TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/2 LVwG-2018/20/1752-1

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §10
AVG §17
AVG §58 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde der AA, Z, vertreten durch BB GmbH, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15. Juni 2018, betreffend einen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in einem Verwaltungsstrafverfahren,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid aufgehoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Herr BB hat am 03.02.2018 um 03:05 Uhr mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen **** einen Verkehrsunfall mit Sachschaden auf der L ****, km **** in Fahrtrichtung X – Y (Norden) an der Kreuzung DD verursacht. Gegen ihn wurde ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen der StVO eingeleitet. Schließlich erging in dieser Angelegenheit ein Straferkenntnis vom 19.04.2018, Zl ****.

Mit Schreiben vom 14.03.2018 teilte BB der belangten Behörde mit, dass die AA die BB GmbH mit der Rechtsvertretung beauftragt habe. Es werde unter Berufung auf das erteilte Vollmachtsverhältnis um Übermittlung des Strafverwaltungsaktes zum Vorfall vom 03.02.2018; Zl ****, gebeten. Ergänzend wurde auf nachfolgende „Vollmacht“ verwiesen:

Ermächtigung

Ich ermächtige hiermit die AA auf Gegenseitigkeit, Adresse 1, Z bzw. deren Vertreter bei allen Ämtern, Behörden und Gerichten Akteneinsicht zu nehmen und alle ihr erforderlichen erscheinenden Informationen und Auskünfte einzuholen.

Diese Ermächtigung wurde von Herrn BB unterschrieben. Als Datum ist der 07.03.2018 angeführt.

Die belangte Behörde übermittelte am 15.03.2018 den „Verkehrsunfallsakt“ (die Verkehrsunfallanzeige) zu Zl **** an die BB GmbH. Gleichzeitig übermittelte sie Herrn CC zH der BB GmbH einen Bescheid vom 15.03.2018, mit dem ein Betrag in Höhe von € 50,30, davon € 14,30 Antragsgebühren und € 36,00 „Blaulichtsteuer“ vorgeschrieben wurde.

Seitens der BB wurde am 1.03.2018 die Übermittlung des Strafaktes urgiert, woraufhin seitens der Belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass diesbezüglich keine Akteneinsicht gewährt werden könne.

Mit einem Schreiben vom 19.03.2018 teilte die BB GmbH der belangten Behörde mit, dass die Vorschreibung der Gebühr betreffend der Blaulichtsteuer in den gesetzlichen Bestimmungen keine Deckung finde, da bei einem Unfall ohne Identitätsnachweis Ermittlungstätigkeiten erforderlich seien. Es wurde erneut um Einsicht in den Verwaltungsstrafakt des CC angesucht und für den Fall der Ablehnung der Akteneinsicht die Ausfertigung eines Beschlusses gefordert.

Die belangte Behörde teilte daraufhin mit Schreiben vom 21.03.2018 mit, dass die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt des CC mit der Begründung versagt werde, dass nur Parteien eines Verwaltungsstrafverfahrens sowie deren Vertreter Akteneinsicht gewährt wird. Die AA habe im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung und folglich kein Recht auf Akteneinsicht. Sofern CC die BB GmbH als rechtsfreundliche Vertretung zu einem allenfalls genau zu bezeichnenden Strafverfahren beauftragt habe, werde dem Vertreter nach Nachweis der erteilten Vollmacht Auskunft zum gegenständlichen Strafverfahren erteilt und Akteneinsicht gewährt.

Mit Email vom 25.05.2018 berief sich (der für die BB GmbH handelnde) EE neuerlich auf die von CC erteilte Ermächtigung und verwies auf den bereits am 19.03.2018 gestellten Antrag auf Akteneinsicht und bat um baldige Erledigung, da bereits 2 Monate verstrichen seien.

Mit der Email vom 06.06.2018 nahm die belangte Behörde Bezug auf den von BB GmbH gestellten Antrag und führte aus, dass keine entsprechende Bevollmächtigung durch CC vorliege und deshalb keine Akteneinsicht in den Verwaltungsstrafakt gewährt werden könne. Auch sei die rechtliche Ansicht des Beschwerdeführers nicht zutreffend, wonach die Ermächtigung zugunsten der AA auf deren berufsmäßigen Parteienvertreter übergehe, da dies keine Deckung in § 10 AVG finde. Die Diktion der unterschriebenen Vollmacht „…AA bzw. deren Vertreter…“ könne nur so verstanden werden, dass bei juristischen oder quasijuristischen Personen als taugliche Vertreter, die durch ihre Vertretung nach außen berufenen Organe gemeint seien. Aus der von CC unterschriebenen Vollmacht gehe nicht hervor, dass die AA zur Bestellung eines Untervertreters bevollmächtigt sei. Überdies habe die belangte Behörde über die Versagung der Akteneinsicht im gegenständlichen Verfahren nicht mit Bescheid abzusprechen, da es sich hierbei um eine Verfahrensanordnung handle. Gegen eine bloße Verfahrensanordnung sei das Einbringen eines Rechtsmittels nicht möglich.

Mit Schreiben vom 11.06.2018 teilte die BB GmbH der belangten Behörde mit, dass die Verweigerung der Akteneinsicht mit den gesetzlichen Bestimmungen des AVG und der ständigen Rechtsprechung im Widerspruch stehe und führte aus, dass sich nach den Bestimmungen des § 10 AVG berufsmäßige Parteienvertreter nur auf die ihnen erteilte Vollmacht berufen müssten. Ein Nachweis der erteilten Vollmacht sei nicht notwendig. Zusätzlich wurde auf die bereits im Akt liegenden erteilten schriftlichen Vollmachtserklärungen verwiesen. Weiters wurde eine Entscheidung des VwGH (VwGH 91/17/0101) angeführt, wonach die Erteilung einer Untervollmacht durch den Bevollmächtigten im Einklang mit den gesetzlichen Grundlagen stehe. Demnach wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, der rechtsfreundlichen Vertretung Akteneinsicht in den Verwaltungsstrafakt des CC zu gewähren. Zudem sei die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass es sich bei der Verweigerung der Akteneinsicht um eine Verfahrensanordnung nach § 63 Abs 2 AVG handle, falsch und widerspreche der gesicherten Rechtsprechung. Im gegenständlichen Verfahren hätte über die Versagung der Akteneinsicht ein verfahrensrechtlicher Bescheid erlassen werde müssen, welcher wiederum mit einem selbständigen Rechtsmittel bekämpft werden könne. Abschließend wurde erneut der Antrag auf Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt gestellt.

Mit einem an die BB GmbH gerichteten Email vom 15.06.2018 wurde von der belangten Behörde erneut ausgeführt, dass der BB GmbH bzw EE die Akteneinsicht versagt werde. Es wurde wiederum darauf verwiesen, dass sich aus der der Verwaltungsbehörde vorliegenden „Vollmachtsurkunde der AA“ keine Bestellungsermächtigung von Substituten ergäbe. Nur eine solche berechtige den Bevollmächtigten zur Erteilung von Untervollmachten. Auch sei Herrn CC keine Vertretung durch die BB GmbH bekannt. Er habe lediglich die ihm von seinem Versicherungsvertreter vorgelegte Vollmacht (zugunsten der AA) unterschrieben.

Mit Schreiben vom 10.07.2018 erhob der rechtsfreundliche vertretenen Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und bracht zusammengefasst vor wie folgt:

1. Die von der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin übermittelte Email sei als Bescheid zu qualifizieren, da sie über den Antrag auf Akteneinsicht abspreche und somit eine normative Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorliege. Es entspreche der gängigen Rechtsprechung, dass auch formlos ergangene und nicht als Bescheid bezeichnete Erledigungen Bescheidcharakter zuerkannt werde, sofern sie ihrem Inhalt nach über ein konkretes Rechtsverhältnis entscheide.

2.       CC sei Partei im Verwaltungsstrafverfahren und als solche stehe ihm das Recht zu, einen Vertreter in dieser Angelegenheit zu bestimmen/bevollmächtigen. AA bzw deren Vertreter sei mit der im Akt befindlichen Bevollmächtigung als Vertreter des CC bestellt worden. Diese Ermächtigung betreffe ausschließlich das Innenverhältnis zwischen der Partei des Verwaltungsstrafverfahrens und AA. Der im gegenständlichen Verfahren im Raum stehende Vorwurf eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden und Fahrerflucht sei für die bestellte Vertreterin von versicherungsrechtlicher Relevanz, da von einer Obliegenheitsverletzung ausgegangen werden könne, welche ein offenkundiges Interesse an der Akteneinsicht begründe.

