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L50006 Pflichtschule allgemeinbildend Steiermark;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Steiermärkischen Landesregierung in 8010 Graz, Karmeliterplatz 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 20. Juni 2017, Zl. LVwG 80.5-3209/2016-8, betreffend Säumnisbeschwerde i.A. Änderung eines Schulsprengels (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei:
Marktgemeinde V, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Das Land Steiermark hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 stellte die mitbeteiligte Partei - als gesetzliche Schulerhalterin der Volksschule V. - bei der belangten Behörde (der Revisionswerberin) einen Antrag auf Änderung des Volksschulsprengels der Volksschule V.
2 Mangels Erledigung dieses Antrags erhob die mitbeteiligte Partei am 21. Juli 2016 Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde).
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Juni 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Säumnisbeschwerde statt und trug der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auf, binnen einer Frist von acht Wochen "den versäumten Bescheid oder eine Verordnung über eine Sprengeländerung zu erlassen", wobei es die Revision nicht zuließ.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach § 73 Abs. 1 erster Satz AVG seien die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt sei, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
5 Säumnisbeschwerde könne nach § 8 Abs. 1 (erster Satz) VwGVG erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen sei, innerhalb dieser entschieden habe.
6 Vorliegend sei durch den Antrag der mitbeteiligten Partei vom 29. Dezember 2011 ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden.
7 Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, es bestehe kein Rechtsanspruch auf Änderung eines bestehenden Schulsprengels durch Erlassung einer entsprechenden Verordnung und die Schulbehörde könne nicht säumig werden, wenn die Abänderung eines Sprengels von einer Gemeinde "angeregt" werde, verwarf das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2009, G 81/09, VfSlg. 18.905, sowie des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2015, Ro 2014/07/0096, VwSlg. 19.135A.
8 Aufgrund des in § 20 Abs. 1 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 - StPEG 2004 normierten Antragsrechts des gesetzlichen Schulerhalters in Hinblick auf Bildung, Änderung oder Aufhebung eines Schulsprengels habe die belangte Behörde "entweder im Stattgebungsfall mit einer Verordnung diese Sprengeländerung vorzunehmen oder im Abweisungsfall über ihre Sachentscheidung einen negativen Bescheid zu erlassen".
9 Da die belangte Behörde dies seit der Stellung des gegenständlichen Antrages nicht getan habe (und dies mit Blick auf § 8 Abs. 1 dritter Satz VwGVG auf ihr überwiegendes Verschulden zurückzuführen sei) gab das Verwaltungsgericht der Säumnisbeschwerde statt und erließ den eingangs wiedergegebenen, auf § 28 Abs. 7 VwGVG gestützten Auftrag.
10 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 3.1. Zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage eines Antragsrechtes auf Erlassung einer Verordnung "zur Konstellation, wenn mehreren Personen mit gegenläufigen Interessen ein Antragsrecht auf VO-Erlassung gesetzlich zuerkannt wird", und dazu, "ob ein solches Antragsrecht gegen die Interessen der übrigen Antragsberechtigten bestehen kann und durchgesetzt werden kann". In diesem Zusammenhang weist die Revisionswerberin selbst auf das vom Verwaltungsgericht erwähnte hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0096 sowie auf VwGH 28.4.1997, 96/10/0049; 22.12.2009, 2009/08/0064, und 23.10.2012, 2009/10/0254, hin.
14 Die in jenen Entscheidungen angesprochenen Konstellationen seien "mit der gegenständlichen Ausgangslage nicht vergleichbar", weil durch eine Änderung des Schulsprengels - etwa wegen der damit verbundenen Änderung der Finanzierung von Schulbauten, der Schulerhaltungsbeiträge sowie der Höhe der Kostentragung durch den gesetzlichen Schulerhalter - weitere gesetzliche Schulerhalter abgesehen von der mitbeteiligten Partei unmittelbar betroffen seien.
15 3.2. Mit diesem Vorbringen wird allerdings eine grundsätzliche Rechtsfrage - wie auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung erkennt - nicht dargelegt:
16 Nach § 20 Abs. 1 StPEG 2004 erfolgt (u.a.) die Festsetzung (Bildung, Änderung und Aufhebung) eines Schulsprengels einer von einer Gemeinde erhaltenen Pflichtschule "auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters oder von Amts wegen durch Verordnung der Landesregierung nach Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften sowie des Landesschulrates". Bei der mitbeteiligten Partei handelt es sich unstrittig um einen gesetzlichen Schulerhalter im Sinn dieser Bestimmung. Das Verwaltungsgericht geht daher zutreffend davon aus, dass § 20 Abs. 1 StPEG 2004 dem gesetzlichen Schulerhalter das Recht einräumt, (unter anderem) die Änderung eines Schulsprengels zu beantragen.
17 Nun hat der Verwaltungsgerichtshof bereits - unter Berufung unter anderem auf Judikatur des VfGH - ausgesprochen, dass bei Einräumung eines Antragsrechtes auf Erlassung einer Verordnung unter bestimmten Voraussetzungen eine einen solchen Antrag abweisende Erledigung vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips in Form eines bekämpfbaren Bescheides zu ergehen hat (vgl. insbesondere das erwähnte hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0096, unter Hinweis auf das ebenfalls bereits zitierte hg. Erkenntnis 2009/08/0064).
18 Die mit dem angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Bejahung eines Antragsrechts der mitbeteiligten Partei (als gesetzlicher Schulerhalterin) auf (Neu-)Festsetzung eines Schulsprengels - aus welchem deren Recht auf (positive oder negative) Erledigung binnen der in § 73 Abs. 1 AVG festgesetzten Frist von sechs Monaten resultiert - steht daher im Einklang mit der hg. Rechtsprechung, zumal der belangten Behörde erkennbar die Erlassung eines Bescheides für den Fall aufgetragen wurde, dass die von der Mitbeteiligten angestrebte Verordnung nicht erlassen wird.
19 Dieses Antragsrecht ist im Übrigen - entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung - von den möglichen Auswirkungen einer tatsächlichen Änderung des Schulsprengels auf weitere betroffene gesetzliche Schulerhalter nicht abhängig; vielmehr sind deren Interessen in dem nach § 20 StPEG 2004 zu führenden Verfahren, in welchem die Berechtigung eines Antrages nach § 20 Abs. 1 StPEG 2004 geprüft wird, zu berücksichtigen.
20 3.3. Unzutreffend ist schließlich auch die in der Revision der belangten Behörde vertretene Auffassung, § 20 Abs. 1 StPEG 2004 sei mit Blick auf VfGH 3.10.1989, G 55/89, V 19/89, VfSlg. 12.183, dahingehend "verfassungskonform auszulegen", dass die Regelung gerade keine Antragsbefugnis, sondern bloß ein "Anregungsrecht" des gesetzlichen Schulerhalters normiere.
21 Die im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 12.183 angesprochene verfassungsrechtliche Problematik einer Bindung der Landesregierung als obersten Organs der Vollziehung im Lande (vgl. Art. 101 B-VG) an die Initiative eines Antragsberechtigten betrifft die hier zugrunde liegende Bestimmung des § 20 Abs. 1 StPEG 2004 von vornherein nicht, hat doch die Landesregierung danach jederzeit die Möglichkeit, von Amts wegen ein Verfahren zur Festsetzung (Bildung, Änderung oder Aufhebung) eines Schulsprengels einzuleiten.
22 4. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. September 2018
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100133.L00Im RIS seit
22.10.2018Zuletzt aktualisiert am
08.11.2018