TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/20 VGW-001/069/4990/2018

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Index

82/04 Apotheken, Arzneimittel
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWEG 2010 §2 Abs2
AWEG 2010 §3 Abs1
AWEG 2010 §17
AWEG 2010 §19
AWEG 2010 §21 Abs1 Z1
VStG §27

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag.a Hillisch über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 09.03.2018, Zahl: MBA ..., wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (Spruchpunkt I) und Ausspruch des Verfalls (Spruchpunkt II), zu Recht:

I. Das Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Angefochtener Bescheid, Beschwerde und Verfahrensgang

1.       Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:

"I. STRAFERKENNTNIS

Sie haben vorsätzlich im Fernabsatz mit der Empfängeradresse Wien, ... und somit vom Inland aus, dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 - AWEG 2010, BGBl. I. Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, unterliegende und unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur der EU (§2 Z. 1 lit. c WEG 2010) fallenden Arzneiwaren, nämlich

90 Stk. Modvigil-200 (Modafinil 200 mg)

per Fernkommunikationsmittel bestellt, welche von X., … (Indien) aufgrund der von Ihnen getätigten Bestellung per Postversand - Flugverkehr durch die Österreichische Post AG am 17.08.2017 in das Bundesgebiet (Flughafen Wien-Schwechat) eingeführt und vom Zollamt Wien, Zollstelle Post 1230 Wien, Halban-Kurz-Straße 5, entdeckt wurden und haben somit zu verantworten, dass entgegen § 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I. Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, wonach die Einfuhr und das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig ist, wenn vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde, die vorgenannten Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Einfuhrbescheinigung somit in das österreichische Bundesgebiet eingeführt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs. 1 iVm. § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 210,00, falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden

gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 iVm. § 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 21,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 231,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Zahlungsfrist: […]

II. VERFALL

Die folgenden Gegenstände werden gemäß § 21 Abs. 3 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung, für verfallen erklärt:

90 Stk. Modvigil-200 (Modafinil 200 mg)"

2.       In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er und seine Familie seien keine Drogendealer und hätten nichts bestellt. In der Wohnung unter der Wohnung seiner Familie habe ein offenkundig drogensüchtiger junger Mann gewohnt.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Akts vor.

II. Sachverhalt

1.       Der Beschwerdeführer hat seinen Hauptwohnsitz in Wien, ....

2.       Anlässlich einer Zollkontrolle durch Organe des Zollamts Wien am 17. August 2017 um 10:05 Uhr wurde beim Zollamt Wien, Halban-Kurz-Straße 5, 1230 Wien, eine Postsendung beschlagnahmt, in welcher sich 90 Stück der Ware „Modvigil-200“ (Modafinil 200 mg Tabletten, KN-Code 3004900000) befanden. Auf der Postsendung schien als Empfänger der Name und die Wohnadresse des Beschwerdeführers auf. Absender war eine Person oder ein Unternehmen in ..., Indien.

3.       Mit Bescheid des Zollamts Wien vom 10. Oktober 2017 wurden die gegenständlichen Tabletten gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz iVm § 19 AWEG 2010 als Beweismittel beschlagnahmt.

4.       Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

III. Rechtsgrundlagen

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010), BGBl. I 79/2010, lauten:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Arzneiwaren: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1:

a)

Waren der Unterposition 3002 20,

b)

Waren der Unterposition 3002 30,

c)

Waren der Position 3004,

d)

Röntgenkontrastmittel und diagnostische Reagenzien zur innerlichen Anwendung am Patienten aus der Unterposition 3006 30,

e)

Waren der Unterposition 3006 60, und

f)

Netzflüssigkeiten für harte Kontaktlinsen und Pflegeprodukte für weiche Kontaktlinsen aus der Unterposition 3307 90;

2.

Blutprodukte: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87:

a)

Placenten aus der Unternummer 3001 90, und

b)

Waren der Unterpositionen 3002 10 und 3002 9010;

3.

Produkte natürlicher Heilvorkommen: Waren der Unterpositionen 2201 10, ex 2201 90, ex 2501 00, ex 2530 90, ex 3003 90 und 3004 90 im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87;

4.

Einfuhr: Beförderung von Arzneiwaren, Blutprodukten oder Produkten natürlicher Heilvorkommen aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind, in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;

5.

Verbringen: Beförderung von Arzneiwaren oder Blutprodukten aus einer Vertragspartei des EWR in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;

6.

Fernabsatz: Abschluss eines Vertrages unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel;

7.

Fernkommunikationsmittel: Kommunikationsmittel, die zum Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien verwendet werden können, insbesondere Drucksachen mit oder ohne Anschrift, Kataloge, Pressewerbungen mit Bestellschein, vorgefertigte Standardbriefe, Ferngespräche mit Personen oder Automaten als Gesprächspartner, Hörfunk, Bildtelefon, Telekopie, Teleshopping sowie öffentlich zugängliche elektronische Medien, die eine individuelle Kommunikation ermöglichen, wie etwa das Internet oder die elektronische Post.

2. Abschnitt

Arzneiwaren

Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit

§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

(2) Für die Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen und die Entgegennahme von Meldungen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zuständig.

[…]

4. Abschnitt

Fernabsatz

Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz

§ 17. (1) Der Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, ist verboten.

(2) Arzneiwaren und Blutprodukte, die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbracht werden, sind dem Absender zurück zu übermitteln, oder sofern dies nicht möglich ist, zu vernichten. Die Kosten dafür trägt jeweils der Besteller.

(3) Abs. 1 gilt nicht für in Österreich zugelassene nicht rezeptpflichtige Arzneispezialitäten, die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des EWR von einer dort zum Versand befugten Apotheke bezogen werden.

[…]

Strafbestimmungen

§ 21. (1) Wer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder

2.

bei Arzneiwaren die nachträgliche Meldung des Verbringens gemäß § 6 unterlässt oder Arzneiwaren ohne Meldung entgegen §§ 7, 8 oder 9 verbringt, oder

3.

Blutprodukte entgegen § 12 ohne Verkehrsfähigkeitsbescheinigung einführt, oder

4.

bei Blutprodukten die nachträgliche Meldung des Verbringens gemäß § 14 Abs. 7 unterlässt oder Blutprodukte ohne Meldung entgegen § 14 Abs. 1 verbringt, oder

5.

Produkte natürlicher Heilvorkommen entgegen § 18 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder

6.

den Aufzeichnungspflichten gemäß § 10 Abs. 3 oder § 11 Abs. 5 oder den Verpflichtungen gemäß § 15 zuwiderhandelt, oder

7.

den in § 20 genannten Personen das Betreten, Besichtigen, die Überprüfung oder die Entnahme von Proben oder die Einsicht in die nach diesem Bundesgesetz zu führenden Aufzeichnungen verwehrt oder den Anordnungen dieser Personen nicht nachkommt,

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, können für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist. Auf den Verfall dieser Waren kann auch selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann.

[…]

Übergangs- und Schlussbestimmungen

[…]

§ 26. […]

(5) Durch § 17 werden § 59 Abs. 9 des Arzneimittelgesetzes und § 50 Abs. 4 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994, nicht berührt.

[…]“

2. § 2 Abs. 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002, BGBl. I 28/2002, lautete:

„(2) Als Einfuhr ist der Import aus einem Staat außerhalb der Europäischen Union in das Bundesgebiet in Form der Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr, zur aktiven Veredelung, zum Umwandlungsverfahren oder zur vorübergehenden Verwendung im Sinne des Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992) sowie das Verbringen aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr zu verstehen. Das Gleiche gilt, wenn über die Waren entgegen den Zollvorschriften verfügt wird.“

IV. Rechtliche Beurteilung

1.       Zur örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde

Die örtliche Zuständigkeit der Behörde in Verwaltungsstrafsachen richtet sich nach § 27 VStG. Demnach ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Eine Verwaltungsübertretung wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (vgl. § 2 Abs. 2 VStG).

Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung besteht im Wesentlichen darin, dass er die gegenständlichen Waren im Fernabsatz bestellt haben soll; als für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblicher Tatort ist daher der Ort anzusehen, an dem die Bestellung abgegeben worden sein soll (vgl. zu Distanzdelikten durch postbeförderte Briefe zB VwSlg 13698 A/1992).

