TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/21 W169 2186148-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2018
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Entscheidungsdatum

21.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2186148-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2018, Zl. 1178279706-180022076, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt".

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.01.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.01.2018 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Der Beschwerdeführer habe von 1997 bis 2009 die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. In Indien würden die Mutter sowie die Schwester des Beschwerdeführers leben; sein Vater sei bereits verstorben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er und andere Jugendliche aus seinem Dorf sich der Aam Admi Partei angeschlossen hätten. Der Dorfrat gehöre jedoch der Kongresspartei an. Bei der Wahl hätte ihre Partei verloren und habe der Dorfrat ihn deswegen durch die Polizei festnehmen und schlagen lassen. Weiters habe der Beschwerdeführer ein Problem mit seinem Onkel bezüglich eines Grundstückes, er habe ihm auch mit dem Umbringen gedroht. Für den Fall einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben.

2. Mit Schreiben vom 08.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu den aktuellen Länderberichten zur Situation im Herkunftsstaat abzugeben.

3. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2018 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme, in Indien zwölf Jahre die Grundschule besucht und danach in der eigenen, vom Vater geerbten, Landwirtschaft gearbeitet und ferner 20 Kühe besessen habe. Ihm sei es wirtschaftlich sehr gut gegangen und habe er durch seine Arbeit ungefähr 40.000 Rupien monatlich verdient. Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos. Im Herkunftsstaat hätten zum Zeitpunkt der Ausreise die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers gelebt, jedoch wisse der Beschwerdeführer nicht, wo sie sich derzeit aufhalten würden. Sein Onkel mütterlicherseits hätte deren Ausreise organisiert, da sie einmal wegen des Beschwerdeführers angegriffen worden seien. Der Beschwerdeführer habe die Kühe vor seiner Ausreise verkauft; es gäbe aber das Grundstück noch, wobei das Haus leer stehe. Der Beschwerdeführer sei gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

VP: Meine ganze Familie war die letzten 20 Jahren Mitglieder der Kongresspartei. Die Kongresspartei und die Akali Dal haben für die Jugend aber nichts getan. Deswegen haben ich und andere jungen Männer beschlossen, dass wir Anhänger der Aam Admi Partei werden. Diese Partei hat versprochen, dass sie Arbeitsplätze schaffen werden und unsere Probleme lösen werden. ich und die anderen haben dann auch angefangen andere Dorfbewohner zu überreden sich der Partei anzuschließen. Der Dorfvorstand und mein Onkel väterlicherseits waren sehr dagegen, dass ich die Aam Admi Partei unterstütze. Die Aam Admi Partei hat dann bei den Wahlen verloren. 2-3 Monate nach der Wahlniederlage gab es keine Probleme und es war alles friedlich. Eines Abends als ich auf meine Felder ging, dass dort der Dorfvorstand, mein Onkel väterlicherseits und ein paar Leute der Kongrespartei waren. Sie sind mit dem Traktor gefahren und haben das Feld bewirtschaftet. Ich war schockiert und stellte die Leute zur Rede, was sie auf meinem Feld machen. Ohne mir eine Antwort zu geben, hat mich der Dorfvorsteher verprügelt. Er sagte nur ich soll zur Aam Admi Partei gehen und mich beschweren. Ich bin dann nur Polizei gegangen, aber keiner hat mir zugehört. Deshalb bin ich zu meinem Onkel mütterlicherseits gefahren und habe ihm alles erzählt. Mein Onkel erklärte mir, ich solle 3-4 Jahre bei ihm bleiben bis neue Wahlen statt finden. Eines Tages kamen 3-4 Polizisten zu meinem Onkel und nahmen mich mit ins Wachzimmer. Dort haben sie mich verprügelt. Danach war ich einmal einkaufen in Kotli, als ich von zwei Männern angeriffen wurde. Ich kanne aber die Feldwelge und konnte entkommen. Danach ist eines nachts der Dorfvorstand in alkoholisierten Zustand zum Haus meines Onkels gekommen und Sachen gegen die Tür geworfen. Er hat gerufen, dass er uns innerhalb von 20 Tagen töten wird. Daraufhin hat mein Onkel mit einem Schlepper gesprohen und mich aus Indien weggeschickt.

