Entscheidungsdatum
22.03.2018Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2006 §139 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Auprich, den Richter Dr. Hanel und die Richterin Mag. Schnabl gemäß § 5 ff Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz – StVergRG, betreffend das Vergabeverfahren „BA XX-XX Kaskadenwehre und maschinelle Ausrüstung, Stahlwasserbau“, durchgeführt von der B G, aa GmbH, D-Platz, G, vertreten durch M & N, Rechtsanwälte GmbH in G, H, über den Antrag der O-P Straßen- und Tiefbau GmbH, D-C, K, vertreten durch Q R & Partner, Rechtsanwälte GmbH in W, S,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin vom 16.01.2018, die Ausschreibung zu widerrufen, wird
a b g e w i e s e n.
II. Die weiteren Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf Akteneinsicht in den Vergabeakt sowie die Auftraggeberin zu verpflichten, die von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen, werden
a b g e w i e s e n .
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorbringen und Sachverhalt:
Die Auftraggeberin, die Stadt G, vertreten durch die B G, aa GmbH – kommunale Dienstleistungen GmbH, führt seit 2017 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich im offenen Verfahren durch. Auftragsgegenstand ist die Errichtung von Kaskadenwehren und Bodenklappen samt technischer Ausrüstung für das neue W, G.
Im Zuge dieses Verfahrens legten lediglich zwei Bieter Angebote, nämlich die Antragstellerin und die A Technik GmbH & Co KG. Am 03.10.2017 erließ schließlich die Auftraggeberin eine Zuschlagsentscheidung zugunsten der A Technik GmbH & Co KG mit einer Nettoangebotssumme von € 1.536.646,00.
Diese Zuschlagsentscheidung wurde von der Antragstellerin beim Landesverwaltungsgericht Steiermark bekämpft und führte dieses in weiterer Folge ein Nachprüfungsverfahren durch, wo in der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2017 dem Antrag der O-P Straßen- und Tiefbau GmbH Folge gegeben wurde und die Zuschlagsentscheidung zugunsten A Technik GmbH & Co KG für nichtig erklärt wurde.
Mit Erkenntnis vom 20.03.2018, GZ: LVwG 443.7-2737/2017-44, wurde das am 19.12.2017 mündlich verkündete Erkenntnis schriftlich ausgefertigt und darin im Wesentlichen festgehalten, dass die Preisgestaltung der präsumtiven Bestbieterin A Technik GmbH & Co KG betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar war, insbesondere, dass die Kalkulation mangelhaft und falsch war.
Das mündlich verkündete Erkenntnis veranlasste offensichtlich die Auftraggeberin, das Angebot der A Technik GmbH & Co KG auszuscheiden.
Die Ausscheidensentscheidung erfolgte mit Mitteilung der Auftraggeberin an die A Technik GmbH & Co KG vom 17.01.2018. Diese Ausscheidensentscheidung wurde mit Nachprüfungsantrag der A Technik GmbH & Co KG beim Landesverwaltungsgericht Steiermark bekämpft und von diesem schließlich mit Erkenntnis vom 22.03.2018, GZ: LVwG 443.7-280/2018-8 und LVwG 443.7-286/2018-8, abgewiesen.
Im hier relevanten Nachprüfungsantrag bekämpft die Antragstellerin die gesondert anfechtbare Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin, wonach die gegenständliche Ausschreibung „BA XX-XX Kaskadenwehre und maschinelle Ausrüstung, Stahlwasserbau (Los Y)“ widerrufen werden soll. Die Auftraggeberin hat diese Widerrufsentscheidung der Antragstellerin am 16.01.2018 elektronisch zugestellt.
Im Nachprüfungsantrag referiert die Antragstellerin unter Punkt 4. – Sachverhalt und Interesse am Vertragsabschluss – über das bisherige Vergabeverfahren sowie das Nachprüfungsverfahren samt mündlicher Verhandlung vom 19.12.2017. In dieser Verhandlung habe das Landesverwaltungsgericht Steiermark ihre Entscheidung mündlich verkündet und die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der
A Technik GmbH & Co KG für nichtig erklärt und damit begründet, dass deren Kalkulation in mehreren Punkten fehlerhaft gewesen sei.
Aufgrund dieser Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes hätte die Auftraggeberin der Antragstellerin als verbliebene Bestbieterin den Zuschlag erteilen müssen. Sie habe dies aber nicht getan und nicht einmal die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses abgewartet, sondern im Gegenteil, sie zweimal in einer „mehr als nur bedenklichen Weise“ aufgefordert, ihr Angebot „anzupassen“ und zum unauskömmlichen Preis der A Technik GmbH & Co KG anzubieten.
