TE Vfgh Erkenntnis 2018/9/27 G149/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2018
beobachten
merken

Index

83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art11 Abs2, Art129 ff
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
AltlastensanierungsG §10 Abs2
AVG §68
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Antrags des Landesverwaltungsgerichts Tirol auf Aufhebung einer Bestimmung des AltlastensanierungsG betreffend die Möglichkeit der amtswegigen Aufhebung und Abänderung von Feststellungsbescheiden durch den zuständigen Bundesminister; Einräumung von Aufsichtsrechten auch nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zulässig

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol,

"§10 Abs2 AlSAG in der Fassung BGBl I Nr 58/2017, in eventu §10 Abs2 zweiter Satz AlSAG in der Fassung BGBl I Nr 58/2017, als verfassungswidrig aufzuheben."

II.      Rechtslage

Die §§10, 25a und 25b des Bundesgesetzes vom 7. Juni 1989 zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesetz, im Folgenden: AlSAG), BGBl 299/1989, idF BGBl I 97/2013 lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Feststellungsbescheid

§10. (1) Die Behörde (§21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Bundes, vertreten durch das Zollamt, durch Bescheid festzustellen,

1. ob eine Sache Abfall ist,

2. ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,

3. ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt,

4. welche Abfallkategorie gemäß §6 Abs1 vorliegt,

5. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß §6 Abs2 oder 3 nicht anzuwenden,

6. welche Deponie(unter)klasse gemäß §6 Abs4 vorliegt.

(2) Der Bescheid samt einer Kopie der Akten des Verwaltungsverfahrens ist unverzüglich an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu übermitteln. Unbeschadet des §68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51, kann ein Bescheid gemäß Abs1 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen.

(3) Verfahrensparteien gemäß §8 AVG sind der Beitragsschuldner und der durch das Zollamt vertretene Bund als Abgabengläubiger.

[…]

Beschwerde und Revision

§25a. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes gegen Bescheide der ihm untergeordneten Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes an Stelle eines anderen beschwerdeführenden staatlichen Organs oder einer anderen belangten Behörde jederzeit in das Verfahren eintreten.

Übermittlungspflichten

§25b. In den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes hat die belangte Behörde dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unverzüglich eine Ausfertigung der Beschwerde zu übermitteln. Nach Erlassung eines Erkenntnisses oder Beschlusses durch das Verwaltungsgericht hat das Verwaltungsgericht dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unverzüglich eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses zu übermitteln."

III.    Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1.    Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 stellte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz gemäß §10 Abs1 AlSAG fest, dass es sich bei – im Rahmen einer Kiesaufbereitung anfallenden – entwässerten Feinsanden (Waschschlämme) nicht um Abfälle iSd AbfallwirtschaftsG 2002 handle, dass durch die Vermischung dieser Feinsande mit anderem Bodenaushubmaterial Abfall entstehe und dass die Ablagerung dieses Gemisches in der auf einem bestimmten Schotterabbaugebiet zu errichtenden Bodenaushubdeponie nicht der Beitragspflicht nach dem AlSAG unterliege.

1.2.    Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hob diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Bescheid vom 8. September 2017 von Amts wegen, gestützt auf §10 Abs2 AlSAG, auf.

1.3.    Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens nach Art130 Abs1 Z1 B-VG Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

1.4.    Beim Landesverwaltungsgericht Tirol entstanden anlässlich der Behandlung dieser Beschwerde Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von §10 Abs2 AlSAG.

2.       Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, nach Darstellung der Rechtslage und ihrer Entwicklung wie folgt dar:

"Durch die B-VG Novelle BGBI I Nr 51/2012 wurde der administrative Instanzenzug, abgesehen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, abgeschafft. §10 Abs2 AISAG sieht demgegenüber ein Aufhebungs- bzw Abänderungsrecht der zuständigen Bundesministerin sowohl bei unrichtiger Feststellung des Sachverhalts, als auch falscher Beurteilung der Rechtslage vor.

Damit wird der zuständigen Bundesministerin die Möglichkeit einer umfassenden Kontrollmöglichkeit einzelner behördlicher Bescheide ermöglicht, obgleich die Kontrolle der Verwaltung nach der angeführten B-VG Novelle eigentlich durch die Verwaltungsgerichte erfolgen soll. Zumal gegen die Aufsichtsbescheide der Bundesministerin wiederum ein Rechtsmittel an die Verwaltungsgerichte möglich ist, verlängert sich in diesen Fällen das Verwaltungsverfahren, ohne dass damit ein Mehrwert einher geht: Zur Wahrung der in den Erläuterungen zur AISAG-Novelle BGBl I Nr 151/1998 angesprochenen gleichen Wettbewerbsbedingungen steht der Bundesministerin ohnedies das Amtsrevisionsrecht an den Verwaltungsgerichtshof offen.

Ungeachtet dessen ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol im vorliegenden Fall von einer von §68 AVG abweichenden Regelung auszugehen. Dies einerseits, da sich der Gesetzgeber in §10 Abs2 AISAG ausdrücklich auf diese Bestimmung beruft, andererseits weil durch die Ausübung des ministeriellen Aufsichtsrechts kein Instanzenzug eröffnet wird, wird dabei doch nicht über ein Rechtsmittel abgesprochen, sondern eben ein Aufsichtsrecht ausgeübt. Die Rechtmäßigkeit der Erlassung einer vom AVG abweichenden verfahrensrechtlichen Regelung ist daher nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol im Lichte des Art11 Abs2 B-VG zu beurteilen.

Art11 Abs2 B-VG betreffend das Verwaltungsverfahren bzw Art136 Abs2 B-VG betreffend das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte sieht eine Befugnis des Materiengesetzgebers zur Erlassung abweichender Regelungen vom AVG bzw VwGVG dann vor, wenn diese zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Abweichende Regelungen sind nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn dies durch 'besondere Umstände' erforderlich oder 'unerlässlich' ist (vgl dazu mit Judikaturhinweisen Mayer/Muzak, B-VG5, S 74 f).

Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht davon aus, dass die 'besonderen Umstände' bzw die Tatsache, dass die Regelung 'unerlässlich' ist, mit der Zeit wegfallen können. Selbst wenn eine verfahrensrechtliche Ausnahmeregelung daher zum Zeitpunkt ihrer Erlassung im Sinne der verfassungsrechtlichen Vorgaben rechtmäßig gewesen sein sollte, kann ihre Legitimation insbesondere durch eine nachfolgende Änderung der Rechtsordnung wegfallen.

Zur hier relevanten Fragestellung wurde durch die B-VG Novelle BGBl I Nr 51/2012 zusammen mit dem Wegfall des administrativen Instanzenzuges in Art132 Abs5 B-VG vorgesehen, dass durch Bundes- oder Landesgesetz ein Amtsbeschwerderecht des zuständigen Bundesministers in einer Angelegenheit nach Art10 B-VG vorgesehen werden kann. Der Bundesgesetzgeber hat davon auch in §25a Abs1 AISAG Gebrauch gemacht.

Die Bundesministerin kann daher ohnedies zu Folge des §25a Abs1 AISAG eine Amtsbeschwerde gegen den Bescheid einer Behörde an das jeweils zuständige Landesverwaltungsgericht und in weiterer Folge auch eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

Dabei kann sie einerseits die Aufhebung eines Feststellungsbescheides nach dem AISAG beantragen, andererseits dessen Abänderung. Durch das Beschwerderecht können somit alle allfälligen Fehler in der Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde durch das Rechtsmittel der Bundesministerin releviert werden. Durch das weiters vorgesehene Amtsrevisionsrecht werden sodann schlussendlich die in den Erläuterungen angesprochenen gleichen Wettbewerbsbedingungen in Österreich gewährleistet.

Das in §10 Abs2 AISAG vorgesehene besondere Aufhebungs- bzw Abänderungsrecht der Bundesministerin ist somit weder durch 'besondere Umstände' erforderlich, noch 'unerlässlich'. Aus diesem Grund widerspricht diese Regelung dem Art11 Abs2 B-VG."

3.       Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"3.1. §10 Abs2 des Altlastensanierungsgesetzes geht auf die Novelle BGBl I Nr 151/1998 zurück; die Änderungen im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003, können im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. §25a des Altlastensanierungsgesetzes wurde mit der Novelle BGBl I Nr 97/2013 eingefügt und trat mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

3.2. Das antragstellende Gericht scheint davon auszugehen, dass §10 Abs2 des Altlastensanierungsgesetzes seit dem 1. Jänner 2014 nicht mehr 'zur Regelung des Gegenstandes erforderlich' (im Sinn des Art11 Abs2 zweiter Halbsatz B-VG) sei.

Dabei übersieht es jedoch, dass gemäß §68 Abs6 AVG '[d]ie der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens [...] unberührt [bleiben]'. In den Gesetzesmaterialien (AB 360 BIgNR II. GP, 21) heißt es dazu: 'Die Festsetzung von Abänderungs- und Behebungsrechten außerhalb eines Berufungsverfahrens, die über den in den Absätzen 2 bis 4 gegebenen Rahmen hinausgehen, ist nicht Sache allgemeiner Verfahrensnormen und noch weniger ein Gegenstand eines durch Praxis und Judikatur geschaffenen Juristenrechtes, sondern bleibt den einzelnen Verwaltungsvorschriften vorbehalten.'

Mit §68 Abs6 AVG wird nicht nur klargestellt, dass die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestehenden diesbezüglichen Regelungen in den Verwaltungsvorschriften aufrecht bleiben sollten. Darüber hinaus kommt in dieser Regelung — nach einhelliger Auffassung von Lehre und Judikatur — zum Ausdruck, dass §68 AVG jene Fälle, in denen Bescheide von Amts wegen geändert oder aufgehoben werden können, gerade nicht abschließend regelt. Im Erkenntnis VfSlg 17.232/2004 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, 'dass §68 AVG nicht etwa eine abschließende Regelung der materiellen Rechtskraft von Bescheiden trifft'; vielmehr stelle §68 Abs6 AVG es 'dem Materiengesetzgeber frei[], weitere Durchbrechungen dieser Rechtskraft vorzusehen'.

