Entscheidungsdatum
10.08.2018Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W186 2202689-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2018, Zahl: 1000360110/180724852, und die andauernde Anhaltung, zu Recht erkannt:
A) I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.08.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG und § 76 Abs. 3 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 01.08.2018 bis 10.08.2018 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zuvor hatte er 2011 in Italien und 2012 in der Schweiz ebenfalls Asylanträge gestellt.
Der Asylantrag des BF wurde wegen der Zuständigkeit ITALIENS gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung des BF nach ITALIEN erlassen. Der BF wurde am 27.03.2014 nach ITALIEN überstellt.
Am 01.08.2014 wurde der BF im Bundesgebiet polizeilich betreten, festgenommen und am 02.08.2014 zur freiwilligen Ausreise wieder entlassen. Im Zuge der Einvernahme gab der BF an, über einen gültigen Aufenthaltstitel, ausgestellt von ITALIEN, zu verfügen, diesen jedoch verloren zu haben. Eine Recherche das BFA ergab, dass der BF über einen bis 02.02.2015 gültigen italienischen Aufenthaltstitel verfügte.
Er wurde am 27.12.2014 abermals im Bundesgebiet betreten und festgenommen. Der BF wies sich bei der polizeilichen Kontrolle mit seinem italienischen Aufenthaltstitel aus und legte ein Bahnticket von Rom nach Wien am 27.11.2014 vor. Aufgrund des Datums der Neuausstellung des Aufenthaltstitels vom 25.08.2014 stellte das BFA fest, dass der BF seiner Aufforderung zur sofortigen Ausreise am 02.08.2014 nachgekommen sei. Die letzte Einreise des BF in das Bundesgebiet sei mit 27.11.2014 anhand eines vorliegenden Zugtickets nachvollzogen worden und sei glaubhaft. Der BF gab im Zuge der Niederschrift am 29.12.2014 an, am 31.12.2014 mittels Bus von WIEN nach UDINE reisen zu wollen. Die Fahrkarte habe ihm ein Freund gekauft. Der BF wurde am 29.12.2014 zur freiwilligen Ausreise aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.
Der BF wurde am 08.05.2015 abermals im Bundesgebiet polizeilich betreten und nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen. Es wurden der nigerianische Reisepass sowie der italienische Aufenthaltstitel des BF sichergestellt. Der BF wurde am 22.05.2015 niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der BF gab hierbei an, sich seit ca. zwei Monaten im Bundesgebiet zu befinden. Befragt danach, wieso er sich nicht behördlich gemeldet habe führte er aus, bei einer Freundin gewohnt zu haben. Er wurde darüber belehrt, nur für einen Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraumes von 180 Tagen berechtigt zu sein und der BF daher innerhalb eines Monats nach Italien ausreisen müsse. Der BF legte ein Reiseticket für den 10.06.2015 vor. Der BF wurde im Anschluss zur freiwilligen Ausreise entlassen.
Er wurde am 05.03.2016 erneut im Bundesgebiet polizeilich betreten, jedoch wurden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Der BF konnte im Zuge der Polizeikontrolle seinen nigerianischen Reisepass vorweisen. Ebenso legte er ein Zugticket von Rom nach Wien vom 28.12.2015 vor.
Der BF wurde am 23.05.2016 vom Landesgericht für Strafsachen WIEN wegen § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten unter einer dreijährigen Probezeit verurteilt.
Er wurde am 09.06.2016 im Bundesgebiet polizeilich betreten und wies sich erneut mit seinem Reisepass und seinem italienischen Aufenthaltstitel aus. Der BF gab an, sich seit zwei Monaten in Österreich aufzuhalten.
Am 29.07.2016 wurde der BF erneut polizeilich betreten, wobei er angab, sich erst seit zwei Monaten im Bundesgebiet aufzuhalten. Wann der BF konkret in das Bundesgebiet einreiste, konnte nicht festgestellt werden.
Am 01.08.2018 wurde der BF abermals im Bundesgebiet betreten und einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in das PAZ HERNALSER GÜRTEL eingeliefert. Er wurde noch am selben Tag vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:
"F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher? Haben Sie dazu Einwände?
