Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §201Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der E OHG in D, vertreten durch die BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wallnerstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Dezember 2015, Zl. RV/2100900/2011, betreffend Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für 2006 bis 2013, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei entwickelt in ihrem inländischen Betrieb keramische Bauteile, darunter auch solche für Kraftfahrzeugmotoren. Für die Forschung an und die Entwicklung der keramischen Bauelemente wurden seit dem Jahr 2003 jährlich Forschungsprämien geltend gemacht.
2 Nachdem bereits die Jahre 2003 bis 2005 Gegenstand einer abgabenbehördlichen Prüfung waren, fand im Jahr 2010 eine neuerliche Prüfung u.a. der Forschungsprämien der Jahre 2006 bis 2009 statt. Neben anderen strittigen Punkten war insbesondere die Geltendmachung der durch den Ausschuss verursachten Kosten (so genannter „Ausfallswert“) strittig.
3 Unter Pkt. 2 b der Niederschrift vom 17. November 2010 wird dazu ausgeführt, die Produktion der Revisionswerberin gliedere sich in zwei Bereiche „A“ (Kraftfahrzeugbereich) und „C“ (Nichtkraftfahrzeugbereich). Die gefertigten Bauelemente stellten Kleinteile dar, die in sehr großer Zahl produziert würden. Die Unternehmensvertreter hätten in Besprechungen ausgeführt, dass es diese Art der Massenproduktion nicht zulasse, bereits im Vorfeld der Produktion die Produkte und Produktionsverfahren ausreichend zu testen, um in der Produktion die gewünschte Qualität zu erzielen. Es sei zwar möglich, im Vorfeld die Qualität der in Kleinserien gefertigten Produkte zu prüfen, nicht jedoch die Problematiken, welche in der Großserienproduktion auftreten könnten. Dies habe eine höhere Ausfallsquote in der Großserie zur Folge. Aus diesem Grund lasse man im Unternehmen nach Aufnahme der Produktion die Herstellungskosten eines bestimmten Prozentsatzes der fehlerhaften Produkte als Bemessungsgrundlage („Ausfallswert“) in den Forschungsaufwand einfließen.
4 Diese „Ausfallsermittlung“ werde für die in einem Wirtschaftsjahr jeweils neu eingeführten Produkte in zwei Kreisläufen durchgeführt. In einem ersten Kreislauf würde abhängig vom Produktionsbereich und dem Einführungsdatum des neuen Produktes ein bestimmter Prozentsatz der fehlerhaften Produkte als Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie herangezogen (Ausfallswert zu variablen Herstellungskosten und Fixkostenzuschlag). Für den A-Bereich betrage dieser Prozentsatz im ersten Jahr 100%, im zweiten Jahr 75% und im dritten Jahr 50%. Für den C-Bereich liege der Prozentsatz im ersten Jahr gleichfalls bei 100%, im zweiten Jahr bei 25%. Durch diesen ersten Kreislauf werde daher in den ersten Jahren der Produktion ein fixer Prozentsatz der fehlerhaft produzierten Teile als Forschungsaufwand erfasst. In einem zweiten Kreislauf würden die durch Kunden als defekt reklamierten Teile erfasst. Die Prozentsätze entsprächen dabei jenen des ersten Kreislaufes. Die Vertreter der Revisionswerberin begründeten diese Vorgangsweise damit, dass in den ersten Jahren der Serienproduktion keine „wirtschaftliche Verwertbarkeit“, keine „Produktionsreife“ und kein „kommerzieller Betrieb“ iSd VO BGBl. II Nr. 506/2002 vorliege. Diese seien erst dann gegeben, wenn ein bestimmter Ausfallswert nicht überschritten werde, der eine wirtschaftliche Produktion erlauben würde. Die Produkte stellten in diesem Stadium „Prototypen“ und die Produktionsanlagen „Pilotanlagen“ iSd angeführten VO dar, weil noch laufend Anpassungen vorgenommen würden.
5 Die Prüfer teilten diese Ansicht nicht. Aus einer vorgelegten Tabelle für das Jahr 2007 ergebe sich beispielsweise, dass im A-Bereich von Waren im Gesamtwert von 116,849.332 € bereits Waren im Wert von 89,065.546 € (somit 76%) hätten verkauft werden können. Dennoch seien ein Ausfallswert von rund 23,000.000 € und retournierte Ware im Wert von 460.277 € pauschal in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie miteinbezogen worden. Vor dem Hintergrund dieser Verkaufszahlen überzeuge der Einwand des steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin nicht, wonach eine vernünftige wirtschaftliche Verwertbarkeit erst vorliege, wenn alle vom Kunden geforderten Qualitätsstandards gewährleistet seien. Hauptzweck der weiteren Verbesserungen stelle, was auch der steuerliche Vertreter einräume, die bessere kommerzielle Verwertbarkeit der einzelnen Produktionsserien dar. Eine solche Tätigkeit falle nicht unter den Begriff der Forschung und experimentellen Entwicklung iSd Frascati Manuals und der darauf basierenden VO BGBl. II Nr. 506/2002. Aus diesem Grund stünden die auf die „Ausfallswerte“ entfallenden Forschungsprämien in Höhe von 1,739.877,23 € (2006), 2,171.710,18 € (2007), 1,104.510,20 € (2008) und 318.614,34 € (2009) nicht zu.
6 Weiters habe die Revisionswerberin zu Unrecht die Kosten der Umschulung ihres Personals in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie miteinbezogen.
7 Das Finanzamt schloss sich der Ansicht der Prüfer an und erließ Bescheide, mit denen Forschungsprämien in Höhe von 3,143.004,46 € (2006), 3,384.674,67 € (2007), 3,510.698,37 € (2008) und 2,458.034,03 € (2009) festgesetzt wurden. Die Festsetzungsbescheide ergingen unter Verwendung des Vordrucks „E 208“, wobei jeweils das Kästchen „Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung folgender Prämie“ angekreuzt und zur Begründung auf die Niederschrift anlässlich der Schlussbesprechung vom 17. November 2010 verwiesen wurde.
8 Die Revisionswerberin erhob Berufung gegen die genannten Bescheide und beantragte, die Forschungsprämien in der geltend gemachten Höhe zuzuerkennen. Der Weg zur grundsätzlichen Beherrschbarkeit des Prozesses im A-Bereich dauere im Schnitt drei Jahre. Bei anderen Produkten (C-Bereich) dauere die Entwicklung der Prozesse im Schnitt nur zwei Jahre. Der Ausschuss stelle einen wichtigen Hinweis darauf dar, dass der Fertigungsprozess noch nicht beherrscht werde. Die Revisionswerberin nehme bei der Herstellung der Keramikteile eine weltweite Vorreiterrolle ein, sodass man auf keine Branchenerfahrungen habe zurückgreifen können. Die Rezepturen für das Material hätten mehrmals grundlegend geändert werden müssen. Auch die Maschinen zur Bearbeitung seien erst während der Steigerung der Stückzahlen bei der Produktion entwickelt und in Auftrag gegeben worden. Im Zuge der Entwicklung des Herstellungsprozesses und der wesentlichen Veränderungen am Produkt selbst sei es in den Wirtschaftsjahren 2006 bis 2008 zu sehr hohen Ausfallsraten der produzierten Teile gekommen.
9 Der Prüfer replizierte, dass zusätzlich zu den „Ausfallswerten“ ohnedies sämtliche Aufwendungen für die Verbesserungen an den Produkten und dem laufenden Produktionsprozess über deren Verbuchung auf Forschungskostenstellen in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie einbezogen worden seien. Die von der Revisionswerberin geltend gemachten „Ausfallswerte“ seien nicht als Forschungsaufwendungen anerkannt worden, weil die Ausfälle fehlerhafte Produkte nach Beginn der Serienproduktion betreffen, welche nicht mehr der steuerlich begünstigten Versuchsphase zuzurechnen seien.
10 Auch für die Jahre 2010, 2011 und 2012 machte die Revisionswerberin Forschungsprämien geltend, wobei sie darauf hinwies, dass wegen des offenen Rechtsmittelverfahrens für die Vorjahre die Kosten für die Ausfallswerte sowie die Schulungskosten wiederum in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen worden seien.
11 Das Finanzamt erließ Festsetzungsbescheide für die Jahre 2010 bis 2012, wobei es die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie den Prüfungsfeststellungen entsprechend um die Kosten der Ausfallswerte sowie die Schulungskosten verminderte.
12 Auch gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin Berufung mit der Begründung, dass von einem „fertigen Produkt“ bzw. von einer Produktionsreife im „A-Bereich“ erst nach drei Jahren und im „C-Bereich“ nach zwei Jahren auszugehen sei.
13 Im Gefolge einer Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie insoweit weiter zu kürzen sei, als auch „reine Forscher“ nicht forschungsbegünstigte Schnittstellentätigkeiten ausüben würden. Zur Erlassung geänderter Festsetzungsbescheide führte diese Feststellung nicht, weil die Berufung (nunmehr Beschwerde) betreffend die Festsetzung der Forschungsprämie für die Jahre 2010 bis 2012 bereits dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden war.
14 In einem ergänzenden Schreiben wandte sich die Revisionswerberin zum einen mit näherer Begründung gegen die Ansicht der Prüfer zum Vorliegen einer mit 5% zu schätzenden, nicht begünstigten „Schnittstellentätigkeit“ der in der Forschung und Entwicklung (im Folgenden kurz F&E) eingesetzten Beschäftigten.
15 Zum anderen machte die Revisionswerberin nunmehr auch die mangelhafte Gestaltung der Festsetzungsbescheide hinsichtlich der Forschungsprämie der Jahre 2006 bis 2009 zum Gegenstand ihrer Berufung. Die Forschungsprämien dieser Jahre seien zunächst vom Finanzamt in der geltend gemachten Höhe ausbezahlt worden. Nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO seien die Regelungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sinngemäß anzuwenden. Die streitgegenständlichen Bescheide enthielten keine ausführliche Begründung iSd Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts könne die Begründung der Wiederaufnahme im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden. Die Festsetzungsbescheide verwiesen auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung, aus der jedoch nicht hervorgehe, weshalb beim konkreten Sachverhalt Gründe vorlägen, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen würden.
16 In einer weiteren Eingabe wurde die Kritik an den Festsetzungsbescheiden 2006 bis 2009 um das Vorbringen erweitert, dass ein eigener selbständig ausstellbarer Wiederaufnahmebescheid in dem Verfahren zur erstmaligen Festsetzung der Forschungsprämie nicht vorgesehen sei und aus diesem Grund in den Bescheidformularen zu Unrecht das Kästchen betreffend die „Wiederaufnahme“ angekreuzt worden sei. Richtigerweise hätte die Festsetzung unter Berufung auf § 201 Abs. 2 Z 3 BAO erfolgen müssen. Die angefochtenen Bescheide ließen nicht erkennen, auf welchen Rechtsgrund sie sich stützen würden. Der einzige Hinweis auf § 303 Abs. 4 BAO sei unzutreffend. Ein Hinweis auf § 201 BAO fehle völlig. Die Erlassung der nunmehr angefochtenen Festsetzungsbescheide sei nicht innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe der selbstberechneten Beträge erfolgt, weshalb die Abgabenfestsetzung nicht auf § 201 Abs. 2 Z 1 BAO gestützt werden könne. Die sinngemäße Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO setze voraus, dass das Finanzamt den Sachverhalt eindeutig beschreibe, auf den es die Wiederaufnahme gründe. Das Bundesfinanzgericht sei nicht berechtigt, die Akten zu durchforsten, um zu ergründen, ob irgendein Wiederaufnahmegrund gegeben sei und könne nicht andere Wiederaufnahmegründe heranziehen als das Finanzamt angenommen habe. Die angefochtenen Bescheide seien daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.
17 Mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 setzte das Finanzamt die Forschungsprämie für das Wirtschaftsjahr 2012/2013 insoweit gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 abweichend von der eingereichten Erklärung fest, als die so genannten Ausfallswerte und 5% des Personalaufwands nicht in die Kostenbasis zur Berechnung der Forschungsprämie einbezogen wurden.
18 Auch dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde.
19 In der mündlichen Beschwerdeverhandlung betonte der Vertreter des Finanzamtes, dass alle Aufwendungen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Produkte und des Produktionsverfahrens in den ersten zwei bzw. drei Jahren der Produktion ohnehin als Forschungsaufwand der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämien hinzugerechnet worden seien. Strittig sei lediglich, ob die „Ausfallswerte“ zusätzlich geltend gemacht werden könnten. Der Vertreter der Revisionswerberin bestätigte diese Ausführungen, betonte aber, dass auch die Produktion der fehlerhaften Produkte und damit der „Anfall der Ausschusswerte“ für die Weiterentwicklung der Produkte wesentlich seien.
20 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Festsetzung der Forschungsprämie für die Jahre 2006 bis 2009 als unbegründet ab. Die Bescheide betreffend die Forschungsprämie für die Jahre 2010 bis 2013 wurden abgeändert.
21 Das Finanzamt habe die Bescheide vom 3. August 2011 betreffend die Festsetzung der Forschungsprämie für die Jahre 2006 bis 2009 mit einem Verweis auf die Niederschrift über die am 17. November 2010 abgehaltene Schlussbesprechung begründet. Dass ein derartiger Verweis zulässig sei, entspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme des Verfahrens (Hinweis auf VwGH 29.1.2015, 2012/15/0030). In der besagten Niederschrift werde unter dem Punkt „Ausfallswerte neuer Produkte“ der Inhalt von Besprechungen mit den steuerlichen Vertretern und Unternehmensvertretern wiedergegeben und die „Ausfallswertermittlung“ erläutert. Dabei handle es sich um neu hervorgekommene Tatsachen, weil weder aus den Erklärungen zur Geltendmachung der Forschungsprämie noch aus den Beilagen zu diesen Erklärungen der Jahre 2006 bis 2009 ersichtlich sei, wie die „Ausfallswerte“ ermittelt worden seien. Auch der Hinweis „Berechnung wie BP“ in den Beilagen hätte dem Finanzamt keine Kenntnis darüber erbringen können, denn im Vorbericht werde lediglich ausgeführt: „Im [A-Bereich] wurden bisher 100% der Entwicklungskosten des vorangegangenen Jahres der Forschung und Entwicklung zugeordnet. Hievon sind jedoch 25% auszuscheiden, da es sich um Nachbetreuungs- und Fehlerbehebungsaufwendungen handelt, die nicht unter Forschung und Entwicklung fallen. Dadurch ergeben sich folgende Kürzungen [...]“.
22 Das von der Revisionswerberin mit Schreiben vom 18. November 2015 erstmals erstattete Vorbringen, die Ermittlung der Höhe der „Ausfallswerte“ sei während der Außenprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 eingehend besprochen worden, sei anhand der von der Revisionswerberin vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Dem Finanzamt sei nicht bekannt gewesen, wie die „Ausfallswerte“ ermittelt worden seien und wann diese angefallen seien (nämlich erst, nachdem bereits mit der Serien- bzw. Massenproduktion begonnen worden sei). Diese Feststellungen des Prüfers seien aber entscheidend dafür, dass das Finanzamt die „Ausfallswerte“ nicht mehr den prämienbegünstigten Aufwendungen für F&E, sondern den Aufwendungen für die Serienproduktion zugerechnet und die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie der Jahre 2006 bis 2009 entsprechend vermindert habe.
23 Die Voraussetzungen der Wiederaufnahme seien somit im Zeitpunkt der gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO durch das Finanzamt erlassenen Bescheide gegeben. Dass die Festsetzung der Forschungsprämien gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO erfolgt sei, sei nicht nur für das Bundesfinanzgericht, sondern offenbar auch für die Revisionswerberin klar erkennbar gewesen, wie aus ihren (im Einzelnen angeführten) Eingaben im Rechtsmittelverfahren hervorgehe. Die Unterlassung der Anführung von Gesetzesbestimmungen im Spruch eines Abgabenbescheides stelle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehe, welche gesetzlichen Vorschriften die Grundlagen des Bescheides gebildet haben. Trotz Ankreuzens des falschen Kästchens („Wiederaufnahme des Verfahrens“) könne kein Zweifel am gewollten Bescheidinhalt bestehen.
24 Zur Sache selbst führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, es gelte der Grundsatz, dass F&E in Tätigkeiten bestehe, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens sei. Dies gelte insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Bei einem verkauften Produktionswert von rund 70% bis 75% der gesamten Produktion könne nicht mehr davon gesprochen werden, es liege noch keine kommerzielle Verwertbarkeit der Produktion vor. Zu beachten sei auch, dass in dem Zeitraum, in dem die strittigen „Ausfallswerte“ angefallen seien, die Serienproduktion der neu entwickelten Bauteile bereits begonnen habe. Laut der VO BGBl. II Nr. 506/2002 bzw. der VO BGBl. II Nr. 515/2012 liege ab dem Start der Serienproduktion zumindest Versuchsproduktion (Probefertigung, Probebetrieb) vor. Diese sei grundsätzlich nicht mehr der F&E zuzurechnen.
25 Zutreffend sei, dass es während der Versuchsproduktion typischerweise noch zu weiteren Produkt- und Verfahrensmodifikationen komme und glaubhaft sei, dass viele technische Probleme erst mit dem Beginn der Massenproduktion auftreten und behoben werden müssten. Diese bedeute jedoch nicht, dass die in den ersten Jahren der Serienproduktion anfallenden Aufwendungen zur Gänze der F&E zuzurechnen seien. Als unstrittig habe sich in der mündlichen Verhandlung der Umstand herausgestellt, dass die in den ersten Jahren der Produktion im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Produkte und Produktionsverfahren angefallenen Aufwendungen ohnedies als prämienbegünstigte Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie Eingang gefunden hätten. Strittig sei nur die Behandlung der so genannten „Ausfallswerte“. Da es sich beim industriellen Engineering und Umrüsten von Anlagen für den Produktionsprozess um jene Phase handle, die dem Start der Serienproduktion vorgelagert sei, könne aus der durch die VO BGBl. II Nr. 515/2012 erfolgten Ergänzung („Entwicklung zum Up-Scaling von Labor- und Versuchsanordnungen für die Produktion oder die Fertigungsüberleitung“) für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts gewonnen werden. Die „Ausfallswerte“ seien bereits der Vertriebstätigkeit und damit nicht mehr der F&E zuzurechnen. Aus demselben Grund seien auch die „Schulungskosten“ der Mitarbeiter (Umschulung des Personals auf neue Techniken und deren Einweisung in den Betrieb neuer Maschinen) nicht prämienbegünstigt.
26 Hingegen seien die Personalaufwendungen für jene Personen, die laut Kostenstellenrechnung zu 100% der Forschung zugeteilt seien, nicht um einen Anteil „Schnittstellentätigkeiten“ zu kürzen. Auf Grund der detaillierten Projektbeschreibungen für die Forschungsaktivitäten sowie auf Grund der Erfassung und Zuordnung der Aufwendungen in einem nachvollziehbaren Kostenrechnungssystem sei der Ansatz von 100% begründet.
27 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei hinsichtlich der Festsetzung der Forschungsprämie für die Jahre 2006 bis 2009 zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob bei der Festsetzung einer Abgabe gemäß § 201 BAO jene Sachverhaltselemente zu benennen und den sechs Fallgruppen des § 201 Abs. 2 und 3 BAO zuzuordnen seien, die die Festsetzung der Abgabe rechtfertigen (Hinweis auf die zu den Zlen. Ro 2015/15/0029 und Ro 2015/15/0030 anhängigen Verfahren). Hingegen sei für die Jahre 2010 bis 2013 eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil sich in diesen Jahren lediglich für den Einzelfall relevante Fragen der Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 und den dazu ergangenen Verordnungen stellten.
