TE Bvwg Beschluss 2018/8/20 I412 2201134-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

I412 2201134-2/10E

I412 2201134-3/2E

BESCHLUSS

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele. ACHLEITNER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. XXXX, StA Nigeria vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 10.08.2018 beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 17.05.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 13.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.04.2018 im Beisein einer Vertreterin der ARGE Rechtsberatung zu seiner Person befragt an, er sei am 15.05.2001 geboren worden.

Konfrontiert mit den Ergebnissen eines Altersgutachtens, welches ihm ein fiktives Geburtsdatum 18.10.2001 zuweist, und seinen Angaben in Italien, wonach er am 15.05.1998 geboren sei, gab der Beschwerdeführer an, das stimme nicht, er habe gesagt, er sei 14 und sie hätten aufgeschrieben, er sei 16.

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 17.05.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Der genannte Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer zugewiesenen Rechtsberatung am 19.06.2018 zugestellt.

Am 17.07.2018 brachte der Beschwerdeführerverstreter Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, welche am 20.07.2018 zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weitergeleitet wurde.

Mit bei der zuständigen Gerichtsabteilung am 27.07.2018 eingelangtem Schreiben der belangten Behörde wurde die gegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am 06.08.2018 wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorgehalten, dass sich die gegenständliche Beschwerde vom 17.07.2018 gegen den Bescheid vom 17.05.2018, der dieser am 19.06.2018 zugestellt wurde als verspätet darstellt.

Mit Schreiben vom 10.08.2018 nahm die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zu diesem Verspätungsvorhalt Stellung.

Mit Schreiben an die belangte Behörde vom 10.08.2018 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht. Nach Erstattung eines Vorbringens zur Rechtzeitigkeit des Antrages wird darin begründend zusammengefasst ausgeführt, dass zu keinem Zeitpunkt eine gewillkürte Vertretung durch die dem Beschwerdeführer zur Seite gestellte Rechtsberatung bestand. Die Vertretung ergebe sich lediglich ex lege aus § 10 Abs. 5 BFA-VG, weshalb den Beschwerdeführer, der als rechtlicher Laie darauf vertrauen müsse, dass ein Vertreter alle rechtlich nötigen Schritte setzt um seine Interessen zu wahren, kein Auswahlverschulden treffe und der Irrtum des Rechtsberaters ihm nicht angelastet werden könne. Nach Anführung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung wird ausgeführt, dass mangels Obsorgeübertragung die Rechtsberatungsorganisation als gesetzlicher Vertreter zuständig geblieben ist. Da keine gewillkürte Vertretungsvollmacht vorliege, könne die Frage, ob dem Rechtsberater ein Verschulden an der Fristversäumung anzulasten sei, und ob ein allfälliges Verschulden den minderen Grad des Versehens übersteige, nach dem Gesagten dahingestellt bleiben.

Eine (auffallende) Sorglosigkeit im Umgang mit Fristen und im Umgang mit Behörden sei dem Beschwerdeführe jedenfalls nicht vorzuwerfen. Unter einem wurde (erneut) Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Verfahrensgang näher angeführte Bescheid der belangten Behörde vom 17.05.2018 wurde der Arge Rechtsberatung - Diakonie und Volkhilfe, welche dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 15.06.2018 zur Seite gestellt wurde, am 19.06.2018 zugestellt.

Der Beschwerdeführer wurde noch nicht an eine Betreuungsstelle zugewiesen und verfügt über keinen festen Wohnsitz.

Mit Schreiben vom 17.07.2018 hat der Beschwerdeführer durch die Rechtsberatungsorganisation, die die gesetzliche Vertretung gemäß § 10 Abs. 3 und 5 BFA-VG innehat, Beschwerde erhoben und diese mittels Fax am selben Tag an das Bundesverwaltungsgericht gesandt.

Das Bundesverwaltungsgericht leitete die Beschwerde am 20.07.2018 zuständigkeitshalber gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an die belangte Behörde weiter.

Mit Schreiben vom 23.07.2018 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 10.08.2018 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und (erneut) Beschwerde bei der belangten Behörde eingebracht.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde zuständigkeitshalber am 17.08.2018 von der belangten Behörde übermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die Zustellung an die Rechtsberatung sowie zum Verfahrensgang sind unstrittig bzw. ergeben sich aus dem im Akt der belangten Behörde aufliegenden Rückschein.

