TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 W169 2201690-1

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Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §17
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W169 2201690-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zl. 517870506-29105591, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.04.2010 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er vor ungefähr einem Jahr auf illegalem Weg seine Heimat mit einem Flugzeug verlassen habe. Das Dokument zur Ausreise habe ihm der Schlepper zur Verfügung gestellt. Einen eigenen Reisepass habe er nicht gehabt. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er selbst keine Probleme in Indien gehabt hätte. Seine Familie habe mit dem Schlepper ausgemacht, dass dieser den Beschwerdeführer mitnehme und er für diesen arbeiten müsse. Was er genau arbeiten hätte müssen, wisse er nicht. Auch könne er nicht sagen, weshalb ihn seine Eltern weggeschickt hätten. Befragt, was er bei einer Rückkehr nach Indien befürchte, führte er an, dass er seit einem Jahr keinen Kontakt mit seinen Eltern habe und nicht wisse, wo sich diese befinden.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 16.04.2010 erklärte der Beschwerdeführer, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen. Diese seien ihm jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert worden. Zu seinen persönlichen Daten gab der Beschwerdeführer an, dass er der Volksgruppe der Kaship angehöre und hinduistischen Glaubens sei. Dokumente könne er keine vorlegen, zumal er nie welche besessen habe. Seit seiner Geburt habe er immer in dem Slumviertel gelebt, wo seine Eltern und er ein Zelt gehabt hätten. Vor ca. einem Jahr habe er es verlassen, und habe er seit seiner Ausreise keinen Kontakt zu seinen Eltern gehabt. Er wisse auch nicht, wo diese jetzt leben und habe er keine weiteren Verwandten in Indien. Der Beschwerdeführer sei ab seinem sechsten oder siebten Lebensjahr für sechs oder sieben Jahre zur Schule gegangen. Seinen Lebensunterhalt habe er dadurch verdient, dass er seinen Eltern geholfen habe. Sie hätten Töpfe und Spielzeug aus Lehm hergestellt und vor dem Zelt an Vorbeikommende verkauft. Gemessen am Durchschnitt seien sie eher arm gewesen, es habe für das Essen gereicht.

Zu seinen Fluchtgründen machte er geltend, dass seine Eltern nicht gut zu ihm gewesen seien, es immer viel Streit gegeben habe und sie ihn dann weggeschickt hätten. Er habe manchmal grundlos Ohrfeigen bekommen oder sei beschimpft worden. Die Streitigkeiten hätten nach der Schule angefangen. Zum Alltag im Slumviertel erzählte er, er habe den ganzen Tag gearbeitet, im Haushalt geholfen und die Spielsachen hergestellt. Er habe verschiedene Sachen aus Lehm angefertigt, etwa kleine Töpfe oder kleine Puppen. Es sei eine einfache Arbeit gewesen und habe er sie verrichten müssen, da ihm seine Eltern das gesagt hätten. Aus diesem Grund habe er sich keine andere Arbeit gesucht. Auf die Frage, wie es ihm außer den Streitigkeiten mit seinen Eltern in Bombay ergangen sei, erwiderte der Beschwerdeführer, er habe den Haushalt erledigt. Sonstige Probleme hätte er nicht gehabt, auch habe es keine gewalttätigen Übergriffe gegen ihn gegeben und sei er durch niemanden bedroht worden. Probleme mit der Polizei habe er nicht gehabt, er sei weder angezeigt worden noch habe es ein Gerichtsverfahren gegen ihn gegeben. Der Beschwerdeführer sei auch nicht politisch tätig gewesen. Erneut nach den Gründen für seine Ausreise befragt, wiederholte der Beschwerdeführer, dass seine Familie dies damals ausgemacht habe. Sie hätten oft Streit gehabt und hätten sie ihn dann weggeschickt. Die Hintergründe kenne er nicht, vielleicht hätten sie Geld genommen oder etwas Anderes ausgemacht. Befragt, weshalb er eigentlich mit dem Mann mitgegangen sei, wo er sich doch als erwachsener Mann auch anderswo innerhalb Indiens niederlassen und arbeiten hätte können, antwortete der Beschwerdeführer, das getan zu haben, was seine Familie gesagt habe. Sonstige Probleme habe er in Indien nicht gehabt und habe er alles vorgebracht. Auf die Frage, was er im Falle seiner Rückkehr nach Indien befürchte, entgegnete der Beschwerdeführer, nicht zu wissen, wo seine Eltern seien. Sie hätten ihn ausgestoßen und fortgeschickt. Er wisse nicht, wo er hinsolle. Er kenne niemanden in Indien.

Seinen Lebensunterhalt bestreite er mit Mitteln aus der Bundesbetreuung und werde er vom Staat versorgt. Der Beschwerdeführer leide an keiner Krankheit, nehme keine Medikamente und werde nicht ärztlich behandelt. Er besuche keine Kurse in Österreich, sei kein Mitglied in einem Verein und besuche keine Schule oder Universität. Auch lebe er mit keiner Person in einer Lebensgemeinschaft und habe er im Bundesgebiet keine nahen Verwandten, von welchen er finanziell abhängig sei. Einen Freundeskreis oder eine besondere Bindung an Österreich habe er nicht.

Zu den ihm vorgehaltenen Länderfeststellungen wollte der Beschwerdeführer nicht Stellung nehmen. Er habe alles vorgebracht und wolle nur hier bleiben. Den Dolmetscher habe er einwandfrei verstanden und seien seine Angaben richtig und vollständig protokolliert worden.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.04.2010, Zl. 10 03.191-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz 13.04.2010 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 der Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt und wurde er gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

3. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.10.2011, Zl. C7 413032-1/2010/3E, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der Asylgerichtshof aus, dass der Beschwerdeführer nicht habe glaubhaft darlegen können, in seinem Heimatland verfolgt bzw. mit dem Leben bedroht worden zu sein, sondern habe er Indien auf Wunsch und Initiative seiner Eltern verlassen, um zu arbeiten. Auch hätten sich keine begründeten Hinweise im Verfahren ergeben, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Indien in eine ausweglose wirtschaftliche Lage geraten könnte und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Überdies könne sich der Beschwerdeführer zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in einem anderen Landesteil Indiens oder in einer anderen Großstadt wie Delhi niederlassen. Schließlich seien zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Ausweisung für unzulässig zu erklären wäre. Der ledige Beschwerdeführer, welcher im Bundesgebiet obdachlos gemeldet sei, habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Eine legale regelmäßige Erwerbstätigkeit, gute Deutschkenntnisse, Kursbesuche, ein Studium oder eine Tätigkeit in einem Verein hätten sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben. Somit stelle die Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß der EMRK geschützte Rechtsposition dar.

4. Gegen den Beschwerdeführer wurde am 14.12.2011 von der Bundespolizeidirektion Wien eine Anzeige wegen des Aufenthaltes im Bundesgebiet ohne gültigen Aufenthaltstitel gemäß § 120 FPG erstattet.

5. Am 19.12.2011 wurde der Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien niederschriftlich einvernommen (Gegenstand der Einvernahme: Verhängung einer Verwaltungsstrafe - Aufforderung zur freiwilligen Ausreise). Dabei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist sei. Er habe bisher keine Vorkehrungen für die Rückkehr nach Indien getätigt und sei er auch nicht bei der Botschaft gewesen. Der Beschwerdeführer wisse, dass seine Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Er habe keinen Reisepass und habe auch noch nie einen besessen. Er sei ledig und kinderlos und arbeite als Zeitungszusteller in Wien, wobei er ungefähr 350,- Euro monatlich verdiene. Seine Familie lebe in Indien.

6. Am 19.02.2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer eingangs der Befragung an, dass er bei seinem ersten Asylantrag falsche Daten hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums angegeben habe. Der Beschwerdeführer spreche die Sprachen Punjabi und Hindi und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Zum Grund für die Stellung des Folgeantrages gab er an, dass er im Jahr 2016 nach Indien zurückgekehrt sei und begonnen habe, mit seinen Freunden zu den Veranstaltungen des Gurus Ram Rahim zu fahren. Dann sei dieser festgenommen worden und hätten die Sikhs sich gegen den Beschwerdeführer gestellt. So sei er von diesen Leuten angegriffen und verletzt worden, weswegen er sich bei Verwandten habe verstecken müssen. Schließlich gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass die Fluchtgründe aus dem Jahr 2010 nicht mehr aufrecht seien, diese Probleme hätten sich erledigt.

7. Am 28.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er die Sprachen Punjabi, Hindi sowie etwas Deutsch und Englisch spreche. Er sei ledig, kinderlos und gesund. Im Herkunftsstaat würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Befragt gab der Beschwerdeführer weiters zu Protokoll, dass er Österreich im April 2016 verlassen habe, da er krank gewesen sei. Er habe seine Arbeit und seine Wohnung in Österreich verloren, weshalb er zu seinem Freund nach Italien gegangen sei. Von dort aus sei er mit einem Dokument, welches ihm von der Indischen Botschaft in Rom ausgestellt worden sei, legal im November 2016 nach Indien zurückgekehrt. Dies könne der Beschwerdeführer jedoch nicht beweisen und sei es ihm nicht möglich, sich für die Erlangung einer diesbezüglichen Bestätigung an die Indische Botschaft zu wenden; er habe auch keinen Kontakt mehr zu seinem Freund in Italien. Nach Vorhalt, wonach der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung angegeben habe, schlepperunterstützt nach Indien gereist zu sein, führte er an, dass ein Mann dieses Schreiben besorgt habe und dieser mit ihm von Rom nach Bombay geflogen sei. In Indien habe sich der Beschwerdeführer im Juni 2017 einen Führerschein ausstellen lassen, welcher bei seinen Eltern sei. Diesen könnte er sich als Beweis schicken lassen.

Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, führte der Beschwerdeführer Folgendes aus (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

F: Sie haben im Jahr 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?

A: Ich habe jetzt in Indien Probleme wegen dem Guru Ram Rahim aus Sirsa. Ich war sein Anhänger.

F: Mit wem haben Sie nun Probleme und wie gestalten sich diese Probleme?

A: Der Guru Ram Rahim hat einen Tempel in unserem Dorf. Dort war ich öfters. Ich selbst bin aber Sikh und die anderen Sikhs in unserem Dorf waren böse mit mir, weil ich ein Anhänger des Ram Rahim war. Ich wurde zwei bis drei mal angegriffen und wurde auch verletzt. Sie haben auch unser Haus angegriffen. Ich habe dann Indien verlassen und auch meine Familie lebt nun woanders in Indien.

Belehrung:

Dies ist Ihr zweites Asylverfahren. Ihr erstes Asylverfahren wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der AW wurde dahingehend manuduziert, dass entsprechend der österreichischen Gesetzeslage, niemals in einer Angelegenheit zweimal entschieden wird.

F: Es ist erforderlich Ihre Rückkehr nach Indien nachzuweisen. Sie werden aufgefordert, Dokumente zu besorgen, um Ihre tatsächliche Rückkehr nach Indien zu beweisen. Wie lange werden Sie dazu benötigen?

A: Ich muss meine Eltern in Indien kontaktieren.

F: Wissen Sie, wo sich Ihre Eltern aufhalten?

A: Ich werde Verwandte anrufen und herausfinden, wo sie sich aufhalten.

F: Wie lange werden Sie nun benötigen, um diese Dokumente zu bekommen?

A: Ein - bis eineinhalb Monate.

F: Warum haben Sie Indien verlassen und nicht versucht, anderswo in Indien zu leben?

A: Ich hatte keine Möglichkeit irgendwo unterzukommen.

F: Warum nicht?

A: Weil ich ein Sikh bin hätte man mich überall gefunden.

Vorhalt: Warum können Ihre Eltern irgendwo anders leben, Sie aber nicht?

A: Meine Eltern sind keine Anhänger des Gurus. Ich aber schon.

F: Das wüsste aber niemand außer Ihnen. Warum sollte man Sie deswegen außerhalb Ihres Dorfes verfolgen?

A: Wenn man jemanden in Indien finden will, dann findet man ihn.

F: Was befürchten Sie im Fall der Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Ich habe Angst, dass die Sikhs mich umbringen werden.

F: Kennen Sie die Leute, die Sie verfolgen?

A: Ja, sie sind aus meinem Dorf.

F: Wer ist das?

A: Es sind Sikhs aus unserem Dorf. Einen kenne ich namentlich, er heißt XXXX.

F: Hatten Sie jemals Probleme mit Behörden Ihres Heimatlandes?

A: Nein.

(...)."

Am Ende der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis 28.03.2018 identitätsbezeugende Dokumente und Bescheinigungsmittel bzw. Beweise für das Fluchtvorbringen beizuschaffen.

Weiters wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entscheidender zurückzuweisen, da seine Rückkehr nach Indien nicht glaubhaft sei. Überdies könne in den neu dargestellten Fluchtgründen keine Asylrelevanz erkannt werden. Dazu gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er versuchen werde, seine Eltern zu erreichen und Beweismittel zu beschaffen. An seinen persönlichen und familiären Verhältnissen seit Abschluss des Vorverfahrens habe sich nichts geändert.

8. Am 28.03.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, wobei er eingangs seiner Befragung seinen in Indien ausgestellten Führerschein vorlegte - diesen habe ihm seine Familie zukommen lassen. Nach Vorhalt, wonach es sich dabei um eine bloße Kopie handle, da offensichtlich sei, dass es ein Farbausdruck ohne originale Unterschrift sei, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass es das Original sei, welches er in Indien bekommen habe und verfüge er über keine sonstigen Beweise. Nachgefragt führte er weiters aus, dass der Führerschein wahrscheinlich im Juni 2017 ausgestellt worden sei.

Zu seinen Fluchtgründen habe er bereits alles erzählt und habe er in Indien nicht woanders hinziehen können, da es ihm dort zu gefährlich gewesen sei. Man hätte ihn finden können.

Zu den Lebensumständen im Bundesgebiet führte der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten habe und auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er habe bisher keinen Deutschkurs besucht und spreche auch kaum Deutsch. Auf die Frage, wie er sich nach dem rechtskräftig negativen Ausgang seines Verfahrens am 13.11.2011 bis ins Jahr 2016 im Bundesgebiet habe aufhalten können, führte er an, dass er sich mit einer Kopie der "weißen Karte", welche ihm im Jahr 2012 entzogen worden sei, ausgewiesen habe. Ansonsten habe er Zeitungen ausgeteilt und dabei ungefähr 300,- Euro monatlich verdient.

9. Laut einem im Akt befindlichen Untersuchungsberichtes des Bundeskriminalamtes vom 07.06.2018 handelt es sich bei dem in Vorlage gebrachten, am 27.02.2017 ausgestellten, auf den Namen des Beschwerdeführers lautenden indischen Führerschein um eine Totalfälschung.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde von der Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG abgesehen.

Begründend wurde hinsichtlich des Spruchpunktes I. ausgeführt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, liege somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich des Spruchpunktes II. wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Folgendes fest:

(...)

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

(...)

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

(...)

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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