TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/22 I401 2171512-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2018
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Entscheidungsdatum

22.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

Spruch

I401 2171512-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2017, IFA: 1089739801 Verfahren: 151480666, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III. erster Satz zu lauten hat:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass die Terroristengruppe Boko Haram ihn habe rekrutieren wollen, was er abgelehnt habe. Er habe Angst, verfolgt und umgebracht zu werden. Deswegen habe er sein Land verlassen.

2. Am 17.08.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen.

Er brachte im Wesentlichen vor, dass er einen Brief, auf dem sein Name und sein Geburtsdatum gestanden sei, an seiner Heimatadresse in Lagos erhalten habe, der ihm von der Terrororganisation Boko Haram zugesandt worden sei. In diesem Brief sei er aufgefordert worden, sich binnen drei Monaten in M. einzufinden und sich Boko Haram anzuschließen, weil er ein Moslem sei. Der Beschwerdeführer habe diesen Brief zur Polizei gebracht und er habe Anzeige erstattet, die Polizei sei jedoch nicht tätig geworden. Vielmehr habe die Polizei die Anzeige an Boko Haram weitergegeben. Dies wisse er, weil er einen weiteren Brief von Boko Haram mit dem Inhalt erhalten habe, dass er bei der Polizei gewesen sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass eine weitere Anzeige bei der Polizei sinnlos sei und er noch zwei Monate Zeit habe, sich zu melden. Er habe Nachforschungen bei verschiedenen anderen Familien gemacht und herausgefunden, dass der Sohn einer Familie, weil dieser der brieflichen Aufforderung nicht nachgekommen sei, vermisst werde. Aufgrund des Verschwindens dieser Person und aufgrund der Korruption der nigerianischen Polizei habe er sein Heimatland verlassen.

3. Mit Bescheid vom 01.09.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Außerdem setzte die belangte Behörde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Begründend führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als muslimischer Religionslehrer in den Fokus der Boko Haram geraten sei. Insbesondere aufgrund dieses Umstandes, bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Des Weiteren habe es die belangte Behörde unterlassen, konkrete fallbezogene Ermittlungen und Recherchen durchzuführen. Hinsichtlich seiner Integration in Österreich legte der Beschwerdeführer dar, dass er, wie in einem gerichtlichen Beschluss begründet werde, maßgeblich an der Erziehung zweier Kinder eines Freundes, mit dem er eine enge Freundschaft verbinde, beteiligt sei, deren Interessen am Verbleib des Beschwerdeführers zu berücksichtigen seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Yoruba an. Bis zu seiner Ausreise aus Nigeria lebte er in Lagos. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein. Er hält sich seit (zumindest) 02.10.2015 in Österreich auf.

Die Eltern und Schwestern sowie weitere Verwandte des Beschwerdeführers leben in Nigeria. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und lebt in keiner Lebensgemeinschaft. Seit 07.11.2016 lebt der Beschwerdeführer im Haushalt des M. A. U., mit dem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegt und ihn bei der Erziehung von dessen beiden minderjährigen Kindern unterstützt.

Der Beschwerdeführer besuchte ca. 14 Jahre die Schule in Lagos und verdiente sich anschließend seinen Lebensunterhalt durch das Bedrucken von Kleidung mit Grafiken.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer lässt während seines Aufenthalts in Österreich gewisse Integrationsbemühungen erkennen. Er verkauft(e) in Österreich die Zeitung "Augustin", und war geringfügig bei der "MA 48" beschäftigt. Er unterstützt M. A. U., einen Freund, bei der Betreuung und Erziehung dessen beider minderjähriger Kinder.

Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 01.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Zu dem in der Beschwerde getätigten Vorbringen des Beschwerdeführers ist darüber hinaus Folgendes festzuhalten:

"3 Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta (SBM 17.1.2017). Laut SBM Intel war Boko Haram im Jahr 2016 für 71 Vorfälle mit 1.240 Toten verantwortlich. Den Fulani-Hirten werden für das Jahr 2016 47 Vorfälle mit 1425 Toten zugeschrieben. Viehdiebstahl, welcher für viele Jahre an Bedeutung verloren hat, ist inzwischen für Hirten, die hauptsächlich von Fulani abstammen, ein Grund für Konflikte und Angriffe geworden. Bei zwölf Vorfällen von Viehdiebstahl sind 470 Menschen getötet worden. Die Ölkonflikte, die sich im Jahr 2016 im Nigerdelta zugetragen haben, haben sich auf die ölproduzierenden Bundesstaaten im Südwesten und Südosten verbreitet. Bei 32 Vorfällen wurden 97 Menschen getötet (SBM 17.1.2017).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 24.7.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi und Gombe. Darüber hinaus wird auch von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten. Wegen des besonders hohen Entführungsrisikos wird außerdem von Reisen in die Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insb. Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom abgeraten (AA 24.7.2017). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie an die Grenze zu Niger im Bundesstaat Zamfara (UKFCO 24.7.2017).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia sowie an die Grenze zu Niger in Sokoto und Kebbi und die Trockengebiete von Delta, Bayelesa und Rivers (UKFCO 24.7.2017). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 24.7.2017).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 24.7.2017) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 21.11.2016).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2016 bis Juni 2017 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.097), Benue (754), Rivers (360), Zamfara (308) und Adamawa (201). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (3), Kebbi (7) und Sokoto (8) (CFR 2017). Laut OSAC besteht eine erhebliche terroristische Bedrohung vor allem in Nordnigeria. Boko Haram hat für die meisten terroristischen Aktivitäten die Verantwortung übernommen. In der gesamten Nigerdelta-Region greifen mehrere aufständische Gruppen gezielt die Infrastruktur und Mitarbeiter von internationalen Ölgesellschaften an. Viele Gebiete im südlichen Nigeria erleben aufgrund großer Armut, mangelnder Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und bedeutender Inflation Unruhen verursacht durch Zivilisten (OSAC 4.7.2017).

3.3. Nordnigeria - Boko Haram

In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzudämmen (AA 4.2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4.2017a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Distriktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).

Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4.2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne dass es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Islamisten weiterhin aktiv (AA 4.2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wude nahe Magumeri im Bundesstaat Borno angegriffen (DS 28.7.2017).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017). Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren (DW 6.5.2017).

Boko Haram möchte eine Version vom Islam durchsetzen, die es für Muslimen "haram" macht oder ihnen verbietet an irgendeiner politischen oder sozialen Tätigkeit teilzunehmen, die mit dem Westen assoziiert wird. Dazu gehört das Wählen, das Tragen von Hemden und Hosen oder säkulare Bildung. Boko Haram betrachtet den nigerianischen Staat als von Ungläubigen betrieben, ungeachtet dessen, ob der Präsident muslimisch ist oder nicht (BBC 24.11.2016). Grob datiert werden kann die Entstehung der Gruppe auf das Jahr 2002. Sie hat sich in Maiduguri im Norden Nigerias formiert. Ihr Vorgehen war zunächst friedlich. Experten sehen die anfängliche Attraktivität von Boko Haram vor allem in den politischen und sozialen Verhältnissen im Norden Nigerias begründet: Die Gesellschaft ist ethnisch und religiös zersplittert, Armut und Arbeitslosigkeit sind höher als in anderen Landesteilen. Der Staat kommt seinen Aufgaben nur bedingt nach, die Lokalregierungen sind oft korrupt. Etwa ab 2009 radikalisierte sich die Gruppe und bekämpft seither aktiv den nigerianischen Staat. Seit 2011 kommt es beinahe im Wochenrhythmus zu Überfällen auf Kirchen, Polizeistationen, Schulen, Universitäten und andere Einrichtungen des Staates. Markenzeichen von Boko Haram sind sogenannte Drive-by-Shootings, gezielte Tötungen vom Motorrad aus, die sogar zu einem Motorrad-Verbot in Maiduguri führten. Aufgrund des anhaltenden Terrors rief der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Mai 2013 in den drei nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Notstand aus. Der Konflikt weitete sich inzwischen auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Seit November 2013 wird Boko Haram von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die finanziellen Mittel Boko Harams stammen einerseits von Überfällen, bei denen in den vergangenen Jahren mutmaßlich Millionen von Dollar erbeutet wurden. Die Organisation wird aber auch von anderen Terrororganisationen wie Al-Kaida und ihrem nordafrikanischen Ableger Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), der somalischen al-Schabab oder dem Islamischen Staat unterstützt. Der Chef von Boko Haram war von 2010 bis 2016 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hatte, ist fraglich. Im August 2016 meldete das IS-Magazin Al-Naba, dass Shekau als Chef von Boko Haram entmachtet wurde. Als Nachfolger nannte das Magazin den bisherigen Sprecher der Organisation, Abu Musab al-Barnawi (Zeit 18.1.2017). Es gibt Berichte, dass Boko Haram sich in zwei Gruppierungen aufgeteilt hat, eine wird von Abubakar Shekau geführt und die andere von Abu Musab al-Barnawi (NW 15.3.2017; vgl. DW 4.8.2016). Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 18.1.2017).

Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016) und im Dezember 2016 erklärte das nigerianische Militär den Sambisa Wald frei von Boko Haram (VOA 31.3.2017). Boko Haram übte trotzdem sporadische Angriffe im Sambisa Waldgebiet aus und verstärkte Überfälle auf Dörfer und Städte in der Suche nach Nahrungsmitteln (DW 28.3.2017)

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buha-ri versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) haben weiterhin militärische Operationen gegen Boko Haram im Nordosten des Landes durchgeführt. Einige der Truppen töteten mutmaßliche Boko Haram Mitglieder. Auch gab es Massenverhaftungen von Männern und Buben, die auch gefoltert wurde. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischen Operationen 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigerianische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 21.11.2016).

Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen (TNY 22.12.2015; vgl. IRIN 9.5.2017). Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut der UN und anderen internationalen Organisationen rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet den Einsatz von Kindersoldaten und behauptet, dass die CJTF keine Kindersoldaten einsetzte. Dennoch wird die CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 3.3.2017). Es gibt auch Berichte, dass Frauen in IDP-Lager von Mitgliedern der CJTF und des Militärs sexuell ausgebeutet und missbraucht werden (AI 6.2017). Die CJTF hat aus Angst vor weiblichen Selbstmordattentätern für Frauen in Maiduguri eine Ausgangssperre verhängt. Frauen, die diese nicht einhalten, werden verprügelt. Trotz Versprechungen der Regierung die CJTF unter Kontrolle zu bringen, gibt es weiterhin Berichte, dass CJTF-Mitglieder ihre Opfer schikanieren, foltern und misshandeln (IRIN 9.5.2017).

In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 21.11.2016; vgl. FH 2.6.2017). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadt-bezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten 2000/2001 haben die staatlichen Scharia-Gerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten, während sie zuvor auf das islamische Personenstandsrecht beschränkt waren. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 21.11.2016). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 3.3.2017).

Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 im Hinblick auf die Entscheidung über das anzuwendende Rechtssystem "Common Law" oder des "Customary Court Law"-Systems durch Gesetze der Gliedstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben "Sharia Courts" neben "Common Law" und "Customary Courts" geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet. Bedingt durch die drei einander mitunter widersprechenden Rechtssysteme und aufgrund der schlechten Bezahlung, Überlastung und fehlenden Infrastruktur ist Korruption im Justizbereich verbreitet (ÖBA 7.2014).

Die Justiz hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 2.6.2017). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung und Ausbildung, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt. Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 3.3.2017).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 21.11.2016). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC); Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 21.11.2016).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 21.11.2016). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. 66 - 72 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 21.11.2016). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 21.11.2016).

7. Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor. Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (USDOS 3.3.2017) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 7.2017a). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 136 von 176 untersuchten Staaten (TI 25.1.2017).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 3.3.2017). Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet; Gelderpressungen an Straßensperren sind an der Tagesordnung (AA 21.11.2016).

Die Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt (AA 4.2017c).

Obwohl die Bemühungen der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sich auf Regierungsbeamte mit niedrigem und mittlerem Rang konzentrierten, begannen beide Organisationen mit Ermittlungen und Anklagen gegen verschiedene hochrangige Regierungsbeamte (USDOS 3.3.2017). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung fast aller Formen von Korruption, während das EFCC auf Finanzdelikte beschränkt ist (USDOS 3.3.2017).

Die Buhari-Regierung setzte ihren Kampf gegen Korruption fort, indem Reformen auch im Öl- und Sicherheitssektor durchgeführt wurden. Im Jahr 2016 wurden mehrere hochrangige Militär- und Regierungsbeamte wegen Korruption verhaftet (FH 2.6.2017). Die nigerianische Regierung nahm die "Geister-Beamten" des Staatsapparats ins Visier. Im Laufe des Jahres seien rund 50.000 solcher Bediensteter von den staatlichen Gehaltslisten gestrichen worden, weil sie zwar formell als Staatsbedienstete geführt und entlohnt wurden, aber nie bei der Arbeit auftauchten, wie das Präsidialamt in Abuja mitteilte. Durch die Streichungen blieben dem Staatshaushalt jährlich rund 630 Millionen Euro an erschwindelten Lohnausgaben erspart (FAZ 28.12.2016).

Die Polizei hat in einer Wohnung in Lagos umgerechnet 44 Millionen Dollar gefunden, welches dem Geheimdienst gehörte. Die Entdeckung der Bargeldsumme war auf einen Tipp an die EFCC hin erfolgt. Der Direktor des Geheimdienstes, Ayo Oke, machte geltend, die Millionen würden für verdeckte Operationen eingesetzt werden, er wollte aber nicht sagen, woher das Geld kam. Daraufhin wurde Ayo Oke von Buhari entlassen. Ebenfalls des Amtes enthoben wurde der Kabinettschef Lawal. Er soll über 800.000 Dollar entwendet haben, die für humanitäre Zwecke im von Hunger geplagten Nordosten des Landes vorgesehen waren (NNZ 22.4.2017; vgl. Reuters 19.4.2017).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 3.3.2017).

19. Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa aufgrund der Operationen gegen Boko Haram. Auch in anderen Bundesstaaten gab es Ausgangssperren als Reaktion auf Vorfälle, wie zum Beispiel ethnisch-religiöse Gewalt. Es gibt auch weiterhin sogenannte "Stopp- und Durchsuchungsoperationen" in Städten und Hauptverkehrsstraßen, wobei Checkpoints eingerichtet werden. Der neue Generalinspektor der Polizei erneute den Auftrag seines Vorgängers, dass alle Checkpoints aufgelösten werden sollten. Dennoch blieben viele von Militär und Polizei betriebene Checkpoints vorhanden (USDOS 3.3.2017).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 3.3.2017). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UK-HO 10.8.2016). Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Igbo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung, mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen, feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖBA 9.2016).

Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten ohne ein solches soziale Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 21.11.2016).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt (USDOS 3.3.2017).

23. Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zu-rückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitorings der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

... ."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seinem Aufenthalt vor seiner Ausreise, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen. Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme durch die belangte Behörde.

Seine Beziehung zu einem in Österreich lebenden Freund und die Mitwirkung an der Betreuung von dessen zwei Kindern ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Akteninhalt, insbesondere einer Stellungnahme des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Soziale Arbeit mit Familien, vom 04.08.2017 über die Aufnahme des Beschwerdeführers in den Haushalt des M. A. U. als Unterstützung bei der Betreuung dessen Kinder, einer Bestätigung des Pfarrkindergartens St. Benedikt vom 03.08.2017, dass der Beschwerdeführer die Tochter des M. A. U. mitbetreut und sie regelmäßig in den Kindergarten bringt und/oder sie von dort abholt, und der mit der erhobenen Beschwerde vorgelegten Bestätigung "Notfalladressen 2017/2018" vom 04.09.2017 vor, wonach er bei einem Notfall verständigt werden soll und das Kind bzw. den Sohn des M. A. U. abholen darf, wenn der Erziehungsberechtigte nicht erreichbar ist.

Im Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 07.07.2017 findet sich dazu die Feststellung (Seite 4), dass in der Wohnung neben dem Vater (M. A. U.) mit den zwei Minderjährigen noch ein Freund des Vaters, nämlich der Beschwerdeführer, wohnt, der sich zeitweilig auch um die Minderjährigen kümmert, sie zur Schule bzw. zum Kindergarten bringt oder abholt und den Vater bei der Erziehung unterstützt.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 21.08.2018.

Die Feststellung der (an 41 Tagen) tageweise ausübten geringfügigen Beschäftigung des Beschwerdeführers (bei der Stadt Wien, MA 48) im Zeitraum vom 11.11.2016 bis 28.04.2017, ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug vom 21.08.2018 sowie einer Bescheidausfertigung des Arbeitsmarktservice Wien vom 20.10.2016 über die dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 01.11.2016 bis 30.04.2017 erteilte Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Schneeschaufler gemäß § 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz und den An- und Abmeldungen des Magistrats der Stadt Wien, MA 48, über die von ihm (im Zeitraum November 2016 bis März 2017) tageweise ausgeübte geringfügige Beschäftigung.

Die Feststellungen zu seinem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem vorliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Dass er gewisse Integrationsbemühungen an den Tag legte, ergibt sich aus einer im erstinstanzlichen Akt befindenden "Mitglied Bestätigung", dass der Beschwerdeführer ein engagiertes Mitglied des AR-Rasheed Nigerianischen islamischen Vereins ist, einem Spielerpass des SV Hütteldorf, dass er seit 03.05.2016 Spieler dieses Fußballvereins ist, und einem Kassenbeleg der Wiener Volkhochschulen GmbH vom 02.08.2017 über die Bezahlung des Kurses für AnfängerInnen "Deutsch A1 ÖSD Prüfung".

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Nigeria weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen im Administrativverfahren vor der belangten Behörde sowie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe machte der Beschwerdeführe im Wesentlichen ein "Bedrohungsszenario" durch die Terrororganisation Boko Haram geltend. So gab er an, er habe einen Brief an seiner Heimatadresse in Lagos erhalten, der von der Terrororganisation Boko Haram stamme. In diesem Brief sei er aufgefordert worden, sich binnen drei Monaten in M. einzufinden und sich Boko Haram anzuschließen. Der Beschwerdeführer habe diesen Brief zur Polizei gebracht und Anzeige erstattet, die Polizei sei jedoch nicht tätig geworden. Vielmehr habe die Polizei die Anzeige an Boko Haram weiter gegeben. Auf Vorhalt durch die belangte Behörde, weshalb der Beschwerdeführer sicher gewesen sei, dass die Briefe tatsächlich von Boko Haram stammen würden, gab er wie folgt an:

"Der Umstand, durch welchen ich sicher war, dass dieser Brief echt ist, war, dass ich nach einem Monat, nachdem ich bei der Polizei war, den zweiten Brief bekam. In dem stand an welchen genauen Datum ich bei der Polizei war und dass ich noch von meiner Frist zwei Monate übrig hätte und dass es ihnen egal ist, ob ich zur Polizei gehe oder nicht. Das war der einzige Beweis für mich."

Der Beschwerdeführer habe Nachforschungen bei verschiedenen anderen Familien angestellt und herausgefunden, dass eine Person aufgrund der Nichteinhaltung der Stellung bei Boko Haram verschwunden sei. Aufgrund des Verschwindens dieser Person und aufgrund der Korruption der nigerianischen Polizei habe er sein Heimatland verlassen.

Es ist dem Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Vorbringen als vage und unkonkret und nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend gewertet hat.

Zum einen ergibt sich aus den Länderberichten (Pkt. 3.3. Nordnigeria - Boko Haram), dass es in Lagos, wo sich der Beschwerdeführer seit seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aufhielt, keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram gibt, die Terroristen nicht in der Lage sind, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren und sich Menschen, wenn sie sich von Boko Haram bedroht fühlen, im Land umsiedeln können. Zum anderen ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn diese ausführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer lediglich aufgrund der ihm zugekommenen zwei Briefe der Boko Haram Hals über Kopf seine Heimat verlassen habe. Wenig verständlich bleibt in diesem Zusammenhang - wie auch die belangte Behörde zu Recht ausführte -, weshalb der Beschwerdeführer nicht ein weiteres Mal zur Polizei ging, zumal er in einer Millionenstadt wie Lagos auch eine andere Dienststelle oder Behörde aufsuchen hätte können. Der Beschwerdeführer konnte diese Briefe nicht vorlegen, weil er sie - entsprechend seiner Aussage - "auf seiner Flucht im Meer verloren habe." Er hat somit keine konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlung oder Bedrohung durch Boko Haram geltend gemacht, er hat auch die Frage, ob er jemals persönlichen Kontakt zu einem Mitglied von Boko Haram gehabt habe, verneint. Sein Vorbringen erschöpft sich in der bloßen Behauptung, zwei Briefe von Boko Haram mit der Aufforderung, sich ihnen anzuschließen, erhalten zu haben und in darauf gründenden vagen Vermutungen. Dies betrifft insbesondere auch die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Nachforschungen bei anderen Familien. Es bleibt offen, in welchem Kreis der Beschwerdeführer seine Nachforschungen getätigt haben soll. So gab er etwa wenig stringent zunächst wie folgt an:

"Ich habe den ersten Brief nicht allen möglichen Freunden hergezeigt, sondern Familienmitgliedern und gefragt, ob sie schon jemals einen solchen Brief bekommen haben. Als ich Ermittlungen angestellt habe, ob jemand einen solchen Brief bekommen hat, fand ich heraus, dass auch andere Familien solche Briefe erhalten haben. Eine Familie hat berichtet, dass ihr Sohn, weil er der brieflichen Anforderung nicht nachgekommen ist, vermisst wird. So wusste ich, wenn ich der Aufforderung nicht nachkomme, mich Boko Haram anzuschließen, ebenso verschwinden werde."

Auf Nachfrage, ob er von anderen Familien wisse, die dieses Problem mit dem Verschwinden von Familienmitgliedern hätten, gab er schließlich an:

"Nein, eben diese eine Familie, sonst habe ich mich um mich gekümmert, ich weiß nicht, vielleicht wurde dieser Brief an fünfzig Familien geschickt."

Der Beschwerdeführer konnte somit keine konkreten Angaben dazu machen, ob dieser von ihm ins Treffen geführten Sohn tatsächlich von Boko Haram-Mitgliedern entführt und getötet wurde. Letztlich handelt es sich bei diesem Vorbringen lediglich um eine vage Vermutun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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