LA: Beim Dorfvostand handelt es sich um eine Person?

VP: Ja. Er heißt XXXX . Ich schätze ihn auf ca. 30, 32 Jahre. Der echte offizielle Dorfvorstand heißt XXXX , aber in Wirklichkeit macht alles XXXX . XXXX war vorher Dorfvorsteher. Es ist so, dass Leute von der niedrigen Kaste auch als Dorfvorsteher kandidieren dürfen. XXXX ist dann Dorfvorsteher geworden, jedoch hat XXXX das Amt in Wirklichkeit weitergeführt.

LA: Können Sie genau angeben, wann Sie sich der Aam Admi Partei angeschlossen haben?

VP: vor ca. 10 oder 11 Monaten, vor den Wahlen.

LA: Wann waren die Wahlen?

VP: vor 8-9 Monaten.

LA: Können Sie ein genaues Datum angeben?

VP: Die Wahlen waren am 04.02.2017. Nachgefragt gebe ich an, es waren Parlamentswahlen.

LA: Sie haben angegeben, dass Sie nachdem der Dorfvorsteher Sie verprügelt hat, bei der Polizei waren. Können Sie nachweisen, dass Sie dort waren?

VP: Die Polizei hat mich verprügelt. Wie kann ich da Beweise vorlegen.

LA: Sie haben zuvor angegeben, dass Sie nachdem der Dorfvorsteher verprügelt hat, sie zur Polizei gegangen sind und man habe Sie nicht angehört!

VP: Ja das stimmt.

LA: Können Sie nachweisen, dass Sie bei der Polizei waren?

VP: Nein, die Polizei hat nichts getan. Sie haben keine Anzeige entgegen genommen. Deswegen habe ich keine Beweisen.

LA: Können Sie Beweisen, dass Sie der Aam Admi Partei angehören?

VP: Nein, kann ich nicht. Sie können auch Überprüfungen machen und dann sehen sie dass, das Haus zuhause im Dorf versperrt ist und niemand wohnt. Nachgefragt gebe ich an, dass dort niemand wohnt, weil alle weg sind.

LA: Wer kümmert sich jetzt um alles?

VP: Niemand. Wenn bei den nächsten Wahlen die Regierung wechselt, dann werde ich Anzeige erstatten und mich um alles kümmern.

LA: Sie haben auch angegeben, dass ca. 3-4 Polizisten zu Ihrem Onkel gekommen sind. Wie viele Polizisten waren es jetzt tatsächlich?

VP: ich kann es nur schätzen weil ich nicht aus dem Haus gegangen bin. Mein Onkel hat mir gesagt, dass draußen die Polizei ist.

LA: Was haben Sie dann gemacht?

VP: Mein Onkel hat gesagt, dass ich nicht bei ihm wohne. Deshalb konnte ich aus dem Haus flüchten.

LA: Wo sind Sie dann hin?

VP: In der Nähe war ein Haus eines Freundes meines Onkels. Dort bin ich hingegangen.

LA: Sie haben zuvor angegeben, dass die Polizei zu Ihrem Onkel gekommen sei und Sie mitgenommen und dann verprügelt hätte. Jetzt geben Sie an, dass Sie flüchten konnten!

VP: Dieser Vorfall als sie mich ins Wachzimmer mitgenommen haben, war nachher.

LA: Wann war dieser Vorfall?

VP: Die Polizei war nicht nur einmal bei meinem Onkel, sondern 2-3 Mal.

LA: Zuvor haben Sie angegeben, dass Sie nur einmal bei Ihrem Onkel waren. Jetzt geben Sie an, dass Sie 2-3 Male da waren.

VP: Es ist so lange her, deshalb passieren kleine Fehler im Bezug auf meine Erinnerung.

LA: Wann war das erste Mal die Polizei bei Ihrem Onkel?

VP: Das genaue Datum weiß ich nicht. Ich kann mich erinnern, dass als ich zu meinem Onkel mütterlicherseits gefahren bin, ca. einen Monat danach ist die Polizei gekommen.

LA: Das war das erste Mal?

VP: Ja.

LA: In welchen Abständen ist dann die Polizei erschienen?

VP: Nach einer Woche wieder.

