vorname der Antragstellerin) genannt habe; habe muslimische KundInnen als „TschuschInnen“ und auch die Antragstellerin bei der Weihnachtsfeier 2014 als „Tschusch“ bezeichnet; habe der Antragstellerin gegenüber geäußert, dass sie deshalb „Eicha Volk hosse“ als sie von einer kopftuchtragenden Kundin genervt gewesen sei, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin ab 23. September 2011 bei der … GmbH als Shop-Mitarbeiterin der Filiale … beschäftigt war, in der die Antragsgegnerin als ihre Filialleiterin tätig war.
Das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin war für den erkennenden Senat glaubhaft. Auch bei der ergänzenden Befragung durch den Senat machte sie einen glaubwürdigen Eindruck. Sie wiederholte das behauptete Vorbringen, sich durch die Äußerungen der Antragsgegnerin belästigt gefühlt zu haben, ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag. Sie schilderte zudem auch nachvollziehbar, dass sie sich durch die abwertenden Bemerkungen gegenüber kopftuchtragenden, muslimischen Frauen, selbst angesprochen fühlte und durch diese Bemerkungen verletzt worden war, da sie Muslima sei und zwar selbst kein Kopftuch trage, aber ihre Mutter, die seit Jahren in Wien lebe, dies tue.
Die Antragsgegnerin bestritt die Vorwürfe, sie habe derartige Aussagen getätigt. Sie sei selbst Ausländerin und stamme aus Serbien. Sie habe in der Filiale „zwei türkische Mädchen“ gehabt und auch eine Aushilfe, die ein „kopftuchtragendes Mädchen“ gewesen sei. Sie gab an, sie habe sich mit der Antragstellerin schon über Religion unterhalten und nach dem Unterschied zwischen Türken und Kurden gefragt, aber keine diskriminierenden Äußerungen getätigt. Sie glaube, die Antragstellerin wolle ihre etwas „z’ Fleiß“ tun. Es habe mit der Antragstellerin schon davor Probleme gegeben, diese habe ständig diskutiert über Dienstpläne, Urlaub etc. Die Antragsgegnerin habe lange versucht ein Auge zuzudrücken und die Antragstellerin als „Schützling“ betrachtet. Der Auslöser für das Gespräch mit der Rayonsleiterin vor dem Krankenstand der Antragstellerin sei gewesen, dass diese ihre Grenzen überschritten hatte und sie der Antragstellerin zu verstehen gegeben habe, dass es nun zu weit gegangen sei.
Der Antragsgegnerin gelang es nicht, das Vorbringen der Antragstellerin zu entkräften. Vielmehr wurden die Vorwürfe der Diskriminierung im Verfahren durch die Aussagen weiterer Auskunftspersonen für den Senat bestätigt. Einzelne Äußerungen wurden dabei sowohl von Frau E, einer Arbeitskollegin der Antragstellerin, als auch von Herrn D, einem Stammkunden der Filiale, selbst wahrgenommen. Sowohl Frau E als auch Frau C, die sich als Frau des Inhabers des Friseursalons in der Einkaufspassage des Öfteren in der Nähe der Filiale aufhielt, konnten bestätigten, dass die Antragsgegnerin oft schimpfte und unqualifizierte Aussagen getätigt hatte.
Herr D bestätigte in seiner mündlichen Befragung, dass die Antragsgegnerin ihm gegenüber geäußert hatte sie würde „lieber mit 10 Affen als mit diesen depperten Weibern zusammenarbeiten“. Frau E gab an, die Antragsgegnerin hätte auch ihr gegenüber geäußert, „Ich hasse euer Volk, weil ihr euch nicht integrieren könnt.“ Auch könne sie sich an die Bemerkung „Weil … (Anm.: Vorname der Antragstellerin) ein Tschusch“ ist bei der Weihnachtsfeier 2014 erinnern. Frau F konnte wiederum bestätigten, dass sich die Antragstellerin und ihre Kollegin bezüglich der diskriminierenden Aussagen an sie gewandt hatten und sie auch selbst mitbekommen hatte, dass die Antragsgegnerin viel geschimpft und Aussagen wie „scheiß Türken“ getätigt hatte.