28 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin sowohl Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch ordentliche und außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, es stelle eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, ob die Kosten für den „Ausschuss“, welche im Rahmen der Weiterentwicklung des Produktionsverfahrens und des Produkts anfallen, als Kosten für fehlgeschlagene Forschung und experimentelle Entwicklung sowie als Kosten für die Veränderungen in der Produktions- und Qualitätskontrolle im Rahmen des Industriellen Engineering sowie als Aufwendungen für die Erarbeitung von „neuen Anwendungen dieses Wissens“ iSd früheren § 4 Abs. 4 Z 4, nunmehr § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, zu qualifizieren seien und deshalb in die Basis für die Berechnung der Forschungsprämie einbezogen werden dürfen. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.
29 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
30 Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
31 Bescheidgestaltung:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. Oktober 2016, Ra 2014/15/0058, ausgeführt hat, hat die Festsetzung der Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988 nach der Bestimmung des § 201 BAO zu erfolgen. Die Festsetzung kann demnach dann, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung iSd Abs. 1 der Bestimmung als „nicht richtig“ erweist, gemäß Abs. 2 Z 3 erfolgen, „wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden“. Die Vorschrift hat insoweit den Zweck, einen „Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage“ herbeizuführen (vgl. schon VwGH 30.1.2014, 2011/15/0156).
32 Gemäß § 279 Abs. 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen VwGH 29.1.2015, 2012/15/0030).
33 Das Bundesfinanzgericht hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von einem vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. VwGH 17.4.2008, 2007/15/0062). Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035).
34 In sinngemäßer Anwendung dieser Rechtsprechung zur Wiederaufnahme des Verfahrens ist im Revisionsfall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO somit entscheidend, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts in seinem Bescheid dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (vgl. VwGH 19.10.2016, Ra 2014/15/0058).
35 In den Festsetzungsbescheiden der Jahre 2006 bis 2009 wird zur Begründung auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 17. November 2010 verwiesen. Dass ein solcher Verweis grundsätzlich zulässig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nochmals VwGH 29.1.2015, 2012/15/0030).
36 Das Bundesfinanzgericht ist im Revisionsfall davon ausgegangen, dass mit dem Verweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung jener Tatsachenkomplex hinreichend zur Darstellung gebracht wird, den das Finanzamt als im Zuge der Außenprüfung neu hervorgekommen angesehen und der Festsetzung der Forschungsprämie zu Grunde gelegt hat.
37 Die Revisionswerberin bekämpft zwar diese Beurteilung, legt aber nicht dar, dass das Finanzamt bereits aufgrund ihrer Erklärungen zur Selbstberechnung der Forschungsprämie hätte erkennen können, dass darin auch die Herstellungskosten von Waren erfasst waren, die sich nach Aufnahme der Serienproduktion als mangelhaft erwiesen haben und von der Revisionswerberin aussortiert oder von den Kunden reklamiert worden waren. Die Revision stellt auch nicht in Abrede, dass der Verweis auf eine „BP“ selbst unter Heranziehung des über die Jahre 2003 bis 2005 erstellten Betriebsprüfungsberichts den diesbezüglichen Sachverhalt nicht erhellt. Auf das mögliche Wissen eines früheren Prüfers kommt es hingegen nicht an (vgl. VwGH 29.5.2001, 97/14/0036).
38 Weiters vertritt die Revisionswerberin - wie schon im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht - die Ansicht, dass bereits der fehlende Hinweis auf die Bestimmung des § 201 Abs. 3 Z 2 BAO das Bundesfinanzgericht zur Bescheidaufhebung hätte veranlassen müssen. Dass dies nicht zutrifft, wurde zur Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts bereits ausgeführt (zur Frage der Anführung von Gesetzesbestimmungen im Spruch eines Abgabenbescheides vgl. ergänzend VwGH 27.2.2014, 2009/15/0212, und VwGH 24.1.2017, Ro 2016/16/0004). Anders als in jenem Fall, der dem Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156, zu Grunde lag, hat das Finanzamt gegenständlich erkannt, dass eine Festsetzung der Forschungsprämie nach der Lage des Falles nur erfolgen durfte, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen. Dass die Bestimmung des § 303 Abs. 4 BAO nur sinngemäß und nicht, wie vom Finanzamt durch Ankreuzen des unzutreffenden Feldes zum Ausdruck gebracht, unmittelbar zur Anwendung kommt, hinderte die Revisionswerberin nicht daran, das Vorliegen der Voraussetzungen einer amtswegigen Wiederaufnahme zu bekämpfen.