Dass der Beschwerdeführer über keinen festen Wohnsitz verfügt, ergibt sich aus einer Abfrage aus dem Zentralen Melderegister. Auch die zuständige Rechtsberatung führte in ihrer Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt vom 10.08.2018 aus, dass der Minderjährige keine feste Unterkunft hat, bzw. von seiner früheren Unterkunft abgemeldet wurde, weshalb kein Rechtsberatungsgespräch stattfinden konnte. In der angeführten Stellungnahme wird auch vorgebracht, dass der Beschwerdeführer noch keinem Jugendwohlfahrtsträger eines Bundeslandes zugeteilt worden ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. zu 1. A) Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33 VwGVG lautet wie folgt:

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein

unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie

von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat

- eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch

einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei

ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die

Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen

minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

3.2.

Gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG ist ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Solche Fremde sind in die Erstaufnahmestelle zu verbringen (§ 43 BFA-VG). Gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesveraltungsgericht ist ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle der Rechtsberater (§ 49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. (...).

3.3. Gemäß § 10 Abs. 5 BFA-VG bleibt der Rechtsberater, wenn sich der mündige Minderjährige dem Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 AsylG 2005 entzieht, gesetzlicher Vertreter, wenn nur dieser im bisherigen Verfahren die gesetzliche Vertretung innehatte, bis die gesetzliche Vertretung gemäß Abs. 3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt.

Vom der unbestritten im Sinne der genannten Bestimmung die gesetzliche Vertretung innehabenden Rechtsberatung wird zusammengefasst vorgebracht, der Irrtum hinsichtlich der fälschlichen Zustellung (der Beschwerde) sei der willkürlich ernannten Rechtsberatungsorganisation zuzurechnen. Den minderjährigen Beschwerdeführer treffe diesbezüglich jedoch kein Auswahlverschulden. Zwischen dem Beschwerdeführer und dem Rechtsberater bestehe kein gewillkürtes Vollmachtsverhältnis, welches die Zurechenbarkeit eines Fehlers des Vertreters bedeuten würde. Die Vertretung im Zulassungsverfahren von Minderjährigen werde willkürlich auf zwei Rechtsberatungsorganisationen aufgeteilt. Die Wahl oder der Wechsel einer Organisation sei nicht möglich. Der Irrtum eines willkürlich ernannten Rechtsberaters bzw. Rechtsberatungsorganisation als gesetzlicher Vertreter, auf deren Zuverlässigkeit der Beschwerdeführer mangels Alternative vertrauen müsse, könne dem minderjährigen Beschwerdeführer mangels eines Vollmachtsverhältnisses jeglicher Art nicht zugerechnet werden. Der Beschwerdeführer sei durch ein unvorhergesehenes Ereignis verhindert gewesen, die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde einzuhalten, da er darauf vertrauen habe müssen, dass sein willkürlich gewählter gesetzlicher Vertreter die nötigen Verfahrensschritte setzt, wobei den Beschwerdeführer nur ein geringer Grad des Verschuldens treffe. Der Irrtum des Mitarbeiters der Rechtsberatungsorganisation sei zwar bedenklich, aber, dass in einer großen Organisation einzelnen sonst sorgfältigen Mitarbeitern manchmal Irrtümer passieren, sei lebensnahe. Ein Irrtum des Mitarbeiters der Rechtsberatungsorganisation sei dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen.

Dies ist aus folgenden Gründen nicht zutreffend:

Nach § 9 AVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. § 10 BFA-VG sieht (neben anderen - für die hier zu beantwortende Frage aber nicht weiter maßgeblichen - Vorschriften, nach denen bestimmte von Minderjährigen oder deren gesetzlichen Vertretern vorgenommene Verfahrenshandlungen als beachtlich oder unbeachtlich anzusehen sind) in seinem Abs. 1 vor, dass für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 BFA-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich ist. Damit handelt es sich insoweit um eine lex specialis zum Internationalen Privatrechts-Gesetz (IPRG).

Demnach bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit eines Menschen primär nach seinem Alter. Mit der Volljährigkeit (=Vollendung des 18. Lebensjahres) erreicht der geistig gesunde österreichische Staatsbürger die volle Geschäftsfähigkeit und ist daher jedenfalls auch prozessfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I2, § 9 Rz 14). Dies gilt zufolge § 10 Abs. 1 BFA-VG auch für Fremde, die sich in einem in dieser Bestimmung genannten Verfahren befinden. Hingegen stehen Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 ABGB), unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs. 1 ABGB) und können daher an sich ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO).

Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten. Zudem enthält das BFA-VG betreffend die gesetzliche Vertretung Minderjähriger sowie die von einem oder mehreren gesetzlichen Vertretern gesetzten Prozesshandlungen weitere Regelungen, insbesondere auch für jenen Fall, in dem die Interessen eines Minderjährigen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können (vgl. dazu in erster Linie die Bestimmungen des § 10 BFA-VG; zu all dem vorher Gesagten VwGH 25.2.2016, Ra 2016/19/0007).

Wie festzustellen war, hatte im vorliegenden Fall die Rechtsberatungsorganisation die gesetzliche Vertretung inne, die ex lege eintrat, was von dieser auch nicht bestritten wird.

Deren Ausführungen in der vorliegenden Stellungnahme, wonach weder diese noch einer ihrer Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerde über eine gewillkürte Vertretungsvollmacht im Beschwerdeverfahren verfügte gegen daher ins Leere - eine Beschwerde konnte im vorliegenden Verfahren nach dem Ausgeführten somit nur von der Rechtsberatung als gesetzlichem Vertreter eingebracht werden, sodass dem handlungsunfähigen Minderjährigen dessen Handeln sehr wohl zugerechnet werden muss.

Die Vertretungsbefugnis der Rechtsberatungsorganisation als gesetzlicher Vertreter ist daher auch ohne das Vorliegen einer Vollmacht nicht beschränkt, weshalb diese zur Setzung sämtlicher Akte im Verfahren berechtigt und auch verpflichtet ist.

3.4. Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0583).

An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064).

In Anbetracht der richtigen Rechtsmittelbelehrung und dem Einschreiten eines rechtskundigen Mitarbeiters der Rechtsberatungsorganisation ist ein Außerachtlassen der im Verkehr mit Gerichten erforderlichen Sorgfalt, wie es auf Seiten des Wiedereinsetzungswerbers beziehungsweise des gesetzlichen Vertreters erfolgte nicht als minderer Grad des Verschuldens zu bezeichnen (vgl. VwGH 20.04.2001, 98/05/0083, mwN). Das Verhalten des Vertreters ist den Wiedereinsetzungswerbern auch zuzurechnen (VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Ein weiteres Vorbringen, weshalb den Rechtsberater kein Verschulden oder ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden trifft, ist dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu entnehmen.

3.5. Abschließend wird angemerkt, dass bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung ist und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086). Insoweit die Wiedereinsetzungswerber sich daher in ihrem Antrag auf §§ 71, 72 AVG stützen, führen sie zwar die falschen rechtlichen Bestimmungen an, was aber aufgrund des gleichartigen Regelungsinhaltes nicht schadet.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist im Fall des § 33 Abs. 1 VwGVG bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 33 Abs. 3 VwGVG). Nach § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage die Behörde über den Antrag mit Bescheid, ab Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 33 Abs. 5 VwGVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Nach Abs. 6 leg.cit. findet gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags keine Wiedereinsetzung statt.

3.6. Zu 2.

Nach § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde vier Wochen. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Wie festgestellt, wurden der Bescheide am 19.06.2018 zugestellt, sodass an diesen Tagen die vierwöchige Frist zu laufen begann und demgemäß am 17.07.2018 endete.

Eine Einbringung der Beschwerde bei einer anderen (als der belangten) Behörde ist nur dann fristwahrend, wenn diese im Sinne des § 61 Abs 4 AVG in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides angegeben sei. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht vorliegend. Zudem kommt auch der Grundsatz des § 6 Abs 1 AVG zum Tragen, wonach die Weiterleitung an die zuständige Behörde "auf Gefahr des Einschreiters" erfolt. Da die Beschwerde bei der belangten Behörde erst am 20.07.2018 und somit deutlich nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelangt Ist, war sie als verspätet zurückzuweisen.

Da die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht bereits zur Entscheidung vorgelegt worden ist, war dieses auch zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG zuständig.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher als unbegründet abzuweisen und die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

3.7. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Eine Verhandlung im Verfahren über die Wiedereinsetzung wurde weder beantragt noch hält das Bundesverwaltungsgericht eine solche aufgrund der klaren Aktenlage für erforderlich. Eine Verhandlung hinsichtlich der Beschwerde konnte aufgrund von § 24 Abs. 2 Z 1 entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist bzw. der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung, gesetzlicher Vertreter, Minderjährigkeit,
Vertretungsverhältnis, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag,
zumutbare Sorgfalt, Zurechenbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I412.2201134.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten