TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/7 I411 1304188-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

I411 1304188-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. ungeklärt, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, eigenen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste angeblich am 11.01.1996 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.01.1996 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Er wurde hierzu am 12.01.1996 von der Bezirkshauptmannschaft XXXX sowie am 18.01.1996 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

3. Mit Bescheid vom 22.01.1996, Zl. XXXX wies das Bundesasylamt diesen (ersten) Antrag gemäß § 3 AsylG 1991 ab. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass in den kriegerischen Auseinandersetzungen in Sierra Leone keine gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen erblickt werden könnten. Er habe keine Verfolgung zu befürchten, weshalb ihm keine Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden könne. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

4. Am 02.04.1996 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes Berufung und stellte unter einem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.05.1996, Zl. XXXX mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen wurde. Weiters wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 04.07.1996, Zl. XXXX die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.09.1997, Zl. XXXX XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen nach den §§ 12, Abs. 1, 14a und 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

6. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.08.2002, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen und Vergehen nach den § 28 Abs. 2 Unterfall 3 Suchtmittelgesetz und §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

7. In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 18.03.2005 seinen zweiten Asylantrag. Im Rahmen der am 22.03.2005 stattgefundenen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er Österreich seit seiner Einreise nicht mehr verlassen habe. Nach seinen Gründen für die neuerliche Antragstellung befragt, brachte er vor, dass es in Sierra Leone - vor allem in seinem Gebiet - noch immer ein Problem, nämlich insbesondere Gräueltaten und Morde, gebe. Auf Nachfrage zählte der Beschwerdeführer einige Städte und ethnische Gruppen in Sierra Leone auf. Er führte an, dass er in seiner Muttersprache Krio nicht bis zehn zählen könnte, da er nur in Englisch unterrichtet worden sei. Er habe nicht mehr bei den Rebellen bleiben wollen. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen. Auf den Vorhalt, dass es in Sierra Leone keinen Bürgerkrieg mehr gebe, replizierte er, ein weiteres Problem zu haben. Im Jahr 1996 sei er bereits einmal von Österreich nach Sierra Leone gebracht worden, wobei es einen Zwischenfall mit der Polizei gegeben habe. Die Beamten der Immigrationsbehörde in Sierra Leone würden ihn mit zwei Polizisten wieder nach Österreich zurückgeschickt haben. Dabei sei ihm gesagt worden, dass man ihn in seiner Heimat nicht mehr sehen wolle.

8. Mit Telefax vom 22.03.2005 übermittelte die Bundespolizeidirektion Wien auf Anfrage des Bundesasylamtes einen Bericht vom 17.06.1996. Darin wurde zusammengefasst festgehalten, dass der Beschwerdeführer am 16.06.1996 in Begleitung zweier Kriminalbeamter nach Sierra Leone geflogen worden sei. Der dort leitende Emigrations-beamte habe sich jedoch geweigert, das vom sierra-leonischen Generalkonsul in Österreich ausgestellte Heimreisezertifikat anzuerkennen und habe lautstark erklärt, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Staatsbürger Nigerias handle. Weiters habe er zu erkennen gegeben, dass er den Beschwerdeführer nicht einreisen lassen wolle, sodass die Kriminalbeamten zusammen mit dem Beschwerdeführer wieder nach Österreich zurückgekehrt seien.

9. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 15.03.2006, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen und Vergehen nach den § 28 Abs. 1 und Abs. 2 und 1., 2. 3. und 4. Fall Suchtmittelgesetz und §§ 12. 2. Fall und 15 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

10. Im Aktenvermerk vom 29.05.2006 hielt das Bundesasylamt fest, dass die für diesen Tag geplante Sprachanalyse mit dem Beschwerdeführer und dem Institut XXXX nicht zustande gekommen sei, weil der Beschwerdeführer das mit dem Analytiker geplante Telefongespräch verweigert habe. Trotz des kurzen Gespräches habe der beigezogene Analytiker festgehalten, dass das vom Beschwerdeführer gesprochene Englisch nicht der in Sierra Leone verbreiteten Variante entspreche. Es sei unüblich, dass der Beschwerdeführer trotz angegebenem sprachlichen Hintergrund in Sierra Leone kein Krio spreche. Auch die in der Direktanalyse angeführte Wohnadresse des Beschwerdeführers sei nicht existent. Ein Analytiker mit sprachlichem Hintergrund in Nigeria habe sich die Aufnahme des Beschwerdeführers ebenfalls angehört und feststellen können, dass der Beschwerdeführer eine Variante des Englischen spreche, die sehr wahrscheinlich Nigeria zuzuordnen sei.

