Entscheidungsdatum
20.08.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W124 2141896-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) des XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch XXXX , Rechtsberater, betreffend seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom XXXX , zu Recht erkannt:
A.
1. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des XXXX vom
XXXX wird gemäß §§ 33 Abs. 1 iVm 28 Abs. 7 VwGVG zurückgewiesen.
B. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch XXXX , Rechtsberater, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2016, Zl. XXXX , beschlossen:
A. Die Beschwerde wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG zurückgewiesen.
B. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX bei einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz, woraufhin am XXXX seine Erstbefragung durch den öffentlichen Sicherheitsdienst erfolgte.
2. Am XXXX langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) die Vollmacht des Landes Niederösterreich als für den BF zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger gemäß § 10 Abs 3 BFA-VG ein, durch welche XXXX und XXXX ermächtigt wurden, den BF bis zur Volljährigkeit unter Ausschluss der Substitution im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren zu vertreten. Durch diese Vollmacht wurde den genannten Personen auch ausdrücklich die Zustellvollmacht per Adresse " XXXX " erteilt.
3. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF durch das Bundesamt.
4. Mit E-Mail vom XXXX teilte XXXX , Rechtsberaterin der XXXX , dem Bundesamt mit, dass die Adresse der Asylberatung der XXXX ab XXXX " lauten würde.
5. Mit einer als Bescheid bezeichneten Erledigung des Bundesamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
6. Das Bundesamt ordnete am XXXX mit Zustellverfügung an, dieses Schreiben per RSa an die gesetzliche Vertretung des Asylwerbers zuzustellen. Als Empfänger wurde in der Zustellverfügung " XXXX " angeführt.
7. Laut Rückschein hat ein Bevollmächtigter der XXXX , das Schreiben am XXXX übernommen.
8. Am XXXX übermittelte das Bundesamt ein Schreiben an die Grundversorgung Niederösterreich, mit welchem es mitteilte, der Bescheid des Bundesamtes über den Antrag des BF sei am XXXX in Rechtskraft erwachsen.
9. Mit der am XXXX eingebrachten Beschwerde wurde das als Bescheid bezeichnete Schreiben durch den BF, vertreten durch XXXX , XXXX und XXXX vollinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.
9.1 Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wurde ausgeführt, dass der bekämpfte Bescheid fälschlicherweise an keinen der drei Zustellbevollmächtigten, sondern lediglich an die XXXX als juristische Person adressiert worden sei. Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG sei die Nichtbezeichnung des Zustellbevollmächtigten als Empfänger in der Zustellverfügung erst mit dem tatsächlichen Zukommen am XXXX geheilt, weshalb die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei.
9.2 In eventu wurde geltend gemacht, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, da eine entsprechend der Zustellverfügung erfolgte Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei bezeichnet wurde, keine Rechtswirkungen entfalten könne. Der Zustellmangel sei nicht heilbar.
9.3 Aus rechtlicher Vorsicht wurde im Zuge der Beschwerde auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und begründend dazu ausgeführt, die mangelhafte Adressierung des Schreibens habe dazu geführt, dass die Vertreter nicht rechtzeitig Kenntnis von dem Schreiben erlangen hätten können. Ebenso unvorhersehbar und unabwendbar sei gewesen, dass der von XXXX übernommene Bescheid trotz ordnungsgemäßer Ablage am Schreibtisch des XXXX versehentlich entfernt und erst erheblich später dort wieder deponiert worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei rechtzeitig, da der Bescheid am XXXX gefunden worden sei.
10. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim BVwG mit dem Vermerk des Bundesamtes ein, das Verfahren sei von ihm aufgrund offensichtlicher Fristversäumnis als rechtskräftig eingetragen worden. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG zugewiesen.
11. Mit Verspätungsvorhalt vom XXXX , zugestellt am XXXX , räumte das BVwG dem BF die Möglichkeit ein, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde abzugeben.
12. In der Stellungnahme vom XXXX verwies der BF, vertreten durch
XXXX , XXXX und XXXX , bezüglich der Rechtzeitigkeit der Beschwerde im Wesentlichen auf die rechtlichen Ausführungen in der Beschwerde sowie auf den Wiedereinsetzungsantrag. Weiters gaben die Vertreter bekannt, dass ihre Vollmacht auf Wunsch des Landes Niederösterreich zurückgelegt worden sei und ersuchten, alle Zustellungen an den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vorzunehmen.