3.       Die von CC erteilte Ermächtigung der AA und deren Vertreter schließe das Recht auf Akteneinsicht, welches durch die BB GmbH wahrgenommen werde, als rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin mit ein. Es sei nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Bestimmungen die belangte Behörde die Akteneinsicht versagt habe. Überdies sei die Überlegung der belangten Behörde, die Einräumung der Akteneinsicht von der Substitutionsbefugnis abhängig zu machen, völlig unerfindlich. So wie der Gewalthaber berechtigt sei, sich eines Erfüllungsgehilfen zu bedienen, sei der Gewalthaber auch berechtigt, sich eines Substituten zu bedienen. Die Substitution und Unterbevollmächtigung sei zulässig bei einer ausdrücklichen oder konkludenten Erlaubnis. Eine solche ausdrückliche oder konkludente Erlaubnis sei auch dann unbedenklich, sollte sie in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) versteckt sein, solange es für den Geschäftsherren erkennbar gewesen wäre, dass der Geschäftsbesorger zur Erledigung des Auftrages sich eines Substituten bedienen müsse. Genau dies sei in der gegenständlichen Angelegenheit der Fall. Die Behörde hätte in diesem Fall jeden Vertreter der AA Akteneinsicht gewähren müssen, ohne zu unterscheiden, ob es sich dabei um einen Angestellten der Versicherung oder um eine freiberuflich tätige Parteienvertretung handle. Die Verweigerung der Akteneinsicht durch die belangte Behörde resultiere aus einer unvertretbaren Rechtsansicht und sei schikanös und willkürlich.

Mit Schreiben vom 06.08.2018 wurde der gegenständliche Akt von der Bezirkshauptmannschaft Y mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.

II.      Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich im Wesentlichen aus dem verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ermächtigung.

III.     Rechtslage:

Maßgebliche Bestimmungen aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 idF BGBl. Nr 58/2018

Vertreter

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.

Inhalt und Form der Bescheide

§ 58. (1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

(3) Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.

IV.      Erwägungen:

1. Zur Bescheidqualität des Schreibens vom 15.06.2018:

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schreiben als Bescheid zu qualifizierten ist, muss sowohl auf das äußere Erscheinungsbild als auch auf den Inhalt Bedacht genommen werden. Zu den konstitutiven Bescheidmerkmalen zählt der Spruch, aus welchem sich eindeutig ergeben muss, dass die Behörde in einer Verwaltungssache normativ entschieden hat (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, S 260, RZ 431). Zudem muss im Bescheid angeführt werden an wen sich dieser richtet (wer Bescheidadressat ist) und welche Behörde den Bescheid erlassen hat.

Die Begründung stellt ebenso ein für den Bescheid wichtiges Qualifikationsmerkmal dar. Es ist jedoch zu bemerken, dass durch das Fehlen einer Begründung dem Bescheid nicht die normative Kraft aberkannt wird. Die unrichtige Begründung eines Bescheides, dessen Spruch rechtmäßig ist, kann diesen Bescheid nicht rechtswidrig machen (LVwG NÖ 11.08.2015, Zl LVwG-AV-811/001-2015). Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH versteht man unter Bescheid jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde „womit ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt wird, ob sie nun in Form eines Bescheides nach
§ 56 AVG ergeht oder nicht.“ Eine Rechtsmittelbelehrung muss gemäß § 58 Abs 1 AVG in jedem Bescheid enthalten sein. Fehlt diese wird der Bescheidcharakter der behördlichen Erledigung nicht berührt; (VwGH 23.10.1996, 96/03/0257). Die rechtliche Konsequenz, die eine fehlende Rechtsmittelbelehrung nach sich zieht, sind im AVG selbst festgelegt. So gilt ein Rechtmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben wurde, obwohl der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung aufweist, die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zugelassen ist oder in der Belehrung eine kurze oder keine Rechtsmittelfrist angeführt wird.

Das Schreiben der Behörde (Email) vom 15.06.2018 ist an die BB GmbH gerichtet. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Da sich EE bei seinem Einschreiten auf die ihm (bzw der BB GmbH) von der AA erteilte Vollmacht berief, ist das Schreiben der Behörde als eines anzusehen, das an ihn (bzw an die GmbH) in seiner Eigenschaft als Vertreter der AA ergangen ist.