Von der Betriebsrätin, Frau … (vormals H), wurden den Senat verschiedene E-Mails, die sie im Frühjahr 2015 erhalten habe, vorgelegt. Darunter war etwa auch ein E-Mail der Mutter der Arbeitskollegin, die das Foto auf der Weihnachtsfeier 2014 gemacht hatte, auf das die Antragsgegnerin mit der Aussage, die Antragstellerin sei am photogensten, weil sie „ein Tschusch“ sei, reagiert hatte. Sie gab darin an, sich nicht genau an die Aussage der Antragsgegnerin erinnern zu können, diese habe aber „keine diskriminierenden Worte zu niemanden gesagt“. Sowohl die Antragstellerin als auch Frau E schilderten diesen Vorfall und ihre persönliche Betroffenheit glaubwürdig. Für den Senat scheint der Einwand der Antragstellerin zudem nachvollziehbar, dass solche diskriminierender Bemerkungen aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich wahrgenommen werden können. Während eine betroffene Person die Bezeichnung als „Tschusch“ in dem geschilderten Zusammenhang als diskriminierend erlebt, kann es sein, dass eine nicht davon betroffene Person diese Äußerung als scherzhafte Bemerkung abtut und dieser daher keine weitere Beachtung schenkt.
Es bestand für den Senat daher kein Grund die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin sowie der Auskunftspersonen Frau E, Herr D und Frau F im Hinblick auf die getätigten Äußerungen der Antragsgegnerin in Frage zu stellen.
Der Argumentation der Antragsgegnerin, die Antragstellerin wolle ihr mit dem Antrag lediglich etwas „z’Fleiß“ tun und der Antrag stelle einen „perfiden Rachefeldzug“ dar, war daher nach Ansicht des Senates nicht zu folgen. Unabhängig von angeblichen disziplinären Problemen in der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin, sind die – von mehreren Personen wahrgenommenen – Äußerungen der Antragsgegnerin gegenüber KundInnen und Mitarbeiterinnen nach Auffassung des Senates nicht angebracht. Die behaupteten Probleme mit der Antragstellerin wurden überdies im Verfahren vor dem Senat nicht bestätigt. Die Rayonsleiterin, Frau C konnte in der Sitzung keine Angaben dazu machen, ob sich die Antragsgegnerin wegen derartiger Probleme an sie gewandt habe, da es schon zu lange her sei. Der einzige Vorfall, an den sie sich erinnern könnte, der zu ihr vorgedrungen sei, war, als sich die Antragstellerin und die Antragsgegnerin „gestritten“ hätten, es sei aber nicht zu einem Termin gekommen.
Zuletzt geht auch der Einwand der Antragsgegnerin, sie habe ja selbst einen serbischen Migrationshintergrund, ins Leere. Für den Senat erscheint es nicht abwegig, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund, andere aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder der Religion diskriminieren. Es entstand im Verfahren der Eindruck, dass sich die Äußerungen der Antragsgegnerin speziell gegen Frauen aus islamisch-geprägten Staaten wie der Türkei oder dem arabischen Raum richteten. Die Antragstellerin schilderte dazu in der Sitzung des Senates, die Antragsgegnerin sei der Meinung gewesen, „dass sich viele Menschen nicht integrieren und die Sprache nicht lernen, sich auch so kleiden – eben nicht ihrer Erwartung entsprechend“.
Das Verhalten der Antragsgegnerin war sowohl auf das Geschlecht, die ethnische Herkunft als auch die Religion der Antragstellerin gerichtet. Bei dem Begriff „Tschusch“ handelt es sich um einen Begriff der österreichischen Umgangssprache der abwertend für Fremde verwendet wird.7 Vor allem auch in der Zusammenschau mit den weiteren Äußerungen der Antragsgegnerin wie dem Ausdruck „Alibabaweiber“ für kopftuchtragende Kundinnen oder die Aussage sie „hosse eicha Volk“ wird für den Senat deutlich, dass sich die diskriminierenden Äußerungen gerade gegen Frauen aus islamisch-geprägten Staaten richteten. Der Begriff „Weiber“ wurde von der Antragstellerin auch in anderem Kontext klar abwertend für ihre weiblichen Mitarbeiterinnen verwendet („depperte Weiber“).
Für die Antragstellerin waren diese Äußerungen ihrer Vorgesetzten unerwünscht und unangebracht. Nach Auffassung des Senates waren die gesetzten Verhaltensweisen auch objektiv geeignet die Würde der Antragstellerin zu verletzen. Durch die widerholten abwerteten Bemerkungen der Antragsgegnerin wurde für die Antragstellerin eine feindselige, einschüchternde und demütigende Arbeitsumwelt geschaffen.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion durch eine Belästigung durch Dritte gemäß §§ 7 Abs 1 Z 3 und 21 Abs 1 Z 3 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, Frau B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes
Wien, 13. Februar 2018
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.
3 Vgl. ebenda § 7 Rz 3.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.
5 Vgl. ebenda § 6 Rz 28.
6 Vgl. Europäische Kommission (2007): Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung – Praktiken, Politikstrategien und Rechtsvorschriften, S. 17.
7 Vgl. „Tschusch“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/694626/revisions/1624079/view (Abrufdatum: 2. März 2018).
Zuletzt aktualisiert am
23.10.2018