Am beschlagnahmten Paket waren der Name und der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers als Empfängeradresse angebracht. Die Behörde konnte aufgrund dieses Sachverhalts – mangels jeglicher anderer Hinweise auf eine andere Bestelladresse, etwa in Wien – davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Bestellung gegebenenfalls von der Empfängeradresse aus bestellt und somit seine Tathandlung dort gesetzt hat. Das Hervorkommen der Empfängeradresse war ein zuständigkeitsbegründender Umstand nach § 27 Abs. 1 VStG und führte daher zur Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien.

2.       Zur Strafbarkeit des vorgeworfenen Verhaltens

2.1.    Gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen, wer Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt.

Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist gemäß § 3 AWEG 2010, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

Einfuhr im Sinne des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 ist gemäß § 2 Z 4 leg.cit. die Beförderung von u.a. Arzneiwaren aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des EWR sind, ins Bundesgebiet.

Gemäß § 17 AWEG 2010 ist der Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, verboten.

2.2.    Dem Beschwerdeführer wird nicht vorgeworfen, die gegenständlichen Waren selbständig ins Bundesgebiet befördert zu haben. Vielmehr wird ihm (zusammengefasst) vorgeworfen, er habe die gegenständlichen Waren per Fernkommunikationsmittel bestellt, diese seien aufgrund der von ihm getätigten Bestellung im Postversand per Flugverkehr aus Indien in das Bundesgebiet eingeführt und vom Zollamt Wien entdeckt worden; somit habe der Beschwerdeführer die Einfuhr in das Bundesgebiet zu verantworten.

2.3.    Der Verwaltungsgerichtshof führte zum Begriff „Einführen“ gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Artenhandelsgesetz 1998 aus, dass (wie beim Begriff der „Ausführung“ nach dem Tiroler Naturschutzgesetz) auch die Erteilung eines Auftrages erfasst sei (VwGH 16.7.2010, 2008/07/0215). Dafür sprächen auch Sinn und Zweck der Bestimmung und der zugrunde liegenden EU-Verordnung. Der Begriff des Einführens sei daher dahin auszulegen, dass er nicht nur das tatsächliche Verbringen in das Inland erfasse, sondern auch alle jene Akte, die erforderlich seien, damit es zu dieser Einfuhr komme, somit auch die Bestellung.

2.4.    Anders als das Artenhandelsgesetz trifft jedoch das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 eine eigenständige Regelung zu (unter anderem) Internetbestellungen. Das Verbot, Arzneiwaren ohne Berechtigung über das Internet oder sonstige Fernkommunikationsmittel zu beziehen, ergibt sich nicht aus § 3 AWEG 2010, sondern ausdrücklich aus § 17 AWEG 2010.

Auch den Gesetzesmaterialien (RV 773 BlgNR 24. GP, 5 f.) ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 den Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz im Sinne des § 17 Abs. 1 AWEG 2010 nicht als Unterfall der Einfuhr im Sinne des § 3 AWEG 2010 verstanden wissen wollte, sondern als eigenständige Verbotsnorm, für die insbesondere aus verwaltungsökonomischen Gründen (nur) die in § 17 Abs. 2 AWEG 2010 vorgesehenen Kostenfolgen angeordnet sind. Darin wird zu § 17 AWEG 2010 ausgeführt:

„Zu § 17:

Enthält eine ausdrückliche Verbotsregelung des grenzüberschreitenden Bezugs von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, wie etwa im Internet. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung des hohen Risikos gelingen, das mit dem illegalen Bezug von minderwertigen, gefälschten oder gesundheitsschädlichen Arzneimitteln, insbesondere im Wege des Internets, verbunden ist.

Sofern Arzneiwaren und Blutprodukte entgegen dieser Bestimmung nach Österreich eingeführt oder verbracht werden, können diese von Zollorganen oder von Organen des BASG wieder an den Absender zurückgesendet werden oder, falls das nicht möglich ist, auch vernichtet werden. Die Kosten hat der jeweilige Besteller dieser Waren zu tragen (Abs. 2). Diese Regelung entspricht auch dem Ziel, den Verwaltungsaufwand bzw. die Verwaltungskosten der Behörden zu reduzieren, im Gegensatz zu einer gleichfalls möglichen Verfallsregelung und der damit verbundenen Mehrbelastung bzw. zusätzlich zu erwartenden Kostenbelastung der zuständigen Behörden.