Die Antragstellerin zitiert in weiterer Folge zwei Telefonnotizen über stattgefundene Gespräche zwischen der Auftraggeberin und der Antragstellerin, aus denen mehr oder weniger hervorgeht, dass die Antragstellerin nicht bereit war, zum Preis der ausgeschiedenen Bieterin A Technik GmbH & Co KG anzubieten.
Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin vom 16.08.2018 bringt die Antragstellerin zusammenfassend vor, die Auftraggeberin könne sich aufgrund des bisherigen Geschehens nur auf den Widerrufsgrund des
§ 139 Abs 2 Z 2 BVergG berufen, denn es seien im Vergabeverfahren zwei Angebote eingelangt und schließlich aufgrund der Ausscheidung des Angebotes der A Technik GmbH & Co KG nur ein Angebot verblieben.
Die Antragstellerin bringt vor, bei der Ausübung des Widerrufsrechtes sei der Auftraggeberin ein Ermessensspielraum eingeräumt, der aber nicht unsachlich ausgeübt werden dürfe. Dies geschehe nämlich dann, wenn der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden hätte und die eingelangten Angebote es dem Auftraggeber ermöglicht hätten, sie miteinander zu vergleichen und das günstigste auszuwählen.
Der Umstand, dass die übrigen Angebote – etwa aus formalen Gründen – auszuscheiden gewesen wären, ändere nichts an der Tatsache, dass das beste Angebot aus einem echten Wettbewerb hervorgegangen sei und die Ausschreibung somit ihr Ziel erreicht habe. In einem solchen Fall gäbe es keinen sachlichen Grund, die Ausschreibung zu widerrufen. Schließlich bringt die Antragstellerin vor, ihr Angebot liege laut Vergabeakt jedenfalls im Rahmen der Kostenschätzung der Auftraggeberin und entspreche den marktüblichen Preisen, weshalb es für die Auftraggeberin geboten sei, ihr den Zuschlag zu erteilen. Ein weiterer sachlicher Grund, der einen Widerruf rechtfertigen könnte, liege nicht vor.
Die Antragstellerin untermauert ihre Argumentation unter Zitierung eines Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 05.08.2014,
GZ: LVwG-2014/S3/17716-6. Die Auftraggeberin replizierte auf den Nachprüfungsantrag mit Schriftsatz vom 08.02.2018, wo sie vorweg zwar einräumt, dass es Telefonate zwischen ihr und der Antragstellerin gegeben habe, deren Inhalt jedoch von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag verzerrt dargestellt worden wären.
Zum fakultativen Widerrufsgrund nach § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 bringt die Auftraggeberin wie folgt vor:
„Zum fakultativen Widerrufsgrund nach § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006
§ 139 Abs 2 BVergG lautet:
„Ein Vergabeverfahren kann widerrufen werden, wenn
1. nur ein Angebot eingelangt ist, oder
2. nach dem Ausscheiden von Angeboten gemäß § 129 nur ein Angebot bleibt, oder
3. dafür sachliche Gründe bestehen“ (Unterstreichung durch Verfasser)
Die Antragstellerin gibt in Ihrem Nachprüfungsantrag aber nur die Zahlen 1 und 2 dieses Absatzes wieder. So entsteht der von der Antragstellerin wohl nicht ganz unerwünschte (und teilweise auch in der Literatur erweckte) Eindruck, dass der der gesamte Abs 2 des § 139 BVergG nur Fälle behandelt, in denen letztlich nur ein Angebot zuschlagsfähig ist.
Tatsächlich kann aber aus den „sachlichen Gründen“ der Z 3 ein Vergabeverfahren sogar widerrufen werden, wenn noch mehrere zuschlagsfähige Angebote im Verfahren verblieben sind2.
Das bedeutet aber, dass die Widerrufsgründe der Z 1 und 2 keineswegs nur „Konkretisierungen“ der Z 3 darstellen. Sie sind vielmehr schon für sich allein sachliche Gründe, ein Verfahren zu widerrufen. Einer weiteren Begründung für den Widerruf bedarf es bei Vorliegen dieser Gründe nicht. Es ist eben kein wünschenswerter Zustand für einen Auftraggeber, wenn er nur ein einziges Angebot beurteilen kann und damit kein echter Wettbewerb unter verschiedenen Bietern stattgefunden hat.
Wir verkennen nicht, dass eine „Kann-Bestimmung“ wie der § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 immer nur im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens herangezogen werden kann. Genau darauf zielt auch die von der Antragstellerin zitierte Judikatur ab: Die Abs 2 Z 1 und 2 des § 139 BVergG 2006 stellen zwar für sich schon die Begründung für den Widerruf dar; sie können aber natürlich nicht als Rechtfertigung für einen tatsächlich willkürlichen Widerruf herangezogen werden. Wir werden im Folgenden darstellen, dass wir den Widerrufsgrund keineswegs willkürlich und sehr wohl aus guten Gründen in Anspruch genommen haben.
Auch nach der Judikatur des EuGH3, besteht keine Verpflichtung, den Auftrag zu erteilen, wenn nur ein einziges Unternehmen die erforderliche Eignung besitzt. So ist auch die dem Auftraggeber durch § 139 Abs 2 BVergG 2006 verliehene Befugnis, auf die Vergabe des Auftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, zu verzichten oder das Vergabeverfahren von neuem einzuleiten, nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder außergewöhnlicher Umstände abhängig. An die fakultativen Widerrufsgründe ist „kein strenger Maßstab anzulegen“4. Schon nach den Gesetzesmaterialien reicht es aus, dass kein oder nur ein Teilnahmeantrag einlangt, sich die Bieteranzahl während der Angebotsfrist wesentlich verändert oder generell überhöhte Preise vorliegen oder der AG annimmt, dass die Preise nicht die korrekten Marktpreise widerspiegeln – letzter Gründe selbst dann, wenn mehrere Angebote vorliegen.
Unter Berücksichtigung des Gesetzestextes und der Judikatur des EuGH ist die Widerrufsentscheidung im gegenständlichen Vergabeverfahren jedenfalls rechtens erfolgt: Zwar sind beide Bieter des Vergabeverfahrens zur Leistungserbringung geeignet, die festgestellte nicht plausible Kalkulation des Angebotspreises der A Technik hatte jedoch zwingend ihr Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren zur Folge, sodass letztlich nur noch das Angebot der Antragstellerin im Vergabeverfahren verblieb.
Der Umstand, dass nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens A Technik zwingend auszuscheiden war und daher nur die Antragstellerin im Vergabeverfahren verblieb, stellt daher für sich einen sachlichen Grund dar, das Vergabeverfahren nach § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 zu widerrufen.
Demgegenüber verkennt die Antragstellerin die Judikatur und stützt ihre Rechtsansicht hauptsächlich auf ein Erkenntnis des LVwG Tirol, das einen völlig anderen Sachverhalt zu beurteilen hatte als den gegenständlichen.
3. Zum zitierten Erkenntnis des LVwG Tirol
Die von der Antragstellerin zitierte Judikatur des LVwG Tirol vom 05.08.2014, LVwG-2014/S3/1771-6, trägt die Rechtsansicht der Antragstellerin nicht. Der zitierten Entscheidung lag ein völlig anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde. Daher kann auch die in diesem Erkenntnis vom LVwG Tirol vertretene Rechtsansicht nicht auf das gegenständliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Dies aus folgenden Gründen:
a) Nach dem zitierten Erkenntnis wurde zunächst Technik gegen die Zuschlagsentscheidung des AG ein Nachprüfungsantrag eingebracht. Daraufhin nahm der AG die Zuschlagsentscheidung zurück, prüfte alle vier eingelangten Angebote vertieft und schied sodann alle Angebote mit Ausnahme des Angebots des Antragstellers im Nachprüfungsverfahren aus formalen Gründen aus. Die vertiefte Prüfung der Angebote nach Zurücknahme der Zuschlagsentscheidung durch den Auftraggeber erfolgte offensichtlich ausschließlich zu dem Zweck, unbehebbare Mängel in den Angeboten aufzudecken um diese sodann ausscheiden zu können und in der Folge das Vergabeverfahren widerrufen zu können – was der Entscheidung des dortigen Auftraggebers wohl tatsächlich einen willkürlichen Anschein gegeben hat.
b) Weiters stützt das LVwG Tirol in der zitierten Entscheidung seine Rechtsansicht auf den Umstand, dass der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden habe, weil die Angebote miteinander verglichen werden konnten und das günstigste Angebot ausgewählt werden konnte. Zu dieser Auffassung konnte das LVwG Tirol jedoch nur deshalb gelangen, weil die Angebote lediglich aufgrund formaler Mängel (Nichtbekanntgabe von Subunternehmen, zu hoher Subunternehmeranteil) ausgeschieden wurden und sich daher bei erfolgreicher Behebung der Mängel am Ergebnis des günstigsten Angebots nichts geändert hätte.
Das LVwG Tirol zu LVwG-2014/S3/1771-6 wörtlich:
„Hintergrund dieser Regelung ist das dem BVerG innewohnende Wettbewerbsprinzip (§ 19 Abs 1 BVergG 2006), das es dem Auftraggeber ermöglichen soll, verschiedene Angebote miteinander zu vergleichen und aufgrund objektiver Kriterien das günstigste Angebot zu wählen. Bleibt nach Abschluss eines Vergabeverfahrens hingegen nur ein einziges Angebot übrig, so ist der Auftraggeber nicht in der Lage, Preise oder die übrigen Merkmale verschiedener Angebote miteinander zu vergleichen und auf diese Weise das beste Angebot zu ermitteln. Demnach ist der Auftraggeber nach der Judikatur des EuGH nicht verpflichtet, den Auftrag dem einzigen Bieter zu erteilen, der für geeignet gehalten wurde, an der Ausschreibung teilzunehmen. en keinem echten Bieterwettstreit ausgesetzt war.“
und:
„Grund der Regelung ist, dass ein Vergabeverfahren nach Möglichkeit in einem breiten Bieterwettbewerb ablaufen soll. Liegt nur ein zuschlagsfähiges Angebot vor, so fand ein solcher Wettbewerb regelmäßig nicht statt. Gegenständlich war es so, dass nach dem Ausscheiden der Angebote zwar nur ein Angebot übrig blieb, welches aber dennoch in einem breiten Bieterwettbewerb ermittelt werden konnte (Unterstreichung durch Verfasser)
4. Für den gegenständlichen Sachverhalt bedeutet das:
Im vorliegenden Erkenntnis hingegen war das Ausscheiden des Angebotes A Technik aufgrund des Erkenntnisses des LVwG Steiermark geboten. Anders als in der zitierten Entscheidung des LVwG Tirol erfolgte das Ausscheiden des Angebots der A Technik nicht in der Absicht, nur ein Angebot im Vergabeverfahren zu belassen um das Verfahren dann widerrufen zu können. Vielmehr mussten wir im Gerichtsverfahren vor dem LVwG Steiermark zur Kenntnis nehmen, dass die Kalkulation der A Technik so mangelhaft war, dass der Gesamtpreis für den Gerichts-SV nicht mehr plausibel war.
Der Umstand, dass nur das Angebot der Antragstellerin im Vergabeverfahren verblieb, ist – anders als im Verfahren vor dem LVwG-Tirol – nicht darauf zurückzuführen, dass wir drei von vier Angeboten aus formalen Gründen ausgeschieden hätten, sondern das überhaupt nur zwei Angebote eingelangt waren und wir ein Angebot aufgrund des Erkenntnisses des LVwG Steiermark Wohl oder Übel wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises ausscheiden mussten.
Es ist schon bezeichnend, dass die Antragstellerin nun geradezu betont, dass das Angebot der HAST nur aus „formalen“ Gründen ausgeschieden wurde. Die Antragstellerin möchte sich auf diesem Weg wohl doch noch auf das Urteil des LVwG Tirol stützen können. Freilich ist genau das Gegenteil der Fall: Das Angebot der A Technik hat kalkulatorische – also rein inhaltliche und keineswegs formale – Mängel aufgewiesen, die für den vom Gericht bestellten SV DI Z eine Beurteilung der Preisangemessenheit unmöglich gemacht haben. Ein „formaler“ Mangel (wie das Fehlen eines Nachweises) ist doch etwas völlig anderes, als ein in der Kalkulation der Leistung selbst liegender Mangel!
Gerade der vom LVwG Tirol angesprochene „breite Bieterwettbewerb“ hat hier also nicht stattgefunden. Das Angebot der A Technik wurde wegen Unangemessenheit des Preises (nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises) ausgeschieden, da der Preis aus der Kalkulation lt. SV DI Z nicht erklärbar war. Dies ist aber keine bloße Formalität, sondern verhindert die Vergleichbarkeit der Angebote gerade im wesentlichen Zuschlagskriterium „Preis“, das mit 93 % gewichtet ist. Damit blieb nach dem Ausscheiden des Angebotes der A Technik nur das Angebot der Antragstellerin übrig, dessen Preis tatsächlich beurteilt werden konnte.
Der Preis im Angebot der Antragstellerin steht nur einem einzigen anderen Preis gegenüber, der aber wegen der vom SV DI Z festgestellten Nicht-Nachvollziehbarkeit der Kalkulation als Vergleichswert nicht herangezogen werden kann.
Andererseits bedeutet das aber auch: Bei der Legung eines überprüfbaren Angebots durch die A Technik könnte sich das Verfahrensergebnis gegenüber dem derzeitigen Verfahrensstand (ein verbliebenes Angebot der Antragstellerin zu € 2.085.062,66) grundlegend ändern und die gegenständliche Leistung vermutlich bedeutend günstiger vergeben werden. Wir wissen ja aus den Ergebnissen der vorliegenden Angebote doch, dass der Preisvorteil des Angebotes der A Technik zu einem Gutteil aus Positionen entspringt, die mit der vom Gerichts-SV monierten mangelnden Nachvollziehbarkeit der Kalkulationsblätter nur wenig zu tun haben.
Der Widerruf des Vergabeverfahrens und die damit verbundene Durchführung eines neuerlichen Vergabeverfahrens könnte daher zu einem wesentlich besseren Ergebnis führen.
Diese dargelegten Umstände sind alles andere als „willkürlich“ – sie stellen vielmehr einen sachlichen Grund für den Widerruf des Vergabeverfahrens dar.
Würde man schon dann von der „Willkür“ des Widerrufs ausgehen, wenn nur mehrere Angebote eingelangt sind, obwohl diese nicht valide miteinander verglichen werden konnten, so wäre der gesetzlich vorgesehene fakultative Widerrufsgrund nach § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 faktisch als obsolet zu betrachten. Eine solche Auslegung des § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 würde nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers klar widersprechen.“
II. Rechtliche Beurteilung:
Allgemeines:
Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt den materiellen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 sowie in verfahrensrechtlicher Hinsicht dem Steiermärkischen Vergabe-Rechtschutzgesetz.
Da es sich um ein Verfahren im Oberschwellenbereich handelt, ist gemäß
§ 3 Abs 2 StVergRG der im Spruch des Erkenntnisses genannte Senat des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark zur Entscheidung berufen. Bekämpft wurde die Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin vom 16.01.2018. Der Antrag wurde rechtzeitig beim zuständigen Landesverwaltungsgericht Steiermark eingebracht und ordnungsgemäß vergebührt. Ungeachtet des Antrages der Antragstellerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, denn die Akten lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt. Der Sachverhalt ist hinreichend klar und wurden durch die Antragstellerin keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. hiezu VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).
Im vorliegenden Fall nahm die Auftraggeberin für den Widerruf die Bestimmung des § 139 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 für sich in Anspruch, da nach dem Ausscheiden der präsumtiven Bestbieterin A Technik GmbH & Co KG lediglich ein Angebot, nämlich das der Antragstellerin, im Verfahren übrigblieb. Wie die Auftraggeberin in ihrer Replik richtig feststellt, handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine „Kann-Bestimmung“, die denjenigen, der sie für sich in Anspruch nimmt, verpflichtet, sein Ermessen sachlich zu begründen und nicht willkürlich ein Vergabeverfahren zu widerrufen.
Der Auftraggeberin ist zuzustimmen, wenn sie vorbringt, dass sie nicht verpflichtet sei, dem einzigen im Verfahren übriggebliebenen Unternehmen den Zuschlag zu erteilen. Die Auftraggeberin führt – im Ergebnis rechtsrichtig – ins Treffen, im vorliegenden Fall habe kein Wettbewerb im Geiste des Bundesvergabegesetzes stattgefunden, denn einerseits wären nur zwei Angebote gelegt worden, andererseits eines wegen mangelnder Preisplausibilität und schwerer Kalkulationsfehler zu Recht ausgeschieden worden.
Von einem von der Antragstellerin unter Zitierung eines Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol stattgefundenen „breiten Bieterwettbewerb“ kann – wie die Auftraggeberin richtig ausführt – keine Rede gewesen sein und wurde tatsächlich das Angebot der präsumtiven Bestbieterin A Technik GmbH & Co KG nicht aus formalen Gründen, sondern wegen – wie bereits erwähnt – schwerer Kalkulationsmängel und nicht nachvollziehbarer Preisgestaltung zu Recht ausgeschieden.
Die Auftraggeberin stellt schließlich nachvollziehbar dar, dass sie nicht aus bloßer Willkür das Vergabeverfahren widerrufen hat, sondern eine neuerliche Durchführung eines solchen durchaus zu einem wesentlich besseren Ergebnis führen kann.
Zusammenfassend erschien der Widerruf im Sinne des Bundesvergabegesetzes durchaus nachvollziehbar und im Ergebnis berechtigt und war daher der Nachprüfungsantrag der O-P Straßen- und Tiefbau GmbH demgemäß abzuweisen.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Vergabeverfahren, Widerruf, Kann-Bestimmung, Ermessen, Nachvollziehbarkeit, Ausscheiden, PreiskalkulationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.443.7.255.2018Zuletzt aktualisiert am
17.10.2018