A: Ja die Verständigung ist sehr gut .
F: Sind Sie gesund und können Sie dieser Einvernahme folgen? Nehmen Sie Medikamente?
A: Ich bin gesund und nehme keine Medikamente.
F: Sind Sie derzeit rechtsfreundlich vertreten?
A: Nein ich habe keinen Anwalt.
Sie wurden am 01.08.2018 um 08:25 Uhr in Österreich von Beamten der LPD, festgenommen. Sie sind behördlich gemeldet, aber können keinen Schlüssel vorweisen sowie auch die Meldeadresse nicht angeben.
Sie sind im Besitz eines nigerianischen Reisepasses mit der Nr. A05666096 sowie eines italienischen Permesso "Motivi umanitari" mit der Nr. I12210679. Sie haben keinen Nachweis wann Sie nach Österreich eingereist sind.
F: Was sagen Sie dazu?
A: Ok.
F: Wann und wie sind Sie in das Bundesgebiet eingereist?
A: Ich kam vor einem Monat mit dem Zug aus Italien kommend. Ticket habe ich hier, diese ist in der Brieftasche.
F: Wo haben Sie sich im Bundesgebiet aufgehalten?
A: Bei meinem Meldezettel. In der XXXX . Die Hausnummer lautet XXXX
.
F: Wie viel Geld hatten sie bei der Einreise und wie viel haben sie nun?
A: Ich habe ca. €50. Ich kam mit €1000 cash nach Österreich. Das Geld ist bei meinem Freund. Ich habe jetzt nur noch €500 also eigentlich die €50 denn die €500 sind bei einem Freund - bei XXXX .
F: Wer ist XXXX ? Machen Sie Angaben zu ihm?
A: WO er wohnt weiß ich nicht, aber ich weiß dass er in Wien wohnt. Konkrete Angaben kann ich zu ihm nicht machen. Ich hab ihm das Geld gegeben, da ich es nicht verlieren will.
F: Wovon leben Sie in Österreich?
A: Ich lebe von dem Geld das ich dabei hatte.
F: Wie lautet Ihr Familienstand?
A: Ich bin verheiratet und habe keine Kinder. Meine Frau lebt in Nigeria.
F: Haben Sie Bekannte oder Verwandte hier in Österreich?
A: Ich habe keinen in Österreich.
F: Wo lebt Ihre Familie?
A: Meine Familie lebt in Nigeria.
F: Haben Sie Dokumente oder Beweismittel, die Sie vorlegen möchten?
A: Meine Dokumente sind alle da.
F: Sprechen Sie Deutsch?
A: Nein.
Aufgrund dessen, das Sie Ihre Einreise in das Bundesgebiet nicht glaubwürdig nachweisen können, sind Sie im Bundesgebiet illegal aufhältig. Sie verfügen zwar über eine AT in Italien sowie einen Reisepass aus Nigeria - Sie konnten aber nicht nachweisen, dass Sie seit Ihrer letzten Festnahme und Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise, ausgereist sind. Es steht dadurch für die Behörde nicht fest, dass sie bereits das Bundesgebiet verlassen haben - daher befinden Sie sich illegal im Bundesgebiet.
Daher werden Sie im Anschluss der Niederschrift in Schubhaft genommen. Es besteht bei Ihnen ein erhöhter Sicherungsbedarf.
Gem. §76 Abs 2 Zif. 1 FPG werden Sie in Schubhaft genommen.
Es wird mir mitgeteilt, dass von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation verständig werden wird, da aufgrund des Sachverhaltes ein Schubbescheid gem. § 76 Abs. 2 Ziffer
1 FPG zu erlassen ist.
Es wird mir eine Organisation zugewiesen und erfolgt eine Verständigung in schriftlicher Form, welche Organisation mich kontaktieren wird.
Es ist daher zur Sicherung dieser Maßnahmen beabsichtigt, gegen mich die Schubhaft zu verhängen,
Der Schubbescheid wird mir persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.
Ich bin in Kenntnis davon, dass mein rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 120 Abs 1a FPG nach sich zieht. Meine ha. getätigten Angaben erhebe ich hiermit auch zu meiner Stellungnahme in diesem Verwaltungsstrafverfahren vor der Landespolizeidirektion Wien, AFA 3 - Fremdenpolizei (1210 Wien, Hermann Bahr - Straße 3) und ergeht von dort diesbezüglich eine gesonderte Entscheidung.
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG haben Sie das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, sofern Sie nach diesem Bundesgebiet festgenommen wurden, unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten werden oder wurden oder wenn gegen Sie die Schubhaft gemäß dem 8.Hauptstück des FPG angeordnet wurde. Die Beschwerde kann auch bei der in der Kopfstampiglie bezeichneten Behörde eingebracht werden.
Gemäß § 82 FPG haben Sie das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn Sie nach diesem Bundesgesetz festgenommen wurden oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wurden.
Es wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie bis zur Realisierung der Abschiebung weiterhin in Haft verbleiben und in das PAZ rücküberstellt werden.
F: Haben Sie alles verstanden? Möchten Sie noch etwas angeben?
A: Ich habe alles verstanden. "
2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 01.08.2018, dem BF zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag um 20:30 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Das Bundesamt stellte im angefochtenen Bescheid zusammengefasst fest, dass der BF bereits dreimal die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nach ITALIEN erhalten habe. Die freiwillige Ausreise habe er aber bis dato von den dreimal nicht nachgewiesen werden können. Daher sei der BF seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen. Der BF besitze derzeit ca. € 50,- an Barmitteln, weshalb zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt werden müsse. Der BF besitze ein gültiges Reisedokument sowie einen italienischen Permesso. Er gehe keiner legalen Beschäftigung nach und verfüge über keinen glaubhaften Wohnsitz im Bundesgebiet. Der BF sei in keinster Weise integriert, da er keine familiären oder privaten Bindungen zu Österreich habe. Er gehöre weder einem Verein noch einer Organisation an. Er sei bereits einmal im Bundesgebiet verurteilt worden. Er sei in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. Es bestehe auch kein schützenswertes Privatleben.
Rechtlich führte das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zusammengefasst aus, dass im vorliegenden Fall die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG Fluchtgefahr begründen würden. Der BF verfüge über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet, könne aber bezüglich der Meldeadresse keine Angaben machen, sowie auch keinen Schlüssel zur Wohnung vorlegen. Er sei derzeit im Besitz von € 50,-- an Barmittel und gehe keiner illegalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Es müsse daher zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt werden. Dem BF sei bereits dreimal die freiwillige Ausreise gewährt worden. Dieser sei er bis dato nicht nachgekommen. Er habe keinen sozialen Bezug zu Österreich und habe auch kein schützenswertes Privatleben angegeben. Er würde somit untertauchen und unbekannten Aufenthaltes sein. Er sei bereits einmal im Bundesgebiet verurteilt worden. Das persönliche Verhalten des BF zeige eindeutig, dass er bestehende Rechtsvorschriften nicht beachte und jede Gelegenheit dazu benutze, um seinen illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen. Eine Fluchtgefahr liege somit begründend vor. Daher sei die Entscheidung auch verhältnismäßig, da dem BF bewusst gewesen sei, dass er sich illegal in Österreich aufhalte. Überdies habe der BF auch durch seine Angaben und Handlungen, gezeigt, dass sein Hauptinteresse nur am Weiterverbleib in Europa liege. Aufgrund des Umstandes, dass sein Herkunftsstaat als sicherer Drittstaat gehandelt werde, sei die Schubhaft als verhältnismäßig anzusehen.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF aufgrund seines oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen, dass der BF auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus der Wohn- und Familiensituation, aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich der Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Er befinde sich illegal im Bundesgebiet und habe bereits dreimal die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nach Italien von der ha. Behörde erhalten. Dieser sei er bis dato nicht nachweislich nachgekommen. Er verfüge abgesehen von € 50,-- derzeit über keinerlei Barmittel. Es bestehe die Gefahr, dass er bei Entlassung untertauchen werde. Er habe weder familiäre, berufliche, noch soziale Bindungen. Es liege daher ein berechtigter Verdacht vor, dass er seine Entlassung nur dazu benützen werde, um weiterhin in Österreich zu verbleiben und sich durch Untertauchen einem behördlichen Zugriff entziehen werde. Das gelindere Mittel der finanziellen Sicherheitsleistung komme aufgrund der finanziellen Situation des BF von Vornherein nicht in Betracht. Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden. Der BF habe seinen Aufenthalt im Verborgenen verbracht. Er habe die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften und trachtete danach seinen illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen. Er sei zwar aufrecht gemeldet aber nicht wohnhaft. Er sei wissentlich illegal im Bundesgebiet verblieben. Es sei daher festzustellen, dass der BF nicht bereit sei, behördlichen Auflagen Folge zu leisten und sei daher zu befürchten, dass er untertauchen und sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung entziehen werde. Mit der Erlassung eines gelinderen Mittels könne im Fall des BF nicht das Auslangen gefunden werden. Aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens bestehe ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit sei jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es sei weiters aufgrund seines Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie die Haftfähigkeit des BF, gegeben seien.
Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe amtswegig zur Seite gestellt.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.08.2018 erließ das Bundesamt gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach NIGERIA, mit einem dreijährigen Einreiseverbot.
3. Mit Schriftsatz vom 03.08.2018, hg. eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch seinen Rechtsberater fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid und die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft.
Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des Maßgeblichen Sachverhaltes beantragte die Beschwerde, dass Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgten, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen, sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung, der Kommissionsgebühr und der Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.
In der Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der BF nicht rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte und somit der Zweck der Schubhaft, nämlich die Abschiebung des BF, nicht erreicht werden könne. Der BF halte sich erst seit ca. 6 Wochen in Österreich auf und sei laut Busticket am 23.06.2018 in Wien angekommen. Das Zugticket nach Rom vom 18.03.2018 belege, dass sich der BF nicht mehr als 3 Monate in den letzten sechs Monaten in Österreich aufgehalten habe. Der BF habe die oben dargelegten Umstände bereits bei seiner Einvernahme am 01.08.2018 dargelegt, doch sei die belangte Behörde den Angaben des BF nicht nachgegangen und habe sie den BF insbesondere nicht aufgefordert, die von ihm genannten Dokumente vorzulegen. Ferner führe die Behörde in der Beweiswürdigung ohne nähere Begründung aus, dass der BF über keine Dokumente verfüge. Die belangte Behörde habe bei Erlass des Bescheides selbst die herabgesetzten Ansprüche an die Ermittlungstätigkeit nach § 57 AVG und die Beweiswürdigung verletzt. Die Behörde habe nicht einmal einfachste Ermittlungstätigkeiten wie
z. B: die Überprüfung der Angaben des BF mittels Abrufes des Schengener Informationssystems, gesetzt. Weiters hätte die belangte Behörde feststellen können, dass der BF im Mai nach Nigeria gereist sei, welches jedenfalls das Argument, der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, ad absurdum führe.
4. Die belangte Behörde erstattete am 07.08.2018 nachstehende Stellungnahme:
"Herr XXXX (BF) wurde am 01.08.2018, um 08:25 Uhr in Wien 20., U-Bahn Handelskai festgenommen. Die Festnahme erfolgte durch Beamte der Bereitschaftseinheit und nach den Bestimmungen des BFA-VG.
Das Asylverfahren des BF wurde mit 27.02.2014 gem. § 5 AsylG rechtskräftig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien erlassen. Am 27.03.2014 wurde der BF nach Italien überstellt.
Am 01.08.2014 wurde der BF vom der PI Hermann Bahr Straße festgenommen anschließend wurde der BF am 02.08.2014 von ha. zur freiwilligen Ausreise wieder entlassen. Der BF ist jedoch nicht nachweislich nach Italien zurückgekehrt.
Am 27.12.2014 wurde der BF von Beamten der Bereitschaftseinheit festgenommen und am 28.12.2014 von ha. zur freiwilligen Ausreise entlassen. Der BF wurde neuerlich am 29.12.2014 festgenommen und wieder entlassen. Jedoch ist der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachweislich nachgekommen.
Am 08.05.2015 wurde vom BF von den Beamten der Bereitschaftseinheit der Reisepass sowie der italienische Aufenthaltstitel gem. § 39 BFA-VG sichergestellt.
Der BF wurde am 22.05.2015 von ha. niederschriftlich einvernommen und wurden ihm die Dokumente anschließend wieder zur freiwilligen Ausreise ausgefolgt.
Am 05.03.2016 wurde der BF von der PI Pappenheimgasse angehalten, jedoch wurden keine weiteren Maßnahmen getroffen.
Der BF wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ: 082 HV 166/2015d am 28.05.2016 wegen § 27 Abs. 1 Z. 1 8. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt, unter einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.
Am 09.06.2016 und 29.07.2016 wurde der BF von der LPD angehalten.
Zuletzt wurde der BF am 01.08.2018 von den Beamten der Bereitschaftseinheit, um 08:20 Uhr festgenommen und in das PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert.
Am 01.08.2018, um 12:00 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.
Am 01.08.2018, um 20:30 Uhr wurde dem BF der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt.
Am 06.08.2018, um 07:13 Uhr langte bei ha. Behörde die Schubhaftbeschwerde ein.
Am 07.08.2018, um 15:00 Uhr wurde dem BF die Rückkehrentscheidung mit einem 3-jährigen Einreiseverbot persönlich zugestellt.
Der BF wurde für den Charter am 16.08.2018 nach Nigeria gebucht.
Der Beschwerde ist entgegenzuhalten, dass die Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend begründet wurden.
Es muss festgestellt werden, dass der BF zwar mit einem gültigen nigerianischen Reisepass und einem italienischen Aufenthaltstitel nach Österreich eingereist ist, jedoch nicht nachweisen kann wann tatsächlich die letzte Einreise stattgefunden hat. Der BF ist aufrecht gemeldet, jedoch war er nicht im Besitz eines Schlüssels und konnte auch nicht den Weg zur Wohnung beschreiben bzw. die Beamten hinführen.
Weiters ist der BF nicht im Besitz von ausreichenden Barmittel. Er hat auch keine familiären oder privaten Bindungen zu Österreich. Der BF ist bereits zwischen 2014 und 2016 mehrmals von der LPD angehalten worden und wurde ihm auch mehrmals die Möglichkeit gegeben, dass Bundesgebiet selbstständig zu verlassen. Diese Möglichkeit hat der BF jedoch nie genutzt und hat keine nachweisliche Ausreise erbracht.
Der Reisepass des BF wurde bereits am 12.01.2015 in Österreich von der Nigerianischen Botschaft sowie der Aufenthaltstitel dann am 26.07.2017 in Italien ausgestellt. In welchem Zeitraum er sich tatsächlich in Italien befunden hat, kann nicht nachvollzogen werden.
Der BF wurde mehrmals die letzten Jahre von der LPD angehalten und wurde ihm die freiwillige Ausreise gewährt, dem kam er bis dato nicht nach.
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der BF dies jetzt tun wird. Er ist zwar aufrecht gemeldet, jedoch ist er nicht mal im Besitz eines Schlüssel noch konnte er irgendeinen Weg beschreiben wie er dort hinkommt.
Im Falle einer Entlassung wird der BF sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung entziehen. Der BF hat kein Interesse Österreich zu verlassen und wird der BF daher sich in keinem Verfahren vor dem BFA stellen, wo der BF Gefahr läuft, dass die Abschiebung am 16.08.2018 erfolgreich durchgeführt werden kann.
Aus ha. Sicht hat der BF durch das bereits gesetzte Verhalten eindeutig aufgezeigt, dass ohne fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen das Verfahren zur Abschiebung nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertaucht, um sich dem Verfahren zur Abschiebung nach Nigeria zu entziehen, als schlüssig anzusehen ist.
Der Sicherungsbedarf ist somit gegeben.
Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge
1. die Beschwerde als unbegründet abweisen unzulässig zurückzuweisen,
2. gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,
3. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten."
Mit Eingabe vom 08.08.2018 teilte das Polizeikooperationszentrum THÖRL-MAGLERN mit, dass der BF am 15.08.2011 erstmalig nach ITALIEN eingereist sei. Es bestehe ein italienischer Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen mit der Nr. I12210679, der bis 16.06.2019 gültig sei. Der BF sei mit seinem Reisepass registriert und verfüge über eine Wohnanschrift in ITALIEN.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist nigerianischer und nicht österreichischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.
Er verfügt über einen bis 16.06.2019 gültigen Aufenthaltstitel in ITALIEN sowie über eine aufrechte Meldeadresse in ITALIEN.
Er wurde in der Vergangenheit mehrmals im Bundesgebiet betreten und zur freiwilligen Ausreise freigelassen, wobei der BF mehrmals bei erneuter Betretung seine Ausreise bzw. das Datum seiner Einreise nachweisen konnte (Datum der Neuausstellung seines Reisepasses, Vorlage von Zugtickets), und daraufhin von der belangten Behörde auf freien Fuß gesetzt worden war.
Am 01.08.2018 wurde der BF abermals im Bundesgebiet betreten und einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in das PAZ HERNALSER GÜRTEL eingeliefert. Über ihn wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung mehr als 90 Tage innerhalb eines Zeitraumes von 180 Tagen im Bundesgebiet aufgehalten hatte.
Am 07.08.2018 erließ das Bundesamt mit Bescheid gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach NIGERIA sowie ein dreijähriges Einreiseverbot.
Der BF wurde für die Charter Abschiebung am 16.08.2018 angemeldet.
Der BF leidet an keinen relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist somit haftfähig.
Er befindet sich seit 01.08.2018 in Schubhaft. Diese wird im Polizeianhaltezentrum HERNALSER GÜRTEL vollzogen.
2. Beweiswürdigung:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden Reisepasses fest.
Die Feststellungen zum Aufenthaltstitel in ITALIEN ergeben sich aus dem Schreiben des PKZ Thörl-Maglern vom 08.08.2018.
Dass die belangte Behörde den BF in der Vergangenheit mehrmals zur freiwilligen Ausreise freigelassen hatte und der BF diese im Nachhinein auch durch entsprechende Belege nachweisen konnte, ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
Die Angabe, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung mehr als 90 Tage innerhalb eines Zeitraumes von 180 Tagen im Bundesgebiet aufhielt, beruht auf dem Umstand, dass der BF selbst angegeben hatte, ein Monat vor seiner niederschriftlichen Einvernahme (=am 01.07.2018) in Österreich eingereist zu sein. Dies kann vor dem Hintergrund, dass er angab, im Besitz eines entsprechenden Bustickets zu sein, nicht als bloße Schutzbehauptung gelten. Warum die Behörde es unterlassen hat, sich mit diesem Aspekt des Vorbringens auseinanderzusetzen (bzw. auch nur das Busticket in Augenschein zu nehmen) ist daher nicht ersichtlich. Zudem ist im Verfahren auch hervorgekommen, dass der der BF in der Vergangenheit bewiesen hatte, dass er immer wieder nach ITALIEN zurückgekehrt ist (Neuausstellung des Aufenthaltstitels, Zugticket etc.) und er auch nach wie vor in ITALIEN gemeldet ist.
Dass der BF seit 01.08.2018 im Polizeianhaltezentrum HERNALSER GÜRTEL angehalten wird, beruht auf einem Auszug aus der Anhaltedatei.
Dass der BF gesund ist beruht auf dem Umstand, dass gegenteiliges in der Beschwerde nicht vorgebracht wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.
2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A.I.) - Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft
1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, (Z 1) oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).
1.2. Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Er ist im Besitz eines nigerianischen Reisepasses und eines italienischen Aufenthaltstitels.
1.3. Über den Beschwerdeführer wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG verhäng. Eine Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu erlassen, wenn sich der Drittstaatsangehörige nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Eine Abschiebung nach § 46 FPG ist gemäß Abs. 1 leg. cit. nur gegen Fremde möglich, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist.
§ 52 Abs. 6 FPG bestimmt: "Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen."
§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG normiert, dass sich ein Fremder rechtmäßig bis zu drei Monaten (Art. 21 SDÜ) im Bundesgebiet aufhält, wenn er Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, sofern er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgeht.
1.4. Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass der BF sich zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung länger als den in § 31 Abs. 1 Z 3 FPG normierten Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat. (Im übrigen wird darauf verwiesen, dass das BFA hier weder die von Seiten des BF angebotenen Beweismittel gewürdigt hat, noch selbst Ermittlungen diesbezüglich getätigt hat).
1.5. Anders als die Behörde geht das Gericht im vorliegenden Fall nicht von "Fluchtgefahr" aus, die ja in Zusammenhang mit einem konkreten Sicherungsbedarf zu sehen wäre. Der BF ist in Ausübung seines Rechtes auf Bewegungs-/Reisefreiheit in Österreich eingereist (Art. 21 SDÜ iVm dem italienischen Aufenthaltstitel).
Die Behörde hat ihren Bescheid im Wesentlichen auf das bisherige Verhalten des BF gestützt, nämlich, dass er wiederholte Aufforderungen, das Bundesgebiet (nach Italien) zu verlassen, nicht beachtet habe. Dem gegenüber steht jedoch der Umstand, dass der BF aktuell im Besitz eines fremdenrechtlichen Status ist, der ihn zum Grenzübertritt (auch) nach Österreich berechtigt und in der Vergangenheit mehrmals in Österreich ein-, aber auch wieder nach Italien ausgereist ist. In einem Fall wie diesem tritt der der Tatbestand der (wiederholten) Einreise gegenüber dem Recht auf Freizügigkeit zurück und ist jedenfalls nicht geeignet, "Fluchtgefahr" bzw. einen Sicherungsbedarf zu begründen, der die Verhängung von Schubhaft rechtfertigen würde. Augenscheinlich aus den gleichen Erwägungen hat die belangte Behörde in der Vergangenheit den BF mehrmals auf freien Fuß gesetzt und ihn - offensichtlich in Anwendung des Art 52 Abs 6 FPG - zur Ausreise nach Italien angehalten. Dafür, dass sich die Situation jetzt grundlegend geändert hätte, und die Einreise des BF nach Österreich nicht (mehr) rechtmäßig wäre, hätte es weiterer Erwägungen bzw Entscheidungsgrundlagen bedurft. Es ist darauf hinzuweisen, dass der italienische Titel nach wie vor gültig ist und dass der Umstand, der BF befände sich mehr als 90 Tage im Bundesgebiet nicht festgestellt werden konnte (und von der Behörde auch nicht festgestellt wurde). Es konnte unter Verwendung der vorliegenden Entscheidungsgrundlagen auch nicht gefunden werden, dass der Aufenthalt des BF in Österreich aus anderen Gründe rechtswidrig wäre, etwa, weil der BF die ihm gem. Art. 21 SDÜ zukommende Reisefreiheit zu anderen als den dort erlaubten Reisezwecken (nämlich solchen privater oder touristischer Natur), insbesondere für eine unerlaubte Erwerbstätigkeit, gebraucht hätte.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch in letzterem Fall § 52 Abs. 6 FPG schlagend würde (Rückkehrentscheidung und Abschiebung subsidiär zu Ausreiseverpflichtung nach Italien).
Im Ergebnis erweist sich in Ermangelung eines konkreten Sicherungsbedarfs daher die Verhängung der Schubhaft hier als nicht notwendig und somit unrechtmäßig.
3. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).
Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft von 01.08.2018 bis 10.08.2018 für rechtswidrig zu erklären.
Aus den oben genannten Erwägung war daher der Schubhaftbescheid sowie die darauf gestützte Anhaltung für rechtswidrig zu erklären.
Zu Spruchpunkt A.II.) Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Aufgrund obiger Erwägungen, insbesondere des Nichtvorliegens eines konkreten Sicherungsbedarfs, war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.
Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Zu Spruchpunkt A.III. und IV. ) Kostenbegehren
1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.
§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.
Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.
Zu Spruchpunkt B. ) Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in Bezug auf die Kostenentscheidung war die Revision bezüglich der Spruchpunkt A.III. und IV. gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer, Aufenthaltstitel, freiwillige Ausreise,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W186.2202689.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2018