13. Am XXXX erhob der BF, vertreten durch den Rechtsberater XXXX , eine Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG iVm § 8 VwGVG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht und führte zur Begründung aus, das Bundesamt habe über seinen mit Schriftsatz vom XXXX gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entschieden. Da seit der Antragstellung knapp 19 Monate vergangen seien, sei das Bundesamt jedenfalls säumig. Der Beschwerde sei somit stattzugeben und das BVwG habe über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden. Gleichzeitig beantragte er, dem Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 71 Abs. 6 AVG zuzuerkennen.
14. Am XXXX langte die Vorlage der Säumnisbeschwerde beim BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Mit Schreiben vom XXXX erteilte das Land Niederösterreich als für den BF zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG XXXX , XXXX , XXXX bis zur Volljährigkeit folgende Vollmachten unter Ausschluss der Substitution:
-
Vertretung im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren einschließlich
-
Zustellvollmacht an XXXX , XXXX und XXXX .
Dieses Schreiben wurde dem Bundesamt am XXXX zugestellt.
1.2. Mit einem als Bescheid bezeichneten Schreiben vom XXXX erledigte das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz des BF. In der Zustellverfügung vom XXXX ordnete das Bundesamt an, dieses Schreiben per RSa an den Empfänger " XXXX , XXXX " sowie an UNHCR zu übermitteln. Am XXXX wurde das Schriftstück von XXXX in der Funktion als Bevollmächtigter der Perspektivenberatung für die Entgegennahme von RSa-Briefen an der Adresse XXXX , übernommen.
1.3. Am XXXX erhielt XXXX das als Bescheid bezeichnete Schreiben im Original, woraufhin die Vertreter des BF am XXXX einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit einer Bescheidbeschwerde beim Bundesamt einbrachten.
1.4. Das Bundesamt hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entschieden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass das Bundesamt durch ein Fehlverhalten des BF oder durch ein unüberwindbares Hindernis an der Erledigung des Antrags gehindert wurden.
2. Beweiswürdigung
Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus der am XXXX an das Bundesamt übermittelten Vollmacht sowie der Zustellverfügung vom XXXX und der Übernahmebestätigung vom XXXX .
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs 1 VwGVG).
3.1 Spruchteil I.A.
Verwaltungsgerichte entscheiden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Gem. § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Ein überwiegendes Verschulden ist dann anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindbare Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde; etwa wenn die Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet. In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein "überwiegendes" Verschulden der Behörde (vgl. Fister et al., Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 8 VwGVG, Anm. 9.; mwN). Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist sohin nicht iS eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde zu verstehen, sondern handelt es sich vielmehr um einen "objektiven Maßstab" (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG, Rz 37 (Stand 15.2.2017, rdb.at)).
Ist eine aufrechte Säumnisbeschwerde zulässig und iSd § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG begründet, mündet das Säumnisbeschwerdeverfahren in ein Erkenntnis, mit dem das VwG entweder zunächst eine (Teil-)Entscheidung in der betriebenen Verwaltungssache oder sogleich eine Entscheidung in der Sache selbst trifft (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG, Rz 186 (Stand 15.2.2017, rdb.at)). Bei der Entscheidung in der Sache selbst handelt das VwG anstelle der Unterinstanz, ist also im Regelfall funktionell erste Instanz. In diesem Sinn nimmt § 27 VwGVG auf Säumnisbeschwerden nicht Bezug und kann daher die Prüfungsbefugnis des VwG von vornherein nicht einschränken (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, Rz 95 (Stand 15.2.2017, rdb.at)).
3.1.1 Stattgabe der Säumnisbeschwerde
Im konkreten Fall stellte der BF am XXXX einen Antrag auf Wiedereinsetzung verbunden mit einer Beschwerde gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes und löste hierdurch die Entscheidungspflicht der Behörde aus.
Das Bundesamt legte dem BVwG die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes vor, ohne über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden. Durch die Beschwerdevorlage nach § 14 VwGVG endet hinsichtlich des Antrags auf internationalen Schutzes die Rolle Bundesamtes als für den Verfahrensgang verantwortliche Stelle und Entscheidungsträgerin, sie wird zur Partei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die dem Beschwerdeführer gegenübersteht und der dieselben Rechte zukommen wie diesem (vgl. Neudorfer in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2, § 14 VwGVG, Rz 7 (lexisnexis.at, Stand 01.08.2016)). Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag geht jedoch trotz Vorlage der Beschwerde nicht auf das BVwG über, da es ansonsten im Ermessen der belangten Behörde stehen würde, selbst zu entscheiden oder die Zuständigkeit zu übertragen. Eine solche Interpretation des § 33 Abs. 4 VwGVG würde somit das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzen und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Mangels Übergangs der Zuständigkeit auf das BVwG blieb das Bundesamt daher weiterhin entscheidungspflichtig.
Im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde lag keine Entscheidung des Bundesamtes vor und war die Behörde daher bereits seit über 18 Monaten säumig. Auch im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens wurde der Bescheid über den Antrag nicht nachgeholt.
§ 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF vom 01.06.2016 legt für die Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz abweichend von § 73 AVG eine Frist von 15 Monaten fest. Im gegenständlichen Fall bezieht sich die Säumnis jedoch auf den Wiedereinsetzungsantrag und nicht auf den Antrag auf internationalen Schutz, weshalb von einer sechsmonatigen Frist gemäß § 8 VwGVG auszugehen ist. Selbst bei Vertretung der Rechtsansicht, § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF vom 01.06.2016 gelte auch für Anträge, die in einem sachlichen Zusammenhang mit einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz stehen, ist die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde nach den obigen Ausführungen jedenfalls verstrichen. Aufgrund der unbestrittenen Säumigkeit des Bundesamtes ist die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht daher zulässig.
Zu prüfen ist nunmehr, ob die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesamtes zurückzuführen ist. Wie sich aus dem Verwaltungsakt und aus dem dargestellten Verfahrensgang ergibt, hat die belangte Behörde trotz ihrer Zuständigkeit keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt oder aufgrund der Aktenlage eine Entscheidung getroffen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht, dass die Ermittlungsverzögerung durch schuldhaftes Verhalten des BF oder durch unüberwindbare Hindernisse herbeigeführt worden sind. Das Bundesamt erstattete diesbezüglich auch kein Vorbringen. Vielmehr wurde die Säumnisbeschwerde kommentarlos an das BVwG weitergeleitet. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht ist daher im vorliegenden Fall gegeben. Der Beschwerde war sohin spruchgemäß stattzugeben.
Daraus folgt, dass die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf das BVwG übergegangen ist und es in der Folge über diesen Antrag selbst zu entscheiden hat.
3.1.2 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Eingangs ist festzuhalten, dass entgegen der Rechtsansicht des BF bei Versäumen der Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung ist und nicht § 71 AVG, da es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (§ 17 VwGVG) (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags ist demnach, ob eine Frist versäumt wurde. Konkret richtet sich der Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX . Die Frist zur Erhebung dieser Beschwerde beträgt gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vier Wochen und beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Zunächst ist daher zu klären, ob die Erledigung des Bundesamtes dem BF rechtswirksam zugestellt wurde und somit die Frist zur Beschwerdeerhebung in Gang gesetzt wurde.
3.1.2.1 Zustellung der Erledigung
Die Beurteilung, ob die Zustellung des Schriftstückes rechtswirksam erfolgt ist, richtet sich nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes (vgl. § 1 ZustG). Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten (§ 5 ZustG).
Unter einem "Empfänger" iSd Zustellgesetzes versteht man die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich als solcher bezeichnete Person (§ 2 Z 1 ZustG.). Als Abgabestelle wird die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Fall einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort bezeichnet (§ 2 Z 4 ZustG.).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 ZustG, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Im Falle der Adressierung des Dokuments an die Partei anstelle des Zustellbevollmächtigten gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Bestellt eine Verfahrenspartei mehrere Bevollmächtigte, sind Zustellungen nur an einen von ihnen zu bewirken (vgl. Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler et al., Österreichisches Zustellrecht2, § 9 ZustG, Rz 8a und 9 (lexisnexis.at, Stand 18.09.2017); mwN).