LA: Hatte die Polizei einen Haftbefehl oder etwas anderes gegen Sie?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Warum sind Sie dann davon gelaufen?

VP: Ich habe Angst bekommen.

LA: Verstehe ich das richtig, dass sie nicht angeben können, ob die Polizie was offiziell gegen Sie hat oder nicht?

VP: als ich gehört habe, dass die Polizei da ist, hatte ich Angst und bin geflüchtet.

LA: Haben Sie etwas angestellt und deshalb Angst?

VP: Nein, aber die Polizei ist auf der Seite der Partei die an der Macht ist. Deshalb hatte ich Angst, dass die Polizei eine gefälschte Anzeige gegen mich erstattet.

LA: Dem Onkel haben Sie auch nicht gesagt, warum Sie da sind und Sie suchen?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie gleich Ihr Heimatland verlassen und haben sich nicht in einem anderen Teil Ihres Landes niedergelassen!

VP: Die Kongresspartei ist an der Macht. Sie braucht der Polizei nur mein Foto geben und dann kann ich in ganz Indien gefunden werden.

LA: Sie haben am 05.01.2017 eine Verfahrensanordnung gem. §29 Abs. 3 AsylG erhalten, in der Ihnen mitgeteilt wird, dass beabsichtigt wird Ihren Antrag abzuweisen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

VP: Nein, was soll ich dazu sagen.

LA: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

VP: Ja.

LA: Bei der Erstbefragung am 08.01.2018 haben Sie angegeben, dass Sie mit einem Onkel Probleme hätten bezgl. eines Grundstückes!

VP: Das habe ich erzählt. Der Onkel war auf meinem Feld und ist mit dem Traktor gefahren. Ich habe nicht angegeben, dass ich einen Grundstückstreit habe. ich habe nur angegeben, dass sie auf meinem Feld mit meinem Traktor gefahren sind.

LA: Gibt es deshalb Probleme mit dem Grundstück?

VP: Nein. Bei den nächsten Wahlen hole ich mir das Grundstück zurück. Das Grundstück ist jetzt bei ihnen, das hole ich mir schon zurück. Ich mache mir sorgen um mein Leben und nicht um mein Land.

LA: Bei wem "ihnen"?

VP: Genau weiß ich es nicht. bei meinem Onkel oder beim Dorfvorsteher. Ich habe das Land ja verlassen.

LA: Aber Sie hatten noch genug Zeit Ihre Kühe zu verkaufen?

VP: Ein Freund meines Onkels mütterlicherseits hat meine Kühe verkauft. Er ist Viehhändler. Meine Mutter und meine Schwester waren ja noch dort im Dorf.

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten oder sonstige Familienangehörigen habe. Er lebe in einem Flüchtlingsheim und von der Grundversorgung. Er sei nicht Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen und kenne auch niemanden im Bundesgebiet.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zu den aktuellen Länderberichten zu Indien, welche ihm bereits mit Schreiben vom 08.01.2018 übermittelt wurden, eine Stellungnahme abzugeben. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er diese nicht gelesen habe. Auch gab der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater keine diesbezügliche Stellungnahme ab.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien

(Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurden gemäß §§ 57, 55 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen und es komme daher auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte er nach Wiederholung der Fluchtgründe aus, dass das Bundesamt den Großteil seiner Aussagen nicht zur Kenntnis genommen habe, sondern nur "jene herausgeklaubt hat", die seiner eigenen Argumentation zuträglich seien. So habe der Beschwerdeführer genaue Ort- und Zeitangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch und konsistent geschildert sowie Erklärungen über sämtliche Personen getätigt. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Jahr 2017 in Indien zwar keine Parlaments-, jedoch Regionalwahlen stattgefunden hätten, womit die Argumentation im Bescheid ins Leere gehe. Das Bundesamt habe sich nicht mit den Länderberichten auseinandergesetzt und gehe aus den Aussagen des Beschwerdeführers ferner hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunfähig seien. Für den Fall einer Rückkehr bestehe aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung und hätte festgestellt werden müssen, dass der Beschwerdeführer bei einer Abschiebung in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Auffangnetz mehr und sei von seiner Heimat entwurzelt. Somit verletze die Rückkehrentscheidung seine in Art. 8 EMRK geschützten Rechte. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Schule und lebte von den Erträgen der familieninternen Landwirtschaft. Zum Zeitpunkt der Ausreise lebten in Indien die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers. Weiters befindet sich sein Onkel mütterlicherseits in Indien. Dem Beschwerdeführer ging es in Indien finanziell sehr gut, er verdiente monatlich ungefähr 40.000 Rupien. Er ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich. Er lebt in einem Flüchtlingsheim und bezog bis 23.01.2018 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen und hat keine österreichischen Freunde. Er ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Bekannten, Verwandten oder Familienangehörigen hat, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation sowie gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2018.

