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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Leonding, vertreten durch Dr. Friedrich und Mag. Dr. Wolfgang Fromherz und Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. April 1999, Zl. BauR-012357/1-1999-Gr/Vi, betreffend Erteilung eines Bauauftrages nach § 49 O.ö. Bauordnung 1994 (mitbeteiligte Partei:
Ing. Johann Hackl in Leonding, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr, Dr. Michael Krüger, Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Rechtsanwälte in Linz, Marienstraße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 6. November 1998 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 49 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66 in der geltenden Fassung, aufgetragen, "die bewilligungslos errichteten Folientunnel auf den Grundstücken Nr. 65 und 66, KG Rufling, welche im beiliegenden Auszug aus dem im Stadtamt aufliegenden Erhebungsplan mit der Nr. VIII/1, VIII/2, VIII/3, VIII/4 und VIII/5 bezeichnet wurden, binnen einer Frist von acht Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zu beseitigen". Die Feststellungen der Baubehörde wurden aufgrund eines Ortsaugenscheines vom 16. April 1998, zu welchem der Mitbeteiligte mit der ihm am 6. April 1998 zugestellten Verständigung geladen worden war, getroffen. In der Begründung des vorzitierten Bescheides ging die Baubehörde erster Instanz davon aus, dass die Folientunnels der baurechtlichen Bewilligungspflicht unterlägen und die Grundstücke, auf welchen diese Tunnels errichtet worden sind, im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Leonding als "reines Wohngebiet" ausgewiesen seien. Die Folientunnels lägen teilweise bzw. zur Gänze außerhalb der bebaubaren Fläche des rechtswirksamen Bebauungsplanes Nr. 46 bzw. 46.20. Nach der maßgeblichen Rechtslage (Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) könne eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 25. Februar 1999 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten keine Folge gegeben und als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 58, 54, 26, 1, 49 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998, §§ 24 und 49 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle 1998 angegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, dass das "Entfernungsverfahren" noch vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1998 eingeleitet und daher nach den Bestimmungen der O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle 1998 abzuführen sei. Zur Beurteilung der Konsenslosigkeit der gegenständlichen baulichen Anlagen im Zeitpunkt der Erlassung des Entfernungsauftrages sei jedoch die O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998 heranzuziehen, auch wenn sich der Entfernungsauftrag der Baubehörde erster Instanz auf § 49 O.ö. Bauordnung 1994 vor der Novelle 1998 stütze. Gemäß § 26 Z. 10 der O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998 handle es sich bei den Folientunnels um anzeige- bzw. bewilligungsfreie bauliche Anlagen. Aufgrund des Wegfalls der Baubewilligungspflicht könne sich daher ein Entfernungsauftrag nunmehr nicht auf die Bestimmung des § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 stützen, vielmehr gründe sich dieser Entfernungsauftrag auf Abs. 6 dieser Gesetzesstelle. Gemäß § 22 Abs. 1 des
O.ö. Raumordnungsgesetzes 1994 dürften in reinen Wohngebieten neben Wohngebäuden nur solche in Wohngebieten zulässige Bauten und sonstige Anlagen errichtet werden, die dazu dienen, den täglichen Bedarf der Bewohner zu decken; diese Eigenschaften träfen aber auf die zu entfernenden Folientunnels nicht zu. Die Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Anlagen sei demnach aus widmungsrechtlichen Überlegungen nicht gegeben. An der Unvereinbarkeit mit dem Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplänen habe sich seit der Bauordnungsnovelle 1998 und dem damit verbundenen Wegfall der Bewilligungspflicht nichts geändert, weshalb die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes im Sinne des § 49 Abs. 6
O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998 nur in der Entfernung der gegenständlichen Folientunnels bestehen könne.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der
O.ö. Landesregierung vom 28. April 1999 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Mitbeteiligten mit der Feststellung Folge gegeben, dass er durch den genannten Bescheid in seinen Rechten verletzt wird. Die Baubehörde erster Instanz habe noch vor Inkrafttreten der O.ö. Bauordnungsnovelle 1998 den auf § 49 Abs. 1
O.ö. Bauordnung 1994 gestützten Entfernungsauftrag erlassen. Zu Recht sei die Baubehörde erster Instanz von der Annahme ausgegangen, dass die vom Auftrag betroffenen Folientunnels unter den baubehördlichen Bewilligungstatbestand des § 24 Abs. 1 Z. 1 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle 1998 gefallen seien. Seit 1. Jänner 1999 könnten jedoch normale Folientunnels unter keinen Bewilligungs- bzw. Anzeigetatbestand mehr subsumiert werden, vielmehr fielen seither "Folientunnel ohne Feuerungsanlagen" gemäß § 26 Z. 10 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998 unter die bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben. Voraussetzung für einen auf § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 gestützten baupolizeilichen Alternativ- oder unbedingten Beseitigungsauftrag sei nun aber, dass die bauliche Anlage, auf die er sich beziehe, sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung wie auch im Zeitpunkt der Erteilung des baupolizeilichen Auftrages einer baubehördlichen Bewilligung oder Anzeige bedurft habe und bedürfe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1983, Zlen. 82/05/0181, 0182). Im Hinblick darauf, dass ein im zeitlichen Geltungsbereich der O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1998 eingereichtes allfälliges Bauansuchen (Gleiches gelte für eine allfällige Bauanzeige) ausschließlich nach den Bestimmungen dieser Bauordnung zu beurteilen sei, und bei Berücksichtigung des in diese Richtung gehenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1994, Zl. 94/05/0093, sei die Berufungsbehörde zunächst richtigerweise zur Auffassung gelangt, dass auch in einem nach alter Rechtslage abzuführenden Auftragsverfahren die Frage der allfälligen Bewilligungspflicht bzw. -fähigkeit nach der neuen Rechtslage zu prüfen sei. In diesem Sinne sei die Frage der Bewilligungspflicht der verfahrensgegenständlichen Bauten nach der seit 1. Jänner 1999 geltenden Rechtslage beurteilt worden. An dieser Betrachtungsweise ändere auch die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 3 erster Satz der O.ö. Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl. Nr. 70, nichts. Ihrer Funktion als Übergangsbestimmung entsprechend komme diese Vorschrift nämlich bei Vorhaben zum Tragen, die auch nach der neuen Rechtslage bewilligungs(- oder anzeige)pflichtig seien. Bei nunmehr bewilligungsfreien Vorhaben stelle sich hingegen die Frage der darauf anzuwendenden Rechtslage deswegen nicht, weil ein Bewilligungs(- oder Anzeige)verfahren von vornherein gar nicht mehr in Betracht komme (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 93/10/0108). Aus diesem Grund wäre die Baubehörde zweiter Instanz angehalten gewesen, der Berufung des Einschreiters Folge zu geben und den angefochtenen Ersatzbescheid ersatzlos aufzuheben. Stattdessen habe die Berufungsbehörde unter Heranziehung des § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der O.ö. Bauordnungs-Novelle 1998 einen neuerlichen bzw. abgeänderten unbedingten Beseitigungsauftrag erlassen. Dabei habe sie jedoch übersehen, dass "Sache" des erstinstanzlichen Baupolizeiverfahrens nicht etwa ein auf § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994, sondern vielmehr ein auf § 49 Abs. 1 leg. cit. gestützter Entfernungsauftrag gewesen sei. Der Auftragstatbestand des § 49 Abs. 6 leg. cit. sei nun von jenem des § 49 Abs. 1 - inhaltlich gesehen - grundverschieden bzw. diesem diametral entgegengesetzt. Setze nämlich der Entfernungstatbestand des § 49 Abs. 1 leg. cit. das Bestehen einer Bewilligungspflicht einer baulichen Anlage voraus, so beziehe sich jener des § 49 Abs. 6 leg. cit. ausschließlich auf nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlagen und damit auf eine ganz andere "Sache". In diesem Lichte betrachtet habe die Baubehörde zweiter Instanz die ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG zukommende Sachentscheidungsbefugnis bzw. das ihr aus dieser Gesetzesbestimmung zukommende Abänderungsrecht bei weitem überschritten. Dadurch, dass sie im Vergleich zur Baubehörde erster Instanz durch die Erlassung eines auf § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 gestützten Entfernungsauftrages über eine andere Sache entschieden habe, habe sie eine Kompetenz in Anspruch genommen, die eigentlich der Baubehörde erster Instanz zukomme. Der Mitbeteiligte sei durch diese Vorgangsweise in verfahrensrechtlicher Hinsicht um eine Instanz verkürzt worden, was nichts anderes bedeute, als dass er in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Selbstverwaltung im Sinne des Art. 116 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 119a B-VG und in ihrem Recht verletzt, ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere jenen des § 102 Abs. 5 O.ö. Gemeindeordnung, nicht von einer Bescheidaufhebung betroffen zu sein. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sache des Verwaltungsverfahrens sei nicht die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes sondern die Angelegenheit, auf die sich das behördliche Handeln beziehe. Prozessgegenstand der Berufungsentscheidung sei die Verwaltungssache, die zunächst in erster Instanz vorgelegen sei. Sache des Verwaltungsverfahrens sei daher ein Entfernungsauftrag bezüglich näher bezeichneter Bauwerke. Das Kernproblem des gegenständlichen Verfahrens, der Widerspruch zur geltenden Flächenwidmung, sei sowohl nach der alten wie auch nach der neuen Rechtslage völlig gleich; die Bauwerke seien in jedem Fall auch nach der neuen Rechtslage unzulässig und daher zu entfernen. Da die gegenständlichen Bauwerke sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage infolge Widmungswidrigkeit unzulässig seien, sei der Entfernungsauftrag der Behörde zweiter Instanz zu Recht ergangen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das der Beschwerde zugrunde liegende Bauauftragsverfahren wurde spätestens mit der Verständigung des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 3. April 1998 eingeleitet (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1998, Zl. 97/05/0258).
Zum Zeitpunkt des im Grunde des § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, erlassenen Bauauftrages des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 6. November 1998 durch Zustellung an den Mitbeteiligten am 10. November 1998 war die Novelle LGBl. Nr. 70/1998 noch nicht in Kraft getreten. Gemäß Art. II Abs. 1 dieser Bauordnungsnovelle trat dieses Landesgesetz mit 1. Jänner 1999 in Kraft und waren gemäß Abs. 3 dieses Artikels im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Absätze des § 49 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 hatten folgenden Wortlaut:
"§ 49
Bewilligungslose bauliche Anlagen
(1) Stellt die Baubehörde fest, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie - unbeschadet des § 41 - dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.
...
(6) Stellt die Baubehörde fest, dass eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen oder nicht entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. § 48 Abs. 7 gilt sinngemäß."
Bezüglich der notwendigen Voraussetzungen für die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 49 O.ö. Bauordnung 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0098, unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist. Für die Klärung der Frage, ob die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich. Bei Beurteilung der diesen Rechtssätzen zugrunde liegenden Beschwerdefällen war der im § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 (inhaltlich gleich mit § 61 Abs. 5 O.ö. Bauordnung 1976) geregelte Fall, in welchem eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen oder nicht entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, nicht mitzubedenken. Auch wurde darin keine Aussage darüber getroffen, ob die Berufungsbehörde einen auf § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 (inhaltlich gleich mit der Vorgängerbestimmung des § 61 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1976) gestützten Bauauftrag in einen solchen nach § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 (vormals: § 61 Abs. 5 O.ö. Bauordnung 1976) unter dem Gesichtspunkt der ihr eingeräumten Abänderungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 AVG richtig stellen darf, weil die Baubehörde erster Instanz rechtsirrig von einer bewilligungspflichtigen oder anzeigepflichtigen baulichen Anlage ausgegangen ist oder weil eine ursprünglich bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige Anlage infolge zwischenzeitiger Änderung der Rechtslage nunmehr eine nicht mehr bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ist, aber weiterhin den für sie geltenden baurechtlichen oder raumordnungsrechtlichen Bestimmungen widerspricht.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bauauftragsbescheides vom 6. November 1998 waren Folientunnels der hier zu beurteilenden Art gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1
O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle 1998 bewilligungspflichtig . Durch die Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl. Nr. 70, wurden aber derartige Folientunnels ohne Feuerungsanlagen gemäß § 26 Z. 10 leg. cit. bewilligungs- und anzeigefrei gestellt.
Der Berufungsbescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 25. Februar 1999 wurde nach Inkrafttreten der Bauordnungs-Novelle 1998 erlassen. Nach Art. II Abs. 3 der Übergangsbestimmungen dieser Novelle war jedoch das anhängige Bauauftragsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen. Für die Erlassung eines Bauauftrages nach § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 gilt, wie oben bereits ausgeführt, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war und ist.
§ 49 O.ö. Bauordnung 1994 in der aufgrund der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 3 des LGBl. Nr. 70/1998 hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten dieser Novelle regelt jedoch nicht nur die Voraussetzungen baupolizeilicher Aufträge für bewilligungspflichtige bauliche Anlagen, sondern dehnt seinen Regelungsbereich - wie schon aus seiner Überschrift hervorgeht - auf sämtliche bewilligungslosen baulichen Anlagen, also auch auf anzeigepflichtige und nicht bewilligungspflichtige Bauvorhaben aus. Für nicht bewilligungspflichtige und nicht anzeigepflichtige bauliche Anlagen kann kein Auftrag nach § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994, sondern nur ein solcher nach Abs. 6 dieses Paragraphen erteilt werden. Dies gilt - wie die belangte Behörde zutreffend unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 93/10/0108, ausgeführt hat - auch für anhängige Verfahren im Sinne des Art. II Abs. 3 der Novelle LGBl. Nr. 70/1998, welche bei ihrer Einleitung die Erlassung eines Bauauftrages nach § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 wegen Ausführung einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage ohne Baubewilligung zum Gegenstand hatten und sich nunmehr infolge Änderung der Gesetzeslage zwar auf dieselben, aber nicht mehr bewilligungspflichtigen und nicht mehr anzeigepflichtigen baulichen Anlagen beziehen.
Durch die Bauordnungs-Novelle 1998 wurden nun die Folientunnels ohne Feuerungsanlagen der hier zu beurteilenden Art gemäß § 26 Z. 10 leg. cit. bewilligungs- und anzeigefrei gestellt. Ein Bewilligungs- und Anzeigeverfahren kommt daher für solche Bauvorhaben nicht mehr in Betracht.
Der von der Baubehörde erster Instanz erteilte Beseitigungsauftrag wurde - nach der damaligen Rechtslage für eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage, die ohne Baubewilligung ausgeführt wurde, im Grunde des § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 - deshalb erteilt, weil die Anlage im Widerspruch zum bestehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan steht. Die Berufungsbehörde hat mit ihrem Bescheid vom 25. Februar 1999 der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten keine Folge gegeben, weil die nun nicht mehr baubehördlich bewilligungspflichtige bauliche Anlage den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes widerspricht. Der Berufungsbehörde lag also derselbe Sachverhalt wie derjenige der Behörde erster Instanz zugrunde. Alle für die Entscheidung der Unterinstanz relevanten Tatsachen waren auch für die Berufungsbehörde maßgebend. Prozessgegenstand für die Baubehörde erster Instanz war nicht allein die Überprüfung einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage, sondern die Überprüfung einer - wie schon die Überschrift des § 49 O.ö. Bauordnung 1994 erhellt - bewilligungslosen baulichen Anlage. Die schon von der Baubehörde erster Instanz in sachverhaltsmäßiger Hinsicht ermittelten und ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen wurden im Beschwerdefall von der Berufungsbehörde aufgrund der in der Zwischenzeit erfolgten Änderung der Rechtslage ohne Ergänzung nur rechtlich neu bewertet. Ohne Rechtsirrtum hat sie aufgrund der von ihr im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden geltenden Rechtslage, ausgehend von der nunmehrigen Bewilligungsfreiheit der hier zu beurteilenden baulichen Anlagen, den schon von der Behörde erster Instanz erlassenen Entfernungsauftrag auf § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 gestützt. Hiezu war sie bei dieser Sach- und Rechtslage nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet. Der die Zuständigkeit der Berufungsbehörde regelnde § 66 Abs. 4 AVG bietet eine ausreichende Grundlage dafür, dass die Berufungsbehörde den von der Behörde erster Rechtsstufe ihrem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt anders als diese beurteilt. In den Rahmen dieser Befugnis der Berufungsbehörde fällt auch die Auswechslung jener rechtlichen Erwägungen, aus denen heraus über einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung in einem bestimmten Sinn abgesprochen wird. Gehört doch auch dies dem gedanklichen Vorgang der Subsumtion des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes bzw. des daraus gewonnenen rechtlich relevanten Tatbestandes unter die maßgebliche Norm an (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1993, Zl. 92/18/0536, u.v.a.). Die Änderung der Rechtslage im Beschwerdefall ist nicht anders zu bewerten als eine verfehlte Annahme der Behörde erster Instanz in der Frage, ob eine bauliche Anlage bewilligungs- bzw. anzeigepflichtig oder eben nicht bewilligungs- oder anzeigepflichtig ist. Mit der Unterstellung eines Beseitigungsauftrages allein unter eine andere Norm als von der Behörde erster Instanz herangezogen, hat die Berufungsbehörde die Grenzen ihrer Abänderungsbefugnis nicht überschritten. Erst durch die Umwandlung eines Beseitigungsauftrages z. B. in einen Instandsetzungsauftrag hätte die Berufungsbehörde nicht mehr in der Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG entschieden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0040).
Mit ihrem tragenden Aufhebungsgrund, die Berufungsbehörde hätte durch die Umqualifizierung des Entfernungsauftrages der Baubehörde erster Instanz von der anzuwendenden Rechtsnorm des § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 in § 49 Abs. 6 O.ö. Bauordnung 1994 ihre Entscheidungsbefugnis überschritten, hat somit die belangte Behörde das im Beschwerdepunkt genannte Recht auf Selbstverwaltung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 9. November 1999
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050136.X00Im RIS seit
20.11.2000