Entscheidungsdatum
19.07.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W168 2200560-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. MACALKA über die Beschwerde von
XXXX, geb. XXXX, StA: Aserbaidschan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2018, FZ: 1182204804 / 180177231 beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA - VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unberechtigter Einreise am 20.02.2018 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab hierzu die oben angeführten Personalien an.
Eine durchgeführte Eurodac - Abfrage, bzw. Visa Datenbankabfrage ergab das Vorliegen eines französischen Schengenvisums für den Zeitraum 19.02.2018 bis zum 19.05.2018.
Im Zuge der Erstbefragung führte der BF befragt zur Einreise in das Gebiet der Mitgliedsstaaten aus, dass er im Besitz des oben angeführten Schengen Visums gewesen war. Zum Aufenthalt in Frankreich erstattete der BF keine Ausführungen. Das Zielland wäre Österreich gewesen. Der BF führte weiter aus, dass er in Österreich bleiben und nicht nach Frankreich wolle.
Aufgrund des Vorliegens des französischen Visums führte das BFA ein auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III gestütztes Konsultationsverfahren mit Frankreich. Das Führen von Konsultationen wurde der beschwerdeführenden Partei nachweislich zur Kenntnis gebracht.
Mit Schreiben der französischen Dublin Behörden vom 18.04.2018 stimmten diese der Aufnahme des BF gem. Art. 12 Abs. 2 Dublin III VO ausdrücklich zu.
Der BF befand sich vom 28.02.2018 bis zum 06.03.2018 im XXXX in stationärer Behandlung. In Folge konnte das BFA den Aufenthalt des BF nicht ermitteln, bzw. wurde dieser vom BF dem BFA nicht mitgeteilt. Aus diesem Grund musste das BFA gem. §24 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 davon ausgehen, dass sich der BF dem Verfahren entzogen hatte. Eine Einvernahme vor dem BFA konnte somit nicht durchgeführt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.
Zur Begründung der Zuständigkeit Frankreichs wurde festgehalten, dass aufgrund der des vorliegenden Visa Abgleiches, als auch aufgrund des Vorliegens einer ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme die Zuständigkeit Frankreichs festgestellt worden wäre. Zum Gesundheitszustand wurde festgehalten, dass sich der BF aufgrund der vorliegenden Informationen sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden würde. Eine Abschiebung des BF nach Frankreich würde keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte darstellen.
Der BF bekämpfte die Entscheidungen des Bundesamtes mittels fristgerecht eingebrachter Beschwerde. Hierin wurde insbesondere zusammenfassend ausgeführt, dass das BFA keinen Bescheid erlassen hätte dürfen, das zumindest einmal eine Einvernahme stattzufinden hätte. Das Verfahren wäre bei unbekannten Aufenthaltes einzustellen gewesen. Auch wäre der BF nicht untergetaucht gewesen, bzw. hätte dieser den gegenständlichen Bescheid an der gemeldeten Adresse zugestellt bekommen. Durch eine Abfrage im ZMR wäre es offenkundig möglich gewesen den Aufenthaltsort des BF in Erfahrung zu bringen. Auch wäre seitens des BF festzuhalten, dass dieser aufgrund eines bösartigen Gallenblasenkarzinoms mit Infiltration in die Leber als auch unter einer Pertonealkazinose erkrankt wäre. Die zweite Erkrankung hätte zu einem Abbruch der Operation wegen der Ersterkrankung geführt. Es würde eine Cholangiokarziomerkrankung mit Metastasen festzustellen sein. Dies erfordere eine systematische Therapie. Laut vorgelegten aktuellen medizinischen Befunden könne der BF weder die Stadt verlassen, noch wäre er transportfähig. Eine Behandlung im Herkunftsstaat wäre aus medizinischer Sicht unvertretbar. Die behandelnden Ärzte würden dringend eine Weiterbehandlung an der aktuell behandelnden Krankenanstalt in Wien empfehlen. Mehre auch aktuelle ärztliche Stellungnahmen wurden der Beschwerde beigefügt. Zudem wäre keine Einzelfallprüfung der Versorgung im Zielstaat im gegenständlichen Verfahren vorgenommen worden und keine individuelle Zusicherung eingeholt worden. Die Behörde hätte damit ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, bzw. eine mangelhafte Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. Der BF wäre transportunfähig, er wäre aufgrund der vorliegenden fortgeschrittenen Krebserkrankung sehr schwer krank und würde sich in einem äußerst schlechten Gesundheitszustand befinden. Dies wäre in der Beweiswürdigung überhaupt nicht berücksichtig worden. Die Behandlung in Österreich dürfe nicht abgebrochen werden. Auch wäre es nicht richtig, dass der BF kein Familienleben in Österreich hätte. Das BFA hätte somit von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Aus diesem Grund würde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt, da eine Überstellung einen unzulässigen Eingriff in durch Art. 3 und Art. 8 EMRK geschützte Rechte bewirken könne. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Ermittlung des Sachverhaltes beantragt, bzw. wurden die Anträge gestellt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, den Antrag auf internationalen Schutz für zulässig zu erklären und das Verfahren zur Durchführung eines inhaltlichen Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen, festzustellen, dass die gem. §61 FPG angeordnete Außerlandesbringung unzulässig wäre, bzw. in eventu den Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Auf gegenständliches Verfahren bezogen ist folgendes festzuhalten:
Der BF hat bereits im Verfahren erster Instanz mehrere ärztliche Befunde hinsichtlich seines Gesundheitszustandes vorgelegt. Dem BFA war das Vorliegen einer Krebserkrankung, als auch eine stationäre Aufnahme des BF bekannt. Bereits diese Informationen indizieren in casu das Vorliegen von jedenfalls verfahrensrelevant erheblichen, bzw. lebensbedrohlich schweren Erkrankungen. Auch im Zuge der Beschwerde wurden weitere aktuelle Arztbriefe vorgelegt. Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes vermögen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen betreffend des Gesundheitszustandes des BF jedenfalls nicht abschließend darzulegen, dass eine Überstellung des BF nach Frankreich in casu nicht einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte darstellen würde.
Das BFA wird sich deshalb im fortgesetzten Verfahren umfassender mit der Frage des konkreten Gesundheitszustandes des BF auseinanderzusetzen und diesen entsprechend aktuell und umfassend, auch unter Abklärung des erforderlichen Therapiebedarfes, festzustellen haben. Erst darauf aufbauend kann seitens der Behörde beurteilt werden, inwieweit aktuell eine Transportfähigkeit des BF gegeben ist, bzw. ob die in Österreich begonnene Therapie auch im Zielstaat entsprechend zugänglich ist und allfällig auch dort fortgesetzt werden kann. Nur nach Nachholung dieser erforderlichen Ermittlungen bzw. erst auf all diese ergänzenden Informationen aufbauend kann beurteilt werden, ob eine Überstellung des BF in den für ihn zuständigen Mitgliedsstaat gegenwärtig zulässig ist.
Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, weshalb gem. §21 Abs. 3 BFA-VG 2. Satz zwingend vorzugehen war.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W168.2200560.1.01Zuletzt aktualisiert am
19.10.2018