TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/2 W208 2200828-1

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Veröffentlicht am 02.08.2018
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Entscheidungsdatum

02.08.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
HGG 2001 §19 Abs1 Z3
HGG 2001 §36 Abs2
HGG 2001 §42 Abs3
HGG 2001 §43 Abs1
HGG 2001 §43 Abs2
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W208 2200828-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX, geboren XXXX vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des HEERESPERSONALAMT vom 17.04.2018, GZ P759007/62-HPA/2018, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Entschädigung des Verdienstentganges, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 43 Abs 1 HGG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein Milizsoldat (im Folgenden: bP), leistete von 04.09.2017 bis 09.10.2017 von 10.10.2017 bis 13.10.2017 sowie vom 14.10.2017 bis 02.03.2018 Wehrdienst (Funktionsdienste, Milizübung). Für die jeweiligen Zeiträume erhielt er insgesamt drei separate Einberufungsbefehle, weil es sich beim ersten und dritten Zeitraum um einen Funktionsdienst (§ 19 Abs 1 Z 3 WG) und beim zweiten Zeitraum um eine Milizübung (§ 19 Abs 1 Z 2 WG) handelte.

2. Am 12.04.2018 (lt. Eingangsstempel) beantragte sie die Auszahlung der ihr zustehenden Entschädigung für den Verdienstentgang in allen drei Zeiträumen.

3. Während der bP jeweils mit separaten Bescheiden für die beiden letzten Zeiträume eine Entschädigung zugestanden wurde, wies die belangte Behörde mit dem hier beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 17.04.2018 den Antrag für den Zeitraum 04.09. bis 09.10.2017 wegen Verspätung zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Frist zur Geltendmachung des Anspruches von 6 Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst (§ 43 Abs 1 HGG) überschritten worden wäre.

4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 25.04.2018) richtet sich die mit 16.05.2018 datierte und am 17.05.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde der bP, mit der die Aufhebung des Bescheides und die antragsgemäße Festsetzung der Entschädigung beantragt wurde.

5. Mit Schreiben vom 13.07.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt dem BVwG zu Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I.1. und I.2. angeführte Sachverhalt wird festgestellt. Insbesondere wird festgestellt, dass die bP vom 04.09.2017 bis 02.03.2018 jeden Tag Wehrdienst geleistet hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen und sind unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen

ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im .... liegt

gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, es besteht kein Neuerungsverbot (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 28 Abs 2 VwGVG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags - der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von "civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen und ist auch die Rechtsfrage nicht derart komplex, dass es zu deren Erörterung einer mündlichen Verhandlung bedürfte.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die folgenden Bestimmungen sind im Gegenstand maßgeblich:

Gemäß § 43 Abs 1 HGG ist der Antrag des Anspruchsberechtigten auf Entschädigung nach § 36 Abs 2 und § 42 Abs 3 bis spätestens sechs Monate nach der Entlassung aus dem Wehrdienst zu stellen.

Die Präsenzdienst- bzw. Wehrdienstarten sind gemäß § 19 Wehrgesetz 2001 (WG):

1. Grundwehrdienst oder

2. Milizübungen oder

3. freiwillige Waffenübungen und Funktionsdienste oder

4. Wehrdienst als Zeitsoldat oder

5. Präsenzdienst auf Grund einer Verfügung nach § 23a Abs. 1 im Falle eines Einsatzes nach § 2 Abs. 1 lit. a bis c (Einsatzpräsenzdienst) oder

6. Präsenzdienst im Falle eines vorläufigen Aufschubes der Entlassung nach § 23a Abs. 2 (Aufschubpräsenzdienst) oder

7. außerordentliche Übungen oder

8. Präsenzdienst im Auslandseinsatz (Auslandseinsatzpräsenzdienst).

Gemäß § 27 Abs 1 WG beginnt die Dienstzeit der zur Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes Einberufenen mit dem Tag, für den sie einberufen sind. Sie endet mit Ablauf des Tages, mit dem sie entlassen werden.

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Behörde die Zulässigkeit einer inhaltlichen Entscheidung wegen Verfristung verneint hat und den Antrag daher zurückgewiesen hat (vgl VwGH 01.06.2006, 2005/07/0035, mwN; 13.03. 2002, 2001/12/0181; 11.07.2014, 2012/17/0176). Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG ist daher auch nur die Frage, ob dieses Zurückweisung zur Recht erfolgt ist oder nicht (VwGH 31.01.2018, Ra 2016/10/0121). Eine inhaltliche Entscheidung über die Zu- oder Nichtzuerkennung ist hingegen durch das BVwG nicht zu treffen.

Im konkreten Fall ist die bP mit Ablauf des 09.10.2017, 24.00 Uhr zwar formal aus dem konkreten Funktionsdienst (§ 19 Abs 1 Z 3) nicht jedoch aus dem Wehrdienst entlassen worden, weil sie um 00.00 Uhr des 10.10.2017 zu einem weiteren Wehrdienst (diesmal Milizübung) einberufen war.

Wenn die belangte Behörde vermeint, dass der Umstand, dass die bP zu allen drei unterschiedlichen Präsenzdienstarten gesonderte Einberufungsbefehle erhalten hat, verkennt sie, dass die bP beginnend mit 04.09.2017 bis 02.03.2018 durchgehend Wehrdienst geleistet und keinen Tag aus dem Wehrdienst entlassen war.

Daraus folgt, dass die Frist des § 43 Abs 2 HGG von 6 Monaten für alle drei Präsenzdienstarten erst mit dem 02.03.2018 zu laufen begann, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wehrdienst geendet hat. Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen den einzelnen Präsenzdienstarten, sondern stellt lediglich auf die Entlassung aus dem Wehrdienst ab.

Im vorliegenden Fall hat die bP den Antrag am 12.04.2018 eingebracht und damit unstrittig vor Ablauf der 6-Monate-Frist. Der Antrag war somit nicht verspätet und die belangte Behörde hätte den Antrag nicht zurückweisen dürfen.

Da der Bescheid aus diesem Grund rechtswidrig iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG ist, ist der dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattzugeben und hat die belangten Behörde den Antrag inhaltlich zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Der VwGH hat ausgesprochen, dass auch dann wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (das ist bei § 43 Abs 1 HGG der Fall), keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt, wenn zu einer dieser anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen ist (vgl etwa die Beschlüsse vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053, 27.08.2014, Ra 2014/05/0007, sowie Ra 2014/05/0010, vom 18.03.2015, Ra 2015/04/0005, sowie vom 01.09.2015, Ra 2015/08/0093). Im Übrigen wird auf die zitierten VwGH-Entscheidungen verwiesen.

Schlagworte

Antragsfristen, Entlassungszeitpunkt - Wehrdienst, Entschädigung,
ersatzlose Behebung, meritorische Entscheidung, Präsenzdienstarten,
Verdienstentgang, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2200828.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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