Die entsprechend der Zustellverfügung erfolgende Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, vermag jedoch gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten. Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann auch nicht heilen, weil kein Fall des § 7 ZustG vorliegt (vgl. VwGH, 26.02.2014, 2013/04/0015; mwN).
Das Gebot der namentlichen Bezeichnung des Empfängers wird nach der Judikatur des VwGH streng ausgelegt. So reicht es beispielsweise bei der Adressierung an einen Rechtsanwalt nicht, bloß das Kürzel "RA" anzuführen, sondern muss der Parteienvertreter namentlich genannt werden (vgl. VwGH 28.7.2010, 2009/02/0270).
Im konkreten Fall geht aus dem Wortlaut der vorgelegten Vollmacht eindeutig hervor, dass die dort genannten Vertreter persönlich bevollmächtigt wurden und Dokumente lediglich per Adresse der XXXX zugestellt werden sollen. Die Bezeichnung des Empfängers als " XXXX " war mangelhaft, da keiner der Zustellbevollmächtigten namentlich als Empfänger genannt wurde.
Wie oben ausgeführt, heilt dieser Zustellmangel nicht nach § 9 Abs. 3 ZustG, da das Dokument nicht an die Verfahrenspartei, sondern an einen falschen Zustellbevollmächtigten adressiert wurde. Aufgrund der falschen Bezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung ist die Heilung nach § 7 ZustG ebenfalls ausgeschlossen. Die Tatsache, dass einer der Vertreter das Dokument im Original tatsächlich erhalten hat, vermag daher an der mangelhaften Zustellung nichts zu ändern. Die Zustellung war somit nicht rechtswirksam.
3.1.2.2 Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung
Da die Erledigung gegenüber dem BF nach den obigen Ausführungen keine Rechtswirkungen entfalten konnte, wurde die Frist zur Erhebung einer Beschwerde nicht in Gang gesetzt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war folglich mangels Fristversäumnis unzulässig und daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Durch die Erledigung des Antrages auf Wiedereinsetzung erübrigt sich ein Abspruch über den damit verbundenen Antrag, dem Wiedereinsetzungsverfahren aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3.2 Spruchteil II.A.
Ein Bescheid gilt nur gegenüber jenen Parteien als erlassen, denen er mündlich verkündet oder zugestellt (ausgefolgt) wird (vgl. VwGH 22.02.2001, 99/20/0487). Wird ein "Bescheid" im Einparteienverfahren nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht (dh von niemandem, z.B. mit Beschwerde an den VwGH) anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 8 (Stand 1.7.2005, rdb.at); mwN).
Da im vorliegenden Fall die Erledigung des Bundesamtes nicht rechtswirksam zugestellt wurde, konnte der "Bescheid" nicht in rechtliche Existenz treten und entfaltet daher auch keine Rechtswirkungen. Folglich ist die als Bescheid bezeichnete Erledigung nicht anfechtbar und war daher die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verfahren ist folglich weiter in erster Instanz anhängig. Hingewiesen sei an dieser Stelle, dass sich die belangte Behörde im weiteren Verfahren insbesondere mit etwaigen Änderungen der politischen Situation im Herkunftsstaat sowie mit der Integration des BF in Österreich in den letzten eineinhalb Jahren auseinanderzusetzen haben wird.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
3.3 Zu Spruchteil I.B. und II.B. - Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Im Einzelnen wird hinsichtlich der Beurteilung der Frage der Zuständigkeit für die Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages insbesondere auf die Entscheidung des VwGH vom 28.09.2016 zu Ro 2016/16/0013 verwiesen. Zur Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Zustellung wurden vor allem die Entscheidungen VwGH 26.02.2014, 2013/04/0015, sowie VwGH 28.07.2010, 2009/02/0270, herangezogen. Spruchteil II.B. stützt sich hauptsächlich auf die Entscheidung VwGH 22.02.2001, 99/20/0487.
Schlagworte
Entscheidungspflicht, Fristenlauf, Säumnisbeschwerde,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W124.2141896.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2018