Die in Abs. 3 enthaltene Ausnahme von der Verbotsregelung des Abs. 1 gibt die im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Doc Morris“ C-322/01 als gemeinschaftsrechtlich nicht zu verbietende grenzüberschreitende Bezugsmöglichkeit von Arzneiwaren aus Vertragsparteien des EWR wieder.

Der persönliche Bedarf ist durch die tatsächlichen Bedürfnisse einer Privatperson bestimmt und mit höchstens drei Handelspackungen pro Arzneispezialität begrenzt. Darüber hinaus bedarf es in diesen Fällen keiner Meldung an das BASG.“

Ein Verstoß gegen das in § 17 Abs. 1 AWEG 2010 normierte Verbot wird im Arzneiwarengesetz 2010 nicht zur Verwaltungsübertretung erklärt und ist nicht strafbewehrt.

Als (einzige) Konsequenz eines Zuwiderhandelns ordnet § 17 Abs. 2 AWEG 2010 an, dass Arzneiwaren und Blutprodukte, „die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbracht werden“, dem Absender zurück zu übermitteln, oder, sofern dies nicht möglich ist, zu vernichten sind; die Kosten dafür trägt jeweils der Besteller.

Demgegenüber sieht § 21 Abs. 3 AWEG 2010 den (allenfalls auch selbständigen) Verfall der dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, vor.

Auch eine Gegenüberstellung der Bestimmungen des § 21 Abs. 3 AWEG 2010 und des § 17 Abs. 2 AWEG 2010 zeigt, dass § 17 AWEG 2010 keinen Sonderfall der Einfuhr nach § 3 Abs. 1 AWEG 2010 normiert, sondern für den – keine Einfuhr in diesem Sinne darstellenden – Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz eine eigenständige Regelung trifft.

2.5.    Soweit der Beschwerdeführer daher entsprechend dem Tatvorwurf Arzneiwaren per Fernkommunikationsmittel bestellt hätte und diese in der Folge aus Indien nach Österreich befördert wurden, wäre dem Beschwerdeführer lediglich ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 AWEG 2010 und nicht (auch) ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 AWEG 2010 vorzuwerfen.

Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 AWEG 2010 stellt jedoch keine Verwaltungsübertretung dar, weswegen das angefochtene Straferkenntnis (einschließlich des damit ausgesprochenen Verfalls) aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen ist.

3.       Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist zulässig, da Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen waren, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Für die Bestimmung des Tatorts und damit auch der örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde ist zunächst maßgeblich, ob die maßgebliche Tathandlung, die dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, das Absenden der Internet-Bestellung (vgl. zu Distanzdelikten durch postbeförderte Briefe zB VwSlg 13698 A/1992; zur Bestellung eines Krokodilledergürtels entgegen § 9 Abs. 1 Z 1 Artenhandelsgesetz vgl. VwGH 16.7.2010, 2008/07/0215) oder vielmehr die vom Beschwerdeführer veranlasste Beförderung der Waren ins Bundesgebiet ist. Im letzteren Fall wäre dem Magistrat der Stadt Wien keine örtliche Zuständigkeit zugekommen, zumal es gar nicht in Betracht kommt, dass die gegenständlichen Waren in Wien ins Bundesgebiet befördert wurden, weil Wien keine Staatsgrenze hat und auch der Flughafen Wien-Schwechat nicht in Wien liegt (zur allfälligen Zuständigkeit gemäß § 27 Abs. 2 VStG bei mehreren in Betracht kommenden Behörden vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2, § 27, Rz. 6 ff., mwN). Dieser Frage kommt auch über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Grundsätzliche Bedeutung kommt insbesondere auch der Frage zu, ob durch den Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Sinne des § 17 Abs. 1 AWEG 2010, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, auch eine Übertretung des § 21 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 Abs. 1 AWEG 2010 verwirklicht werden kann.

Schlagworte

Örtliche Zuständigkeit; Tathandlung; Distanzdelikt; Ware; Beförderung; Einstellung

Anmerkung

VwGH v. 27.2.2019, Ro 2019/10/0004, 0005; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.001.069.4990.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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