TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/9 99/11/0202

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Veröffentlicht am 09.11.1999
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

BBetrG 1991 §1 Abs2;
BBetrG 1991 §1 Abs3;
SHG NÖ 1974 §2 Abs1;
SHG NÖ 1974 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des J S in H, vertreten durch Dr. Martin Neid, Rechtsanwalt in 2120 Wolkersdorf, Bachgasse 15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. März 1999, Zl. GS5-F-41.255/3-99, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nach der Aktenlage liberianischer Staatsangehöriger. Er befindet sich seit 14. März 1995 in Österreich. Sein Antrag auf Gewährung von Asyl wurde rechtskräftig abgewiesen (Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. November 1998). Sein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Liberia war im Instanzenzug abgewiesen worden (Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. Mai 1995 - dieser Bescheid vom 8. Mai 1995 wurde in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 95/21/1104, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben). Es wurde ihm jedoch mit Bescheiden der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Mödling, der Aufschub der Vollstreckung der Abschiebung auf Grund der mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. März 1995 verfügten Ausweisung bewilligt (der Aktenlage nach zuletzt mit Bescheid vom 30. Juni 1998 bis 30. Juni 1999).

Seit 17. Oktober 1995 erhielt der Beschwerdeführer auf Grund von Bescheiden der Erstbehörde Hilfe zum Lebensbedarf nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz (NÖ SHG) LGBl. 9200 in Verbindung mit der Verordnung LGBl. 9200/1; diese betrug zuletzt monatlich S 5.939,--.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Hilfe zum Lebensunterhalt mit 1. Oktober 1998 gemäß § 2 NÖ SHG eingestellt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass ein beim Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) anhängig gewesenes, mit 29. Mai 1998 eingestelltes, Berufungsverfahren fortgesetzt werde. Durch die Abtretung dieses Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof an den UBAS sei das Asylverfahren wieder in das Stadium des ordentlichen Verfahrens zurückgetreten. Damit sei wiederum der Bund nach dem Bundesbetreuungsgesetz zur Beschaffung des Lebensbedarfes des Beschwerdeführers zuständig geworden. Nach § 2 NÖ SHG sei Sozialhilfe nur zu gewähren, wenn die Hilfe nicht von anderer Seite geleistet wird.

Diese Begründung ist in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Unzutreffend sind die Ausführungen über die Anhängigkeit des Asylverfahrens beim UBAS nach "Abtretung" durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieses Verfahren war vom UBAS gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 eingestellt worden, weil eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen sei; es wurde auf Grund eines Antrages des Beschwerdeführers vom 13. Oktober 1998 nach § 30 Abs. 2 AsylG wieder fortgesetzt.

Entscheidend ist aber, dass die belangte Behörde den Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe, wie er in § 2 Abs. 1 NÖ SHG verankert ist ("Sozialhilfe ist, wenn nicht anderes bestimmt ist, nur zu gewähren, soweit die Hilfe nicht von anderer Seite geleistet wird."), unrichtig ausgelegt hat. Das Gesetz stellt ausdrücklich darauf ab, ob die in Rede stehende Hilfe von anderer Seite als dem Sozialhilfeträger tatsächlich geleistet wird. Die bloße Möglichkeit, dass die Hilfe von anderer Seite geleistet wird, schließt einen Anspruch von Gewährung von Sozialhilfe demnach nicht aus. Der Beschwerdeführer bestreitet, jemals Mittel aus der Bundesbetreuung nach § 1 Abs. 3 des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. Nr. 405/1991 erhalten zu haben, worauf im Übrigen auch kein Rechtsanspruch besteht. Dazu kommt, dass in § 1 Abs. 2 leg. cit. normiert ist, dass die Möglichkeit, Leistungen auf Grund dieses Bundesgesetzes zu erhalten, Ansprüche auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt lässt. Lediglich der tatsächliche Bezug von Hilfe im Rahmen der Bundesbetreuung kann auf Ansprüche auf Gewährung von Hilfe zum Lebensbedarf nach dem NÖ SHG von Einfluss sein.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die belangte Behörde wird im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben, welche Bedeutung den inzwischen ergangenen Entscheidungen des UBAS vom 4. November 1998 und des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. April 1999 im gegebenen Zusammenhang zukommt.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG in Folge der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entrichtet werden musste.

Wien, am 9. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110202.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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