Dass der Beschwerdeführer bis 23.01.2018 Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch genommen hat und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch politische Gegner der Kongress Partei bzw. seinen Onkel väterlicherseits nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Befragung am 08.01.2018 als auch bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2018 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch insgesamt als widersprüchlich sowie wenig konkret und detailliert zu qualifizieren.

So gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt nach seinen Fluchtgründen an, dass er, nachdem er am Feld vom Dorfvorsteher verprügelt worden sei und die Polizei in weiterer Folge untätig geblieben sei, zu seinem Onkel mütterlicherseits gezogen sei. Im völligen Widerspruch hierzu führte der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er nachweisen könne, dass er nach dem Vorfall mit dem Dorfvorsteher überhaupt bei der Polizei gewesen ist, an, dass die Polizei ihn verprügelt habe und er somit keine Beweise hierfür vorlegen könne. In seiner weiteren Befragung zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates führte der Beschwerdeführer zu den Vorkommnissen nach seiner Flucht aus dem Dorf an, dass ihn einmal drei bis vier Polizisten im Haus seines Onkels aufgesucht, ins Wachzimmer gebracht und verprügelt hätten. Zu einem späteren Zeitpunkt in derselben Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl änderte der Beschwerdeführer aber die bisher behaupteten Verfolgungshandlungen insoferne, als er nun angab, dass er habe flüchten können, als die Polizei zu seinem Onkel gekommen sei, da dieser draußen gewesen sei und den Polizisten gesagt hätte, dass der Beschwerdeführer nicht bei ihm wohne. Auf Vorhalt der geänderten Angaben steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, indem er anführte, dass die Polizei nicht nur einmal, sondern zwei bis drei Mal bei seinem Onkel mütterlicherseits nach ihm gesucht hätte. Die Aussage des Beschwerdeführers, wonach die Geschehnisse "lange her" gewesen seien, vermochte nicht glaubhaft zu erklären, warum sich der Beschwerdeführer an solch einschneidende Ereignisse nicht erinnern kann, zumal sich diese - wie im Bescheid völlig richtig angemerkt - vor nicht einmal einem Jahr ereignet haben. Schließlich ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eingangs seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, zu seinem Onkel gezogen zu sein und diesem alles erzählt zu haben. Im völligen Widerspruch hierzu gab er zu einem späteren Zeitpunkt derselben Befragung an, dass er seinem Onkel nicht gesagt habe, wieso er dort sei und wieso man nach ihm suche.

Ferner ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, genauere Angaben zur Anzahl der Polizisten, die ihn bei seinem Onkel aufgesucht hätten, zu machen. So gab der Beschwerdeführer an, dass er die Polizisten beim ersten Mal nicht hätte sehen können, weil er im Haus gewesen sei. Aber auch zu den weiteren, Malen blieben sämtliche Details gänzlich aus. Schließlich waren auch seine sonstigen Aussagen zu einer etwaigen Verfolgung durch die Polizei stets vage und unkonkret und konnte der Beschwerdeführer auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht angeben, ob die Polizei einen gegen seine Person gerichteten Haftbefehl gehabt hat oder nicht. Auch aus diesem Grund erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig.

Aus den Angaben des Beschwerdeführers lässt sich außerdem schließen, dass er ein bloßer Anhänger der Aam Admi Partei gewesen sein will. Warum ausgerechnet er flüchten musste, während sich ihre Mitglieder, insbesondere solche, die in der Hierarchie auch höher stehen, weiterhin im Heimatort und Heimatland aufhalten, lässt sich nicht schlüssig erklären und hat der Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar dargelegt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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