TE Bvwg Beschluss 2018/8/9 G314 1308469-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2018
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Entscheidungsdatum

09.08.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G314 1308469-4/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER im Verfahren zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX, geboren am XXXX, StA.:

Bosnien und Herzegowina, durch den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2018, Zl. XXXX:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang:

XXXX(im Folgenden als betroffener Fremder, kurz BF, bezeichnet) hält sich seit 2005 in Österreich auf, nachdem seine ab 2001 gestellten Anträge auf internationalen Schutz in mehreren europäischen Staaten abgewiesen und er wiederholt in seinen Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina abgeschoben wurde. Er beantragte in Österreich am 09.10.2005 internationalen Schutz. Als Fluchtgründe gab er an, dass er sich als bosnischer Moslem in der Republika Srpska, aus der er stamme, aufgrund seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit bedroht fühle. Er werde auch deshalb verfolgt, weil er seit 1988 aktives Mitglied der Partei SDA sei und weil er im Jahr 1994 aus der bosnischen Armee desertiert sei. Er leide an - medikamentös behandelten - psychischen Problemen und könne in seinem Herkunftsstaat für die Kosten von Arztbesuchen und Tabletten nicht aufkommen. Er habe Angst vor den Menschen in Bosnien und Herzegowina und befürchte, er werde dort keine Arbeit finden und nicht leben können.

Mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom 27.11.2006 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, die Unzulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung festgestellt und ihm als subsidiär Schutzberechtigtem eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung wurde mit der bei ihm diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung und der daraus resultierenden Befürchtung einer erheblichen, lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina begründet.

Die Beschwerde des BF gegen die Abweisung seines Antrags hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 22.04.2014, G302 1308469-1/12E, als unbegründet abgewiesen.

Zwischen 2007 und 2016 wurde der BF in Österreich insgesamt sieben Mal wegen Vermögensdelikten, Körperverletzungsdelikten und gefährlicher Drohung zu mehrmonatigen, teils bedingten, teils unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt, wobei mehrere Strafnachsichten bereits für endgültig erklärt werden konnten. Zwei der Verurteilungen stehen zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB. Zuletzt wurde der BF mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.09.2016,XXXX, in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts XXXX vom 16.12.2016, XXXX, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2015/112) zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde die ihm mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.10.2012,

XXXX, gewährte bedingte Strafnachsicht in Bezug auf eine zwölfmonatige Freiheitsstrafe widerrufen. Der BF verbüßte diese Strafen von XXXX2016 bis XXXX2017 in der Justizanstalt XXXX.

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 14.03.2011,XXXX, wurde gegen den BF aufgrund mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen gemäß § 62 iVm §§ 60 Abs 2 Z 1, 63 und 66 FPG (in der damals gültigen Fassung) ein zehnjähriges Rückkehrverbot erlassen. Die Beschwerde des BF dagegen wurde mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts XXXX vom 21.09.2015, XXXX, als unbegründet abgewiesen.

Beim BF bestand schon vor seiner Einreise in das Bundesgebiet eine medikamentös behandelte psychische Krankheit. Die 2015 für ihn eingerichtete Sachwalterschaft wurde mit dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 24.02.2017, XXXX, beendet, weil er sich beharrlich dem Einfluss des Sachwalters entzog und keine Angelegenheiten für ihn zu regeln waren. Im Rahmen des nach seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen regte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 17.11.2017 die neuerliche Bestellung eines Sachwalters für den BF an. Das Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Sachwalterbestellung wurde mit dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 12.12.2017, XXXX eingestellt, weil beim BF zwar eine Persönlichkeitsstörung, aber keine geistigen Beeinträchtigungen bestünden, er die für ihn relevanten fremdenrechtlichen Bestimmungen kenne und seine Rechte ausgezeichnet selbst geltend machen könne, sodass er keinen Sachwalter für die Vertretung vor dem BFA brauche, und keine weiteren, von einem Sachwalter zu erledigenden Aufgaben bekannt seien.

Am 27.12.2017 wurde der BF in der Justizanstalt XXXX vor dem BFA im Aberkennungsverfahren nach § 9 AsylG vernommen. Mit dem Bescheid vom 29.01.2018, Zl. XXXX, wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG aberkannt (Spruchpunkt I.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen ihn ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs 1 wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt V.). Dies wurde im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und der fehlenden familiären oder sozialen Verankerung in Österreich begründet. Hier würden keine Mitglieder seiner Kernfamilie leben, lediglich mehrere Cousins, zu denen kein Kontakt bestünde. Der BF gehe im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach und habe keine Bindungen zu Institutionen, Vereinen oder anderen Einrichtungen. Seine Mutter und zwei Schwestern würden in Bosnien und Herzegowina leben; zu ihnen bestünde seit mehreren Jahren kein Kontakt. Der BF verfüge in seinem Herkunftsstaat über Grundbesitz und werde von seinem in Amerika lebenden Bruder finanziell unterstützt. Der BF halte sich zwar seit ca. zwölf Jahren im Bundesgebiet auf, die für seine Integration wesentliche soziale Komponente werde aber durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt. Er leide an einer psychischen Erkrankung (Anpassungsstörungen mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens, kombinierter Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und emotional instabilen und dissozialen Anteilen sowie fallweisem Alkoholabusus) und nehme regelmäßig Medikamente (Dominal, Citalopram und Quetiapin) ein. Seine Erkrankung sei in seinem Herkunftsstaat behandelbar; die benötigten Medikamente seien dort verfügbar. Der Zugang zu den medizinischen Einrichtungen sei auch für Rückkehrer nach Bosnien und Herzegowina gewährleistet. Aufgrund der dort bestehenden Behandlungsmöglichkeiten sei keine Verschlechterung seines Gesundheitszustands bei seiner Rückkehr zu befürchten. Es könne nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Es läge keine reale Gefahr vor, die ihm bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina drohe. Die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung würden angesichts des hohen Stellenwerts der Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelten, zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie angesichts der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und seiner fehlenden Integration in Österreich schwerer wiegen als seine privaten Interessen an einem Verbleib. Die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina sei zulässig, zumal die Voraussetzungen des § 50 FPG nicht erfüllt seien. Ein zehnjähriges Einreiseverbot sei notwendig, um die aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen anzunehmenden vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Die Beschwerde des BF gegen diesen Bescheid wurde mit dem Beschluss des BVwG vom 23.04.2018, G314 1308469-3/3E, als verspätet zurückgewiesen.

Am 16.03.2018 erteilte Bosnien und Herzegowina die Zustimmung zur Rückübernahme des BF.

Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wies der BF zunächst keine Wohnsitzmeldung auf. Zwischen 19.03.2018 und 27.06.2018 war er an einer Adresse inXXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Am 19.07.2018 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgründe nannte er einerseits seinen Gesundheitszustand - er sei behindert (Grad der Behinderung: 60%) und leide an einer Herzerkrankung und an psychischen Erkrankungen, die in seinem Herkunftsstaat nicht geheilt werden könnten - und andererseits die generelle Situation in Bosnien und Herzegowina, insbesondere die Korruption, die medizinische Versorgung, die Pflege und die Justiz. Viele Bosnien würden das Land verlassen oder hätten nicht genug zu essen. Er lebe seit 28 Jahren "in Europa"; Bosnien sei für ihn ein unbekanntes Land. Als Rückkehrbefürchtung gab er an, er habe Angst vor Bosnien und befürchte, in der Republika Srpska nicht gut behandelt zu werden.

Nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts wurde der BF am 02.08.2018 vor dem BFA zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vernommen. Ihm wurde mittels Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Am 03.08.2018 wurde der BF nach einem Rechtsberatungsgespräch und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin noch einmal zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und zu der beabsichtigten weiteren Vorgangsweise niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass er aus den im Vorverfahren angegebene Gründen, wegen seines Gesundheitszustands und wegen der allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina neuerlich internationalen Schutz beantragt habe.

Mit dem im Anschluss an die Einvernahme mündlich verkündeten Bescheid vom 03.08.2018, Zl. XXXX, wurde faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben. Dieser Bescheid wurde in der Niederschrift der Einvernahme beurkundet. Er wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein neuer, asylrelevanter Sachverhalt vorliege. Der neue Antrag auf internationalen Schutz sei daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Gegen den BF bestünde eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Er habe das Bundesgebiet seither nicht verlassen und verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Eine Gefährdung bei einer Abschiebung könne nicht festgestellt werden. Der BF habe in Österreich weder Verwandte, zu denen eine finanzielle Abhängigkeit oder eine besondere enge Bindung bestünde, noch wesentliche Sozialkontakte. Die Situation in Bosnien und Herzegowina sei seit der letzten Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert. Schon im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem BF bei seiner Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich weder die allgemeine Lage noch die persönlichen Verhältnisse noch der körperliche Zustand des BF seit der letzten Entscheidung entscheidungswesentlich geändert habe, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina für den BF zu keiner Bedrohung der relevanten Menschenrechte führen werde. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes lägen somit vor.

Nach der Verkündung und Rückübersetzung dieses Bescheids erklärte der BF, dass er dagegen Beschwerde erheben wolle.

Mit Mandatsbescheid vom 03.08.2018 wurde gegen den BF die Schubhaft angeordnet. Wegen seiner psychischen Probleme wurde im Polizeianhaltezentrum XXXX die Abklärung seiner Haftfähigkeit angeordnet und der BF dem XXXXdes Kepler XXXX XXXX zugewiesen, wo er am 03.08.2018 wegen Suizidgedanken stationär aufgenommen und bis 07.08.2018 wegen Selbstgefährdung untergebracht war. Da er am 07.08.2018 glaubhaft von Suizidgedanken distanziert war, wurde er in den offenen Stationsbereich verlegt, den er im Laufe des Tages ohne Rücksprache verließ. Von einer Rückführung wurde abgesehen, weil weder eine suizidale Einengung noch Selbst- oder Fremdgefährdung vorlagen. Der aktuelle Aufenthalt des BF ist unbekannt.

Die vom BFA zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes übermittelten Verwaltungsakten langten am 06.08.2018 beim BVwG und am Folgetag in der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

Feststellungen:

Die Muttersprache des BF ist Bosnisch; er verfügt auch über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er hält sich seit Oktober 2005 durchgehend in Österreich auf.

In Bezug auf sein Privat- und Familienleben hat sich die Situation seit Abschluss des letzten Verfahrens im Jänner 2018 nicht entscheidungswesentlich geändert. Der BF ist verwitwet. Er hat - abgesehen von mehreren Cousins, zu denen er keinen Kontakt hat - nach wie vor keine Angehörigen in Österreich. In der Schweiz, in Deutschland und in Luxemburg leben Cousins, Cousinen und Freunde des BF, zu denen er kein enges Verhältnis hat. Der BF ist nicht erwerbstätig und wird von einem in Amerika lebenden Bruder fallweise finanziell unterstützt. Seine Mutter und mehrere Schwestern leben in Bosnien und Herzegowina; zu ihnen hatte der BF in den letzten Jahren kaum Kontakt. Er verfügt in seinem Herkunftsstaat über Vermögenswerte (Haus mit Grund im Familienbesitz).

Neben der psychischen Erkrankung des BF (dissozial-impulsive Persönlichkeitsstörung mit chronischem Alkoholabusus) wurden bei ihm arterielle Hypertonie, paroxysmales Vorhofflimmern (eine vorübergehende Herzrhythmusstörung) sowie dilatative Kardiomyopathie (eine Herzmuskelerkrankung, die ua zu Herzinsuffizienz führt) diagnostiziert. Zur Behandlung seiner Erkrankungen wurden dem BF folgende Medikamente verordnet: Citalopram 20 mg (ein Antidepressivum), Ramipril 2,5 mg und Cobcor 5 mg (zur Behandlung von Herzinsuffizienz und Bluthochdruck), Lasix 40 mg und Spirobene 50 mg (zur Förderung der Wasserausscheidung), Xarelto 20 mg (ein Blutgerinnungshemmer), Quetiapin 25 mg (ein Antipsychotikum) sowie Dominal forte 80 mg (ein Beruhigungsmittel). Darüber hinausgehende Therapien benötigt er nicht. Der BF nimmt die verordneten Medikamente nicht regelmäßig ein und verweigerte z.B. während eines stationären Krankenhausaufenthalts von XXXX2018 bis XXXX2018 jegliche psychiatrische Medikation und anfangs auch die anderen Medikamente, wobei er im Verlauf des Aufenthalts die Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz regelmäßig einnahm. Subjektiv hat sich der psychische Gesundheitszustand des BF zuletzt verbessert; Probleme macht ihm seine Herzerkrankung, die z.B. schon bei geringer körperlicher Belastung Luftnot verursacht.

Sowohl die psychische Erkrankung des BF als auch seine Herzerkrankung können in Bosnien und Herzegowina behandelt werden. Er wird dort voraussichtlich Zugang zu den benötigten Therapien (Medikamenten) haben.

Aufgrund des Antrags des BF vom 03.04.2018 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 60 % festgestellt und ihm am 13.07.2018 ein bis 30.04.2020 gültiger Behindertenpass ausgestellt. In der Schweiz wurde ihm ab 01.12.2017 wegen Erwerbsunfähigkeit eine Invalidenrente zuerkannt.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsland des BF ist seit Abschluss des letzten Verfahrens nicht eingetreten. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial und Strom ist landesweit sichergestellt, obwohl der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung insgesamt niedrig ist. Soweit Angehörige einer der drei konstitutiven Volksgruppen (Bosniaken, Serben, Kroaten) Repressionen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe entgehen möchten, können sie sich idR in einen anderen Teil des Staatsgebiets begeben.

Alle Bürger in Bosnien und Herzegowina haben das Recht auf Sozialversicherung (beinhaltet: Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung). Grundsätzlich sind alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldeten Personen gesetzlich krankenversichert. Arbeitslose Personen werden bei ihrer Anmeldung beim Arbeitsamt versichert und können so ihr Recht wahrnehmen. Die medizinische Versorgung im öffentlichen Gesundheitssektor ist nicht vollständig kostenlos; Patienten müssen einen Anteil selbst übernehmen, dessen Höhe sich nach der Art der medizinischen Behandlung richtet. Personen mit psychischen Erkrankungen werden gratis behandelt und sind von der Zahlung der Patientenbeteiligung befreit.

Die medizinische Versorgung ist sowohl in der bosnisch-kroatischen Föderation als auch in der Republika Srpska dreistufig aufgebaut. Grundsätzlich sind in allen drei Versorgungsstufen genügend Strukturen vorhanden. Es gibt Krankheiten, die auch in den besten Spitälern - den Universitätskliniken in Sarajewo, Tuzla, Mostar und Banja Luka - nur eingeschränkt oder nicht behandelt werden können, namentlich die Kinderonkologie, die Kinderkardiochirurgie und die Transplantationschirurgie in den Bereichen Herz und Leber. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist unzureichend. Einige Behandlungen (z.B. von HIV- und Krebserkrankungen, Hepatitis B/C, Versorgung nach Organtransplantationen und anderen schwerwiegenden operativen Eingriffen sowie bei frühgeburtlichen Komplikationen) sind nur in eingeschränktem Ausmaß durchführbar.

Zur Behandlung psychisch Kranker fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten, klinischen Psychologen und Sozialarbeitern; Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben. Landesweit gibt es 72 mit der primären Gesundheitsversorgung verbundene multidisziplinäre Zentren für geistige Gesundheit, die Prävention, Behandlung und Rehabilitation von psychischen Erkrankungen anbieten.

Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden. Es gibt sowohl staatliche als auch reichlich private Apotheken. Auf Rezept können Medikamente der "Essential Drug List" in den staatlichen Apotheken in der Regel kostenlos bezogen werden. In privaten Apotheken ist die überwiegende Mehrheit der Medikamente vorhanden, auch modernere und teurere als die in der "Essential Drug List" enthaltenen. Private Apotheken können Medikamente aus dem Ausland bestellen. Das Apothekennetz ist flächendeckend, auch in kleineren Ortschaften finden sich in der Regel mehrere, kleinere oder größere, staatliche und/oder private Apotheken.

Der BF verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Es bestehen keine Umstände, die einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstehen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der angeführte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden, und den vom BF vorgelegten Unterlagen.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus den vorliegenden Strafurteilen und aus dem Strafregister. Da er schon bei der Erstbefragung zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz psychische Probleme schilderte, für die er Tabletten benötige, kann festgestellt werden, dass er seit seiner Einreise an medikamentös behandelten psychischen Erkrankungen leidet.

Auf Seite 20 des Bescheids vom 29.01.2018, Zl. XXXX, wurde festgestellt, dass der BF regelmäßig Dominal, Pram und Quetiapin einnimmt. Das aktuell dem BF verordnete Citalopram ist der Wirkstoff in Pram-Filmtabletten (siehe z.B. https://www.netdoktor.at/medikamente/pram-filmtabletten-20-mg-274369, Zugriff am 08.08.2018), woraus sich ergibt, dass die Einnahme von Citalopram bereits damals berücksichtigt wurde.

Die Feststellungen zum stationären Krankenhausaufenthalt des BF von 03. bis 07.08.2018 basieren auf der entsprechenden Eintragung im Fremdenregister sowie auf den ergänzenden, dazu vom BFA am 08. Und 09.08.2018 übermittelten Unterlagen (Schreiben betreffend die Zuweisung und die Aufnahme in das Krankenhaus, polizeiamtsärztliches Gutachten, Arztbrief). Der unbekannte Aufenthalt des BF ergibt sich daraus, dass er am 06.08.2018 von seinem bisherigen Hauptwohnsitz an der ErstaufnahmestelleXXXX des Innenministeriums (XXXX) abgemeldet wurde und keine Informationen über seinen Aufenthaltsort nach dem Verlassen des Krankenhauses vorliegen.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF folgen seinen Angaben bei der Erstbefragung, die auf Deutsch durchgeführt werden konnte. Eine Verständigung mit der im weiteren Verfahren beigezogenen Bosnischdolmetscherin war offenbar problemlos möglich. Der durchgehende Aufenthalt des BF im Bundesgebiet seit 2005 ergibt sich aus seinen Angaben sowie aus den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR), die zwischen 06.03.2006 und 29.12.2017 nur geringfügige Unterbrechungen aufweisen, sowie den Auszügen aus dem GVS-Informationssystem.

Die Feststellung, dass sich die Situation in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF seit Jänner 2018 nicht entscheidungswesentlich geändert hat, beruht darauf, dass sich aus der Schilderung des BF keine Änderungen ergeben und er insbesondere Veränderungen in seinem Privatleben ausdrücklich verneinte (siehe Seite 4 des Protokolls vom 02.08.2018).

Der BF behauptete bei der Einvernahme vor dem BFA am 27.12.2017, seit drei Jahren keinen Kontakt zu seinen Schwestern zu haben; seine Mutter wisse, dass er in Österreich sei. Am 02.08.2018 erklärte er, seine Schwester, die in XXXX Professorin sei, habe ihm nie etwas Gutes (gemeint offenbar: über Bosnien) erzählt. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF zwar wenig Kontakt zu seinen Angehörigen in Bosnien und Herzegowina hat, die Verbindung aber nicht völlig abgebrochen ist.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen. Seine psychische Erkrankung ist auch in den Vorverfahren dokumentiert. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF (abgesehen von den verordneten Medikamenten) noch weitere Therapien benötigt, zumal sich aus dem Arztbrief vom 28.06.2018 ergibt, dass aus kardiologischer Sicht eine konservative medikamentöse Therapie als ausreichend erachtet wird. Die Feststellung der mangelnden Compliance bei der Medikamenteneinnahme beruht ebenfalls auf diesem Arztbrief und ist auch in schon in früher vorgelegten medizinischen Unterlagen dokumentiert. Der BF gab gegenüber dem BFA am 02.08.2018 an, dass sein Gesundheitszustand ein wenig besser geworden sei. Am 03.08.2018 präzisierte er, dass sein psychischer Zustand manchmal besser und manchmal sehr schlimm sei und dass es ihm bezüglich seines Herzens sehr schlecht gehe. Er schilderte Probleme beim Atmen nach kurzen Gehstrecken (Seite 2 des Protokolls) und dass er nicht weit laufen könne (Seite 3 des Protokolls). Dies steht im Einklang mit dem für Herzinsuffizienz typischen Symptom der Luftnot (siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Herzinsuffizienz, Zugriff am 08.08.2018).

Die Feststellungen, dass die Krankheiten des BF auch in seinem Herkunftsstaat behandelt werden können und dass er dort Zugang zu den benötigten Medikamenten haben wird, beruhen auf den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina. Der BF leidet an keiner Erkrankung, die nach den vorliegenden Länderinformationen in Bosnien und Herzegowina nicht oder nur eingeschränkt behandelt werden kann. In Bezug auf seine psychische Erkrankung ergeben sich die Behandelbarkeit und der Zugang des BF zu den benötigten Medikamenten aus den Feststellungen dazu im Bescheid vom 29.01.2018 und aus dem Umstand, dass sich die medizinische Versorgung in Bosnien und Herzegowina seither jedenfalls nicht verschlechtert hat. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2017 ergibt sich, dass Herzinsuffizienz in Bosnien und Herzegowina gemäß den auch in anderen europäischen Ländern geltenden Empfehlungen und Behandlungsprinzipien behandelt werden kann und dass z.B. Medikamente mit dem Wirkstoff Ramipril dort erhältlich und durch die Krankenversicherung gedeckt sind.

Der Grad der Behinderung des BF, die Ausstellung eines Behindertenpasses und die Zuerkennung einer Schweizer Rente werden anhand der von ihm dazu vorgelegten Unterlagen (Behindertenpass, Schreiben vom 12.07.2018, Schreiben vom 09.07.2018, Vorbescheid vom 04.06.2018) festgestellt.

Das BFA legte seiner Entscheidung Länderfeststellungen zugrunde, die von verschiedenen anerkannten Institutionen stammen und ein konsistentes Gesamtbild ergeben. Das BVwG hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der in den zu überprüfenden Bescheid unter Angabe konkreter Quellen aufgenommenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina und übernimmt diese ausdrücklich. Entscheidungswesentliche Änderungen seit dem letzten Verfahren, das erst kurz zurückliegt, liegen nicht vor. Es gibt unter Berücksichtigung aktueller Berichte zur Lage in Bosnien und Herzegowina keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Bescheid des BFA vom 29.01.2018, Zl. XXXX, getroffenen Feststellungen zur Lage dort unrichtig oder nicht mehr aktuell seien oder dass in der Zwischenzeit eine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten wäre, zumal die Feststellungen im zu überprüfenden Bescheid im Wesentlichen mit den damals getroffenen übereinstimmen. Die Feststellungen zur Möglichkeit der Behandlung von Herzinsuffizienz in Bosnien und Herzegowina und zur Erhältlichkeit von Medikamenten mit dem Wirkstoff Ramipril beruhen auf der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2017.

Es gibt weder aktenkundige Anhaltspunkte für eine dem BF sonst in Österreich erteilte Aufenthaltsberechtigung noch für Umstände, die einer Ausweisung entgegenstehen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs 10 AsylG ergehen Entscheidungen des BFA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem BVwG unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das BVwG; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Hier hat der BF auch ausdrücklich erklärt, er wolle eine Beschwerde gegen die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes erheben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes entscheidet das BVwG im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss.

Ein Folgeantrag ist gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG jeder weitere Antrag auf internationalen Schutz, der einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag zeitlich nachfolgt. Der Begriff ist weiter als der des § 68 Abs 1 AVG, der auf einen Folgeantrag zu einer entschiedenen Sache abstellt. Da dem Antrag auf internationalen Schutz vom 19.07.2018 der vom 09.10.2005 voranging, handelt es sich um einen Folgeantrag.

§ 12a Abs 2 AsylG ermöglicht dem BFA die bescheidmäßige Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen, wenn kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG (Folgeanträge nach einer Entscheidung gemäß § 4a AsylG [Schutz in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz] oder § 5 AsylG [Zuständigkeit eines anderen Staats]) vorliegt. Voraussetzung ist, dass gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

§ 22 BFA-VG lautet:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs 2 AsylG), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs 2 AsylG durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs 10 AsylG zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Das BVwG prüft im Verfahren nach § 22 BFA-VG einerseits, ob die materiellen Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vorliegen und andererseits, ob das BFA bei der Durchführung des Verfahrens die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten hat. Beides ist hier der Fall.

Dem Verfahren liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG zugrunde. Ein Fall des

§ 12a Abs 1 AsylG liegt nicht vor. Gegen den BF besteht aufgrund des Bescheids vom 29.01.2018 eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG. Er hat Österreich seither nicht verlassen. Es ist aufgrund der Zustimmung von Bosnien und Herzegowina davon auszugehen, dass die faktische Durchführung der Abschiebung alsbald möglich sein wird.

Das BFA geht nach dem derzeitigen Stand des Ermittlungsverfahrens zu Recht davon aus, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz voraussichtlich gemäß

§ 68 AVG zurückzuweisen sein wird, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert hat. Bei der dabei anzustellenden Prognoseentscheidung ist relevant, ob eine Sachverhaltsänderung behauptet wird, die zu einem anderen Ergebnis als im vorangegangenen Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Sache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Aus dem Vorbringen des BF ergibt sich keine derartige wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände. Er berief sich einerseits auf die im Vorverfahren angeführten Fluchtgründe, andererseits auf seinen Gesundheitszustand und auf die allgemeine Situation in seinem Herkunftsstaat. Seine psychische Erkrankung wurde bereits bei der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz sowie in der vorangegangenen Sachentscheidung mit dem Bescheid vom 29.01.2018 berücksichtigt. Seine nunmehr neu angegebene Herzerkrankung ist eine bloße Modifikation des Sachverhalts, die eine andere rechtliche Beurteilung von vornherein ausgeschlossen erscheinen lässt, zumal die für deren Behandlung benötigten Medikamente auch in Bosnien und Herzegowina erhältlich sind und der BF Zugang zur medizinischen Versorgung dort hat. Letzteres wurde auch bereits im Bescheid vom 29.01.2018 festgestellt.

Das BFA hat schlüssig und umfassend begründet, warum keine entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen vorliegen und der Folgeantrag daher voraussichtlich zurückzuweisen ist. Auch unter Berücksichtigung der vom BF nunmehr vorgebrachten Verschlechterung seines Gesundheitszustands liegt im Ergebnis keine relevante Sachverhaltsänderung vor.

Die Entscheidung über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde binnen kurzer Zeit nach der Beendigung des Vorverfahrens getroffen, zumal als Vergleichsentscheidung diejenige heranzuziehen ist, mit der zuletzt materiell in der Sache entschieden wurde.

Vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist weiters gemäß § 12 Abs 2 Z 3 AsylG eine Refoulement-Prüfung im weiteren Sinn und eine Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK vorzunehmen. Das BFA ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den AW keine reale Gefahr einer Verletzung von

Art 2 (Recht auf Leben), Art 3 (Verbot der Folter) oder Art 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 16 zur EMRK bedeutet und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Weder in den vorangegangenen Verfahren noch in diesem Verfahren sind konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen realen Gefahr hervorgekommen. Im Folgeverfahren haben sich keine Anhaltspunkte für eine weitere soziale Verfestigung oder Integration ergeben. Aus der vorangegangenen Sachentscheidung ergibt sich, dass eine Rückführung nach Bosnien und Herzegowina den BF nicht in seinen Rechten nach Art 2 und Art 3 EMRK oder ihrer Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 verletzen würde und auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen internationaler oder innerstaatlicher Konflikte mit sich bringen würde. Es liegen keine substantiierten Anhaltspunkte dafür vor, dass er abweichend von dieser Einschätzung nunmehr durch die Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina doch einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Auch zur Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK ist auf den Bescheid vom 29.01.2018 zu verweisen. Eine maßgebliche Änderung der für den Verbleib des BF in Österreich sprechenden Interessenlage, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor, sodass nach wie vor kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen ist.

Daran ändert auch der stationäre Krankenhausaufenthalt des BF zwischen 03. Und 07.08.2018 wegen Selbstgefährdung nichts, zumal er zwischenzeitig in den offenen Bereich verlegt wurde, das Krankenhaus verließ und die Voraussetzungen nach dem UbG für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Abteilung ohne sein Verlangen (ernstliche und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung) nicht mehr vorlagen. Psychische Probleme bis hin zu Suizidabsichten hindern eine Abschiebung nicht, sofern dafür Sorge getragen wird, den betroffenen Fremden mit konkreten Maßnahmen zu betreuen (VwGH 26.02.2015, Ra 2014/22/0198). Da bei der Abschiebung des BF seiner psychischen Erkrankung, insbesondere im Hinblick auf ein allfälliges Suizidrisiko, durch entsprechende medizinische Unterstützung besondere Sorge zu tragen sein wird, ist eine dadurch begründete Verletzung von Art 3 EMRK derzeit nicht konkret zu befürchten.

Auch wenn bei der Abwägung der persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung auch dem Umstand Bedeutung zukommt, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, liegt hier keine maßgebliche Verstärkung seines Interessen an einem Verbleib in Österreich vor, zumal der BF lediglich medikamentöse Therapien benötigt, zu denen er auch in seinem Herkunftsstaat Zugang hat. Der BF verfügt durch seinen Grundbesitz in Bosnien und Herzegowina und seine Rente aus der Schweiz über finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts, zumal er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner psychischen Erkrankung von der Patientenbeteiligung für die Kosten medizinischer Behandlungen befreit ist. Durch die Wiederaufnahme der unterbrochenen Kontakte zu seinen dort lebenden Bezugspersonen (Mutter und Schwestern) wird er voraussichtlich auch soziale und familiäre Unterstützung erhalten, sodass keine maßgebliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustands, insbesondere seiner psychischen Probleme, durch die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu befürchten ist (siehe zu all dem VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).

Das BFA ist auch der ihm obliegenden Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren gemäß

§ 18 AsylG durchzuführen, ordnungsgemäß nachgekommen. Dem BF wurde Parteiengehör eingeräumt, es wurden ihm die wesentlichen Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

Im Ergebnis ist daher die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch den mündlich verkündeten Bescheid des BFA festzustellen.

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

Behandlungsmöglichkeiten, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung
rechtmäßig, Folgeantrag, Herkunftsstaat, Identität der Sache,
psychische Erkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.1308469.4.00

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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