Verwaltungsvorschriften, die zu einer Änderung oder Aufhebung von Bescheiden ermächtigen, stellen daher keine Abweichung von §68 AVG dar und sind dementsprechend auch nicht am Maßstab des Art11 Abs2 zweiter Halbsatz B-VG zu messen (vgl Hengstschläger/Leeb, §68 AVG [2018], Rz 135, sowie das schon genannte Erkenntnis VfSlg 17.232/2004, jeweils mwN).

Dass §68 Abs6 AVG 'ausdrücklich Raum für eine Regelung wie §10 Abs2 ALSAG lässt', wurde im Übrigen auch schon vom Verfassungsgerichtshof festgestellt (vgl die Beschlüsse vom 10. Oktober 2001, B727/00-12, und vom 26. November 2001, B748/99-14).

4. Die Ausführungen des antragstellenden Gerichtes sind somit nach Auffassung der Bundesregierung nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung darzutun."

IV.      Erwägungen

Der – zulässige – Antrag ist nicht begründet:

1.       Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.       Das Landesverwaltungsgericht Tirol macht zunächst das Bedenken geltend, dass §10 Abs2 AlSAG dem zuständigen Bundesminister eine "umfassende Kontrollmöglichkeit" der erfassten Bescheide erschließe. Dies stünde in Widerspruch zum Rechtsschutzsystem des B-VG, das die Kontrolle von Bescheiden den Verwaltungsgerichten vorbehalte. Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012, habe administrative Instanzenzüge, von Ausnahmen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden abgesehen, abgeschafft. §10 Abs2 AlSAG sehe demgegenüber ein Aufhebungs- und Abänderungsrecht des zuständigen Bundesministers sowohl bei unrichtiger Feststellung des Sachverhalts als auch bei falscher Beurteilung der Rechtslage vor.

Es trifft zu, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 die administrativen Instanzenzüge – grundsätzlich – beseitigt hat (vgl VfSlg 19.905/2014). Die einfachgesetzliche Einräumung eines administrativen Rechtsmittelzugs gegen verwaltungsbehördliche Bescheide vor der Möglichkeit zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht wäre daher – abgesehen von der in Art118 Abs4 (Art132 Abs6) B-VG vorgesehenen Ausnahme – verfassungswidrig. §10 Abs2 AlSAG begründet jedoch keinen administrativen Instanzenzug in diesem Sinn, sondern ein neben dem Rechtsmittelzug bestehendes, amtswegig auszuübendes Aufsichtsrecht. Solche Aufsichtsrechte sind auch nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 noch zulässig und verstoßen nicht gegen das in den Art129 ff. B-VG grundgelegte Rechtsschutzsystem (vgl Faber, Administrative Rechtsmittel und Rechtsbehelfe unterhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, 299 [306 f.]). Art132 Abs5 B-VG, der die Möglichkeit zur Einräumung von Amtsbeschwerdeberechtigungen vorsieht, hat den einfachen Gesetzgeber weder verpflichtet, aufsichtsbehördliche Befugnisse zur Überprüfung von Bescheiden in Amtsbeschwerdebefugnisse an die Verwaltungsgerichte umzuwandeln, noch schließt er ein Nebeneinander solcher Möglichkeiten aus.

3.       Das Landesverwaltungsgericht macht weiters – auf das Wesentliche zusammengefasst – geltend, dass die amtswegige Aufhebungs- und Abänderungsbefugnis des §10 Abs2 AlSAG als von §68 AVG abweichende Regelung in Widerspruch zu Art11 Abs2 B-VG stehe, da sie jedenfalls seit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und der mit §25a Abs1 AlSAG eingeräumten Amtsbeschwerdebefugnis des zuständigen Bundesministers an das Landesverwaltungsgericht nicht mehr "unerlässlich" im Sinne von Art11 Abs2 B-VG sei.

Diesem Bedenken ist entgegenzuhalten, dass es §68 Abs6 AVG dem Materiengesetzgeber freistellt, weitere Durchbrechungen der Rechtskraft vorzusehen (VfSlg 13.855/1994, 17.232/2004). Mangels abschließender Regelung in §68 AVG muss sich daher §10 Abs2 zweiter Satz AlSAG nicht an Art11 Abs2 B-VG messen lassen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Lfg., 2018, §68 AVG, Rz 135; Öhlinger, "Rechtskraft" – Die verfassungsrechtliche Dimension, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Rechtskraft im Verwaltungs- und Abgabenverfahren, 2008, 27 [40 f.]).

4.       Soweit das Vorbringen auch auf Art136 Abs2 B-VG bezogen zu verstehen ist, genügt es darauf hinzuweisen, dass §10 Abs2 AlSAG keine Sondervorschriften zum Verfahren der Verwaltungsgerichte enthält.

V.       Ergebnis

1.       Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs2 AlSAG erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Altlastensanierung, Abänderung und Behebung von amtswegen, Feststellungsbescheid, Aufsichtsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G149.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten