TE Dok 2018/7/11 01082/12-DK/16

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Veröffentlicht am 11.07.2018
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Norm

BDG 1979 §43 Abs1,2
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §45

Schlagworte

Mitarbeiter keine Akte zugeteilt, Ermittlungshandlungen innerhalb der gesetzlichen Frist nicht gesetzt, Akte verjähren lassen, Pflichten als Vorgesetzter nicht wahrgenommen

Text

-DOKNR-

DKTE_BMF_20180711_01082_12_DK_16

-ORGAN-

BM für Finanzen

SPRUCH

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat am 00.00.2018 durch HR Dr. Margit Tscheppe als Senatsvorsitzende sowie HR Mag. Anna Holper und OR Mag. Friedrich Mannsberger als weitere Mitglieder nach der in Anwesenheit der Schriftführerin Mag. Maria Stock, des Stellvertreters des Disziplinaranwaltes HR Dr. Heinz Bramböck und des Beschuldigten AD B sowie dessen Verteidigers Dr. T. P. durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: Der Beschuldigte AD B wird vom Vorwurf, er habe schuldhaft

I. die ihm als Teamleiter der Finanzpolizei obliegende Verpflichtung, wonach die Finanzpolizei bei den in ihrem Aufgabenbereich wahrzunehmenden Ermittlungshandlungen gem. §§ 153c, 153d und 153e StGB unter Bezugnahme auf die in den §§ 99 und 100 StPO längstens innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Eigenermittlungen einen Bericht an die Staatsanwaltschaft vorzulegen hat, nicht wahrgenommen, und zwar in folgenden Fällen im Jahr 2014, indem bei GZ. 08… bzw. 08… (Fall 1 und 2), eingegangen am 00.2014, diese vertauscht und der Fall 1. unter Fall 2. eingescannt worden sind, sowie keine Zuteilung an den Sachbearbeiter vorgenommen und den Fall nicht fristgerecht abgeschlossen worden ist, bei GZ. 08… (Fall 3), eingegangen am 00.2014, keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt sind, bei GZ. 08… (Fall 5), eingegangen am 23. September 2014, keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt sind, und bei GZ. 08… (Fall 6), eingegangen am 26. September 2014, keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt sind, und weiters II. die ihm als Teamleiter der Finanzpolizei obliegende Verpflichtung, wonach die Finanzpolizei bei den in ihrem Aufgabenbereich wahrzunehmenden Ermittlungshandlungen gem. §§ 153c, 153d und 153e StGB unter Bezugnahme auf die §§ 99 und 100 StPO längstens innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Eigenermittlungen einen Bericht an die Staatsanwaltschaft vorzulegen hat, nicht wahrgenommen, und zwar in den folgenden Fällen im Jahr 2015, indem bei GZ. 08… (Fall 1) kein Abschlussbericht erstellt worden ist. und bei GZ. 08… (Fall 2), GZ. 08… (Fall 3), GZ. 08… (Fall 4), GZ. 08… (Fall 5), GZ. 08… (Fall 6) und GZ. 08… (Fall 7) nur die Anzeigen eingescannt worden sind, jedoch keine Zuweisungen an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungen erfolgt sind, dadurch gegen die Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 1 BDG, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, gegen § 43 Abs. 2 BDG, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, gegen § 44 Abs. 1 BDG, wonach der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen hat, und gegen § 45 BDG, wonach der Vorgesetzte darauf zu achten hat, dass seine Mitarbeiter ihre dienstliche Aufgabe gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen, und er seine Mitarbeiter dazu anzuleiten hat, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen sowie aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen hat, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen, gem. § 118 Abs. 1 Z 2 BDG freigesprochen.

Begründung

Der Beschuldigte AD B, geboren am 00, dienstverwendet als Teamleiter des Teams FPT 00 in der Finanzpolizei, Region, ist verheiratet und für ein Kind sorgepflichtig. Er verfügt über ein monatliches Bruttoeinkommen lt. vorliegender Monatsabrechnung (ohne Fahrtkostenzuschuss) in Höhe von € 00, das ist netto € 00. Aufgrund der Disziplinaranzeige und den dieser Anzeige angeschlossenen Beilagen, des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Verantwortung des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung, der Zeugenaussagen sowie der Ergebnisse der der Leitung der Finanzpolizei aufgetragenen zusätzlichen Erhebungen und Beweismittelvorlagen nimmt der Senat folgenden Sachverhalt als erwiesen an: AD B war im inkriminierten Zeitraum Teamleiter im Team 00 der Finanzpolizei und als solcher dem Regionalleiter der Region und dem Leiter der Finanzpolizei unterstellt. Seit Ende /Mitte 2018 ist er nach einer Sonderverwendung im Bereich der Region ab 2016 wieder als Teamleiter des Teams FPT 00 dienstverwendet. Dem Teamleiter der Finanzpolizei obliegt gem. Punkt 5.6. der Arbeitsplatzbeschreibung die Strafrechtspflege nach dem Sozialbetrugsgesetz (SozBeG) Punkt 5.6. der Arbeitsplatzbeschreibung TL Finanzpolizei lautet: Strafrechtspflege nach dem SozBeG: - Durchführung von Erhebungen und Sachverhaltsermittlungen nach dem SozBeG im Auftrag der Staatsanwaltschaft sowie Abschlussbericht in Abstimmung mit dem regionalen Leiter/der regionalen Leiterin und dem juristischen Dienst an Gericht/Staatsanwaltschaft. - Durchführung von Erhebung, Prüfung und Abschluss des Ermittlungsverfahrens in Abstimmung mit dem regionalen Leiter/der regionalen Leiterin und dem juristischen Dienst sowie in weiterer Folge Anzeigenlegung an Gericht/Staatanwaltschaft bei Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen nach dem SozBeG." Zum Aufgabengebiet von AD B gehören somit u.a. auch Ermittlungen wegen des Verdachts nach den §§ 153c, 153d und 153e StGB über Auftrag der Strafverfolgungsbehörde. Die Durchführung dieser Ermittlungen hat unter Anwendung der StPO zu erfolgen. Das bedeutet, dass ab Einlangen der Anzeige gem. §§ 99 Abs. 1 und 100 Abs. 1 StPO innerhalb von drei Monaten ein Bericht an die Staatsanwaltschaft zu legen ist. Darüber hinaus ist auch das Beschleunigungsgebot gem. § 9 StPO zu beachten. Dazu regelt auch der Organisationserlass Finanzpolizei vom 27. Juni 2013, GZ. BMF-28100/0007-IV/2/2013, dass die Erfassung von an die Finanzpolizei gerichteten Anzeigen tagesaktuell durch die FinPol-Teams in FinPolOnline (inkl. Einscannen der Schriftstücke) zu erfolgen hat. Die weitere Zuteilung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der FinPol-Teams erfolgt durch die Teamleiterin/den Teamleiter. Die Amtsverfügung der Finanzpolizei vom 4. Februar 2015, GZ. FPol-280101/0055-FinPol/2015 regelt den Verfahrensablauf wie folgt:

3.2. Archivieren von Schriftstücken

Es ist immer das Datum des zu archivierenden Dokuments einzutragen. Niederschriften, Erhebungsblätter sowie Personenblätter haben das Datum und die Uhrzeit zum Zeitpunkt der Erstellung zu enthalten. Des Weiteren sind ebenso Sachverhaltsdatum und –Uhrzeit in die Fallmaske einzutragen. Es sind alle mit dem Fall in Zusammenhang stehenden Geschäftsstücke, Dokumentationen und Abfragen zu archivieren, auch wenn es sich um handgeschriebene Vermerke handelt. Ebenso sind Kontrollmitteilungen an den Betrugsbekämpfungskoordinator, welche per E-Mail versendet wurden, zu archivieren. Jede Abfragekategorie ist einzeln zu archivieren, es ist nicht zulässig, sämtliche Abfragen eines Aktes in einer Datei abzuspeichern.

3.10. Offene Fälle: Der Teamleiter hat dafür Sorge zu tragen, dass regelmäßig die offenen Fälle seines Teams überwacht und bei Beendigung der Ermittlungen abgeschlossen werden. Ebenso ist die Urgenzliste im FinPol-Online zeitnah abzuarbeiten.

3.11. Erfassen von Anzeigen: Sämtliche einlangende Anzeigen, ob schriftlicher oder elektronischer Natur, sind im FinPol-Online bei Einlangen zu archivieren. Bei der Fallanlage sind Eingangsdatum, sofern vorhanden Uhrzeit, sowie der Sachverhalt der Anzeige anzugeben. Sofern bekannt ist ebenso der betroffene Betrieb anzulegen. Die Anzeige ist per Button "Sachbearbeiter" einem Bediensteten zuzuweisen. Es sind bereits vor Erledigung der Anzeige alle zweckdienlichen Abfragen durchzuführen und gem. Punkt 3.2. zu archivieren.

Festgestellt wird, dass beginnend mit S./O. 2015 durch Mitarbeiter des Juristischen Dienstes für das FinPol-Team 00 Feststellungen betreffend Unregelmäßigkeiten getroffen worden sind (das davon betroffene Verfahren ist allerdings nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens). Aufgrund von Feststellungen zu Geschäftsfällen des Jahres 2015 wurden daran anschließend auf Ersuchen des regionalen Leiters die Qualitätssicherungsmaßnahmen/Erhebungen auch auf die Jahre 2014 und 2013, zurück bis zur Errichtung der bundesweiten Organisationseinheit Finanzpolizei ausgedehnt und AD B die Listen der betroffenen Fälle 2014 und 2015 mit Mails vom 00.00.2016 betreffend das Jahr 2015 und vom 00.00.2016 betreffend das Jahr 2014/ein Fall 2015 zur Stellungnahme übermittelt. Folgende Feststellungen wurden zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht. Für Geschäftsfälle des Jahres 2014: Bei GZ. 08… bzw. 08… (Fall 1 und 2), eingegangen am 00.00.2014, sind diese vertauscht und der Fall 1. unter Fall 2. eingescannt worden, es wurde keine Zuteilung an den Sachbearbeiter vorgenommen und der Fall nicht fristgerecht abgeschlossen. Bei GZ. 08… (Fall 3), eingegangen am 00.00.2014, sind keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt. Bei GZ. 08… (Fall 5), eingegangen am 00.00.2014, sind keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt. Bei GZ. 08… (Fall 6), eingegangen am 00.00.2014, sind keine Zuteilung an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungshandlungen erfolgt. Für Geschäftsfälle des Jahres 2015: Bei GZ. 08… (Fall 1) ist kein Abschlussbericht erstellt worden. Bei GZ. 08… (Fall 2), GZ. 08… (Fall 3), GZ. 08… (Fall 4), GZ. 08… (Fall 5), GZ. GZ. 08… (Fall 6) und GZ. 08… (Fall 7) sind nur die Anzeigen eingescannt worden, es sind keine Zuweisungen an einen Sachbearbeiter und keine Ermittlungen erfolgt. Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde vom regionalen Leiter der Finanzpolizei am 00.00.2016 eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft XY wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs übermittelt. Von der Staatsanwaltschaft XY wurde das Verfahren gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur Verfolgung bestanden hat. Zu der zeitlichen Abfolge der Feststellungen von Unregelmäßigkeiten sowie der damit verbundenen Kontaktaufnahme mit dem Beschuldigten wird festgestellt: Seitens des Juristischen Dienstes wurde mit dem Teamleiter zwecks Abklärung/Vermittlung von Hinweisen, wie die (weitere) Bearbeitung zu erfolgen hat, per Mail (im Disziplinarakt einliegend), nach Erinnerung des Beschuldigten vielleicht auch telefonisch, Kontakt aufgenommen. Diese Mails enthalten lediglich Hinweise, wie eine künftige Aktenbearbeitung fachlich betrachtet erfolgen sollte, jedoch keine dienstrechtlichen Belehrungen in der Schärfe, "das derartige Unregelmäßigkeiten künftig zu vermeiden sind", entgegen den Ausführungen der Dienstbehörde in der Disziplinaranzeige. Weitere Dokumentationen über Belehrungen/Hinweise an AD B sind im durchgeführten Verfahren nicht vorgelegt worden. Mag. M. H. teilte in ihrem Mail vom 00.00.2018 an die Senatsvorsitzende mit, dass es im Frühjahr 2016 ein Gespräch mit dem TL-Stellvertreter und Sachbearbeiter SozBeG-Fälle Freitag gegeben hat, aufgrund dessen sie eine Auswertung gemacht und die Auffälligkeiten zu den Fällen, die in den im vorigen Absatz angeführten Listen enthalten sind, herausgefunden hat. Anschließend hat sie den regionalen Leiter XX informiert, der AD B zur Stellungnahme aufgefordert hat. Nahezu bei jedem TL Jour Fixe sei auf die Einhaltung der 3-Monatsfrist hingewiesen worden. Der Disziplinarsenat hat die Leitung der Finanzpolizei ersucht, die Protokolle der Teamleitervernetzungen, in denen unter Androhung disziplinärer/dienstrechtlicher Maßnahmen auf die Einhaltung der Dreimonatsfrist hingewiesen worden sei, an den Disziplinarsenat zu übermitteln. In Befolgung dieses Auftrages wurden zwei Protokolle, datierend aus Mai sowie Juli 2016, vorgelegt. Sie datieren somit aus einem Zeitraum, in welchem seitens des regionalen Leiters bereits Erhebungen gegen AD B durchgeführt bzw. sogar die Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft XY übermittelt worden ist. Im Protokoll über das Teamleiter Jour-Fixe der Finanzpolizei der Region vom 00.00.2016 sind 18 generell festgestellte Mängel im Zusammenhang mit SozBeG-Anzeigen angeführt. Einer dieser 18 Punkte lautet: - Ab sofort: Wenn ein Zwischenbericht nicht rechtzeitig vorgelegt wird, wird eine Dienstpflichtverletzung des Teamleiters geahndet. - Es gibt einige Altfälle, bei denen keine Ermittlungsschritte im FinPol-online ersichtlich sind. Dazu gibt es an alle betroffenen Teamleiter eine entsprechende Aufforderung zur Stellungnahme.

Dieses Protokoll wurde dem Disziplinarsenat mehrfach übermittelt, in einer übermittelten Ausfertigung ist der oben angeführte kursiv geschriebene Satz enthalten, in der anderen nicht (neben anderen Unterschieden). Als Grund für die unterschiedlichen Ausfertigungen wurde bei der mündlichen Verhandlung vom 00.00.2018 vom Zeugen W. ausgeführt, dass offenbar aufgrund der Versendung des Protokolls und danach von den Teilnehmern übermittelter Ersuchen die oben angeführten Abänderungen vorgenommen/Zusätze eingefügt worden sind. Ein weiterer Vermerk hinsichtlich Sozialbetrugsfälle und Dreimonatsfrist ist im Protokoll über das Teamleiter Jour-Fixe vom 00.00.2016 enthalten, und zwar unter dem Punkt SozBeG: "- Altfälle sind abzuarbeiten (Verweis auf vorherige Besprechungen); werden künftig keine Maßnahmen innerhalb des gesetzlichen Zeitraumes (insbesondere 3-Monatsfrist zur Vorlage eines Zwischenberichts) gesetzt, werden seitens des RegLeiters dienstrechtliche Maßnahmen gesetzt." Zusätzliche Nachweise über explizite Kontaktaufnahmen des regionalen Leiters mit dem Beschuldigten (zeitmäßig vor den verfahrensgegenständlichen Sozialbetrugsfällen gelegen) zum Thema der nicht ordnungsgemäßen Bearbeitung der Sozialbetrugsfälle im Sinne von Aktenvermerken/Niederschriften über stattgefundene dienstrechtliche Belehrungen von AD B direkt als betroffenem Teamleiter, in welchem er seitens seines Vorgesetzten persönlich auf die Notwendigkeit der Einhaltung der gesetzlichen/erlassmäßig geregelten Vorschriften künftighin hingewiesen worden wäre – unter gleichzeitiger Hinterfragung der Ursachen dafür – sind während des Disziplinarverfahrens nicht vorgelegt worden. Der Zeuge W. teilte mit, dass es solche Aufzeichnungen über derartige Gespräche auch nicht gibt. Er verwies immer wieder nur auf seine immer wieder angeblich erfolgten Hinweise in Teamleiterbesprechungen (Protokolle hierüber datieren aber erst aus dem Jahr 2016), versendeten Präsentationen, Hinweise in Schulungen etc. Unterlagen darüber wurden jedoch nicht vorgelegt. Diese Feststellungen ergeben sich aus der Disziplinaranzeige, den damit vorgelegten Beilagen und den im Laufe des Verfahrens über Aufforderung des Disziplinarsenates übermittelten Unterlagen, dem Vorbringen des Beschuldigten in den beiden mündlichen Verhandlungen sowie den Aussagen des als Zeugen einvernommenen ehemaligen regionalen Leiters. AD B hat den Sachverhalt, also die festgestellten und ihm angelasteten Mängel bei der Aktenbearbeitung nicht bestritten sondern vielmehr bestätigt, jedoch das ihm vorgeworfene Verschulden an diesen Unzulänglichkeiten in Abrede gestellt. AD B verwies im durchgeführten Verfahren mehrfach auf eine nach seinen Angaben seinen Vorgesetzten bekannte Überlastung der Finanzpolizei. Auch die Staatsanwaltschaft XY habe seiner Ansicht nach durch die Einstellung des Strafverfahrens zu erkennen gegeben, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe haltlos seien. Die angeführte Überlastung der Finanzpolizei bzw. die Tatsache, dass dagegen seitens der Vorgesetzten nichts unternommen worden sei, sei ein Organisationsverschulden der Behörde und könnten daher ihm nicht die Folgen daraus angelastet werden. Die Personalsituation im Team, dessen Teamleiter er in den Jahren 2014 und 2015 war, sei angespannt gewesen. Das Team habe im Jahr 2014 ca. 720 Akten und im Jahr 2015 ca. 770 Akten bearbeitet. Im Jahr 2013 habe sein Team aus 8 Mitarbeitern bestanden. 4 VBÄ entfielen auf die Verwendungsgruppe A 3/5 (TRef), 3 VBÄ auf die Verwendungsgruppe A2/2 (Tex) und ein VBÄ auf die Verwendungsgruppe A 2/3 (TexSpez).

In den beiden nächsten Jahren habe es folgende Personalveränderungen gegeben: 1 MA A3/5 vom Standort XX wurde ab Herbst 2014 für den Großfall N. abgezogen und stand im Team nicht mehr für sonstige Aufgaben zur Verfügung. Gleichzeitig habe er aber, da am Standort XX nur zwei Mitarbeiter zur Verfügung standen, jeweils immer einen MA von K. nach XX für gemeinsame Einsätze schicken müssen. Ab 2014 habe er einen weiteren MA, der als Teamexperte Spezial eingesetzt werden sollte, dazubekommen, dieser musste aber erst noch ausgebildet werden, wobei er erst ab Mitte 2015 einsetzbar gewesen sei. Gleichzeitig habe sein bisheriger Teamexperte Spezial im Februar 2015 die Absicht geäußert, studieren und zu diesem Zweck nach I. versetzt werden zu wollen. Obwohl ursprünglich die Versetzung erst mit Beginn des Studienjahres im Herbst 2015 vorgesehen und damit ein geordneter Übergang seiner Aufgaben auf den neu ausgebildeten Teamexperten Spezial geplant gewesen ist, sei der bisherige Teamexperte überraschend schon mit Anfang J. abgezogen worden, womit der Übergang nicht funktioniert habe. Dazu sei noch ein Großeinsatz im J. 2015 gekommen, und zwar für den Sondereinsatz N. Daher seien andere Sachen auf der Strecke geblieben. Ein Mitarbeiter A 2/2, der seit November 2014 dauerkrank ist, sei schon vorher nicht mehr einsetzbar gewesen. Ein weiterer MA A 2/2, der ein Ressortwechsler ist, war noch nicht voll eingeschult. Er ist auch mittlerweile ins Finanzamt gewechselt. Der oben erwähnte Neuzugang A 2/3 war seit ca. Herbst 2015 im Team einsetzbar, er war bis Herbst 2016 im Team. Ein weiterer Mitarbeiter ist zwar erst seit März 2018 dauerkrank, jedoch war er schon davor immer wieder krankheitsbedingt abwesend. Die krankheitsbedingten Abwesenheiten hätten schon ca. im Jahr 2013 begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei er schon nicht mehr richtig belastbar gewesen. Ein Mitarbeiter A 3/5 sei von M. 2014 bis M. 2015 in Bildungskarenz gewesen, ein weiterer Mitarbeiter A 3/5 war zu dieser Zweit in Ausbildung. AD B brachte auch vor, dass die verfahrensgegenständlichen Fälle seines Wissens alle abgearbeitet und dann eingestellt worden seien, die Folgen also zu vernachlässigen seien. Wenn er bewirken hätte wollen, dass die Verfahren nicht durchgeführt/abgeschlossen werden, dann wären die einlangenden Anzeigen/Mitteilungen von Haus aus nicht eingescannt worden. Es habe zu diesem Zeitpunkt kein internes Kontrollsystem gegeben, die Gebietskrankenkasse habe nicht nachgefragt, weshalb diese Fälle übersehen worden seien. Im F. 2015 habe sein Stellvertreter V. das Team geführt, auch diesem sei es nicht aufgefallen. AD B verwies darauf, dass er händische Aufzeichnungen geführt habe, allerdings keine separaten für den Sozialbetrug. Sobald er die Angelegenheit einem Sachbearbeiter zugewiesen habe, sei dieser verantwortlich für die weitere Erledigung des Falles. Es habe zu diesem Zeitpunkt noch kein internes Kontrollsystem dafür gegeben. AD B hat weiter vorgebracht, dass sein Team bzw. seine Teammitglieder in den Jahren 2014 und 2015 immer wieder Zusatzaufgaben überantwortet erhalten haben und dies die angespannte Arbeitssituation im FinPol-Team, die ohnehin bundesweit bestanden habe, noch weiter verstärkt habe. So sei sein Team ein sog. TAKO-Team, also das Team, das über das Gerät zur Auslesung und Auswertung der Fahrtenschreiber verfüge. Damals sei die Vorgabe gewesen, dass ca. 130 – 150 LKWs pro Jahr kontrolliert werden sollten. Pro Tag könne man etwa durchschnittlich 4 LKW kontrollieren, sechs Mitarbeiter wären für einen Einsatz notwendig gewesen. "Gewesen" deshalb, weil es zwischenzeitlich eine Kooperationsvereinbarung mit der Polizei gäbe, weshalb dieser Mitarbeiteraufwand derzeit nicht mehr notwendig sei. Zusätzlich seien im J. 2015 noch 4 AZUBIS in seinem Team im Umlauf gewesen. Zur behaupteten Überbelastung der FinPol-Teams wurden vom Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger folgende Unterlagen vorgelegt: - Mail des Leiters der Finanzpolizei vom 00.00.2016 an alle Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter der Finanzpolizei, in welcher u.a. ausgeführt wird .... Richtig ist lediglich, dass eine Aufgabenanalyse der Finanzpolizei im Hinblick auf Überlastung, die (durch) die Vielzahl an Verfahrens- und Materiengesetzen hervorgerufen wird, durchgeführt wird. Zielsetzung soll dabei sein, möglichen Überforderungen entgegenzuwirken und Spezialisierungen zu ermöglichen. ..... - Mail des regionalen Leiters, ebenso vom 00.00.2016 zum gleichen Thema Auflösung der Finanzpolizei, die u.a. auf ...."eine Aufgabenanalyse der Finanzpolizei im Hinblick auf Überlastung, die durch fünf Verfahrensgesetze und 34 Materiengesetze hervorgerufen wird".... verweist. In den von der Leitung der Finanzpolizei vorgelegten Unterlagen betreffend Qualitätssicherung des Juristischen Dienstes ist weiters eine Mail von AD B an HR Mag. Z. von 00.00.2015 enthalten, in der AD B darauf hinweist, dass er "seit längerer Zeit mit Agenden befasst ist, die weit über das Dienstliche hinausgehen und daher viele Hauptsachen darunter leiden müssen." Über Aufforderung des Disziplinarsenates wurden seitens der Leitung der Finanzpolizei zwei Protokolle über Team Jour-Fixes der Region mit folgenden eine Überbelastung ansprechenden Punkten übermittelt: - Protokoll vom 00.00.2013, in welchem unter dem Punkt Rückblick TL ausgeführt wird ... "Genauer erläutert wird der Punkt Überforderung der Mitarbeiter" und unter dem Punkt Fälle des BBKO "Der regionale Leiter weist darauf hin, dass auch auf Grund von Überlastungen Fälle des BBKO abgelehnt werden können. Weiters wurde eine Protokoll über die Evaluierung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz in den Teams Finanzpolizei vom 00.00.2016 vorgelegt, in dem zur belastenden Arbeitsmenge auf den Personalmangel hingewiesen wird, weil keine Nachbesetzungen erfolgen. Entgegen den Ausführungen des Beschuldigten gibt es kein arbeitspsychologisches Gutachten nach einem Coaching des Teams K./XX, weshalb ein solches auch nicht zur Beurteilung herangezogen werden konnte. Zeuge W. gab dazu an, dass er keine erhöhte Belastungssituation habe feststellen können. Er sei sogar der Meinung, dass die personelle Situation in anderen Teams noch schlimmer gewesen wäre. Er habe bei seinen Analysen auch auf die Qualität der Fälle und die Ausbildung der Personen geachtet. Das Team 00 sei auch fachlich schwach gewesen. Die vom Beschuldigten angeführten Folgen des Sondereinsatzes N. im 00.2015 sowie die Belastungen des Teams 00 als TAKO-Team könne er so nicht bestätigen, so seien im J. 2015 auch noch andere Verfahren durchgeführt worden. Diese Divergenz in den Aussagen des Beschuldigten und des Zeugen konnte vom Disziplinarsenat in der mündlichen Verhandlung nicht aufgeklärt werden, sie hat allerdings nach Ansicht des Disziplinarsenates auch keinen entscheidenden Einfluss auf die weitere folgende abschließende Beurteilung des Disziplinarsenates im Hinblick auf eine Überbelastung des Teams. Außerdem hat der Beschuldigte auch nur ausgeführt, andere Aufgaben seien auf der Strecke geblieben, er hat nicht vorgebracht, das Team hätte nichts anderes erledigen können. Insofern widersprechen sich diese beiden Aussagen in diesem Punkt nicht. Die Tatsache von Krankenständen diverser FinPol-Mitarbeiter in der Region ist dem Zeugen W. bekannt gewesen, von der Personalsituation insbesondere eines Langzeitkrankenstandes im Team 00 und der Bildungskarenz höre er zum ersten Mal. Das Thema Überlastung der Teams sei genauso wie in anderen Teams ständig Gesprächsthema gewesen. Auch andere Teamleiter hätten immer wieder über zu wenig Personal und Überlastung geklagt. Auch das Protokoll über die Evaluierung psychischer Belastung am Arbeitsblatt und die darin angesprochene Belastungssituation sei ihm bekannt. Er glaube aber, dass die "Raunzerei" in der Kollegenschaft Usus gewesen sei, da diese nicht für organisatorische Änderungen bereit gewesen wären. Nach Vorhalt des Protokolls der Teamleitervernetzung aus Dezember 2013 könne er nicht mehr sagen, was unter dem Punkt Überforderung der Mitarbeiterinnen genauer besprochen worden ist. Jedenfalls sei seitens der Organisation versucht worden der Überlastung gegenzusteuern. Es seien mit Dienstanweisung Spezialisierungen eingerichtet worden, so sei ein MA für die Sozialbetrugsfälle federführend zuständig geworden. Diese Spezialisierung ist nach 2015 eingeführt worden, nach Mai 2016 habe es aufgrund der anderen Zuständigkeiten keine weiteren offenen Fälle mehr gegeben. Somit habe diese Dienstanweisung weitere Überlastung verhindert. Es sei möglich, dass es auch mit anderen Teamleitern Probleme mit der Einhaltung der Fristen gegeben habe. Was den Sondereinsatz N. im J. 2015 betrifft, würden die Ausführungen des Beschuldigten dazu so nicht stimmen, das Team hätte in diesem Zeitraum auch andere Fälle bearbeitet. Zeuge W. bestätigte über Befragen, dass dem Teamexperten Spezial die eigenverantwortliche operative Erledigung der Sozialbetrugsfälle überantwortet ist.

Vom Disziplinarsenat wird dazu festgestellt: Thema Überbelastung: Das Team 00 wies im Zeitraum 2014 und 2015 folgende Zusammensetzung, gegliedert nach Verwendungsgruppen und Funktionen auf: 2013 – Start des FinPol-Teams in der derzeitigen Organisationsform mit Juli 2013: 4 A 3/5, 3 A 2/2, 1 A 2/3), 1 A 2/6 (Teamleiter, dies ist der Beschuldigte AD B) Dieser Personalstand verringerte sich im Laufe des Jahres 2014 auf folgende einsetzbare VBÄ, gegliedert nach Verwendungsgruppen:

4 A 3/5-1 A 3/5 in Ausbildung

         -1 A 3/5 März 14/März 2015 Bildungskarenz

         -1 A 3/5 abgezogen für Sonderfall

3 A 2/2-1 A2/2 dauerkrank ab 11/14

         -1 A2/2 in Ausbildung

         -1 A2/2 beschränkt einsatzfähig ab 2013

1 A 2/3-Wechsel von einem VBÄ zum anderen VBÄ im Laufe des Jahres 2015

Somit bleiben im inkriminierten Zeitraum an tatsächlich einsatzfähigen VBÄ

1 bis 2 A 3/5

1 A 2/2

1 A 2/3, wobei der Übergang von einem A2/3 zu seinem Nachfolger suboptimal organisiert war.

Der Disziplinarsenat geht bei dieser Feststellung von den glaubwürdigen Aussagen des Beschuldigten aus. Der als Zeuge befragte ehemalige regionale Leiter der Finanzpolizei gab dazu befragt an, dass ihm die Personalsituation im Team 00 zum Teil bekannt, zum Teil nicht bekannt war. Er sagte allerdings auch nicht aus, dass diese Angaben nicht stimmen würden, weshalb der erkennende Senat in diesem Punkt den Angaben des Beschuldigten folgt, auch deshalb, da dem Erhebungsauftrag des Senates an die Geschäftsleitung der FinPol zu diesem Thema nur lückenhaft und nicht nachvollziehbar, was die Zahl der einsetzbaren VBÄ betrifft, entsprochen wurde, jedoch auch aus diesen Unterlagen hervorgeht, dass VBÄ Ist-Stand und Stand VBÄ-Leister differieren (2014 1 VBÄ, 2015 3 VBÄ). Auch die Aussage des Zeugen, des Assistenten Leistungssteuerung der Finanzpolizei, diente nicht der Aufklärung. Im Zuge der Zeugenbefragung stellte sich heraus, dass zumindest für das Team FPT 00 den Berechnungen nicht die tatsächlich einsetzbaren Mitarbeiterstände, sondern offenbar der Sollstand zugrunde gelegt wurde. Der Zeuge beantwortete eine dahingehende Frage im Zuge der mündlichen Verhandlung mit "Ja, das kann sein". Vom Disziplinarsenat wurde die Zusammensetzung des Modellteams FinPol erhoben. Das Modellteam FinPol (9+1) setzt sich zusammen aus 1 A2/6 (TL), 2 A 2/3, 3 A2/2, 4 A3/5. Das bedeutet gleichzeitig, dass schon bei der Teamzusammensetzung im Jahr 2013 die Ausstattung des Teams mit Teamexperten Spezial nicht ausreichend war. Dem wurde durch den Zugang eines weiteren MA, der als Teamexperte Spezial vorgesehen war, entgegengesteuert, infolge des Abgangs des bisherigen Teamexperten Spezial wurde die Lücke jedoch nicht geschlossen. Vom Disziplinarsenat wurde in diesem Zusammenhang die Arbeitsplatzbeschreibung des Teamexperten Spezial FinPol beigeschafft. In dieser ist geregelt: Lt. Punkt 5.2. ist Aufgabe des Teamexperten Spezial im Bereich der ordnungspolitischen Aufgaben die eigenverantwortliche Umsetzung der AuslBG, AVRAG, ASVG, AIVG, GewO, GSpG, AÜG, LSD-BG und SozBeG in Verbindung mit den bestehenden nationalen und EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzverwaltung unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Verfahrensgesetze sowie... Dafür ist ihm auch das abschließende Zeichnungsrecht eingeräumt. lt. Punkt 5.6. (Strafrechtspflege nach dem SozBeG) ist Aufgabe des Teamexperten Spezial die Durchführung von Erhebungen und Sachverhaltsermittlungen nach dem SozBeG im Auftrag der Staatsanwaltschaft sowie Erstellung des Abschlussberichts in Abstimmung mit dem regionalen Leiter und dem juristischen Dienst an Gericht/Staatsanwaltschaft sowie die Durchführung von Erhebung, Prüfung und Abschluss des Ermittlungsverfahrens in Abstimmung mit dem regionalen Leiter und dem juristischen Dienst, sowie in weiterer Folge Anzeigenlegung an Gericht/Staatsanwaltschaft bei Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen nach dem SozBeG. [....]. Somit ist in einem FinPol-Team der Teamexperten Spezial in erster Linie für die ordnungsmäßige Abwicklung der Sozialbetrugsfälle zuständig, wobei natürlich die Letztverantwortung dafür in den Aufgabenbereich eines Teamleiters fällt. Das Thema Überbelastung der FinPol-Teams war nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens – zumindest in der Region– schon seit D. 2013 ein Thema. Im Protokoll der Teamleitervernetzung vom 00.00.2013 wird unter Punkt Rückblick TL ausgeführt wird ... "Genauer erläutert wird der Punkt Überforderung der Mitarbeiter" und unter dem Punkt Fälle des BBKO "Der regionale Leiter weist darauf hin, dass auch auf Grund von Überlastungen Fälle des BBKO abgelehnt werden können." Weiters wurde eine Protokoll über die Evaluierung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz in den Teams Finanzpolizei vom 00.00.2016 vorgelegt, in dem zur belastenden Arbeitsmenge auf den Personalmangel hingewiesen wird, weil keine Nachbesetzungen erfolgen. Nicht zuletzt wurde auch in E-Mails der Geschäftsleitung bzw. des regionalen Leiter auf die Überbelastung der FinPol-Teams durch die Vielzahl der Verfahrens- und Materiengesetze hingewiesen und hat auch der regionale Leiter selbst in seiner Zeugenaussage darauf hingewiesen, dass von seiner Seite aus durch Spezialisierungen, die mittels Dienstanweisung geregelt wurden, dieser Überbelastung entgegengewirkt werden sollte, wenn er auch gleichzeitig den Eindruck erweckte, dass er das Vorbringen der Teamleiter Finanzpolizei über vorhandene Überbelastung nicht so richtig ernst genommen hat. Dieser Eindruck wird noch bestärkt dadurch, dass er es offenbar auch nicht für notwendig erachtet hat, in den ihm unterstellten Team 00 die Ursachen der vorgebrachten Überbelastung zu hinterfragen. Hätte er dies gemacht, wären ihm die Gründe für die Nichtleistungsfälle der Mitarbeiter teilweise nicht unbekannt gewesen. Selbst der Zeuge W. hat angegeben, dass auch in anderen Teams/mit anderen Teamleitern Probleme mit der Einhaltung von Fristen gab. Darauf weist auch das Protokoll über die Teamleitervernetzung vom J. 2016 hin. Der Beschuldigte AD B hat in seiner Verantwortung dargelegt, dass er lediglich durch händische Hilfsaufzeichnungen auf einem Kalender eine Übersicht über die Erledigungen seiner Mitarbeiter bzw. über die offenen Fälle gewinnen konnte. Zu diesem Punkt ersuchte der Disziplinarsenat die Leitung der FinPol um Bekanntgabe, ob in den Jahren 2014 und 2015 die Möglichkeit bestanden hat, aus dem FinPol-Online konkret die (Sozialbetrugs-) Fälle auszuwerten, die noch keiner Erledigung zugeführt waren. Nach Urgenz seitens des Disziplinarsenates wurde eine Liste "Gruppierung Region" vorgelegt, mit einer Auflistung diverser Geschäftsfälle einiger Teams, darunter auch zwei Fälle des Teams 00, ohne nähere Erläuterung, ob diese aus FinPol-Online stammt oder nicht. Der als Zeuge geladene Assistent Leistungssteuerung konnte dazu keine Angaben machen, was diese Auswertung besagen soll, woher diese Auswertung stammt und ob diese Auswertungsmöglichkeit auch im inkriminierten Zeitraum schon bestanden hat. Der Zeuge verwies außerdem darauf, dass grundsätzlich Auswertungen über den DWH-Report erfolgen, vergleichbar einer LOS-Auswertung gekoppelt mit FinPol-Online. Er konnte nicht sagen, ob dieser Auswertungsmöglichkeit auch schon 2014/2015 bestanden hat, weiters auch nicht, ob die Teamleiter Zugriff auf DWH haben. Somit kann seitens des Disziplinarsenates die Verantwortung des Beschuldigten, dass nur durch eigene händische Aufzeichnungen eine Kontrolle der Mitarbeiter möglich und ein internes Kontrollsystem nicht vorhanden war, nicht widerlegt werden. Der Disziplinarsenat stellt weiters fest, dass sämtliche verfahrensgegenständlichen Sozialbetrugsfälle seitens der FinPol abgeschlossen wurden und wie üblich 95 % - 98 % eingestellt worden sind, und durch die Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist kein Schaden für die Republik Österreich eingetreten ist. Der Senat gelangte zu dieser Feststellung aufgrund der Aussagen des Beschuldigten, während die Geschäftsleitung der Finanzpolizei die diesbezügliche Anfrage des Disziplinarsenates trotz Urgenz nicht beantwortet hat. Auch Zeuge W. vermochte dazu keine Auskunft zu geben.

Zur rechtlichen Beurteilung ist auszuführen: Gem. § 43 Abs. 1 BDG ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Er hat weiters gem. § 43 Abs. 2 BDG in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Weiters hat er gem. § 44 BDG seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen. Außerdem hat der Vorgesetzte gem. § 45 Abs. 1 BDG darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Dadurch, dass im Team von AD B Sozialbetrugsfälle nicht entsprechend den Bestimmungen der StPO, des Organisationserlasses der Finanzpolizei sowie der dazu ergangenen Amtsverfügung bearbeitet wurden, und es in seinem Verantwortungsbereich gelegen ist, für die Einhaltung der gesetzlich und erlassmäßig geregelten Vorgangsweise zu sorgen, hat er sowohl gegen § 43 Abs. 1 BDG wie auch § 44 Abs. 1 BDG verstoßen. Er hat weiters nicht ausreichend bzw. mit unzureichenden Mitteln sein Augenmerk darauf gerichtet, ob seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig erfüllen, und hat es unterlassen, seine Mitarbeiter anzuleiten, ihnen die erforderlichen Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen, somit auch die Bestimmungen des § 45 BDG verletzt. Letztendlich hat er damit aber auch gegen § 43 Abs. 2 BDG verstoßen, wonach ein Beamter in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Zur Schuldfrage ist auszuführen: Gem. § 91 BDG ist nur die schuldhafte Dienstpflichtverletzung strafbar, also die Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters. Voraussetzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit ist die Zurechnungsfähigkeit (Schuldfähigkeit) des Täters zur Zeit der Tat. Dies gilt auch für die disziplinäre Verantwortlichkeit. Umstände, die auf eine verminderte Schuldfähigkeit des Täters schließen lassen würden, sind im Zuge des Disziplinarverfahrens nicht zutage getreten. Vom Disziplinarsenat war daher in weiterer Folge zu entscheiden, ob der Beschuldigte die Dienstpflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat oder den Beschuldigten überhaupt keine Schuld im Sinne der Vorwerfbarkeit seines Verhaltens trifft. Nach sorgfältiger Würdigung der Beweisergebnisse gelangte der Disziplinarsenat zur Überzeugung, dass dem Beschuldigten die begangenen Dienstpflichtverletzungen nicht vorwerfbar sind, mit folgender Begründung: Die Finanzpolizei in ihrer gegenwärtigen und auch im Jahr 2014 und 2015 vorliegenden Organisationsform ist im Jahr 2013 begründet worden. Bereits Ende des Jahres 2013 wird seitens der Teamleiter auf die Überlastung der Mitglieder der Finanzpolizei hingewiesen. Zeuge W. kann sich nicht daran erinnern, was im D. 2013 über die Überbelastung gesprochen wurde, hat auch sehr oberflächlich in der mündlichen Verhandlung angemerkt, dass das Raunzen gleichermaßen auf der Tagesordnung stand. Andrerseits haben aber sowohl der Leiter der FinPol wie auch der regionale Leiter in zwei Mails aus dem Jahr 2016 selbst darauf Bezug genommen, als über die Evaluierung der Finanzpolizei berichtet wurde. Weiters ist bemerkenswert, dass der regionale Leiter der Finanzpolizei lt. dem bereits mehrfach zitierten Protokoll darauf verweist, dass auf Grund von Überlastung Fälle der Betrugsbekämpfungskoordinatoren der Finanzämter abgelehnt werden können. Es muss also auch dem regionalen Leiter bereits zu diesem Zeitpunkt die Überlastung der FinPol-Teams bekannt gewesen sein und diese ein Ausmaß angenommen haben, dass er den FinPol-Teamleitern eine derartige Vorgangsweise, die die Erhebungstätigkeit für die Finanzämter betraf und somit auch die Entdeckung eventueller Abgabenverkürzungen gefährdete, empfahl. Umso mehr verwundert es, dass sich der regionale Leiter als Zeuge befragt bei der mündlichen Verhandlung nicht mehr daran erinnern konnte, was unter dem Punkt "Überforderung der Mitarbeiter" bei dieser Vernetzung "genauer erläutert" wurde sowie dass er bei der mündlichen Verhandlung Hinweise auf Überbelastung, die er von den Teams/den Teamleitern erhalten hat, als "Raunzerei" bezeichnete. Wesentliche Änderungen im Aufgabenbereich bzw. der Organisation der Finanzpolizei sind offenbar trotzdem nicht bzw. erst durch eine Dienstanweisung des regionalen Leiters vermutlich (Zeugenaussage W.) im Jahr 2016 mit Festlegung von teamübergreifenden Spezialisierungen vorgenommen worden, um Überlastungen hintanzuhalten. Eine wesentliche fachliche Überforderung der Mitarbeiter, also nicht nur das Arbeitspensum betreffend, ist festzustellen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass in Protokollen des Jahres 2016 Belehrungen über die ordnungsgemäße Abwicklung von Verfahren nach dem SozBeG erteilt werden müssen, wobei zumindest in einer Protokollversion von mehr als einem Teamleiter die Rede ist. Gleichzeitig war der Beschuldigte im Bereich der Teamorganisation mit der Situation konfrontiert, dass Mitarbeiterabgänge/Mitarbeiterausfälle zu verzeichnen waren. Weiters verfügte das Team 00, trotz Bemühungen, diese Situation zu verbessern, durchgängig nur über höchstens einen einsatzfähigen/ausgebildeten Teamexperten Spezial und war damit zur Hälfte unterbesetzt. Die Versetzung des bisherigen Teamexperten Spezial ohne ausreichende Einarbeitungsphase des bzw. Übergangsphase auf den neuen Teamexperten Spezial trug ebenso dazu bei, dass der beschuldigte Teamleiter nicht mehr in der Lage war, seinen gesamten Aufgabenbereich zu überblicken und gesetzes- und weisungskonform zu handeln wie auch seine Mitarbeiter in diesem Sinne anzuleiten. Aussagekräftige Zahlen über den Arbeitsstand/Erledigungsstand der verfügbaren Mitarbeiter des Teams 00 im Vergleich