TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/5 W146 2183519-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
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Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W146 2144605-1/5E

W146 2183519-1/5E

W146 2144598-1/6E

W146 2183521-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016, Zl. 1083846706-151161200/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017, Zl. 1075749300-150761152/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016, Zl. 1083846804-151161115/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017, Zl. 1075748804-150761101/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Der Zweit- und Viertbeschwerdeführer stellten am 29.06.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Der Erst- und der Drittbeschwerdeführer stellten am 23.08.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Am 29.11.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er zum Militär einberufen worden sei, aber er niemanden töten und auch nicht getötet werden wolle. Er sei bei einer Straßensperre geschlagen und beschimpft worden. Deshalb habe er Syrien verlassen. Bei einer Rückkehr würde er von der Regierung erst festgenommen und dann getötet werden.

Ebenso am 29.11.2016 wurde der Drittbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab der Drittbeschwerdeführer an, dass er einen Einberufungsbefehl zum Militär bekommen habe. Er habe diesen bis Juli 2014 aufschieben können. Syrien habe er verlassen, bevor der Aufschub im Juli 2014 abgelaufen sei. Er sei in der Nähe einer Demonstration, aber nicht als Teilnehmer, gewesen, trotzdem sei er 3 Stunden bei der Polizei gewesen und auch geschlagen worden. Bei einer Straßensperre sei er auch kontrolliert und geschlagen worden, weil der Drittbeschwerdeführer sein Militärbuch noch nicht abgeholt habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Erstbeschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.12.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität des Erstbeschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Nicht festgestellt habe werden können, dass der Erstbeschwerdeführer aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in seiner Heimat von staatlicher Seite verfolgt würde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016 wurde der Antrag des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Drittbeschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.12.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität des Drittbeschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Nicht festgestellt habe werden können, dass der Drittbeschwerdeführer aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in seiner Heimat von staatlicher Seite verfolgt würde.

Gegen die Spruchpunkte I. dieser beiden Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer im wehrfähigen Alter sei. Er habe ein Militärbuch, welches er auch im Zuge des Ermittlungsverfahrens dem BFA vorgelegt habe. Er habe einen Aufschub des Einberufungsbefehls erhalten. Vor Ablauf dieser Frist habe er gemeinsam mit zwei seiner Brüder seine Heimat verlassen. Der Erstbeschwerdeführer könne nicht einrücken, da er keine anderen, vor allem unschuldige, Menschen töten könne. Wäre er in Syrien verblieben, hätte er zum Militär müssen. In Syrien würden vor allem sunnitische Staatsbürger gesucht, um diese an die Front zu schicken.

Der Drittbeschwerdeführer führte in seiner Beschwerde aus, dass er im wehrfähigen Alter sei. Er sei am 24.09.2013 während der Fahrt mit einem Autobus angehalten und kontrolliert worden. Er sei vom bewaffneten Männern geschlagen worden, da er kein Militärbuch gehabt habe. Es sei ihm vorgeworfen worden, er wolle sich dem Militärdienst entziehen. Er sei unter Druck gesetzt worden, das Militärbuch zu beantragen, weil ihm gedroht worden sei, er werde ums Leben kommen, wenn er bei der nächsten Anhaltung kein Militärbuch vorzeigen könne. Demzufolge habe er am 26.09.2013 das Militärbuch beantragt, welches ihm zwei Tage später ausgestellt worden sei. Er habe einen Aufschub des Einberufungsbefehls erhalten, jedoch habe er vor Ablauf dieser Frist das Land verlassen, ansonsten hätte er einen Einberufungsbefehl erhalten. Dieses Militärbuch sei dem BFA während des Ermittlungsverfahrens vorgelegt worden.

Am 03.03.2017 wurde der Zweitbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er im Oktober 2013 bei einer Straßensperre angehalten und kontrolliert worden sei. Obwohl sein Wehrdienst aufgrund seines Studiums aufgeschoben gewesen sei, sei er aufgefordert worden sich bei der Militärbehörde zu melden und den Wehrdienst anzutreten. Er sei zu einer Polizeidienststelle gebracht worden. Seine Eltern seien dann mit seinem Militärdienstbuch gekommen und hätten dieses vorgelegt. Aufgrund der Eintragungen im Wehrdienstbuch sei ersichtlich gewesen, dass der Wehrdienst des Zweitbeschwerdeführers aufgeschoben worden sei und er sei freigelassen worden. Bei einer Rückkehr befürchte der Zweitbeschwerdeführer sofort hingerichtet zu werden. Er würde einem Militärgericht zugeführt werden und eine unmenschliche Strafe ausfassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017 wurde der Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Zweitbeschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.11.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität des Zweitbeschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Zum Zeitpunkt der Ausreise des Zweitbeschwerdeführers habe keine Rekrutierungsbeabsichtigung seitens des syrischen Militärs gegenüber seiner Person vorgelegen. Eine inzwischen vorliegende Einberufungsabsicht könne nicht ausgeschlossen werden. Es habe nicht festgestellt werden können, wonach der Zweitbeschwerdeführer durch seine Ausreise als politische Gegner für das syrische Regime gelten sollte. Eine anderweitige Gefährdung, welche einzig aufgrund personenbezogener Merkmale abziele, wie etwa aufgrund der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit, sei den gegenständlichen Verfahrenszusammenhängen nicht zu entnehmen. Sowohl in Syrien, wie auch in vielen anderen Ländern - so auch in Österreich - gelte die allgemeine Wehrpflicht. Es handle sich hierbei um einen Dienst, welchen der Staat seinen Bürgern abverlangen könne und eine Missachtung sei gesetzmäßig unter Strafe gestellt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017 wurde der Antrag des Viertbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Viertbeschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.11.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität des Viertbeschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Der Obsorgeberechtigte habe für den Viertbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe angegeben. Andere Gründe für das Verlassen des Heimatlandes hätten nicht festgestellt werden können. Der Viertbeschwerdeführer werde im Herkunftsstaat nicht aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer Rasse oder Religionsgemeinschaft verfolgt, zumal er keine individuellen Ausreisegründe vorgebracht habe.

Gegen die Spruchpunkte I. dieser beiden Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Zweit- und Viertbeschwerdeführer im wehrfähigen Alter seien und das syrische Regime gegenwärtig, wie die Länderberichte zeigen, dringend Personalnachschub benötigen würden. Außerdem würden die Beschwerdeführer jedenfalls nunmehr bei einer Rückkehr nach Syrien als Deserteure angesehen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Brüder, Staatsangehörige von Syrien sowie Angehörige der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis und führen die im Spruch genannten Namen.

Die Beschwerdeführer waren vor ihrer Ausreise in Damaskus wohnhaft, welches unter Kontrolle des syrischen Regimes steht.

Der Vater der Beschwerdeführer ist verstorben, die Mutter lebt in der Türkei.

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.

Erst-, Zweit und Drittbeschwerdeführer befinden sich aktuell im wehrfähigen Alter.

Ihnen droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, als Männer im wehrfähigen Alter erstmals zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und sie sind im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung oder der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben.

Zur hier relevanten Situation in Syrien

Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 3.3.2017). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 3.3.2017). Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2017)

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).

Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16-The State of the World's Human Rights-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/458913_de.html, Zugriff 22.12.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

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CHH - Chatham House (8.12.2017): Governing Rojava - Layers of Legitimacy in Syria,

https://www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-12-08-governing-rojava-khalaf.pdf, Zugriff 11.12.2017

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DS - The Daily Star (23.12.2017): Syria war winds down but tangled map belies conflict ahead,

https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2017/Dec-23/431317-syria-war-winds-down-but-tangled-map-belies-conflict-ahead.ashx, Zugriff 28.12.2017

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ES BFA - Eva Savelsberg: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017) in BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 12.12.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 22.12.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 17.1.2018

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France24 (17.4.2016): Assad's Party wins majority in Syrian election,

http://www.france13.4.201624.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentary-vote, Zugriff 17.8.2017

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Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria's Presidential Elections,

http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 17.8.2017

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ICC - International Crisis Group (4.5.2017): The PKK's Fateful Choice in Northern Syria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5351_1499082102_176-the-pkks-fateful-choice-in-northern-syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

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IRIN - Integrated Regional Information Networks (15.9.2017): The Kurdish struggle in northern Syria, http://www.irinnews.org/analysis/2017/09/15/kurdish-struggle-northern-syria, Zugriff 2.1.2018

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (10.8.2016a): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 1. Was sind die Ursachen des Konflikts in Syrien?, http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (16.8.2016b): Ankara sieht kurdischen Militärerfolg mit Sorge,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-kurden-traeumen-nach-eroberung-von-manbidsch-von-eigenem-staat-rojava-a-1107785.html, Zugriff 22.12.2017

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Der Standard (29.12.2017): Syrien: USA warnen Assad vor Offensive gegen Kurden,

https://derstandard.at/2000071227330/USA-warnen-Assad-vorOffensive-gegen-Kurden, Zugriff 3.1.2018

-

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 11.1.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 22.12.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 17.8.2017

Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017).

Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017).

Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; ausserdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).

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AA - Auswärtiges Amt (27.12.2017): Länderinformationen - Syrien:

Reisewarnung,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 27.12.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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