Inhaltlich wird in diese Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass eine Akteneinsicht durch ihn nicht in Betracht komme, da die erteilte Vollmacht (die Ermächtigung) keine Substitutionsbefugnis beinhalte und eine direkte Bevollmächtigung der BB GmbH durch Herrn CC nicht erfolgt sei.

Entscheidend ist, dass in dem von der belangten Behörde stammenden Schreiben mit hinreichender Deutlichkeit deren Rechtsansicht zum Ausdruck kommt, dass der vom Versicherungsunternehmen beauftragten BB GmbH (und somit auch EE) kein Recht auf Akteneinsicht zukomme und daher dem Ersuchen auf Akteneinsicht nicht entsprochen werde. Damit bringt die Verwaltungsbehörde jedenfalls ein hoheitliches Wollen zum Ausdruck, insbesondere schon deshalb, weil sich das Schreiben eindeutig auf ein konkretes Begehren auf Akteneinsicht zugunsten des Versicherungsunternehmens bezieht. Dem formlosen Email der belangten Behörde vom 15.06.2018 an die rechtsfreundliche Vertretung ist somit Bescheidcharakter zuzuerkennen. Es wurde über einen Antrag inhaltlich entschieden. Somit liegt eine normative Entscheidung vor (vgl. VwGH 30.04.2013, Zl 2012/05/0110).

Der Ansicht der belangten Behörde, wonach es sich bei der Email um keinen Bescheid sondern um eine verfahrensrechtliche Anordnung handeln würde, muss entgegengehalten werden, dass die Verweigerung der von einer an einem bestimmten Verwaltungsverfahren nicht als Partei beteiligten Person verlangten Akteneinsicht keine bloß das Verfahren regelnde Anordnung nach § 63 Abs 2 AVG darstellt, sondern einen selbständigen bescheidmäßigen Abspruch über ein Sachbegehren, der nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges einer Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist (vgl die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E 51 ff zu § 17 AVG, wiedergegebene Judikatur, sowie VwGH 06.05.1981, Zl 81/03/0049).

2. Zur Akteneinsicht als Recht der Partei:

Nach § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Frage, ob jemandem Parteistellung in einem bestimmten Verfahren zukommt, primär nach Maßgabe des anzuwendenden Materiengesetzes, in Ermangelung entsprechender Regelungen nach den Grundsätzen des § 8 AVG zu beurteilen. Als Partei im Sinn des § 8 AVG ist demnach derjenige anzusehen, dessen Rechtssphäre durch die zu treffende Maßnahme unmittelbar berührt wird, wobei Parteistellung auch derjenige genießt, dem das materielle Recht keine Berechtigungen einräumt, sondern Verpflichtungen auferlegt. Maßgebend für die Parteistellung ist, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift, und weiters, dass darin eine unmittelbare, nicht bloß mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl VwGH vom 27.11.2014, 2013/03/0015, mwN).

Mit der Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ist das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG verbunden. Dabei handelt es sich um ein subjektives prozessuales Recht, welches aufgrund eines Antrags durch eine Partei des Verfahrens wahrgenommen werden kann (Hengestschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, S 112, RZ 148f).

Die AA ist weder Beschuldigte im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren, auch nicht Privatanklägerin noch Eigentümerin eines vom Verfall bedrohten Gegenstandes. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt der Beschwerdeführerin keine Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren gegen CC zu. Entscheidend ist, wer Partei dieses Verfahrens und nicht eines anderen Verfahrens ist. Die fehlende Parteistellung der Versicherungsgesellschaft zieht nach sich, dass ihr (unter diesem Titel) kein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht. Es mag zwar durchaus zutreffen, dass ein Versicherungsunternehmen etwa zur Geltendmachung von Regressansprüchen im Zusammenhang mit Obliegenheitsverletzungen ein Interesse am Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens hat und deshalb eine Einsicht in den Verwaltungsstrafakt anstrebt. Bloß faktische oder wirtschaftliche Interessen, die durch die Rechtsordnung nicht speziell berücksichtigt werden, vermögen jedoch eine Parteistellung genausowenig zu begründen wie öffentliche Interessen (VwGH 30.09.1992, 89/03/0224).

3. Zur Frage der Bevollmächtigung/Ermächtigung:

Gemäß § 10 Abs 1 AVG können sich Beteiligte u.a. durch juristische Personen vertreten lassen. Das Vollmachtsverhältnis kommt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Machtgebers gegenüber dem Vertreter zustande. Die Bestellung eines Versicherungsunternehmens zur umfassenden Vertretung in einem Verwaltungs(straf)verfahren wäre aus berufsrechtlichen Gründen unzulässig. Allerdings ist eine Bevollmächtigung eines Versicherungsunternehmens (des Haftpflichtversicherers) zur Vornahme einer Akteneinsicht durch einen Versicherungsnehmer, gegen den ein Verwaltungs(straf-)verfahren geführt wird (wurde), grundsätzlich zulässig (vgl VwGH 30.01.1979, 1585/77).

Herr CC hat der AA eine Ermächtigung erteilt, welche sich auf den (einen) „Unfall/Vorfall vom 03.02.2018“ bezieht und die Akteneinsicht durch die AA bzw „deren Vertreter“ bei allen Ämtern, Behörden und Gerichten umfasst.

Dass, wie die Verwaltungsbehörde zum Ausdruck bringt, mit „deren Vertreter“ lediglich organschaftlich bestellte Vertreter der Versicherungsgesellschaft gemeint wären, ist für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Die Auslegung der Verwaltungsbehörde würde nämlich bedeuten, dass lediglich die nach außen hin Vertretungsbefugten, somit die Vorstände, zur Akteneinsicht bei Behörden oder bei Gericht berechtigt wären und nicht etwa die mit der Sachbearbeitung befassten Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens. Die Formulierung „deren Vertreter“ umfasst nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch die gewillkürten Vertreter des Versicherungsunternehmens, somit auch die vom Versicherungsunternehmen bestellten berufsmäßigen Parteienvertreter.

Die BB GmbH wurde von der AA als rechtsfreundliche Vertretung bestellt. Bei seinem Einschreiten hat sich EE auf die ihm von der AA erteilte Vollmacht berufen. Gemäß § 10 Abs 1 letzter Satz AVG, welche Bestimmung gemäß § 24 VStG auch in einem Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, ersetzt die Berufung auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Die von der AA beauftragte BB GmbH (bzw der für sie handelnde EE) ist daher auf Grund dessen sowie auf der Grundlage der von Herrn CC erteilten Ermächtigung durchaus berechtigt, für das Versicherungsunternehmen Akteneinsicht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall bezieht sich die Ermächtigung auf den „Unfall/Vorfall vom 03.02.2018“. Auch wenn der Unfall/Vorfall über die Datumsangabe hinaus nicht näher determiniert wurde, liegt nahe, dass sich die Ermächtigung auf jenen Verkehrsunfall mit Sachschaden bezieht, den der Beschwerdeführer als Lenker eines Kraftfahrzeuges am 03.02.2018 um 03.05 auf der L **** bei km **** verursacht hat. Die Ermächtigung stellt sich somit als vorfallsbezogene Generalermächtigung dar (zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Generalvollmachten vgl VwGH vom VwGH 18.04.2013, 2012/21/0260, uHa 19.02.2009, 2006/01/0453). Sie versetzt das Versicherungsunternehmen in die Lage, in behördliche und gerichtliche Verfahren, die Herrn CC als deren Versicherungsnehmer betreffen und mit dem erwähnten Verkehrsunfall in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, Akteneinsicht zu nehmen. Im Falle einer Vollmachtserteilung an einen (Rechts-)vertreter erstreckt sich diese Ermächtigung auch auf diesen gewillkürten Vertreter.

Indem EE für die vom Versicherungsunternehmen bevollmächtigte BB GmbH im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren, in welchem Herr CC wegen des Verdachts der Begehung von Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der ursächlichen Beteiligung an einem Verkehrsunfall vom 03.02.2018 verfolgt wurde, auf diese Ermächtigung verwies, wurde die Ermächtigung zur Akteneinsicht in diesem Verwaltungsstrafverfahren rechtswirksam. Die Akteneinsicht wäre daher zu gewähren gewesen.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 30.04.2013, Zl 2012/05/0110; 18.04.2013, 2012/21/0260, uHa 19.02.2009, 2006/01/0453). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Akteneinsicht; Ermächtigung; Generalermächtigung; Vollmacht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.20.1752.1

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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