11. Auf Anfrage des Bundesasylamtes übermittelte die Bezirkshauptmannschaft XXXX am 01.06.2006 den Fremdenakt an das Bundesasylamt, aus dem hervorgeht, dass laut Schreiben des Generalkonsulats von Sierra Leone in Österreich ein weiteres Heimreisezertifikat aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer kein Staatsangehöriger von Sierra Leone sei, nicht ausgestellt werde. Weiters wurde eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor der Bundespolizeidirektion Wien vom 18.07.1996 übermittelt, im Zuge derer der Beschwerdeführer angeführt hatte, dass er aus Liberia stamme und immer in Monrovia gelebt habe.

12. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.07.2006, Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18.03.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt und er gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

13. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.

14. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.05.2012, Zahl XXXX wurde die Beschwerde gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. und Spruchpunkt III. wurde der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

14.1. Auf das Wesentliche zusammengefasst führte der Asylgerichtshof aus, dass er in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt zum eindeutigen Ergebnis gelangt sei, dass das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen nicht als glaubhaft zu beurteilen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus dem von ihm behaupteten Herkunftsland Sierra Leone stamme. Einzig der Beurteilung des Bundesasylamtes, wonach das Herkunftsland des Beschwerdeführers mit Nigeria festzustellen sei, schließe sich der Asylgerichtshof nicht an, da lediglich Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nigerianischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers existierten, die allerdings nicht verifiziert worden seien. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer tatsächlich bestehenden nigerianischen Staatsangehörigkeit liege nicht vor. Das Herkunftsland sei als ungeklärt zu qualifizieren. Im Hinblick auf die Spruchpunkte II. und III. sei das Verfahren so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine. Die Prüfung des Refoulementschutzes sowie der Ausweisungsentscheidung in Bezug auf Sierra Leone habe trotz der Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht aus Sierra Leone stamme, angesichts der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dennoch zu Sierra Leone erfolgen müssen. Die seitens der belangten Behörde durchgeführte Prüfung in Bezug auf Nigeria habe sich als verfehlt erwiesen. Auch sei das Bundesasylamt seiner amtswegigen Ermittlungspflicht im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht nachgekommen.

15. Am 26.07.2012 wurde der Beschwerdeführer von einer Organwalterin des Bundesasylamtes im Beisein seines Rechtsanwaltes niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er mit einem Freund zusammen- lebe und er in einem Restaurant 20 Stunden pro Woche arbeite. Er arbeite nicht regelmäßig, sei aber angemeldet. Er habe keine Verwandten oder Kinder in Österreich. Er habe einen Deutschkurs, einen Erste-Hilfe-Kurs und einen Computerkurs besucht, habe aber die Bestätigungen darüber nicht mit. Er sei nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer Organisation. Er sei gesund, er stottere aber. Seine Freizeit verbringe er mit den Mitgliedern jener Familie, für die er arbeite. Manchmal spiele er Fußball oder arbeite auch auf dem Computer, um eine Arbeit zu suchen. Auf Nachfrage führte er weiter aus, dass er dabei bleibe, aus Sierra Leone zu stammen und er fürchte, so er nach Sierra Leone zurückgeschickt werde, dort verhaftet und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Es habe Krieg geherrscht, als er Sierra Leone verlassen habe. Er habe am Krieg teilgenommen und aus diesem Grund glaube er, dass er von der Regierung und den Rebellengruppen verfolgt werde.

16. Mit Schriftsatz vom 10.08.2012 wurden dem Bundesasylamt per Fax von der bevollmächtigten Vertretung mehrere Dokumente (ECDL Core

Certificate - European Computer Driving Licence- Core; ECDL Core

Certificate - European Computer Driving Licence- Advanced;

Teilnahmezertifikat JSi-Job Suche intensiv mit EDV für die RGS Währinger Gürtel; Bestätigung zum Erste-Hilfe -Grundkurs;

Sprachdiplom A2) zum Nachweis der Integration sowie eine Stellungnahme übermittelt. Des Weiteren wurde in der Stellungnahme ausgeführt, dass tatsächlich das Stottern ein Schlüssel zum Verständnis des Asylvorbringens sei. Bei Nichtwissen über das Stottern würden (frühere) Einvernahmen womöglich als unkooperativ erscheinen, in Wirklichkeit aber könne sich der Asylwerber kaum verständlich machen. In der letzten Entscheidung des Asylgerichtshofes habe es sinngemäß geheißen, dass der Asylwerber in einer Sprache nicht bis zehn zählen könne. Wenn man den Asylwerber stottern höre, könne man erkennen, dass er auch nicht in Englisch oder Deutsch bis zehn zählen könne. Im Falle einer Rückkehr nach Afrika könne sich der Asylwerber (verbal) weder verteidigen noch verständlich machen. Er könnte keine Arbeit finden etc.

17. Mit Schriftsatz vom 31.08.2012 wurde ein Sprachgutachter vom Bundesasylamt mit der Erstellung eines Gutachtens im Hinblick auf die sprachliche Herkunft des Asylwerbers beauftragt. Dabei wurde der Sprachgutachter ersucht, abzuklären, ob der Asylwerber tatsächlich aus Nigeria stamme; ein sprachlicher Hintergrund in Nigeria oder etwa einem anderen Land in Afrika mit englischsprachigem Hintergrund vorliege; ob sich anhand der Aussprache des Englischen feststellen lasse, welche weitere Sprache er spreche. Als Termin für die Erstellung des Sprachgutachtens wurde der 20.09.2012 festgelegt.

18. Mit dem per Fax am 19.09.2012 um 20:24 Uhr beim Bundesasylamt eingebrachten Schriftsatz teilte der bevollmächtigte Vertreter dem Bundesasylamt mit, dass der Beschwerdeführer an dem für den darauffolgenden Tag vereinbarten Termin nicht kommen könne, weil er erkrankt sei.

19. Mit der Ladung vom 20.09.2012 wurde der Beschwerdeführer für den 05.10.2012 zur Erstellung eines Sprachgutachtens neuerlich vor das Bundesasylamt geladen.

20. Mit Schreiben vom 10.10.2012 übermittelte der Sprachgutachter XXXX, Sachverständiger für Nigeria, einen Befund und ein Gutachten an das Bundesasylamt. Daraus ergab sich, dass der Beschwerdeführer Pidgin-Englisch mit Akzent spreche und der Sprachgutachter nur wenig habe verstehen können. Aus den überprüfbaren Angaben habe sich jedoch ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht aus Nigeria stamme und dass sein sprachlicher Hintergrund auch nicht in Nigeria liege. Die Pidgin-Englische Sprache (Kreole) sei nicht mit dem nigerianischen Pidgin-Englisch vereinbar. Pidgin-Englisch werde meist in Westafrika gesprochen. Der Beschwerdeführer habe kein Englisch gesprochen, sondern nur reines englisches Kreol. Der Gutachter habe erfolglos versucht mit ihm auf Englisch, Ibo, Agbor und Abiriba (nigerianische Sprachen) zu sprechen. Diese Sprachen habe er nicht verstanden. Es habe nicht festgestellt werden können, aus welchem Land in Afrika der Asylwerber stamme. Schließlich wurde das Fazit gezogen, dass festgestellt werden könne, dass die sprachliche Herkunft des Beschwerdeführers nicht in Nigeria liege.

21. Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes vom 17.10.2012 wurde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten des länderkundlichen Sprachsachverständigen zur Kenntnis-nahme übermittelt und zugleich wurde er darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Staatsangehörigkeit auf "ungeklärt" geändert werde. Des Weiteren wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Woche eine Stellungnahme abzugeben.

22. Mit Schriftsatz von 29.10.2012 teilte die bevollmächtigte Vertretung mit, dass der Asylwerber gleichlautend angegeben habe, aus Sierra Leone zu stammen. Das übermittelte Gutachten habe bestätigt, dass er aus einem westafrikanischen Land stamme. Es gebe sohin keinen Grund, die vom Asylwerber angegebene Staatsangehörigkeit anzuzweifeln.

23. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.11.2012, Zl. XXXX wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 als zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und in einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen.

23.1. Im bezeichneten Bescheid traf die belangte Behörde die Feststellung, dass die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht geklärt sei und es unklar sei, aus welchem Herkunftsland er stamme. Er sei gesund und drei Mal zu Haftstrafen (zwei, zweieinhalb und fünf Jahre) verurteilt worden. Im Falle der Rückkehr könne keine wie auch immer geartete Gefährdung der Person des Beschwerdeführers festgestellt werden. Auf den Seiten neun bis dreizehn des Bescheides wurden Länderfeststellungen zu Sierra Leone getroffen und zum Privat- und Familienleben führte die belangte Behörde aus, dass keine familiären und privaten Kontakte feststellbar seien, die den Beschwerdeführer an Österreich binden würden. Er habe einen Deutschkurs sowie einen Fortbildungskurs besucht. Er sei vorbestraft und habe jahrelange Haftstrafen verbüßt.

Beweiswürdigend referierte die belangte Behörde, dass in Ermangelung entsprechender Dokumente lediglich eine Verfahrensidentität anzunehmen und mit Sicherheit von falschen Angaben zur Nationalität bzw. zum Herkunftsort auszugehen sei. Im Hinblick auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens gab die belangte Behörde die Beweiswürdigung des Asylgerichtshofes im Erkenntnis vom 21.05.2012 wieder (vgl. Erkenntnis Asylgerichtshof vom 21.05.2012, Zl. XXXX) und ergänzte, dass diesen Ausführungen nicht hinzuzufügen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aus Sierra Leone stamme und deshalb werde auch die Gefährdungslage nicht geglaubt. Das wahre Herkunftsland werde vom Beschwerdeführer verschleiert, und es sei davon auszugehen, dass er dort keinerlei Schwierigkeiten zu befürchten habe. Schließlich gelangte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung zur Ansicht, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundegebiet nach Sierra Leone auszuweisen sei (Spruchpunkt III.).

24. Der bezeichnete Bescheid wurde der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers, MigrantInnenverein St. Marx, samt einem Informationsblatt über die freiwillige Ausreise sowie der Verfahrensanordnung vom 22.11.2012, wonach dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt wird, am 26.11.2012 zugestellt.

25. Mit dem per Fax am 10.12.2012 eingebrachten Schriftsatz erhob der bevollmächtige Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte im Beschwerdeschriftsatz aus, dass die negative Entscheidung gänzlich angefochten werde. Es liege eine inhaltliche falsche Entscheidung und eine mangelhafte Verfahrensführung vor. Es werde beantragt, nach mündlicher Verhandlung die Entscheidung zu beheben und Asyl zu gewähren.

26. Mit den identen, sowohl am 05.02.2013, 10:55 Uhr als auch am 06.02.2013, 08:16 Uhr, beim Bundesasylamt per Fax eingebrachten Schriftsätzen brachte die bevollmächtigte Vertretung eine Beschwerdeergänzung ein und beantragte, den angefochten Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigen erteilt werde; in eventu der Spruchpunkt betreffend der Ausweisung mit der Maßgabe behoben werde, das die Ausweisung auf Dauer unzulässig sei; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesasylamt zurückzuverweisen und jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Bescheid werde wegen inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung vollständig angefochten. Das BAT (gemeint wohl: das Bundesasylamt) gehe zwar zutreffend von der Staatsangehörigkeit Sierra Leone aus, jedoch werde übersehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Merkmale und seiner Biographie nicht mehr in seine ursprüngliche Heimat zurückkehren könne. Er sei zwar vorbestraft, habe sich aber in der letzten Zeit wohlverhalten. Gemäß seinen Möglichkeiten habe er sich in Österreich integriert. Das Bundesasylamt hätte daher den Status des subsidiär Schutzberechtigten gewähren müssen. Aktuell sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet zwingend auszuweisen wäre. Das Bundesasylamt hätte unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Ausweisung aus Österreich nicht zulässig sei. Die sprachliche Behinderung ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer in Österreich nützliche Arbeiten durchführen könne.

27. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.08.2015 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers, dem MigrantInnenverein St. Marx, zur Wahrung des Parteiengehörs die Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Sierra Leone zur Kenntnis gebracht sowie die Möglichkeit geboten, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, insbesondere auch zu privaten und familiären Bindungen in Österreich sowie zum Gesundheitszustand.

28. In der am 15.09.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Stellungnahme vertritt die rechtsfreundliche Vertretung zusammengefasst den Standpunkt, dass die Situation in Sierra Leone weiterhin so sei, dass Grundrechtsverletzungen nach Art. 2 und 3 EMRK zu erwarten seien. Das ergebe sich auch aus der aktuellen Berichtslage, und der Beschwerdeführer sei im Falle der Rückkehr dramatisch mehr gefährdet als andere Einwohner. Er sei besonders vulnerabel und somit in Sierra Leone nicht erwerbs- und behauptungsfähig. Er habe einen großen Teil seines Lebens hier in Österreich verbracht und den Kontakt zu seiner ursprünglichen Heimat völlig verloren. Die Vulnerabilität in Verbindung mit dem Fehlen eines "sozialen Empfangsraumes" begründe ein Abschiebungshindernis im Sinne der EMRK.

29. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2015, Zl. I403 1304188-2, wurde die Beschwerde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen, das Verfahren aber gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht kam - wie auch schon die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass, aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Beschwerdeführers, sein Herkunftsstaat nicht festgestellt werden kann. Zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest: "Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist insbesondere festzuhalten, dass er sich bereits seit 1996 in Österreich aufhält; allerdings hat er in diesem Zeitraum zwei erfolglose Anträge auf internationalen Schutz gestellt und die Verfahren auch dadurch verzögert, dass er seinen Herkunftsstaat verschleierte. Zudem wurde der Beschwerdeführer dreimal zu Freiheitsstrafen verurteilt und befand sich insgesamt mehr als 8 Jahre in Haft. Diesbezüglich ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich seit seiner Entlassung aus der Haft 2010 wohlverhalten hat."

30. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13.10.2015 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich zu beantworten. In einer Stellungnahme vom 04.11.2015 wurden folgende Dokumente vorgelegt:

Beschäftigungsbewilligung des AMS (als XXXX vom 06.01.2015 bis 05.01.2016), Sprachdiplom Deutsch A2 vom 26.06.2009, Versicherungsdatenauszug, Teilnahmebestätigung Jobtraining vom 10.06.2011, Meldezettel, Bestätigung für den Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses vom 09.06.2010, Zertifikat ECDL Advanced vom 01.07.2010, Lebenslauf, Bestätigung der Kirchengemeinde "XXXX" vom 16.09.2015.

31. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.11.2015, zugestellt am 13.11.2015, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt II.). Besondere Bindungen an Österreich wurden von der belangten Behörde verneint und wurde auf die dreimaligen Verurteilungen des Beschwerdeführers verwiesen. Da der Herkunftsstaat aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht feststellbar sei, könne nicht über die Zulässigkeit der Abschiebung abgesprochen werden.

32. Dagegen wurde fristgerecht am 27.11.2015 von der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers, dem MigrantInnenverein St. Marx, Beschwerde erhoben und darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer seit 2010 wohlverhalten habe. Er habe viele Dokumente zur Integration vorgelegt, welche nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Weiters wurde vorgebracht, dass die Rechtsmittelbelehrung verfassungswidrig sei, da sie auf die zweiwöchige Frist des § 16 Abs. 1 BFA-VG verweise. Es wurde beantragt, nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise festzustellen, dass die Rechtsmittelbelehrung verfassungswidrig sei, die bekämpfte Entscheidung zu beheben, festzustellen, dass die Nichterteilung des Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht rechtmäßig seien, die Sache an das BFA zurückzuweisen und schließlich festzustellen, dass ein Aufenthaltstitel zu gewähren sei und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig sei.

33. Am 25.04.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der er abermals angab, aus Sierra Leone zu stammen. Weiters gab er an, nicht verheiratet zu sein, in keine Lebensgemeinschaft zu leben und keine Kinder zu haben.

34. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.05.2017, XXXX, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach ausführlicher Darlegung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur "Zehn-Jahres-Grenze" ist das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss gekommen, dass angesichts der Schwere der Straftaten, der zweimaligen Asylantragstellung und des Verschleierns der Herkunft die langjährige Aufenthaltsdauer stark abgeschwächt wurde, zumal der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führte. Der Beschwerdeführer gab zwar an, seine früheren Taten zu bereuen und würde die letzte Verurteilung bereits zehn Jahre zurückliegen, doch sei seit der Entlassung aus der Haft vor rund sechs Jahren keine grundlegende Änderung seiner Lebensverhältnisse (etwa durch die Gründung einer Familie) erkennbar. Auch wenn nicht von einer negativen Prognose auszugehen wäre, wäre die in der Haft verbrachte Zeit jedenfalls nicht auf die Aufenthaltsdauer anzurechnen und dürfe nicht vergessen werden, dass der lange Aufenthalt in Österreich in erster Linie auf die fehlende Mitwirkung des Beschwerdeführers zurückzuführen gewesen sei.

35. Am 17.11.2017 wurde gegenständlicher Folgeantrag gestellt, den der Beschwerdeführer damit begründete, dass er über einen Freund namens "XXXX" Kontakt mit dem Innenministerium in Sierra Leone aufgenommen habe und ein Verfahren eingeleitet worden sei um seine Identität festzustellen. Dies könne aber noch einige Monate dauern.

36. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.01.2018 gab er abermals an aus Sierra Leone zu stammen und dass die bereits im Jahre 1996 angegebenen Fluchtgründe der Wahrheit entsprochen hätten. Er sei allerdings seit langen nicht mehr in seiner Heimat und wisse daher nicht was "dort los sei". Auf die Frage ob seit Abschluss des letzten Verfahrens wesentliche Änderungen in seinem Leben eingetreten sein, gab er an: "Eigentlich nicht, nur stört es mich, dass ich keine Arbeitsbewilligung habe, daher bekomme ich auch keine fixe Beschäftigung." Weiters gab er an, mit der nigerianischen Staatsangehörigen XXXX eine Beziehung zu führen und sei auch der Vater des Kindes XXXX. Er wohne allerdings nicht mit seiner Lebensgefährtin zusammen und sei auch nicht als Vater in der Geburtsurkunde eingetragen.

37. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.).

38. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 27.07.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies im Wesentlichen mit dem Vorliegen eines rechtswidrigen Bescheides.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben und ergänzend festgestellt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist ungeklärt.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.01.1996 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, über welchen wie oben ausgeführt mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.1996 bzw. Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 04.07.1996 negativ entschieden wurde. Der zweite Antrag auf internationalen Schutz wurde am 18.03.2005 gestellt; die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.07.2006 rechtskräftig; der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. und III. dieses Bescheides wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.05.2012 dahingehend stattgegeben, dass die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde. Darüber wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.11.2012 entschieden, indem die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone für zulässig erklärt wurde und der Beschwerdeführer nach Sierra Leone ausgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2015, Zl. I403 1304188-2, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, das Verfahren aber gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. In weiterer Folge wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.11.2015 dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.05.2017, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist ledig. Es kann nicht festgestellt werden, dass er mit der nigerianischen Staatsangehörigen XXXX eine Beziehung führt. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass er der Vater des am XXXX geborenen XXXX ist. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Er befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer ist bereits seit 1996 in Österreich aufhältig. Allerdings stellte er in dieser Zeit zwei - letztlich unbegründete - Anträge auf internationalen Schutz. Die lange Aufenthaltsdauer in Österreich ist auch darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer seine Staatsangehörigkeit stets verschleierte.

Der Beschwerdeführer wurde mehrmals strafrechtlich verurteilt:

* mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.09.1997, Zl. XXXX XXXX wegen §§ 12 Abs. 1, 14a, 16 Abs. 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren

* mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.08.2003, rechtskräftig am 07.02.2003, Zl. XXXX wegen § 28 Abs. 2 SMG und §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren

* mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.03.2006 Zl. XXXX wegen § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall, Abs. 3 erster und zweiter Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall, Abs. 1 SMG, § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren

Am 09.12.2010 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen. Er verbrachte rund 9 Jahre in Haft.

Der Beschwerdeführer hat die B1-Sprachprüfung abgelegt und arbeitet immer wieder in XXXX. Er verfügt über eine entsprechende Beschäftigungsbewilligung des Arbeitsmarktservice.

Der Beschwerdeführer besucht eine Kirchengemeinschaft.

1.2. Zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stammt nicht aus Sierra Leone, gab dies während der zwei in Österreich geführten Asylverfahren aber als seinen Herkunftsstaat an. Er stammt auch nicht aus Nigeria.

Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist ungeklärt.

1.3. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen dritten Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor. Er behauptet, wegen des Krieges Sierra Leone verlassen zu haben; dies war bereits Gegenstand der vorangegangenen Asylverfahren, weswegen nicht von einem geänderten Sachverhalt ausgegangen werden kann. Die Situation in Sierra Leone hat sich im letzten Jahr nicht entscheidungswesentlich verändert. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter der zentralen Berücksichtigung der niederschriftlichen Angabe des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.05.2012, XXXX sowie die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2015, XXXX und 30.05.2017,

XXXX.

Der Beschwerdeführer bestreitet, den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattet in der Beschwerde auch kein auf den konkreten Sachverhalt bezogenes Vorbringen, sodass das Bundesveraltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt und somit als entscheidungsreif ansieht und sich der vorgenommenen Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Die (Negativ-) Feststellung zur Vaterschaft des am XXXX geborenen XXXX resultiert auf der vorliegenden Geburtsurkunde des Standesamtes XXXX vom 20.08.2015, Zahl XXXX, in welcher kein Vater eingetragen ist. Die (Negativ-) Feststellung zur Beziehung mit XXXX basiert auf den getrennten Wohnsitzen. Der Beschwerdeführer ist seit 21.12.2010 in der XXXX gemeldet, wohingegen XXXX seit 17.10.2013 durchgängig in der XXXX gemeldet ist. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer im Vorverfahren bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2017 an, dass er nicht verheiratet sei, in keiner Lebensgemeinschaft leben würde und auch keine Kinder habe. Der am XXXX geborenen XXXX wäre zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits XXXX Jahre alt gewesen.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilungen entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2.3. Zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte gegenüber dem Bundesasylamt am 18.01.1996 angegeben, aus Sierra Leone zu stammen. Sowohl im Laufe des ersten als auch im Laufe des zweiten Asylverfahrens beharrte der Beschwerdeführer darauf, in Sierra Leone geboren und aufgewachsen zu sein.

Ein Beamter in Sierra Leone verweigerte am 16.06.1996 allerdings trotz Heimreisezertifikats die Einreise des Beschwerdeführers nach Sierra Leone, da dieser offensichtlich kein Staatsbürger von Sierra Leone sei.

Der Beschwerdeführer gab in einer Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion XXXX am 18.07.1996 an, aus Liberia zu stammen.

Der Beschwerdeführer verweigerte zunächst eine ausführliche Sprachanalyse, doch wurde im Rahmen eines kurzen Gespräches am 29.05.2006 von Seiten eines Sprachanalytikers festgestellt, dass das vom Beschwerdeführer gesprochene Englisch nicht der in Sierra Leone üblichen Variante entspreche und dass die Herkunft aus Sierra Leone auch unwahrscheinlich sei, weil der Beschwerdeführer kein Krio spreche.

Der Asylgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom 21.05.2012 fest, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht aus Sierra Leone stamme, dass aber auch nicht automatisch von einer Herkunft aus Nigeria ausgegangen werden könne. Dies wurde auch durch ein Sprachgutachten vom 10.10.2012 bestätigt, in dem festgestellt wird, dass die sprachliche Herkunft des Beschwerdeführers nicht in Nigeria liege.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte in weiterer Folge mit Erkenntnis vom 16.09.2015 fest, dass aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Beschwerdeführers sein Herkunftsstaat nicht festgestellt werden kann.

2.4. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeantrag keine neuen Fluchtgründe vorgebracht hat, ergibt sich aus nachfolgenden Erwägungen:

Wie oben im Verfahrensgang ausgeführt, hat der Beschwerdeführer bereits zweimal Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die beide negativ entschieden wurden. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen dieser Asylverfahren den Rechtsgang zum Asylgerichtshof und zum Bundesverwaltungsgericht beschritten und wurden die negativen Entscheidungen rechtskräftig.

Da bereits rechtskräftig feststeht, dass der Beschwerdeführer nicht aus Sierra Leone stammt, sich sein nunmehriges Fluchtvorbringen allerdings wieder ausschließlich auf Sierra Leone bezieht, erübrigt sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen.

In der Zusammenschau ist sohin der Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren zu seinem Folgeantrag weder einen neuen Sachverhalt, noch ein glaubhaftes Fluchtvorbringen erstattet hat und daher kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren vorliegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides)

Da die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 07.11.2017 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, ua). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Von einer verschiedenen "Sache" iSd § 68 Abs 1 AVG ist auszugehen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 24.02.2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl VwGH 19.09.2013, 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097).

Ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass in der gegenständlichen Rechtssache eine entschiedene Sache vorliegt.

Eine Änderung der rechtskräftigen Entscheidung in den Vorverfahren ist sohin nicht zu erkennen, sodass eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorliegt, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides war gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG (bis zum FrÄG 2015: "rechtskräftig") auf Dauer für unzulässig erklärt wird (bis zum FrÄG 2015: "wurde"). Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Beim Beschwerdeführer ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass er sich bereits seit 1996 und damit bereits 22 Jahre in Österreich aufhält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Vielzahl von Erkenntnissen mit der nach § 9 Abs. 2 BFA-VG durchzuführenden Interessenabwägung bei einem langjährigen (mehr als zehnjährigen) Inlandsaufenthalt des Fremden befasst. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich Folgendes ableiten:

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (siehe etwa das Erkenntnis des VwGH vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren:

Dazu zählen die Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025, vom 18. Oktober 2012, 2010/22/0136, sowie vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, sowie das Erkenntnis des VwGH vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie das Erkenntnis des VwGH vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 23. Mai 2012, 2010/22/0128, sowie (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) vom 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 18. März 2014, 2013/22/0129, sowie vom 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. das zitierte Erkenntnis 2011/23/0365).

Im Hinblick darauf ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten: Der Beschwerdeführer war immer wieder - in Teilzeit - erwerbstätig. Er verfügt über eine Beschäftigungsbewilligung, hat sich gewisse Deutschkenntnisse angeeignet und einen Freundeskreis aufgebaut. Es kann daher nicht gesagt werden, dass er keinerlei Schritte zu seiner Integration gesetzt hätte. Aufgrund dieser Umstände und seines langen Aufenthaltes in Österreich wäre aus diesem Blickwinkel eine Rückkehrentscheidung für unverhältnismäßig zu erachten.

Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse des VwGH vom 3. September 2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis des VwGH vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss des VwGH vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss des VwGH vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31. Jänner 2013, 2012/23/0006).

Diesbezüglich muss dem Beschwerdeführer vorgehalten werden, dass er zweimal einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und aufenthaltsbeendende Maßnahmen dadurch unterband, dass er gegenüber den Behörden und Gerichten Österreichs seit 22 Jahren eine falsche Staatsbürgerschaft angibt und seine Herkunft kontinuierlich verschleiert. Seine lange Aufenthaltsdauer in Österreich verdankt sich in erster Linie dem Umstand, dass er seine tatsächliche Staatsbürgerschaft nie offenbarte. Zudem wurde der Beschwerdeführer dreimal wegen Suchtgifthandel verurteilt. Es wird nicht verkannt, dass die letzte Verurteilung bereits im Jahr 2006 war, doch muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer insgesamt zu 9,5 Jahren Haft verurteilt wurde und er erst Ende 2010 aus der Strafhaft entlassen worden war. Die lange Aufenthaltsdauer in Österreich wird dadurch wesentlich geschmälert, verbrachte er doch beinahe die Hälfte der Zeit in der Haft. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt judiziert, dass bei derart schweren Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot (und damit auch einer Rückkehrentscheidung) entgegenstehen (VwGH, Ra 2016/21/0022-6, 25.02.2016). Im Ergebnis bedeutet das, dass auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen ist, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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