zu den anderen FinPol-Teams konnten seitens des Disziplinarsenats nicht erhoben werden und sind daher auch keine objektiven, mit Zahlen untermauerte Feststellungen über den tatsächlichen Belastungsstand dieses Teams möglich. Der Disziplinarsenat hat in einem Ermittlungsauftrag sowie in einer weiteren Urgenz die Geschäftsleitung der Finanzpolizei ersucht, eine Controllingstatistik, aus der die durchschnittliche Arbeitsbelastung pro VBÄ des FPT 00 im Vergleich zu den andern Teams in der Region sowie im Vergleich zur durchschnittlichen Arbeitsbelastung pro VBÄ der gesamten Finanzpolizei bundesweit hervorgeht, vorzulegen, sowie aufgrund von Leistungskennzahlen die Erledigungszahlungen pro verfügbarem VBÄ in den verschiedenen Arbeitsbereichen, die im Controllingsystem als Kennzahlen abgebildet sind, und zwar bezogen auf das Team FPT 00 im Vergleich zu den durchschnittlichen Erledigungszahlen pro VBÄ der Finanzpolizei bundesweit, jeweils für die Jahre 2014 und 2015 darzulegen. Da die schlussendlich von der Finanzpolizei ohne nähere Erläuterung übermittelten Tabellen für den Disziplinarsenat nicht verständlich waren, wurde der Assistent Leistungssteuerung als Zeuge dazu befragt. Aufgrund der Aussage des Zeugen stellt der Disziplinarsenat fest, dass zumindest für das Team FPT 00 den ersuchten Auswertungen nicht die tatsächlich einsatzfähigen Mitarbeiterstände, sondern offenbar der Sollstand zugrunde gelegt wurden. Der Zeuge beantwortete eine dahingehende Frage im Zuge der mündlichen Verhandlung mit "Ja, das kann sein". Unter weiterer Berücksichtigung der Aussagen des Zeugen W., dass er für das Team 00 lediglich eine geringere Überbelastung als z.B. für das Team L. festgestellt habe, diese Feststellungen aber nicht mit Zahlen belegte, er aber gleichzeitig zugeben musste, dass ihm nicht alle Mitarbeiterausfälle des Teams 00 bekannt waren, gelangte der Disziplinarsenat in seiner Beweiswürdigung zur Überzeugung, dass die Verantwortung des Beschuldigten über die gesamte Personalsituation im Team und die damit einhergehende Überbelastung zutreffend ist, und dem Beschuldigten deshalb nicht mit der für die Durchführung eines Strafverfahrens erforderlichen Gewissheit ein persönliches Verschulden an den angelasteten Disziplinarvergehen nachgewiesen werden kann. Der Disziplinarsenat gelangte zur Überzeugung, dass fachliche wie auch mengenmäßige Überlastung eines Teams, die den Vorgesetzten bekannt sind, und die nicht beseitigt werden oder von der Leitung der Finanzpolizei nicht bereinigt werden können, kein persönliches Verschulden eines Organwalters im Sinne disziplinärer Vorwerfbarkeit begründen, wenn aufgrund der geschilderten Umstände Verfahrensvorschriften, Erlässe und Weisungen nicht lückenlos befolgt werden können. Daran vermag auch der Hinweis in der Disziplinaranzeige, dass die Teamleiter der Finanzpolizei immer wieder auf die Einhaltung der Dreimonatsfrist sowie auf dienstrechtliche/disziplinäre Folgen hingewiesen wurden, nichts zu ändern, beachtet man den zeitlichen Ablauf nach den von der Dienstbehörde dem Disziplinarsenat übermittelten Unterlagen: Der regionale Leiter der FinPol hat im Jahr 2016 gemeinsam mit dem Juristischen Dienst alle seine Teamleiter auf die grundsätzlichen Bestimmungen des Verfahrens nach dem SozBeG sowie zusätzlich auf dienstrechtliche/disziplinäre Konsequenzen bei weiteren Verstößen hingewiesen. Seit diesem Zeitpunkt M./J. 2016 musste es allen FinPol-Teamleitern, somit auch dem Beschuldigten, klar sein, wie die Verfahren nach den §§ 153c, d und e verfahrensrechtlich ordnungsgemäß abzuwickeln sind, ebenso wie auch die dienstrechtlichen/disziplinären Folgen bei Nichtbeachtung. Die Sozialbetrugsverfahren, die dem gegenständlichen Disziplinarverfahren zugrunde liegen, datieren jedoch sämtliche aus dem Zeitraum davor. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschuldigte gem. § 118 Abs. 1 Zif. 2 BDG freizusprechen. Zusätzlich ist darauf zu verweisen, dass, wie oben ausgeführt, der Disziplinarsenat mangels Mitwirkung der Geschäftsleitung der Finanzpolizei in diesem Punkt (dem Ermittlungsauftrag des Disziplinarsenates wurde auch nach Urgenz auch dazu nicht entsprochen) den Angaben des Beschuldigten, dass sämtliche verfahrensgegenständliche Disziplinarverfahren abgeschlossen und zum Großteil eingestellt worden sind. Somit ist auch, selbst wenn man anstatt von Schuldlosigkeit wie oben ausgeführt von einer geringen Schuld des Beschuldigten ausgehen würde, der Einstellungsgrund des § 118 Abs. 1 Z 4 BDG gegeben, da der Zeuge W. selbst ausgeführt hat, dass nach den Spezialisierungen des Jahres 2016 keine weiteren Feststellungen in Bezug auf Verletzungen der gesetzlichen/erlassmäßigen Bestimmungen betreffend Durchführung der Sozialbetrugsverfahren getroffen wurden. Deshalb wäre nach Ansicht des Disziplinarsenates auch keine Bestrafung geboten, um den Beschuldigten von der Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken. AD B ist darüber hinaus bereits seit Ende J./Mitte F. 2018, somit schon vor der Entscheidung im anhängigen Disziplinarverfahren wieder als Teamleiter des Teams FPT 00 dienstverwendet, womit die Dienstbehörde selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass keine Bestrafung erforderlich ist um ihn von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, bevor der Beschuldigte wieder als Teamleiter seines Teams FPT 00 dienstverwendet werden kann.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2018
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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