39 In den Bescheiden des Finanzamtes für die Jahre 2006 bis 2009 wird unmissverständlich ausgesprochen, dass die Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr/Kalenderjahr in bestimmter Höhe festgesetzt wird. Damit enthalten bereits die Bescheide erster Instanz alle essentiellen Spruchbestandteile, die das Bundesfinanzgericht durch Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde bestätigt hat. Der von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang gerügten Aktenwidrigkeit (anders als das Bundesfinanzgericht festgestellt habe, sei das „zweite Kästchen“ im Formular E 208 nicht angekreuzt) fehlt es an Relevanz.
40 Höhe der Forschungsprämie
Mit dem Konjunkturbelebungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 68/2002, wurde in das EStG 1988 folgende Bestimmung eingefügt:
„§ 108c. (1) Prämien für Forschung und Bildung können geltend machen
1. Steuerpflichtige, soweit sie nicht Gesellschafter einer Gesellschaft sind, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind,
2. Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind.
(2) Es beträgt
1. die Forschungsprämie 3% der Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 4a; die Forschungsprämie kann nur von jenen Aufwendungen geltend gemacht werden, die nicht Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 sind; für Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre), für die ein Freibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a geltend gemacht wird, steht keine Forschungsprämie zu;
2. die Bildungsprämie 6% der Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 8; die Bildungsprämie kann nur von jenen Aufwendungen geltend gemacht werden, die nicht Grundlage eines Bildungsfreibetrages gemäß § 4 Abs. 4 Z 8 sind.
(3) Die Prämien können nur in einem der Steuererklärung (§§ 42, 43) des betreffenden Jahres angeschlossenen Verzeichnis geltend gemacht werden. Das Verzeichnis gilt als Abgabenerklärung.
(4) Die sich aus dem Verzeichnis ergebenden Prämien sind auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurück. Werden Aufwendungen, für die eine Bildungsprämie geltend gemacht worden ist, vergütet, ist die Bildungsprämie im Ausmaß von 6% des als Betriebseinnahme anzusetzenden Vergütungsbetrages zurückzuzahlen. Sowohl die Prämien als auch Rückforderungsansprüche gelten als Abgaben vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes. Auf Gutschriften und Rückforderungen sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. Bei Gesellschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind, hat die zusammengefasste Verbuchung der Gebarung mit jenen Abgaben zu erfolgen, die die Beteiligten gemeinsam schulden.
(5) Die Prämien sind zu Lasten des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer zu berücksichtigen.
(6) Die Prämien sind insoweit zu gewähren, als die Aufwendungen nach dem 31. Dezember 2001 angefallen sind.“
41 Mit BGBl. I Nr. 155/2002, HWG 2002, wurde der Prozentsatz der Forschungsprämie auf 5% erhöht; ab 2004 galt ein Prozentsatz von 8% (vgl. BGBl. I Nr. 133/2003).
42 Mit BGBl. I Nr. 111/2010 wurden die Absätze 1 und 2 des § 108c EStG 1988 wie folgt geändert:
„(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können Prämien geltend machen für:
- Eigenbetriebliche Forschung und Auftragsforschung im Sinne des Abs. 2 von jeweils 10% der Aufwendungen (Ausgaben) und für
- Bildung in Höhe von 6% der Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 8, die nicht Grundlage eines Bildungsfreibetrages sind.
(2) Prämienbegünstigt sind:
1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen.
2. Auftragsforschung für in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
[...]“
43 Mit dem 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, und dem AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012 wurden dem § 108c EStG 1988 weitere für den Revisionsfall nicht relevante Absätze angefügt.
44 Die Verordnungen des BMF zu § 108c EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002, und BGBl. II Nr. 515/2012, letztere grundsätzlich anzuwenden auf Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, enthalten Ausführungen zur Begriffsbestimmung und Abgrenzung begünstigter Forschung zu nicht begünstigten Aufwendungen.
45 Die Revisionswerberin bringt vor, die rechtliche Qualifikation der „Ausfallswerte“ durch das Bundesfinanzgericht als Versuchsproduktion sei unrichtig. Bei dem Begriff „Industrielles Engineering“ handle es sich um die speziellere „Norm“ im Vergleich zur Versuchsproduktion. Nur wenn keine der innovativen Tätigkeiten, wie sie beim Industriellen Engineering angeführt würden, stattfänden, sei die Aufnahme der Produktionstätigkeit anhand der Definition der Versuchsproduktion zu beurteilen und erst in diesem Zusammenhang sei das Kriterium der „wirtschaftlichen Verwertbarkeit“ zu prüfen. Auch habe das Bundesfinanzgericht das Frascati-Manual der OECD in der Fassung des Jahres 2002 außer Acht gelassen, das nicht erst seit dem Verweis in der Forschungsprämienverordnung BGBl. II Nr. 515/2012 zum österreichischen Rechtsbestand gehöre (Hinweis auf VwGH 30.9.2015, Ro 2014/15/0018). Insbesondere habe das Bundesfinanzgericht Rz. 123 des Frascati-Manuals 2002 nicht beachtet, die wie folgt lautet:
„After a new product or process has been turned over to production units, there will still be technical problems to be solved, some of which may demand further R&D. Such ‚feedback‘ R&D should be included.“
46 Zudem sei der Rz. 120 des Frascati-Manuals 2002 zur „trial production“ zu entnehmen, dass „industrial engineering“ auch nach Beginn der Produktionstätigkeit erfolgen könne.
47 Diese Revisionsausführungen gehen an der entscheidenden Argumentation des Bundesfinanzgerichts vorbei. Im angefochtenen Erkenntnis wird nicht in Abrede gestellt, dass auch noch nach Beginn der Serienproduktion weitere prämienbegünstigte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten erforderlich sein können. Vielmehr wurden derartige Notwendigkeiten im Fall der Revisionswerberin als glaubhaft gemacht angesehen. Die diesbezüglichen Aufwendungen waren aber nicht Streitpunkt im Verfahren. Dies wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch seitens der Revisionswerberin bzw. ihres Vertreters außer Streit gestellt.
48 Bei den ausschließlich strittigen „Ausfallswerten“ handelt es sich nach dem Vorbringen der Revisionswerberin nicht um Aufwendungen, die getätigt wurden, um Produkte oder Prozessverfahren zu verbessern, sondern um Waren, die von Kunden als mangelhaft reklamiert oder bereits vor deren Lieferung an den Kunden von der Revisionswerberin als mangelhaft erkannt und aussortiert wurden. Das Vorliegen eines hohen Prozentsatzes an mangelhafter Ware kann - wie die Revisionswerberin nachvollziehbar dargelegt hat - Anlass sein, durch weitere Forschungsarbeit „wesentlich verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Methoden oder Systeme hervorzubringen“, wie es der Definition der „Experimentellen Entwicklung“ bereits laut der Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002 entspricht. Die Waren selbst stellen aber - wie das Bundesfinanzgericht zutreffend erkannt hat - auch dann, wenn sie als fehlerhaft aussortiert oder reklamiert werden, keinen Aufwand dar, der zum Zwecke der Forschung getätigt wird. Auch liegt insoweit kein Aufwand für „fehlgeschlagene Forschung“ vor, sondern für Ware, die zum Verkauf produziert wurde. Ob die Serienproduktion bereits in den ersten Jahren zu Gewinnen führt, ist im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Forschungsprämie nicht von Relevanz. Das Unterbleiben diesbezüglicher Beweisaufnahmen begründet daher entgegen den Revisionsausführungen keinen Verfahrensmangel.
49 Die gegenständliche Revision gibt keinen Anlass, die Verordnungen BGBl. II Nr. 506/2002 und BGBl. II Nr. 515/2012 auf deren Gesetzmäßigkeit durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen, zumal die Behandlung der von der Revisionswerberin an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde von diesem mit Beschluss vom 26. Februar 2018, E 321/2016-11, abgelehnt wurde.
50 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
51 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150012.J00Im RIS seit
16.04.2021Zuletzt aktualisiert am
16.04.2021