TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/9 99/11/0235

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Veröffentlicht am 09.11.1999
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art130 Abs1;
SHG NÖ 1974 §12 Abs4;
SHG NÖ 1974 §12;
SHG NÖ 1974 §37;
SHG NÖ 1974 §7 Abs2 litc;
SHG NÖ 1974 §7 Abs3;
SHV NÖ 1974;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der N M in G, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. März 1999, Zl. GS5-F-43.583/1-99, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist jugoslawische Staatsangehörige. Sie hält sich nach der Aktenlage seit 20. Jänner 1998 in Österreich auf. Nach negativer Erledigung ihres Asylantrages wurde ihre Ausweisung verfügt. Bis 31. Dezember 1998 war der Aufschub der Vollstreckung der Abschiebung bewilligt.

Über ihren Antrag vom 4. September 1998 erging im Instanzenzug der angefochtene Bescheid, mit dem ihr für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1998 Hilfe zum Lebensunterhalt im Betrag von S 13.378.- zuerkannt wurde; ihr in der Berufung gegen den Erstbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 9. Dezember 1998 formuliertes Mehrbegehren auf Zuerkennung von S 17.817,-- wurde abgewiesen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der der Beschwerdeführerin zuerkannte Betrag von S 13.378,-- setzt sich nach der Begründung des angefochtenen Bescheides aus je S 5.939,-- für die Monate Oktober und November 1998 sowie aus dem Betrag von S 1.500,-- für Dezember 1998 zusammen. Die Beschwerdeführerin bekämpft somit den Umstand, dass ihr für den Monat Dezember 1998 nicht auch der volle Richtsatz von S 5.939,-- nach der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung LGBl. 9200/1-26 zuerkannt wurde.

Die Kürzung des richtsatzgemäßen Betrages auf S 1.500,-- wird von der belangten Behörde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin zwar Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt habe, solange sie sich rechtmäßig in Österreich aufhalte, dass sie aber keinen Anspruch auf Gewährung der Hilfe in einem bestimmten Ausmaß gelten machen könne. Die in der zitierten Verordnung festgelegten Richtsätze dienten der Behörde lediglich "als Hilfsmittel zur Bemessung des Bedarfes"; die Behörde sei aber zur Prüfung verpflichtet, ob der ihr vorliegende Sachverhalt die Gewährung dieses "Durchschnittsbetrages" rechtfertige oder ob von diesem Betrag auf Grund der speziellen Situation durch Über- oder Unterschreitung abzuweichen sei. Die illegale Einreise nach Österreich über ein sicheres Drittland (ihr Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden) bewirke, dass sie für ihre derzeitige finanzielle Situation verantwortlich sei und die Voraussetzungen für eine Reduzierung des Richtsatzes vorlägen.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass die belangte Behörde nicht im Recht ist, wenn sie meint, die Beschwerdeführerin habe nur so lange Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, als sie sich erlaubterweise im Inland aufhält. Dies wäre nur dann entscheidend, wenn § 7 Abs. 2 lit. c NÖ SHG maßgeblich wäre; die Beschwerdeführerin fällt aber nicht unter diese Bestimmung. Nach dem auf die Beschwerdeführerin anzuwendenden § 7 Abs. 3 NÖ SHG ist dies nicht Anspruchsvoraussetzung.

Vorauszuschicken ist ferner, dass die belangte Behörde nicht im Recht ist, wenn sie zunächst die Auffassung vertritt, die in der auf § 12 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes LGBl. 9200 (NÖ SHG) gestützten Verordnung der Landesregierung normierten Richtsätze seien für die Behörden lediglich "Hilfsmittel" zur Bemessung der im Einzelfall zuzuerkennenden Hilfe, von denen nach freiem Ermessen abgegangen werden kann. Das Gesetz regelt vielmehr ausdrücklich die Voraussetzungen für ein solches Abgehen (so etwa im § 12 Abs. 4 in Ansehung von Überschreitungen sowie im § 37 - "Einschränkung der Sozialhilfe" - von Unterschreitungen). § 37 NÖ SHG lautet:

"Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Abschnittes II ist auf das unerlässliche Mindestmaß einzuschränken, wenn ein Hilfesuchender seine Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat oder trotz Belehrung und Ermahnung mit den eigenen oder ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht sparsam umgeht. Der Lebensunterhalt unterhaltsberechtigter Angehöriger darf jedoch hiedurch nicht beeinträchtigt werden."

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides scheint sich zu ergeben, dass die belangte Behörde in Wahrheit die zitierte Gesetzesbestimmung angewendet hat. Diese Anwendung ist aber insofern verfehlt, als die Einschränkung der Sozialhilfe erstmals für den Monat Dezember 1998 erfolgt ist, aber nach der Aktenlage keine Rede davon sein kann, dass die Beschwerdeführerin einen Einschränkungstatbestand im Sinne des § 37 NÖ SHG verwirklicht hätte, der eine Einschränkung mit Wirkung vom 1. Dezember erlaubt hätte.

Die Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Dezember 1998 ist inhaltlich rechtswidrig. Dies hat angesichts der Untrennbarkeit der den einzelnen Monaten zuzurechnenden Beträge in Folge des Zuspruches eines globalen Betrages für den gesamten Zeitraum zur Aufhebung des ganzen angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110235.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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